horus 04/ 2017 "Teilhabechancen"

Titelseite horus 04/2017

Bildbeschreibung: Das Titelbild ist eine Collage aus drei Bildern. Das erste Bild zeigt zahlreiche Jugendliche, die sich in einem Hörsaal eingefunden haben. Mehrere Jugendliche sind in Gespräche vertieft. Auf dem zweiten Bild sind im Vordergrund zwei Jugendliche, ein Junge und ein Mädchen zu sehen, die sich in einem Raum mit Instrumenten aufhalten. Beide lachen. Im Hintergrund sind weitere junge Menschen erkennbar. Das letzte Bild zeigt fünf Jugendliche, zwei Jungen und drei Mädchen, die in ein Brettspiel vertieft sind. Die Atmosphäre ist locker, und alle lächeln. (Fotos: DVBS)


Inhaltsverzeichnis


Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe DVBS-Mitglieder,
teilhaben, das will jeder und jede. Aber was bedeutet Teilhabe, und was sind die Risiken und Nebenwirkungen, wenn wir über Teilhabechancen sprechen? Der Begriff bleibt in dem uns interessierenden Zusammenhang – ähnlich wie derjenige der Inklusion – zunächst recht diffus und ist nicht gerade mit gesellschaftstheoretischer Würze gesegnet. Lässt er sich schärfer fassen? Vor allem, lassen sich aus ihm konkrete Forderungen für uns ableiten?

Zunächst einmal muss man sich vergegenwärtigen, dass Teilhabe nicht zwangsläufig positiv ist. An unglücklichen Wendungen des gesellschaftlichen Lebens wollen wir aber gewiss nicht teilhaben. Sollte die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos sein, so wäre unsere Forderung sicher nicht, an diesem Schicksal beteiligt zu werden. Doch kann man sich mit dem Begriff der Teilhabe die sozialen Rosinen herauspicken und die unangenehmen Seiten der Realität tatsächlich ignorieren? Ich sehe hier ein Dilemma, das sich nicht durch schöne Floskeln in Luft auflöst. Wir benötigen schärfer konturierte Begriffe von dem, worum es uns geht als denjenigen der Teilhabe.

So spiegeln auch die Artikel des horus-Schwerpunktes eher das Ringen um den Ausgleich von Nachteilen, von denen es für uns immer noch genug gibt.

Jeder Mensch muss mit solchen Nachteilen im Laufe seines Lebens rechnen und fertig werden. Doch bei Menschen mit Seheinschränkungen potenzieren sie sich zwangsläufig. Indes, selbst das ist in verschiedenen Lebenslagen durchaus unterschiedlich. Wer sich durch seine Ausbildung oder sein Studium kämpft, der hat andere Sorgen und Nöte als derjenige im Beruf oder im vorgerückten Alter.

Über eine Reihe dieser Aspekte können Sie sich in der vorliegenden Ausgabe informieren, wenn etwa Christian Seuß die Problematik des Alters beleuchtet oder wenn Sabine Lauber-Pohle im Gespräch mit Dr. Imke Troltenier ankündigt, dass sich die Universität Marburg verstärkt dem Thema der Erwachsenenfortbildung behinderter Menschen widmen möchte und hier erheblichen Forschungsbedarf sieht.

Die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe wird in ihrem Bemühen, derartige Nachteile zu benennen und auf ihre Abschaffung zu dringen, auch im kommenden Jahr beharren. Lassen Sie sich also nicht entmutigen, wenn Sie mit solchen Widrigkeiten konfrontiert sind. Gemeinsam haben wir in der Vergangenheit manches erreicht, und in der Zukunft können wir noch mehr schaffen. DVBS und blista sind dazu bereit, brauchen aber auch Ihre Unterstützung und Kreativität zur Realisierung dieser Ziele.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein ruhiges Jahresende und ein erfolgreiches Jahr 2018.

Ihr und Euer

Uwe Boysen

Foto: Uwe Boysen

Uwe Boysen ist ehemaliger Vorsitzender des DVBS. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Herrn mit hellen Haaren, Brille, hellem Hemd und rotem Pullover, der verschmitzt in die Kamera lächelt.


 In eigener Sache

Abschied von André Badouin

André Badouin hat den horus in spannenden Zeiten begleitet. Er kam Anfang 2016 zu uns, mitten hinein in die Vorbereitungen zum 100-jährigen Jubiläum von DVBS und blista. Da musste er sich schnell in neue Strukturen  einarbeiten und die vielen verschiedenen Akteure der Selbsthilfe kennen lernen. Dabei galt sein besonderes Augenmerk stets unserer Zeitschrift, deren Produktionsprozess er zuverlässig begleitete. Seine hilfsbereite und zugewandte Art hat ihn der Redaktion schnell sympathisch gemacht. Dafür und für seine Arbeit möchten wir uns herzlich bei ihm bedanken.

Auch wenn André Badouin den DVBS zum Jahresende auf eigenen Wunsch verlässt, so wird er sicherlich von seinen bei und mit uns gemachten Erfahrungen profitieren. Das Team der horus-Redaktion wünscht ihm für seinen weiteren beruflichen Weg alles Gute und viel Erfolg!

Foto André Badouin

André Badouin verlässt den DVBS Ende des Jahres. Foto: privat

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist Herrn mittleren Alters mit dunklen, teilweise ergrauten Haaren, blauem Hemd, dunkelblauer Krawatte und schwarzem Jackett zu sehen, der lächelnd in die Kamera blickt.

Horus 1/2018

Das Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe lautet "Selbsthilfe auf  dem Weg". Untersucht wird, wie sich die Selbsthilfe in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert hat, welche Vor- oder Nachteile dies mit sich gebracht hat und wie diese sich im Jahr 2018 darstellt. Zu Wort kommen in diesem Zusammenhang Wissenschaftler, Experten, Betroffene und blista-Schüler. Wenn auch Sie etwas zu dem Thema beitragen möchten, sind Sie gerne eingeladen, einen Beitrag für den horus zu verfassen.

Senden Sie uns dazu bitte Ihren Text per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Artikel für den Schwerpunkt können bis zu 10.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen. Kürzere Meldungen sollten nicht mehr als 2.000 Zeichen haben. Redaktionsschluss ist der 10. Januar 2018.

Es grüßt Sie alle letztmalig,

Ihr und Euer

André Badouin


 Schwerpunkt "Teilhabechancen"

Teilhabechancen an Arbeit und Beruf: Was muss geschehen, um die Erwerbsbeteiligung blinder und sehbehinderter Menschen zu verbessern?

Dr. Heinz Willi Bach

Die Kenntnis dieser Tatsachen ist in Fachkreisen mittlerweile Allgemeingut: Lediglich 27 Prozent der blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen zwischen 20 und 60 Jahren gingen in den 1990er Jahren einer beruflichen Tätigkeit nach (vgl. Schröder H. 1997). In den Jahren seit der Jahrhundertwende sind es 26 Prozent derjenigen zwischen 15 und 64 Jahren (vgl. Teilhabebericht der Bundesregierung 2013). Dabei liegt die Arbeitslosenquote von Akademikern allgemein derzeit nur bei 2,3 Prozent, während sie unter Mitgliedern des DVBS rund 16 Prozent beträgt. Sozialer Fortschritt und berufliche Inklusion sehen anders aus!

Bemerkenswert ist jedoch auch folgendes Detail: Laut der infas-Untersuchung (Schröder 1997) liegt die Erwerbsbeteiligung frühzeitig erblindeter Personen deutlich höher; zum Teil doppelt so hoch wie oben berichtet. Diese Personen haben ihre Allgemeinbildung und berufliche Sozialisation und Ersteingliederung bereits unter den Bedingungen der manifesten Behinderung erfahren. Das ist ein durchaus erfreulicher Umstand. Aber weniger als 3000 Personen sind vor Erreichen des 25. Lebensjahres erblindet (Schwerbehindertenstatistik 2015). Die ganz überwiegende Zahl der Betroffenen steht also bereits deutlich im Erwerbsalter und zu nahezu 100 Prozent im Berufsleben, wenn die Beeinträchtigung eintritt. Die Zahl der von Blindheit betroffenen im Erwerbsalter wird mit 32.750 Personen angenommen (Bach, H.W. 2014). Laut Schröder (1997) schieden die meisten der im Erwerbsalter Erblindeten nach der Erblindung aus dem Erwerbsleben aus. Dadurch wurde die Chance vertan, nach einer ophthalmologischen und beruflichen Rehabilitation den früheren Arbeitsplatz in der bisherigen Firma oder Verwaltung wieder einzunehmen (dies gilt aus vielen Gründen als die beste Lösung, kommt allerdings leider selten vor) oder einen anders als bisher zugeschnittenen Arbeitsplatz beim selben Arbeitgeber auszuüben. Dies ist die immerhin zweitbeste Lösung, da Betriebs-, Berufs- und Branchenerfahrung nutzbar sind, nicht zuletzt auch die Einbindung in die Kollegenschaft.

Wenn dies nicht möglich erscheint, ist der behinderte Mensch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und die dortigen Beratungs- und Vermittlungssysteme angewiesen. Das hohe Ausmaß und die lange Dauer der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Personen (Teilhabeberichte der Bundesregierung 2013 und 2016) zeigen deutliche Funktionsmängel auf den Arbeitsmärkten. Laut Schröder (1997) waren sieben Prozent der blinden Personen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren arbeitslos oder arbeitsuchend; dies entspricht einer damaligen Unterbeschäftigungsquote von 21,2 Prozent. (Bei der Unterbeschäftigungsquote werden auch Arbeit suchende Menschen erfasst, die nicht oder nicht mehr als arbeitslos registriert sind.) Lediglich drei von vier derjenigen, die sich als arbeitslos bezeichneten, gaben an, bei den Arbeitsämtern registriert zu sein – so errechnet sich die spezifische Arbeitslosenquote in Höhe von 16 Prozent. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit dieser Personen lag bei elf Jahren (vgl. Schröder 1997 u. eig. Berechnungen).

Wir differenzieren nunmehr die Problemlagen nach den Dimensionen Arbeitsangebot und Bildungsfragen, Arbeitsnachfrage und Vermittlungssysteme.

Was sind relevante Dimensionen auf Angebotsseite?

Motivation: Angesichts des hohen Ausmaßes von Verrentung könnte man von geringer Motivation der Betroffenen ausgehen, nach dem (teilweisen) Verlust des Augenlichts weiterhin einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Eine britische Studie mit Befragung von erblindeten Personen zeigt allerdings ein differenziertes Bild: Kurz nach dem Eintritt der Behinderung wird von den Betroffenen die damals in Großbritannien äußerst leichte Verrentung (Attest des Hausarztes war hinreichend) als Erleichterung empfunden, bei der ersten Nachbefragung nach sechs Monaten zeigte sich bereits ein anderes Bild. Eine Reihe von Betroffenen wäre gern wieder beruflich tätig gewesen. Nach der zweiten Nachbefragung nach 24 Monaten war die überwiegende Zahl der Befragten daran interessiert, wieder eine berufliche Tätigkeit ausüben zu können (Resnikoff 2004). Für Deutschland können wir sicherlich eine ähnliche Entwicklung der Motivlagen unterstellen. Interviews zeigen auch hier, dass im Lauf der Zeit der Wunsch nach erneuter beruflicher Tätigkeit größer wird.

Berufliche Rehabilitation: Bei der intendierten Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz oder zumindest einen bekannten anderen Arbeitsplatz beim selben Arbeitgeber ist die Rehabilitation sicherlich gezielter plan- und durchführbar, als wenn das Ziel in der Teilhabe an Arbeit über die Bewerbung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegt. Hier gestalten sich Fragen von Qualifikation, Kompetenzvermittlung und Flexibilität anders. Es gilt, die Betroffenen entsprechend ihren Eignungsschwerpunkten, beruflichen Vorerfahrungen, Neigungen, Erwartungen an künftige Tätigkeiten und den Kenntnissen über relevante Arbeitsmärkte so kompetent wie möglich zu machen. Nachteilig bleibt allerdings gegenüber der Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz oder zumindest in die bisherige Firma/Verwaltung, dass hier eine Art „Kaltakquise“ stattfinden muss; man qualifiziert hin auf wenig oder nicht bekannte Arbeitsplätze.

Ein größeres Problem für blinde und sehbehinderte Menschen liegt darüber hinaus häufig in den Anforderungen an die räumliche Mobilität, die oft mit einem neuen Arbeitsplatz in nicht bekannter Umgebung verbunden ist.

Was bestimmt die Nachfrageseite, das  Angebot an geeigneten Arbeitsplätzen?

Bei der Nachfrage nach Arbeitskräften, also der Arbeitgeberseite, ist die Vorstellung von der Leistungsfähigkeit blinder Arbeitnehmer von Relevanz. Mit Blindheit werden zumeist Hilflosigkeit, Hilfsbedürftigkeit, Schutzlosigkeit, Orientierungsprobleme und geringe Leistungsfähigkeit assoziiert, denn die allgemeine Bevölkerung hat zumeist - wenn überhaupt - den im hohen Alter erblindeten Menschen vor Augen.

Kompetente und erfahrene Reha-Fachleute und Vermittler der Bundesagentur für Arbeit gehen von einer hohen Einstellungsbereitschaft aus, wenn die über Einstellungen entscheidenden Personen in ihrem näheren Umfeld (Familie, Bekannte) enge Kontakte zu und daher Erfahrungen mit blinden oder sehbehinderten Menschen haben oder die Entscheider in den Firmen/Verwaltungen bisher gute Erfahrungen mit blinden oder sehbehinderten Beschäftigten sammeln konnten. Weiterhin wird eine hohe Einstellungsbereitschaft angenommen, wenn die Entscheider in den Firmen/Verwaltungen sozial oder religiös o.ä. besonders engagiert, daher aufgeschlossen und sensibilisiert sind oder interessante Rahmenbedingungen (Probebeschäftigungen, Prämien, Eingliederungszuschüsse, Arbeitsplatzausstattungen, aber auch positive öffentliche Herausstellungen, z.B. „Inklusionsfirma des Jahres“) attrahierend wirken.

Einen prägnanten Eindruck von tatsächlichen Unterschieden in den Chancen zur Teilhabe an Arbeit und Beruf vermittelt die von der Bundesagentur in Auftrag gegebene und 2004 erschienene Studie „Arbeitslosigkeit und Integrationschancen schwerbehinderter Menschen“ (Schröder, H. und Steinwege, J. 2004). Es ist der Verdienst dieser Studie, erstmals systematisch die Einschätzung von Arbeitgebern zu den Beschäftigungsmöglichkeiten von Bewerbern mit verschiedenartigen Handicaps dargestellt zu haben. Zu diesen Fragen stehen bis heute keine aktuelleren nach Art der Beeinträchtigung differenzierten empirischen Angaben zur Verfügung. Hier besteht dringender weiterer Forschungsbedarf, auch aus menschenrechtlicher Perspektive.

Will man Zugangsbedingungen von schwerbehinderten Arbeitsuchenden einschätzen, so ist eine differenzierende Betrachtung der Marktchancen in Abhängigkeit von der Art der Behinderung notwendig. Ein solcher Vergleich zwischen verschiedenen Behindertengruppen weist auf besondere „Problemlagen“ am ersten Arbeitsmarkt hin.

Die Unternehmen und Verwaltungen wurden für Betroffene von neun verschiedenen Behinderungsarten gefragt, ob für diese schwerbehinderten Arbeitsuchenden ohne weitere Einschränkungen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, ob die Beschäftigung unter Umständen möglich ist, das heißt bei entsprechender technischer und finanzieller Unterstützung, oder ob dies selbst bei entsprechenden Hilfen nicht möglich ist.

Die damals erhobenen Befunde dürften auch heute noch Gültigkeit besitzen. Wie Abb. 1 deutlich macht, bestehen beträchtliche Unterschiede hinsichtlich des Marktwiderstands je nachdem, welche Art von Beeinträchtigung vorliegt. Darüber hinaus bestehen signifikante Unterschiede in der Einschätzung der Eingliederungsmöglichkeiten nach Wirtschaftszweigen und Betriebsgrößen: In Großunternehmen und im öffentlichen Dienst ist die Beschäftigungsbereitschaft vergleichsweise groß. Darüber hinaus ermittelt die Studie teils überraschende Ergebnisse, auf die an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. (dazu Bach, in: Teilhabebericht der Bundesregierung 2016, 244 f.).

Grafik: Beschäftigungsmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen

Bildunterschrift: Für Personen mit inneren Erkrankungen oder einer körperlichen Behinderung bestehen im Vergleich bessere Beschäftigungsmöglichkeiten als etwa für blinde oder sehbehinderte Personen.

Beschreibung der Grafik: Die Grafik zeigt eine Übersicht über die Beschäftigungsmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen. Dabei geben Unternehmen in Prozent an, welche Personengruppen uneingeschränkt oder unter bestimmten Voraussetzungen beschäftigt werden können. Personen mit inneren Erkrankungen können etwa in 53 Prozent der Fälle uneingeschränkt eingesetzt werden und Personen mit körperlicher Behinderung in 39 Prozent der Fälle. Es werden noch weitere Gruppen (Sprachbehinderung, Lernbehinderung etc.) aufgelistet. Für blinde oder sehbehinderte Personen besteht die uneingeschränkte Möglichkeit zur Beschäftigung zu vier Prozent, unter bestimmten Bedingungen in 19 Prozent der Fälle.

Personenkreis

Betrieb beschäftigt(e) bereits schwerbehinderte Menschen

uneingeschränkt

Betrieb beschäftigt(e) bereits schwerbehinderte Menschen

unter bestimmten Bedingungen

Betrieb beschäftigt(e) bisher keine schwerbehinderten Menschen

uneingeschränkt

 

Betrieb beschäftigt(e) bisher keine schwerbehinderten Menschen

unter bestimmten Bedingungen

Personen mit inneren Erkrankungen, Organschäden (z.B. nach Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Schädigung, HIV, Diabetes u. a. 53 Prozent 32 Prozent 23 Prozent 49 Prozent
Personen mit körperlichen Behinderungen 39 Prozent 44 Prozent 17 Prozent 40 Prozent
Personen mit Sprachbehinderung 22 Prozent 41 Prozent 16 Prozent 37 Prozent
Personen mit Hörbehinderung, Gehörlosigkeit 15 Prozent 31 Prozent 5 Prozent 19 Prozent
Personen mit Lernbehinderung 12 Prozent 38 Prozent 9 Prozent 27 Prozent
Personen mit Anfallsleiden, Epilepsie 11 Prozent 19 Prozent 4 Prozent 17 Prozent
Personen mit Sehbehinderung, Blindheit 4 Prozent 19 Prozent 2 Prozent 9 Prozent
Personen mit psychischer Behinderung 8 Prozent 26 Prozent 1 Prozent 11 Prozent
Personen mit geistiger Behinderung 4 Prozent 10 Prozent   6 Prozent

- Ende der Beschreibung der Grafik -

Gegenüber blinden oder auch sehbehinderten Bewerbern – hier ist nicht weiter unterschieden worden – zeigt sich auch im Vergleich zu Betroffenen anderer Behinderungsarten ein starker „Marktwiderstand“. Die damalige Untersuchung lässt somit deutlich werden, wie vielschichtig sich die beruflichen Eingliederungsprobleme darstellen und dass es einer individuell maßgeschneiderten Arbeitsförderung bedarf. Vermittlungsvorschläge auf vorhandene offene Stellen erscheinen im Licht dieser Untersuchung für einen Teil des Klientels wenig zielführend. Hier erscheinen Suchstrategien erfolgreicher, die zuerst an den Persönlichkeitsmerkmalen der Bewerberinnen und Bewerber ansetzen, um die jeweils (best-) geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten für das Individuum zu finden oder auch zusammenzustellen und zu gestalten. Diese an den Talenten ansetzende Suchstrategie weist wichtige Merkmale des Coachings auf.

„Die Befragungsergebnisse zeigen nicht zuletzt, wie stark das defizitorientierte Denken bei der Beschäftigung beeinträchtigter Menschen vorherrscht, dies allerdings vor dem Hintergrund verschiedener Arten von anerkannter Schwerbehinderung in erheblich unterschiedlichem Ausmaß. Weiterhin wird deutlich: Je differenzierter die Kenntnisse über und Erfahrungen mit Menschen mit Beeinträchtigungen im Unternehmen oder der Verwaltung sind, umso weniger spielen defizitorientierte Beweggründe eine Rolle. Dies gilt für Personalverantwortliche, Vorgesetzte, Kollegen, Kunden und nicht zuletzt für das arbeitsvermittelnde Fachpersonal gleichermaßen.“ (Bach, in: Teilhabebericht der Bundesregierung 2016, 244 f.).

 

Was leisten die Beratungs- und Vermittlungssysteme?

Betrachten wir als dritte ausschlaggebende Dimension von Re-Habilitation und Re-Inklusion in Arbeit die beratenden, betreuenden und vermittelnden Einrichtungen. Die öffentliche Arbeitsvermittlung obliegt den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit nach SGB III sowie den Jobcentern nach SGB II. Rehabilitation obliegt weiterhin der Deutschen Rentenversicherung, der Unfallversicherung, den Einrichtungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie der Jugendhilfe SGB VIII oder der Eingliederungshilfe nach SGB IX. Diese nehmen jedoch selbst keine Arbeitsvermittlungsaufgaben wahr.

Der oben beschriebene Marktwiderstand gegenüber blinden und sehbehinderten Bewerbern macht deutlich, wie intensiv die Bemühungen der arbeitsvermittelnden Einrichtungen im Sinne eines persönlichen Coachings sein müssen, um unter diesen Bedingungen Erfolg zu haben. Hier muss zumeist für den Bewerber der richtige unter den möglichen Arbeitsplätzen gesucht oder Tätigkeiten zu einem solchen zusammengefügt werden. Integrationsfachdienste, Integrationsfirmen, Bildungsträger u.a. können dieses Bemühen unterstützen, es bleibt aber i.d.R. ein intensives Bemühen der vermittelnden Einrichtungen notwendig zum Coachen, zuweilen Empowern und nach erfolgter Vermittlung Nachbetreuen am Arbeitsplatz.

Die bisher geschilderten Vermittlungs- und beruflichen Inklusionserfolge bei blinden und sehbehinderten Bewerbern sind alles andere als zufriedenstellend, sowohl im Umfang als auch in der zeitlichen Entwicklung. Dies allein den Vermittlungssystemen zuzurechnen wäre verfehlt. Die Problemlage ist komplex. Daher entwickelt sich in jüngster Zeit eine Reihe von Initiativen aus dem Bereich der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und aus dem Kreis der für diese Personen spezialisierten beruflichen Bildungseinrichtungen. Diese Initiativen sollen in einer späteren Ausgabe des horus näher betrachtet werden.

Ein Fazit und ein Appell

Aufgrund der relativ geringen Zahl von blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen in qualifizierten Berufen dürfte ihre berufliche Teilhabe durch individuelle Inklusion oft vorteilhafter sein als durch größere Gruppenmaßnahmen. Die Nischen, die immer wieder gefunden werden, in denen sehbeeinträchtigte Menschen beruflich  besonders erfolgreich sein können, sind oft quantitativ begrenzt und stehen nicht dauerhaft zur Verfügung. Bestmögliche allgemeine und berufliche Bildung zahlen sich sicherlich aus. Die Betroffenen müssen großes Interesse dafür aufbringen, ihre die Beeinträchtigung kompensierenden Methoden, technischen Hilfsmittel und Kompetenzen souverän zu beherrschen und weiterzuentwickeln. Ungeachtet dieses auf das Individuum bezogenen Vorgehens sind Forschung und Entwicklung verstärkt gefragt, um im wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel und der forcierten Digitalisierung aller Lebensbereiche neue Tätigkeiten und berufliche Möglichkeiten zu eröffnen und zu ebnen (Teilhabeforschung). Denn neue berufliche Tätigkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen müssen entwickelt, manchmal regelrecht erkämpft werden, während „traditionelle Blindenberufe“, z.B. in Industrie und (Blinden-)Handwerk, Textverarbeitung, Telefonvermittlung im Strukturwandel weitestgehend untergegangen sind.

Angesichts der beständig steigenden Anforderungen und der neuen Herausforderungen durch die forcierte Digitalisierung an alle Erwerbspersonen stellt sich die Frage immer dringlicher, welches Arbeitsangebot für gering qualifizierte blinde und sehbehinderte Personen noch möglich ist. Der wettbewerbliche Arbeitsmarkt erscheint zunehmend verschlossen, denn geeignete „Einfacharbeitsplätze“ werden zunehmend wegrationalisiert, automatisiert oder exportiert, oder sie sind behinderungsbedingt nicht geeignet. Der entwickelte zweite Arbeitsmarkt in Gestalt von Werkstätten für (geistig und/oder psychisch) behinderte Menschen ist für lediglich sehbeeinträchtigte gering qualifizierte Arbeitsuchende nicht die geeignete Lösung. Staatliche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Förderschulen und inklusive Förderzentren, die Träger der beruflichen Rehabilitation, Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und alle relevanten weiteren Bildungsträger, Tarifpartner, die Interessenvertretungen der deutschen Wirtschaft und – nicht zuletzt – die Einrichtungen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe sind aufgerufen, hier einen Arbeitsmarkt und ein Arbeitsangebot zu gestalten. Die Zahl der betroffenen gering qualifizierten sehbeeinträchtigten Menschen ist nicht sehr groß. Wir dürfen sie nicht der Langzeitarbeitslosigkeit und dem Vergessen ausliefern.

Literatur

  • Bach, H.W. (2011) Berufliche Partizipation blinder, sehbehinderter und mehrfach behinderter Hochschulabsolventen in Deutschland - der Einfluss von Beratung - in: Reports der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, Band 4, Mannheim
  • Bach, H.W. (2014/15) Blinde Menschen im Erwerbsleben - in: horus, Heft 3/14, Heft 4/2014 und Heft 1/2015
  • Hartmann, Sandra (2009) Herausforderungen bei der beruflichen Eingliederung sehbehinderter Menschen, Bachelor-Thesis zur Erlangung des Grades Bachelor of Arts an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit HdBA, Fachbereich Vermittlung und Integration, Studiengang Arbeitsmarktmanagement, Mannheim
  • Resnikoff, Donatella Pascolini, Daniel Etya’ale, Ivo Kocur, Ramachandra Pararajasegaram, Gopal P. Pokharel & Silvio P. Mariotti: Policy and Practice (2004) Abstract: This paper presents estimates of the prevalence of visual impairment and its causes in 2002 - Statistical classification of diseases, injuries and causes of death - 10th revision - The number of people with visual impairment worldwide
  • Reid/Simkiss (2013) Die unsichtbare Mehrheit, Zusammenfassender Bericht einer Studie zur Nichterwerbstätigkeit von Blinden und Sehbehinderten in Schweden, Deutschland, Rumänien, den Niederlanden, Polen, Frankreich und Österreich, Ein Bericht für das Präsidium der Europäischen Blindenunion (EBU) von Philippa Simkiss und Fred Reid, RNIB 2013
  • Schröder, Helmut (1995) Die berufliche Integration von Blinden, Endbericht, 2 Bände, Köln
  • Schröder, Helmut (1997) Die Beschäftigungssituation von Blinden, ausgewählte Ergebnisse einer Befragung von Blinden und Unternehmen, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB) 2/97
  • Schröder, Steinwede (2004) Arbeitslosigkeit und Integrationschancen schwerbehinderter Menschen, Beiträge aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Band 285, Nürnberg
  • Statistisches Bundesamt (2017a) Statistik, schwerbehinderte Menschen am 31.12.2015 – Kurzbericht
  • Statistisches Bundesamt (2017b) Sozialleistungen, schwerbehinderte Menschen am 31.12.– Fachserie 13 Heft 5

Zum Autor

Dr. Heinz Willi Bach ist Arbeitsmarktexperte, war langjähriges Vorstandsmitglied und bis September 2016 Zweiter Vorsitzender des DVBS.

Foto Heinz Willi Bach

Dr. Heinz Willi Bach.

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen älteren Herrn mit Mütze und Bart, der, bekleidet mit einem karierten Hemd und einer hellgrauen Jacke, vor einer Bühne verschmitzt lächelnd in ein Mikrofon spricht.


Zeitenwende – vom Leben nach der blista
Lehramtsstudium Englisch und Deutsch

Isabel Kern

Ein Kindheitstraum…

Schon als ich noch klein war, war meiner Familie eigentlich klar, was ich später einmal beruflich machen würde. Als Grundschulkind hatte ich bereits eine ausgeprägte Leidenschaft zum Schule spielen an den Tag gelegt, wobei mir zum Leid meiner Schwester natürlich die Lehrerrolle zufiel. Als mit fortschreitendem Sehverlust dann schließlich auch die Alternative der Augenärztin für mich wegfiel, stand mein Entschluss schon früh fest: Ich werde später einmal Lehrerin!

Mit diesem festen Vorsatz suchte ich mir ein passendes Gymnasium aus, auf das ich nach der Grundschule gehen wollte, um meinen Traum zu verwirklichen, und blieb dort bis zur achten Klasse. Die Jahre auf dem Gymnasium waren damals auch mit meinem noch guten Sehrest von insgesamt 40 Prozent sehr schwer und anstrengend für mich, da die Lehrer - woran sich bis heute wenig geändert hat - leider absolut nicht für den Umgang mit (seh-)behinderten Schülern ausgebildet worden waren und ich weder ausreichende Hilfsmittel noch eine Schulbegleitung hatte. Nachdem mein Sehvermögen nach einer missglückten Operation schließlich auf insgesamt zehn Prozent sank, war es für mich an der Zeit, mich nach anderen Beschulungsmöglichkeiten umzuschauen. Da ich zunächst noch nicht mein gewohntes Lebensumfeld verlassen wollte, besuchte ich zunächst für anderthalb Jahre das Landesbildungszentrum für Blinde in Hannover und machte dort sehr erfolgreich meinen erweiterten Realschulabschluss. Zusammen mit einem guten Freund ging ich schließlich nach Marburg, um dort das Allgemeine Gymnasium an der blista zu besuchen. Zur Krönung meines 19. Geburtstags erhielt ich dann im Sommer 2012 mein  Abitur.

… und seine Verwirklichung

Damit hatte ich die erste Hürde des schon in meiner Grundschulzeit gefassten Plans, Lehrerin zu werden, genommen und ich bewarb mich an der Leibniz Universität Hannover um einen Studienplatz für den Bachelor in den Fächern Englisch und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien. Die Zulassung erfolgte ohne Probleme und ich konnte bereits im Oktober 2012 das Studium beginnen. Hannover als Studienort habe ich zum einen gewählt, da ich die Stadt schon kannte und sie sehr mochte, und zum anderen, weil ich wieder in der Nähe meiner Familie leben wollte, allerdings in einer eigenen Wohnung.

Den Bachelor habe ich trotz einiger bürokratischer und finanzieller Hürden innerhalb der Regelstudienzeit gemeistert. Die Ausstattung der Uni in Hannover ist für Studierende mit einer Sehbehinderung recht gut, da es beispielsweise in der Bibliothek einen Extra-Raum für sehbehinderte und blinde Studierende mit entsprechenden Hilfsmitteln gibt, sowie eine Blindenassistenz, die Texte scannt, damit sie entweder vergrößert oder mit einer Braillezeile gelesen werden können. Insgesamt gibt es vier blinde Studierende an der Uni, wobei zwei davon Sonderpädagogik studieren. Gegen diesen Studiengang habe ich mich bewusst entschieden, da ich aufgrund der wenigen Förderschulen nicht an einen bestimmten Ort gebunden sein wollte und es für eine blinde Sonderschullehrerin  auch nicht einfach ist, Lehrkräfte an unterschiedlichen Schulen zu beraten, die dort inklusiv unterrichten.

Bis kurz vor dem Ende meines Bachelors ist mein Studium dann auch recht gut verlaufen. Als ich jedoch mit einem Bekannten zusammen in eine Wohngemeinschaft zog, war das Sozialamt, das bisher meine Studienassistenz bezahlt hatte, der Meinung, dass mein erwerbstätiger Mitbewohner meine Assistenz zu zahlen habe, da das Amt in unserem Fall eine Bedarfsgemeinschaft unterstellte und mein Mitbewohner und ich laut damaliger Gesetzeslage zusammen nicht mehr als 3200 Euro besitzen durften. Daraus resultierte ein anderthalb Jahre dauernder Papierkrieg. Diesen gewann ich zwar letztendlich, allerdings kostete mich die Auseinandersetzung sehr viele Nerven, weil ich jedes halbe Jahr darum bangen musste, ob ich auch weiterhin eine Assistenz finanziert bekomme, weshalb ich mehrmals kurz davor stand, mein Studium abzubrechen – auch weil durch das Beharren des Sozialamtes auf Bedarfsgemeinschaft meine Blindenhilfe auf dem Spiel stand. (An dieser Stelle eine Info: Eine persönliche Assistenz wird seit 2017 vom Sozialamt bezahlt, wenn das Nettoeinkommen unter 1300 Euro liegt und kein Vermögen über 30.000 Euro vorhanden ist).

Nach erfolgreichem Abschluss des Bachelors geht es nun im Master für mich nicht weniger haarsträubend zu. Während mir im Bachelor von der Uni noch ein ausreichender Nachteilsausgleich gestattet wurde, war es mir im Master bei Prüfungen plötzlich nur noch erlaubt, 50 Prozent länger zu schreiben und ein mobiles Bildschirmlesegerät zu verwenden, unter dem man allerdings nicht schreiben kann. Es wurde mir nicht erlaubt, mündliche statt schriftliche Prüfungen abzulegen, eine Assistenz zur Verfügung zu haben oder Klausuren unter Einzelaufsicht an einem Computer zu schreiben. All das erschwerte das Schreiben meiner von der Prüfungsordnung vorgegebenen Klausuren. Da ich meine Klausuren unter nicht optimalen Bedingungen schreiben musste und auch von der ungünstigen Haltung beim Schreiben während der Klausuren ziemlich schnell Rücken- und Kopfschmerzen bekam, konnte ich das Wissen, das ich besaß, nicht zu 100 Prozent abrufen. Bestanden habe ich die Klausuren trotzdem, auch wenn ich dabei unter meinen Möglichkeiten bleiben musste, da auf meine Vorschläge, dass ich die Klausuren im Sehbehindertenraum schreiben bzw. dort das Bildschirmlesegerät oder den PC benutzen könnte, vom Prüfungsausschuss nicht eingegangen wurde. Beim Bachelor war es noch kein Problem – aber jetzt auf einmal war es das. Erschwerend kam noch hinzu, dass die Entscheidung über einen Nachteilsausgleich ein ganzes Semester dauerte, weshalb ich die Hausarbeiten und Klausuren nur mit Glück und aufgrund meiner zuvorkommenden Dozenten überhaupt antreten konnte. Da die genehmigten Punkte des Nachteilsausgleiches untragbar für mich waren, stellte ich schließlich einen neuen Antrag mit ausführlichem mehrseitigen Begründungsschreiben, in dem ich darlegte, weshalb ich bestimmte Dinge bei Prüfungen benötige (z.B. das Ersetzen von Aufgaben mit Diagrammen und Schaubildern durch vergleichbar schwere Aufgaben, nur eben ohne bildhafte Darstellung). Dieser Antrag wurde jedoch wiederum nach einem Semester Wartezeit abgelehnt. Im Grunde hätte ich die Uni verklagen müssen, da die bürokratischen Hürden, die mir in den Weg gelegt wurden, mein Studium insgesamt gefährdeten. Da ich das Studium jedoch mit viel Energie und Aufwand - wenn auch unter erschwerten Bedingungen - bereits fast beendet habe, versuche ich mich, auf der Zielgeraden angekommen, einfach irgendwie möglichst erfolgreich durchzuschlagen, um dann endlich mein Referendariat beginnen zu können.

Resümee

Trotz aller Widrigkeiten versuche ich meinen Weg zu gehen. Das mache ich vor allem, weil ich in jedem Praktikum, in dem ich unterrichten durfte, immer wieder feststelle, wie viel Spaß mir dieser Beruf macht, und dass das genau das ist, was ich immer machen wollte. Zurzeit der Abfassung dieses Textes befinde ich mich gerade wieder in einem Praktikum an einem hannoverschen Gymnasium und unterrichte dort eine siebte, eine neunte und eine elfte Klasse in Deutsch. Dieses Praktikum gefällt mir besonders gut, da ich ganze Unterrichtseinheiten selbst gestalten und durchführen darf. Besonders interessant und inspirierend ist für mich auch der Unterricht einer Lehrerin, die nur wenige Prozente mehr sieht als ich, was mir wiederum zeigt, dass es sich bei meinem Berufswunsch nicht um bloße Hirngespinste eines Kindes handelt, sondern dass es durchaus auch als fast blinde Lehrerin möglich ist, an einer Regelschule ganz ohne Assistenz zu unterrichten, was von vielen Leuten eher als Naivität empfunden wird. Dazu muss ich sagen, dass ich noch zehn Prozent sehe, allerdings  bei einem extrem eingeschränkten Gesichtsfeld und deshalb als gesetzlich blind gelte. Oft muss ich mich für meine Berufswahl rechtfertigen oder sehe erstaunte Blicke. Die Lehrer, die mich bisher in meinen vielen Praktika begleiteten, waren da schon weniger skeptisch und freuten sich, ansehen zu dürfen, wie ich im Unterricht mit meiner Sehbehinderung umgehe. Bisher habe ich meine Studienwahl noch nicht bereut. Ich kann später das machen, was ich gerne mache, nämlich, Schülern neues Wissen vermitteln, Kreativität fördern und mit literarischen Texten arbeiten. Dabei sind die Bedingungen für Schwerbehinderte in diesem Bereich besser als für “Nichtbehinderte”. So ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass ich einen Referendariatsplatz an meinem Wunschort bekomme, da es mir aufgrund meiner eingeschränkten Mobilität nicht möglich ist, überall zu unterrichten. Die Einstellungschancen sind aufgrund der Schwerbehindertenquote sehr gut, die Stundenzahl ist um drei Stunden reduzierbar, die trotzdem noch bezahlt werden, und auch als blinde Lehrerin kann man durchaus verbeamtet werden.

Insgesamt sind das also recht gute Aussichten. Voraussetzung dafür sind allerdings sehr starke Nerven, Durchhaltevermögen, Durchsetzungsvermögen und vor allem ein guter Rückhalt von der Familie. Ohne diesen Rückhalt von meiner Familie und vor allem meinem Partner hätte ich mein Studium wohl schon längst aufgegeben. So bin ich mir jedoch sicher, auch noch das letzte Jahr meines Studiums sowie das Referendariat durchzuhalten, um an mein lang ersehntes Ziel zu kommen.

Zur Autorin

Isabel Kern ist ehemalige Schülerin der blista, machte ihr Abitur im Jahr 2012 und studiert Englisch und Deutsch auf Lehramt.


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Dr. Michael Richter

Wenn Kostenträger zu wissen glauben, was gut für einen ist und was nicht

Dieser Artikel handelt von einer jungen Frau, die wegen einer Erblindung im Medizinstudium ihren Traum aufgeben musste, Ärztin zu werden, aber mit sehr viel Beharrlichkeit, einer gesunden Portion Selbstbewusstsein und Unterstützung Dritter doch noch ihren Platz im Bereich der Heilberufe fand. Der hier zu berichtende Fall nahm 2012 seinen Anfang, als besagte junge Dame - nach Aufgabe ihres Studiums - einen gut begründeten und sehr reflektierten Antrag bei der für sie zumindest örtlich zuständigen Arbeitsagentur auf Kostenübernahme für eine Ausbildung zur Logopädin an einem privaten Ausbildungsinstitut stellte. Nach eingehender Prüfung dieses Antrags kam die Arbeitsagentur zu dem Ergebnis, dass das Berufsbild der Logopädin für blinde Menschen nicht geeignet sei, man ihr aber eine Ausbildung zur Physiotherapeutin in einem BBW anbieten und sie in diesem Rahmen ja schließlich auch ihre im Studium erworbenen medizinischen Kenntnisse mit einbringen könne. Nach kurzer Recherche und Bedenkzeit bestand die Ex-Studentin auf ihrem Wunsch und brachte Stellungnahmen bei, wonach die Tätigkeit als Logopädin zwar nicht gerade durch sehr viele blinde oder sehbehinderte Menschen ausgeübt werde und auch im Beruf nicht alle Tätigkeitsfelder - wegen der fehlenden optischen Kontrollmöglichkeiten - ohne Unterstützung und voll bewältigt werden könnten, dieser Beruf im Ergebnis aber durchaus so viele Aspekte biete, dass hier auch eine spezialisierte Berufstätigkeit von blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen tragfähig erscheine. Die daraufhin durch die Arbeitsagentur selbst durchgeführten Recherchen und eine eigens von einem Ausbildungsinstitut eingeholte Stellungnahme waren demgegenüber hierzu eher kritisch. Auf diese Erkenntnisse gestützt, lehnte die Arbeitsagentur den Antrag auf Kostenübernahme für die Ausbildung zur Logopädin ab. Hiergegen legte die Mutter der Studentin (selbst Anwältin) im Sommer 2012 Widerspruch ein. Nach einer eigenen inhaltlichen Begründung gaben Mutter und Tochter den Fall dann nach kurzer Zeit weiter an die rbm zur Vertretung und wir machten ergänzend die Gewährung des persönlichen Budgets im Sinne von § 17 SGB IX geltend. Im Ergebnis half kurzfristig aber keine sachliche oder rechtliche Begründung und auch der mit Blick auf den Ausbildungsbeginn im Herbst 2012 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Kostenübernahme blieb in zwei Instanzen erfolglos. Gestützt auf diese Entscheidungen erließ dann natürlich auch die Arbeitsagentur einen negativen Widerspruchsbescheid, wogegen umgehend geklagt werden musste.

Durch die fehlende Finanzierung konnte die junge Dame 2012 die Ausbildung nicht antreten, bastelte trotz eindeutiger Hinweise des nunmehr in der Hauptsache befassten Sozialgerichtes auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Klage aber an einer Finanzierungsmöglichkeit und begann die Ausbildung schließlich im Herbst 2013, nachdem mit dem Ausbildungsinstitut eine Stundung der Kosten bis zur endgültigen Entscheidung des Falles vereinbart und eine Bürgschaft der Mutter beigebracht worden war. Für die Ausbildung zog sie dann auch aus dem Zuständigkeitsbereich der inzwischen verklagten Arbeitsagentur an den Ort der Ausbildung.

Trotz erfolgreicher Zwischenzeugnisse kam es zu einem negativen Urteil und es musste Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) eingelegt werden. Dieses gab sodann eindeutige Hinweise auf die mangelnden Erfolgsaussichten und bat eindringlich, die Rücknahme der Berufung doch ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Im Herbst 2016 schloss die rbm-Mandantin dann ihre Ausbildung mit sehr guten Noten ab, hatte sogar unmittelbar ein Jobangebot und begann sofort danach als Logopädin zu arbeiten. Nach Mitteilung dieser Fakten an das - bis dahin - sehr kritische Landessozialgericht drehte sich sofort dessen Meinung. Es forderte nunmehr sogar die Berufungsbeklagte auf, über ein Anerkenntnis der geltend gemachten Kostenübernahmeansprüche ernsthaft nachzudenken. Dies lehnte die berufungsbeklagte Arbeitsagentur mit der Begründung ab, gerade das Arbeitsverhältnis wegen erfolgter Gewährung einer Arbeitsassistenz, einer Hilfsmittelausstattung und der Zahlung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber zeige, dass das Berufsbild der Logopädin für blinde Menschen völlig ungeeignet sei. Diese Argumentation griff jedoch das erkennende Landessozialgericht nicht auf und verurteilte die Berufungsbeklagte (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 22.06.2017; Az.: L 29 AL 17/14) zur Übernahme der angefallenen Ausbildungskosten in Höhe von rund 15.000 Euro.

Daraufhin stellt sich noch die Frage, was den Sinneswandel beim erkennenden LSG bewirkt und wie es sein letztendlich doch positives Urteil begründet hat.

Zunächst stellt das LSG Berlin-Brandenburg zutreffend die formalen Leistungsvoraussetzungen für die Zuständigkeit der Berufungsbeklagten fest und verweist in diesem Zusammenhang auf die Bindungswirkung von § 14 SGB IX, weil eigentlich wohl das zuständige Kreisjobcenter richtiger Leistungsträger gewesen wäre, der Antrag aber nicht fristgerecht weitergeleitet wurde. Sodann wird klargestellt, dass ein Antrag auf die Gewährung eines persönlichen Budgets im Sinne von § 17 SGB IX gestellt wurde und hierdurch ein Sonderfall der Geltendmachung des Wunsch- und Wahlrechtes im Sinne von § 9 SGB IX vorliege (mit Verweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.02.2013; Az.: L 5 R 3442/11). Aber auch in diesem Rahmen müsse der Anspruch auf eine einschlägige Anspruchsgrundlage im Leistungsrecht gegründet sein. Zudem verweist das erkennende Gericht auf den Umstand, dass für die Gewährung eines persönlichen Budgets der Abschluss einer Zielvereinbarung im Sinne der sog. Budgetverordnung gem. § 21a SGB IX notwendig ist, zu der es aber hier nicht gekommen sei. Letztlich folge der Anspruch auf Kostenerstattung für die erfolgte Ausbildung jedoch aus § 15 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative SGB IX, weil die Arbeitsagentur einen bestehenden Anspruch zu Unrecht abgelehnt habe und die Betroffene in Vorleistung gegangen sei. Bei dem zu Unrecht abgelehnten Anspruch handle es sich um eine sog. „Besondere Leistung“ gem. § 117 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Danach soll die Förderung behinderter Menschen in allen Berufen, die gute und dauerhafte Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bieten, erfolgen, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um einen klassischen Ausbildungsberuf handle und die Ausbildung nicht in einer besonderen Einrichtung erfolge. In diesen Rahmen sollen auch allgemeine Angebote fallen, wenn sie speziell für behinderte Menschen ausgerichtet sind und so nicht allein für nichtbehinderte angeboten werden. Damit seien auch schulische Ausbildungen außerhalb von besonderen Einrichtungen dann förderungsfähig, wenn der behinderte Mensch nach Eignung und Neigung, ggf. mit technischen oder sonstigen Hilfen, zur erfolgreichen Absolvierung der Ausbildung in der Lage und die entsprechende Ausbildung unerlässlich sei, um die dauerhafte berufliche Eingliederung zu erreichen. Hierbei müsse sich das Merkmal erfolgreich nicht nur auf die Ausbildung, sondern auch auf die spätere Berufsausübung erstrecken. Lägen aber die vorgenannten Voraussetzungen vor, handle es sich um keine Ermessensleistung. Dann müsse die Finanzierung übernommen werden, wenn die Gewährung allgemeiner Leistungen im Einzelfall nicht ausreichend sei.

Im Ergebnis erklärt sich nach diesen zusammengefassten Ausführungen nun auch der vermeintlich "plötzliche Sinneswandel" des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg im Herbst 2016, denn unsere Mandantin hatte durch die sehr gut abgeschlossene Ausbildung und den Nachweis eines sofort an die Ausbildung anschließenden Arbeitsverhältnisses schlichtweg bewiesen, dass sie für die Ausbildung außerordentlich geeignet und im gewählten Berufsbild auch erfolgreich sein kann. Auf den Hinweis der Berufungsbeklagten auf Förderung des eingegangenen Arbeitsverhältnisses und daraus zu schließender Ungeeignetheit ist das Gericht dann auch nicht näher eingegangen und hat es als das Belassen, was es wohl auch tatsächlich war, nämlich ein letzter verzweifelter Versuch, ein positives Urteil für die Berufungsklägerin abzuwenden, denn nach dieser Argumentation dürften - auch gerade für blinde und sehbehinderte Menschen - nicht mehr sehr viele Berufsbilder geeignet sein.

Letztlich zeigt sich aber, wie in der Überschrift schon angedeutet: Manchmal braucht es einen langen Atem, den natürlich nicht alle Betroffenen - auch wegen des damit verbundenen finanziellen Risikos - aufbringen können. Bemerkens- und empfehlenswert ist es aber sicherlich, qualifizierte berufliche Wünsche nachhaltig zu verfolgen und nicht bei auftretenden Schwierigkeiten sofort aufzugeben!

Zum Autor

Dr. Michael Richter ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Rechte behinderter Menschen gGmbH. Er war von 2004 bis 2008 Geschäftsführer des DVBS.

Foto: Dr. Michael Richter

Dr. Michael Richter. Foto: DVBS.

Bildbeschreibung: Auf dem Bild schaut ein Mann in den mittleren Jahren mit Oberlippenbart und Halbglatze - in Anwaltsrobe und mit einem Gesetzbuch unter dem Arm – freundlich in die Kamera.


Uni Marburg will Forschung zur Teilhabe von Erwachsenen mit Blindheit und Sehbehinderung deutlich stärker aufstellen

Dr. Imke Troltenier (IT) im Gespräch mit Frau Dr. Sabine Lauber-Pohle

IT: Frau Dr. Lauber-Pohle, seit vielen Jahren arbeiten Sie im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität mit der blista in Forschung und Lehre im Kontext von Sehbehinderung und Blindheit eng zusammen. Welches sind die Schwerpunktthemen?

Dr. Lauber-Pohle: Bisher haben wir uns zum einen mit der Frage der Rehabilitationsmöglichkeiten von Seniorinnen und Senioren  mit Blindheit und Sehbehinderung befasst und die Begleitforschung für die mobile Seniorenberatung durchgeführt. Zum anderen haben wir uns damit beschäftigt, wie die Universität inklusive Studienbedingungen bei Blindheit und Sehbehinderung herstellen kann. Jetzt geht es uns darum, die Begriffe „Teilhabe“ und „Inklusion“ auf alle Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung im Erwachsenenalter auszuweiten, und zwar über die Zusammenhänge von Frühförderung, schulischer Bildung und Arbeitsmarktintegration hinaus und hin zu lebenslangem Lernen.

IT: Das bedeutet, dass Sie den Teilhabechancen der Erwachsenen und damit auch der Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft im Bereich der allgemeinen Erwachsenenbildung nachgehen möchten?

Dr. Lauber-Pohle: Wir möchten untersuchen, wie eine interessengeleitete, selbstbestimmte Erwachsenenbildung für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung möglich ist. Uns interessiert vor allem die allgemeine Erwachsenenbildung über die berufliche Weiterbildung hinaus. Sich mit Themen befassen zu können, die einem persönlich wichtig sind und sich darin weiterzubilden, sind wichtige Bestandteile von Teilhabe. Und gerade im höheren Erwachsenenalter ergeben sich nach der Berufstätigkeit oder der Familienphase oft neue Zeiträume und Gelegenheiten, persönlichen Bildungsinteressen nachzugehen. Interessen, für die man in früheren Lebensphasen keine Zeit fand.

Wenn man sich beispielsweise für Sprachen interessiert, für Entspannung, Bewegung oder den Austausch über geschichtliche oder politische Themen, dann steht die Teilnahme an entsprechenden Kursen, Gesprächsrunden oder Ausflügen für Lebensqualität. Sie machen Freude, bringen soziale Interaktionen und beinhalten eine kulturelle Teilhabe an unserer Gesellschaft. Nicht umsonst boomen Seniorenstudien, Kurse und Bildungsreisen, die sich an Senioren richten.

IT: Ihr Forschungsinteresse erscheint hochaktuell. Wir leben ja in einer alternden Gesellschaft, an der die Seniorinnen und Senioren nicht nur einen wachsenden Anteil haben, sondern auch weitaus aktiver sind als jemals zuvor. Der „Ruhestand“, der ursprünglich so gedacht war, dass Menschen nach einem anstrengenden und arbeitsreichen Leben die wenigen, noch verbleibenden Jahre in Ruhe und Beschaulichkeit verbringen durften, wird inzwischen oft als „Unruhestand“ bezeichnet. Viele nutzen die dritte Lebensphase, um all die Dinge zu tun, die früher zu kurz kamen. Wie sieht Ihr Forschungsansatz für mehr Inklusion und bessere Teilhabechancen in der dritten Lebensphase aus?

Dr. Lauber-Pohle: Wir möchten die Forschung zur Inklusion in der allgemeinen Erwachsenenbildung weiten und dabei die Sensibilität für Menschen mit Einschränkungen stärken. Uns ist es dabei wichtig, beide Seiten einzubeziehen: Anbieter und Teilnehmende. Dazu wollen wir sowohl mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung kooperieren als auch mit der Selbsthilfe. Ziel ist es herauszufinden, welche Weiterbildungsinteressen da sind und wo es für Personen mit Blindheit und Sehbehinderung Hindernisse und Barrieren in der Teilhabe an Angeboten der Erwachsenenbildung gibt und wie sie behoben werden können.

Foto: Frau ertastet taktile Pläne.

Taktile Pläne unterstützen die selbstbestimmten Mobilität.

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt eine ältere Dame, die sich anhand eines taktilen Planes orientiert.

IT: Im Rahmen des kostenfreien Seniorenangebotes macht man in der blista immer wieder die Erfahrung, dass die Seheinschränkungen älterer Menschen zu spät erkannt und die rehabilitativen Möglichkeiten dadurch nicht genutzt werden. Obgleich Blindheit und Sehbehinderung Altersphänomene sind und rund 80 Prozent aller blinden und sehbehinderten Menschen 65 Jahre und älter sind, gibt es bislang noch viel zu wenig Erfahrungen darüber, wie vielen Senioren sich aufgrund eines Sehverlustes Teilhabemöglichkeiten verschließen. Wenn sie etwa aus dem Kirchenchor ausscheiden, weil sie die Noten und Texte nicht mehr lesen können oder sich in den häuslichen Bereich zurückziehen, weil sie sich bei Straßen und Bussen nicht mehr sicher fühlen.

Dr. Lauber-Pohle: Angesichts der großen Zahl der Personen, die das betrifft, möchten wir das Thema aufgreifen und so auch den allgemeinen Diskurs zum Thema anregen. Wir haben deshalb ein Forschungsprojekt beim Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Ausschreibungslinie "Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte für inklusive Bildung" beantragt und hoffen, dass es noch in diesem Jahr genehmigt wird. Wenn dies gelänge,  könnte man die Forschung um die Teilhabe von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung an der Erwachsenenbildung deutlich stärker aufstellen.

IT: Wir drücken die Daumen! Vielen Dank für das Gespräch.

Zu den Interviewpartnern

Foto Dr. Sabine Lauber-Pohle

Dr. Sabine Lauber-Pohle.

Bildbeschreibung: Auf dem Schwarz-Weiß-Foto zu sehen ist eine Frau mittleren Alters, die mittellange, dunkle, gelockte Haare sowie eine Brille, ein helles Oberteil und ein Jackett trägt.

Dr. Sabine Lauber-Pohle arbeitet auf der Kooperationsstelle der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) am Institut für Erziehungswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Sie ist zuständig für die Studiengangkoordination des Masterstudiengangs "Blinden- und Sehbehindertenpädagogik" und die Studiengangkoordination des Zertifikatskurses "Grundlagen inklusiver Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung". Ihr Forschungsschwerpunkt ist Pädagogik bei Beeinträchtigung des Sehens im Erwachsenenalter.

Kontakt: Philipps-Universität Marburg, Wilhelm-Röpke-Str. 6A, Raum +2A05, Telefon: 06421 28 23029, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Dr. Imke Troltenier ist Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der blista und Mitglied der horus-Redaktion.


Teilhabe ohne barrierefreien Tourismus – geht das?

Dr. Rüdiger Leidner

1. Voraussetzungen und offene Fragen

Vorbemerkungen

Aufgrund der Komplexität des Themenfeldes Tourismus und seiner Bedeutung für gesellschaftliche Teilhabe, erfolgt die Beantwortung der im Titel gestellten Frage in zwei Teilen. In horus 04/2017 werden die grundlegenden und zum Teil auch politisch bedeutsamen Aspekte des Themas dargelegt und einige rechtlich unzureichend geregelte Fragen des Reisens von Menschen mit Behinderung erörtert. Im zweiten Teil, der in horus 01/2018 veröffentlicht wird, werden grundlegende Voraussetzungen einer Teilhabe behinderter Menschen am Tourismus, wie die Bereitstellung verlässlicher Informationen über barrierefreie touristische Angebote durch das neue bundeseinheitliche Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle“, vorgestellt.

1.1 Tourismus und die UN‑Behindertenrechtskonvention (UN‑BRK)

Als eine der zentralen rechtlichen Grundlagen zur Regelung der gesellschaftlichen Teilhabe behinderter Menschen gilt die UN-BRK. Wer dort jedoch nach dem Wort „Tourismus“ sucht, sucht vergeblich.

1.2 Wer ist Tourist?

Tourist ist man nicht nur während des großen Jahresurlaubs, in dem man im Hotel oder einer Ferienwohnung übernachtet. Die Tourismusstatistik definiert den Touristen als Menschen, der mindestens eine Nacht – und nicht mehr als zwölf Monate – außerhalb seiner gewöhnlichen Umgebung verbringt. Es kommt also nicht darauf an, aus welchem Grund der Mensch reist, zur Erholung, für sportliche oder kulturelle Aktivitäten oder aus geschäftlichen Gründen. Das sind nur verschiedene Tourismuskategorien, hinter denen aber immer dieselben Abläufe stehen: Planen, buchen, Hinkommen, Übernachten, dem Zweck der Reise nachgehen.

Es kommt auch nicht darauf an, wo der Tourist übernachtet. Auch der bei Freunden privat übernachtende „Sofatourist“ gehört grundsätzlich dazu. So gesehen, sind wir viel häufiger „touristisch unterwegs“ als wir glauben. Damit ist die Schaffung von mehr Barrierefreiheit im Tourismus aber auch nichts, was nur unseren Feierabend tangiert, sondern vielmehr auch die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben generell.

Wenn man sich die vielfältigen Aktivitäten vergegenwärtigt, die mit Tourismus verbunden sind, wird klar, dass auch dieser Bereich in der UN-BRK angesprochen wird, und zwar an mehreren Stellen. So bezieht sich Artikel 9 auf die Zugänglichkeit zu Information und Kommunikation, zu Transportmitteln und Gebäuden, Artikel 20 auf die persönliche Mobilität und Artikel 30 trägt die Überschrift „Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport“. Damit ist die gesamte sogenannte „touristische Leistungskette“ abgedeckt.

2. Voraussetzungen für Teilhabe am Tourismus

Die Antwort auf die Frage, welches die Voraussetzungen sind, damit auch Reisende mit Bewegungs-, Wahrnehmungs- bzw. Kommunikations- oder  Orientierungsbeeinträchtigungen am Tourismus teilhaben können, erscheint einfach: Schaffung von Barrierefreiheit. Doch was bedeutet es konkret, wenn barrierefreier Tourismus zu mehr Teilhabe führen soll?

2.1 Verlässliche Information über Barrierefreiheit ist unverzichtbar

Bekanntlich sind gemäß § 4 des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes „bauliche und sonstige Anlagen … sowie andere gestaltete Lebensbereiche“ barrierefrei, „wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind“.

Sieht man einmal von den Problemen ab, die bei der Umsetzung dieses Ziels vielfach entstehen und gesteht auch zu, dass seit Inkrafttreten dieses Gesetzes – auch in den verschiedenen touristischen Bereichen – zahlreiche barrierefreie Angebote entstanden sind, dann bleibt die Frage offen, wie ein auf Barrierefreiheit angewiesener Mensch von solchen Angeboten erfährt und inwieweit er sich auf Informationen über Barrierefreiheit verlassen kann.

Im Lebensmittelbereich gibt es eine verpflichtende Beschreibung ihrer Zusammensetzung, für Kraftfahrzeuge gibt es einen TÜV, der ihre Funktionsfähigkeit regelmäßig überprüft. Doch wie steht es mit der Verlässlichkeit der Information über die Barrierefreiheit der Angebote entlang der touristischen Leistungskette?

2.2 „Reisen für Alle“, das neue bundeseinheitliche Informations- und Kennzeichnungssystem

2011 beauftragte das Bundeswirtschaftsministerium das Deutsche Seminar für Tourismus Berlin (DSFT), in Kooperation mit der NatKo (Tourismus für Alle Deutschland e.V.) ein bundeseinheitliches Informations- und Kennzeichnungssystem für barrierefreie touristische Angebote zu entwickeln.

Während die bisher in Deutschland üblichen Kennzeichnungssysteme überwiegend auf nicht überprüften Auskünften der Anbieter beruhen, entsteht mit „Reisen für Alle“ ein bundeseinheitliches Kennzeichnungssystem, dessen Angaben von geschulten Experten überprüft werden.

Derzeit beteiligen sich elf Bundesländer an diesem Kennzeichnungssystem, das Mitte 2018 auch Online-Recherchen im Internet ermöglichen wird. Es wird im Detail im nächsten horus vorgestellt.

2.3 Offene Fragen rechtlicher Regelungen

Auch wenn verlässliche Informationen über die Barrierefreiheit eines touristischen Angebots eine unverzichtbare Voraussetzung für die Teilnahme von Menschen mit Behinderung am Tourismus sind, reicht die Bereitstellung solcher Informationen alleine nicht aus. Denn was nützt beispielsweise die Information über die Barrierefreiheit eines Flughafens oder eines Schiffsanlegers, wenn die Fluggesellschaft oder der Veranstalter der Kreuzfahrt nicht bereit ist, Passagiere mit einer Behinderung an Bord gehen zu lassen? Ich möchte auf diese beiden Bereiche beispielhaft eingehen, da in diesen Bereichen behinderten Reisenden immer wieder Probleme entstehen.

2.3.1 Flugverkehr

Hier gilt spätestens seit Inkrafttreten der EU-Verordnung 1107/2006 grundsätzlich ein Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Beförderung von Fluggästen mit einer Behinderung, sofern bestimmte Regeln, wie die rechtzeitige Anmeldung des Sonderbedarfs, eingehalten werden.

Hinsichtlich einer Obergrenze für die Zahl an Bord befindlicher Fluggäste mit Assistenzbedarf verweist diese Verordnung auf die Regelungen der Europäischen Luft- und Raumfahrtagentur (EASA), wonach die Zahl der Fluggäste mit Assistenzbedarf, wozu neben behinderten Fluggästen auch Kinder unter zwölf Jahren und zur Abschiebung vorgesehene Gefangene gezählt werden, nicht die Zahl der anderen Passagiere übersteigen darf. Insofern erscheint es unverständlich, wie es zur Ablehnung blinder bzw. sehbehinderter Reisender kommen kann.

Die Verordnung lässt den Fluggesellschaften aber auch Handlungsspielräume. Artikel 4 Absatz 1 lässt eine Ablehnung behinderter Fluggäste zu, um „geltenden Sicherheitsanforderungen“ nachzukommen. Zu diesen Sicherheitsbestimmungen gehört neben nationalen Regelungen auch die EU-Verordnung 965/2012, die die Beförderung „spezieller Kategorien von Passagieren“ einem „vom Betreiber festgelegten Verfahren“ überlässt.

Damit kann jede Fluggesellschaft die Bedingungen zur Beförderung behinderter Passagiere selbst festlegen, sofern sie den in der Verordnung 1107/2006 geregelten Informationspflichten nachkommt. Auch dann besteht aber immer noch die Möglichkeit, dass unmittelbar vor Reiseantritt der Flugkapitän die Beförderung eines Passagiers aus Sicherheitsgründen ablehnt. Unter diesen Rahmenbedingungen können die Informationspflichten, wenn sie von beiden Seiten erfüllt werden, lediglich unerwartete Überraschungen beim Check‑in vermeiden.

2.3.2 Pauschalreisen

Die für Reisende mit einer Behinderung wichtige Änderung in der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie, die in Deutschland zum 01.07.2018 in Kraft tritt, bezieht sich ebenfalls auf die Bereitstellung von Informationen, und zwar der sog. „vorvertraglichen Informationen“.

In Artikel 2 des 3. Reiserechtsänderungsgesetzes, mit dem diese Richtlinie in deutsches Recht übernommen wird, werden die vorvertraglichen Informationspflichten des Anbieters entsprechend geändert. Zu den vorvertraglichen Informationen, die ein Anbieter dem Reisenden übermitteln muss, gehört ab 01.07.2018 dann auch „die Angabe, ob die Pauschalreise im Allgemeinen für Personen mit eingeschränkter Mobilität geeignet ist, sowie auf Verlangen des Reisenden genaue Informationen über eine solche Eignung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Reisenden".

Der Teilsatz „sowie auf Verlangen des Reisenden genaue Informationen …“ ist auf deutschen Vorschlag - beruhend auf einer Initiative des VDK Sozialverbandes Deutschland - in den Text aufgenommen worden. Trotz dieser Ergänzung lässt die Formulierung zahlreiche Fragen offen: Anhand welcher Kriterien beurteilt ein Anbieter, ob eine Pauschalreise für Reisende mit einer Mobilitätseinschränkung „im Allgemeinen“ geeignet ist? Wie und wo erhält er auf Verlangen des Reisenden genaue Informationen und stellt sicher, dass diese Informationen verlässlich sind? Wer entscheidet letztlich über die Eignung der Reise: der Reisende oder der Anbieter? Müssen genaue Informationen auf Verlangen des Reisenden für alle angebotenen Reisen bereitgestellt werden oder nur für diejenigen Reisen, die der Anbieter für „im Allgemeinen“ geeignet hält?

2.3.3 Gruppenreisen: Das Beispiel Schiffskreuzfahrten

Schiffskreuzfahrten werden sowohl als Pauschalreise als auch als Einzelleistung angeboten. Da es in diesem Bereich keine dem Flugverkehr vergleichbaren EU-Regelungen zur Teilnahme behinderter Menschen an Kreuzfahrten gibt, steht die Frage, ob ein blinder oder hochgradig sehbehinderter Reisender alleine an der Reise teilnehmen darf, ganz im Ermessen des Anbieters.

So gibt es Kreuzfahrtunternehmen, die in ihren internen Richtlinien kategorisch festlegen, dass behinderte Reisende an Landausflügen nicht teilnehmen dürfen, wenn die Passagiere ausgebootet werden müssen. Hierbei wird nicht einmal zwischen Behinderungsarten unterschieden. Es gibt aber auch andere Kreuzfahrtveranstalter, die in ihren allgemeinen Informationen erklären, dass Reisende mit einer Behinderung evtl. notwendige Unterstützung selbst organisieren müssen.

Diese beiden Beispiele zeigen erneut, wie wichtig klare Information über Barrierefreiheit bzw. den Umgang mit vorhandenen Barrieren ist, damit behinderte Reisende selbst entscheiden können, ob sie an einer Reise teilnehmen wollen und welche Vorbereitungen ggf. zu treffen sind.

2.4 Lösungsansätze

Die genannten Beispiele zeigen, dass für Reisende, die teilweise oder vollständige Barrierefreiheit und/oder Assistenz benötigen, kaum transparente Entscheidungsgrundlagen bestehen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Möglichkeit von Einzelfallentscheidungen „aus Sicherheitsgründen“ im Flugverkehr, der unklaren Formulierungen in der Pauschalreiserichtlinie als auch hinsichtlich der zu geringen Zahl verlässlicher Informationen über die Barrierefreiheit touristischer Angebote generell.

Will man den Betroffenen unschöne Reiseerfahrungen und Rechtsstreitigkeiten ersparen, so bleiben als Lösungsansätze langfristig nur politische Vorstöße, kurzfristig der Dialog mit der Tourismuswirtschaft.

Für beide Vorgehensweisen ist die NatKo in den vergangenen Jahren zu einer – wie es bereits im ersten Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK hieß – „zentralen Anlaufstelle in Fragen des barrierefreien Tourismus“ geworden.

Hinsichtlich der offenen Fragen bei Flugreisen ergriff vor zwei Jahren der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft die Initiative und lädt seitdem zwei Mal jährlich Vertreter von Behindertenverbänden, Flughäfen, Fluggesellschaften und anderen am Flugverkehr beteiligten Bereichen zu einer Gesprächsrunde ein, in der Probleme bei der Beförderung behinderter Fluggäste geklärt werden sollen.

Im April 2017 wurde dabei auch über die bestehenden Unsicherheiten aufgrund der möglichen Begrenzung gleichzeitig zu befördernder behinderter Fluggäste gesprochen. Ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz wurde dabei erreicht: Das Luftfahrtbundesamt schrieb im August 2017 die Fluggesellschaften an und bat um Beschreibung der internen Vorschriften zur Beförderung behinderter Passagiere in ihren Betriebshandbüchern, damit die Vorschriften im Einklang mit den geltenden nationalen und internationalen Rechtsvorschriften vereinheitlicht werden können. Das ist noch keine Garantie für die aus Sicht behinderter Reisender wünschbare Lösung, aber ein wichtiger Schritt zur Schaffung von mehr Transparenz.

Hinsichtlich der bei Schiffskreuzfahrten immer wieder auftauchenden Probleme gibt es (leider noch) keine derartige Gesprächsrunde. Da die NatKo aber mit einzelnen Veranstaltern im Gespräch ist, ist es immer wieder möglich – so auch in jüngster Zeit – Barrieren in internen Richtlinien und den Köpfen abzubauen und gute Lösungen im Sinne der Reisenden zu erreichen.

Auch zur Klärung der offenen Fragen in der EU-Pauschalreiserichtlinie, über welche und wie viele Reisen auf Verlangen genaue Angaben zur Barrierefreiheit gemacht werden müssen, sind noch keine regelmäßigen Gespräche aufgenommen worden. Die Zeit bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung in knapp einem Jahr muss hierzu aber genutzt werden. Gute Anknüpfungspunkte bietet hier immer wieder der von NatKo und DZT jährlich durchgeführte Tag des Barrierefreien Tourismus auf der ITB Berlin - das nächste Mal am 09.03.2018 - sowie am Messestand.

Ebenso wichtig ist aber die Unterstützung der NatKo durch die Verbände der Behindertenselbsthilfe und die Bereitschaft ihrer Mitglieder, sich für diese Aktivitäten in der NatKo zu engagieren.

Zum Autor

Rüdiger Leidner, geboren 1950 in Aschaffenburg, wechselte 1966 an die Deutsche Blindenstudienanstalt. Nach dem Abitur studierte er in Marburg und Köln Volkswirtschaftslehre. Ab 1980 arbeitete er im Bundeswirtschaftsministerium in Bonn, ab 1992 in Berlin. Ab 2002 war er dort für Tourismuspolitik zuständig. 2003 wechselte er als Nationaler Experte für vier Jahre in das Tourismusreferat der EU-Kommission in Brüssel. Ehrenamtlich vertrat er 2003-2005 die Belange blinder und sehbehinderter Menschen bei den Verhandlungen über die Zielvereinbarung im Tourismus. Seit 2006 ist er Tourismusbeauftragter des DBSV und leitete von 2006-2014 die Koordinationsstelle Tourismus des DBSV. Seit 2004 ist er im Vorstand des Tourismus für Alle Deutschland e.V. (NatKo), zu dessen Vorsitzendem er 2010 gewählt wurde. 2017 wurde er in den Vorstand des European Network on Accessible Tourism (ENAT), in dem der DBSV Mitglied ist, gewählt und in den Stiftungsrat der Stiftung Gesundheit berufen. Seine Autobiographie ist seit 2016 unter dem Titel „Einfach geradeaus?“ auch als Hörbuch in der Deutschen Blindenhörbücherei ausleihbar.

Foto: Dr. Rüdiger Leidner

Dr. Rüdiger Leidner

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein älterer Herr mit Halbglatze, der – mit einem roten Hemd und einem karierten Jackett bekleidet – in die Kamera schaut.


Sehverlust im Alter - werden Betroffene sichtbar benachteiligt?

Christian Seuß

Demografischer Wandel und typische Altersrisiken

Die Gesellschaft wird zunehmend älter; die Lebenserwartung ist in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland deutlich gestiegen; sie beträgt aktuell bei Frauen 84 Jahre und bei  Männern 78 Jahre. Im Zeitalter des demografischen Wandels mit steigender Lebenserwartung müssen ältere Menschen zunehmend damit rechnen, von typischen Altersrisiken betroffen zu werden. Dazu zählt neben Demenz, Depressionen und Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen, Geh- und Hörbeeinträchtigungen auch der Sehverlust im Alter.

Sehverlust – ein relevantes Altersrisiko

Es ist bekannt, dass die Sehleistung aufgrund der physiologischen Veränderungen im Alter bei jedem Menschen nachlässt; das gilt z. B. für das Akkumulieren vom Hellen ins Dunkle und umgekehrt, das Kontrastsehen, die Altersweitsichtigkeit und eine zunehmende Blendempfindlichkeit, weshalb ältere Menschen bei Dunkelheit häufig erhebliche Probleme beim Autofahren haben.

Typische Augenkrankheiten im Alter sind das Glaukom (der Grüne Star), die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) und die Diabetische Retinopathie; sie führen zu einer deutlichen Herabsetzung des Sehvermögens auf 3/10 bis 1/20, also zu einer wesentlichen oder hochgradigen Sehbehinderung; selten zur völligen Erblindung.

Nach den aktuellen Schätzungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im September 2017 wird damit gerechnet, dass es allein in Deutschland im Jahr 2030 über 7 Millionen ältere Menschen geben wird, die von der Altersbedingten Makuladegeneration (AMD) betroffen sind. Ein derartig gravierender Sehverlust schränkt die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft erheblich ein; betroffen sind die Mobilität, der Zugang zur Information und Literatur sowie die zwischenmenschliche Kommunikation. Sehverlust stellt häufig eine starke psychische Belastung dar und führt nicht selten zur Vereinsamung. Anpassungsstörungen und Depressionen können damit einhergehen.

Teilhabe und Rehabilitation am Leben in der Gemeinschaft - ein Menschenrecht

Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen enthält das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Leben der Gemeinschaft und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung und Teilhabe zu treffen.

Aber wie sieht es in Deutschland mit der Gleichstellung älterer Menschen aus, die von Sehverlust betroffen sind?

Selbstständigkeit fördern – Orientierungs- und Mobilitätstraining

Solange es sich um die Schulung im Gebrauch von Hilfsmitteln handelt, die gemäß § 33 Sozialgesetzbuch V von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden, haben Versicherte jeglichen Alters einen Versorgungsanspruch. Beispielhaft sind zu nennen: das Gehen mit dem weißen Blindenlangstock, das auch das Bewältigen bestimmter Verkehrssituationen und auch den Einsatz eines vorhandenen restlichen Sehvermögens umfasst, die Handhabung vergrößernder Sehhilfen und die Orientierung und Mobilität mit Hilfe eines Blindenführhundes.

Alltagskompetenzen wiederherstellen durch LPF-Training

Im Gegensatz zur beruflichen Rehabilitation gibt es für sehbehinderte Menschen, die jenseits des 60. Lebensjahres ihr Sehvermögen einbüßen, in Deutschland kein gesetzlich verankertes Regelangebot auf Vermittlung von Alltagskompetenzen nach Sehverlust unabhängig von Einkommen und Vermögen. Alle bisherigen Bemühungen des DBSV und DVBS auf eine medizinisch basierte Grund-Reha stießen bei den Kassen und der Politik auf taube Ohren.

Dies führt in der Praxis zu der unbefriedigenden Lösung, dass die meisten älteren Menschen kein LPF-Training erhalten, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder nach den Grundsätzen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger in Regress genommen werden. Lediglich in Bayern hat sich seit über 20 Jahren ein flächendeckendes Netz von Ambulanten sozialen Beratungs- und Reha-Diensten etabliert, das auch ein Low-Vision-Training nach individuellen Bedürfnissen der Klienten beinhaltet.

Grundlage des überregionalen Fachdienstes sind die landesrechtlichen Richtlinien des Freistaats Bayern zur Förderung der offenen Behindertenarbeit. Der Zugang ist niederschwellig, ohne dass es einer ärztlichen Verordnung bedarf, und für die Betroffenen kostenlos. Bis jetzt ist leider kein anderes Bundesland bereit gewesen, diesem Beispiel zu folgen.

Der DBSV strebt eine bundeseinheitliche Lösung an, die ein medizinisch basiertes Basis-Training nach Sehverlust vorsieht und somit jedem Menschen nach Sehverlust die notwendige Reha-Maßnahme ermöglichen würde, was bei anderen Erkrankungen wie Herz-, Hüft- oder Knieoperation selbstverständlich ist.

Ausreichend Licht – besonders wichtig im Alter

Notwendig ist insbesondere für ältere Menschen mehr Licht im öffentlichen und privaten Lebensbereich. Dieser wichtige Aspekt der Low-Vision-Rehabilitation muss deutlich stärker in das allgemeine Bewusstsein gerückt werden. Wir brauchen deshalb eine bundesweite „Kampagne für ausreichend Licht“.

Staatlicher Nachteilsausgleich für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen

Menschen, die blind im Sinne des Gesetzes sind, zu denen auch Menschen mit einem minimalen Sehvermögen von 1/50 oder weniger auf dem besseren Auge gehören, erhalten zum Ausgleich der behinderungsbedingten Mehraufwendungen in jedem Bundesland ein einkommens- und vermögensunabhängiges Blindengeld.

Ungerecht erscheint, dass dieses Blindengeld je nach Finanzkraft des Landes zwischen monatlich 319 Euro und 694,68 Euro differiert, obwohl die typischen blindheitsbedingten Mehraufwendungen für z. B. Taxi, Hilfsmittel, Assistenz beim Einkaufen, zu Veranstaltungen oder auf Reisen sowie Reinigungskräfte deutschlandweit im Wesentlichen gleich hoch sind.

In Nordrhein-Westfalen wurde das Blindengeld für alle Berechtigten über 60 Jahre auf monatlich 473 Euro eingefroren, während es für die Jüngeren von 18 bis 60 Jahre aktuell 694,68 Euro beträgt und regelmäßig angepasst wird. Auch wenn diese gesetzgeberische Regelung durch das Verfassungsgericht NRW nicht für rechtswidrig erklärt wurde, erscheint sie doch sehr fragwürdig. Ältere blinde Menschen benötigen im Durchschnitt mehr Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags; nicht selten sind sie zusätzlich hör- oder gehbehindert.

Aus gutem Grund fordern DBSV und DVBS ein bundeseinheitliches Blindengeld, das von Flensburg bis Garmisch und von Aachen bis Cottbus gleich hoch ist.

Ein Sehbehindertengeld für hochgradig sehbehinderte Menschen gibt es nur in sechs Bundesländern, nämlich in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch hier ist der Zahlbetrag sehr uneinheitlich und reicht von monatlich 41,00 Euro bis 179,23 Euro.

Da hochgradig sehbehinderte Menschen in vielen Lebensbereichen den gleichen Aufwand haben wie blinde, ist es zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse erforderlich, in allen Bundesländern ein angemessenes Sehbehindertengeld einzuführen. Dies käme nicht zuletzt den vielen älteren Menschen zugute, die von Sehverlust betroffen werden.

Fazit

Ältere sehbehinderte und blinde Menschen werden aktuell in Deutschland in mehrfacher Hinsicht schlechter gestellt.

Dringend geboten ist die Einführung einer medizinisch basierten Basis-Reha-Maßnahme nach Sehverlust sowie ein angemessenes Blinden- und ein Sehbehindertengeld - ohne Rücksicht auf Alter und Wohnort der Betroffenen.

Außerdem muss dem Thema "Sehen im Alter" angesichts des demografischen Wandels in Politik und Verwaltung deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Foto: Ein Frau berät einen Senior.

Durch eine fachgerechte Beratung - etwa für in Frage kommende Hilfsmittel - kann die Situation von Sehverlust im Alter gemildert werden. (Foto: DBSV)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen älteren Herrn im Gespräch mit einer jüngeren Frau, die anhand einer Sehtafel einen Sachverhalt erklärt.

Niedergelassene Augenärzte sind gut beraten, verstärkt mit den Blickpunkt-Auge-Beratungsstellen der DBSV-Landesvereine zusammenzuarbeiten, damit Augenpatienten frühzeitig Rat und Hilfe erfahren. Um diese Ziele langfristig erreichen zu können, wurde das Projekt „Sehen im Alter“ ins Leben gerufen. Die DBSV-Initiative „Sehen im Alter“ richtet sich an Fachkreise und konzentriert sich auf die politische und gesellschaftliche Arbeit für Menschen, die von Sehverlust im Alter bedroht oder betroffen sind. Das Projekt fördert die Zusammenarbeit von verschiedenen Fachdisziplinen (Augenmedizin, Augenoptik, Geriatrie, Pflege, Psychologie, Rehabilitation, Selbsthilfe, Seniorenorganisationen und Versorgungsforschung).

Hauptanliegen des Bündnisses sind gemäß der im Juni 2014 verabschiedeten  „Bonner Erklärung“ (http://www.sehen-im-alter.org/bonner-erklaerung.html) das Thema „Sehverlust im Alter“, von dem mit steigender Lebenserwartung immer mehr Menschen betroffen sind, in die Demographie-Debatte und in das allgemeine und politische Bewusstsein zu rücken, vermeidbaren Sehverlust durch Aufklärung, Prävention und Früherkennung zu verhindern und  die Beratung und Unterstützung Betroffener zu optimieren.

Interessierte Einzelpersonen und Organisationen können die Bonner Erklärung Unterzeichnen und dem Aktionsbündnis als Unterstützer beitreten unter http://www.sehen-im-alter.org/beitrittsformular.html.

Aufbauend auf der „Bonner Erklärung“ wurde auf der Fachtagung mit dem Titel „Prävention: Gemeinsam vorausschauend handeln“ des Bündnisses „Sehen im Alter“ im Juli 2017 in Bonn der „Aktionsplan 2022“ ausgearbeitet, in welchem es darum geht, sich dafür einzusetzen, vermeidbaren Sehverlust zu verhindern und Menschen mit Sehverlust optimal zu unterstützen (http://www.sehen-im-alter.org/abschlusserklaerung.html).

Zum Autor

Christian Seuß ist Rechtsanwalt und war viele Jahre Geschäftsführer des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes e.V. (BBSB). Seit 2015 ist er Bundeskoordinator des Aktionsbündnisses  „Sehen im Alter“ (www.sehen-im-alter.org).

Foto: Christian Seuß

Christian Seuß. (Foto: Privat)

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Herr mittleren Alters mit dunkler Sonnenbrille, der ein weißes Hemd, eine blau gemusterte Krawatte und ein blaues Sakko trägt.


Behinderung und Karriere – behindert in die Wirtschaft

Carsten Otto

Seit vielen Jahren verfolge ich die Diskussion über die berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderung. Dabei frage ich mich immer wieder: „Wer sind diese Menschen mit Behinderung und wer oder was macht sie zur Gruppe? Sie selbst oder die Gesellschaft?“ Aus rechtlicher Perspektive gibt es unzählige Normen, die auf Basis „objektiver“ Kriterien diese Gruppe definieren und Regeln für ihre Mitglieder setzen. Doch wie sieht es im sozialen Alltag aus, bei dem diese Gruppe mit der „normalen“ Gesellschaft diffundiert? Es kommt wohl auf den Einzelfall an. Unstrittig ist, dass soziale Regeln sich nach Situation und Beziehung der Beteiligten richten. Dabei kann zwischen privaten und beruflichen Beziehungen unterschieden werden. Für wen ist es zum Beispiel üblich, persönlichste Ängste, Neigungen, Defizite usw. in das berufliche Umfeld zu tragen. Es sind diejenigen, bei denen bestimmte persönliche Gegebenheiten relevant für das Arbeitsverhältnis sind. Daher heißt es im Sinne des Vertrauens und der Transparenz: „Guten Tag. Mein Name ist Carsten Otto. Ich bin diplomierter Wirtschaftsjurist und gesetzlich blind.“

Stigmata erschweren Objektivität

Eine Erkenntnis meines nunmehr halben Lebens mit Behinderung ist die stete Konfrontation mit Stigmata. Je nach Situation und Erfahrung des Gegenübers, fungiert man regelmäßig als Projektionsfläche für dessen positive oder negative Vorstellungen eines Behinderten. Diese basieren im seltensten Fall auf eigenen Erfahrungen, sondern resultieren aus Erzählungen, Medien, Mythen und ähnlichen Quellen. Die Divergenz zwischen dem realen Behinderten und dem jeweiligen Stigma ist hierbei maßgeblich für dessen Polarisationswirkung auf das Gegenüber. Zu Deutsch, je weiter Mensch mit Behinderung von den jeweiligen Vorstellungen des Gegenübers abweicht, desto schwieriger wird es, objektiv wahrgenommen zu werden. Zusätzliche Würze bekommt eine solche Situation, wenn ein Mensch mit Behinderung auf persönliche Ängste bzw. Befindlichkeiten seines Gegenübers trifft oder sogar als Konkurrenz wahrgenommen wird. Setzt man diese Herausforderung nunmehr in den Kontext eines Vorstellungsgespräches, so erhält man einen Balanceakt, der aus kommunikativen und sozialen Gesichtspunkten kaum anspruchsvoller sein kann. Damit es dabei nicht langweilig wird, hat der Gesetzgeber noch die Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung bestimmt. Im Ergebnis eine Person mehr, die man zu überzeugen hat.

Die Behinderung wiegt oft mehr als die Fähigkeiten

Allzu oft wird statuiert, dass Menschen mit Behinderung über gute Qualifikationen verfügen und besonders motiviert sind. Dies ist auch bei mir der Fall. Ein guter Studienabschluss, eine anspruchsvolle Spezialisierung, schon während des Studiums Praktika absolviert und die ersten Jahre Berufserfahrung in der Tasche. Doch nach unzähligen Bewerbungen gibt es nur ein Ergebnis – die Behinderung wiegt mehr als jede Qualifikation. Dies würde natürlich niemand im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens offenbaren. Es sind vielmehr die privaten Gespräche mit befreundeten Personalern, Arbeitsrechtlern, Unternehmern und anderen Menschen mit Handicap, die diese Realität ans Licht bringen. Auf der einen Seite scheint es die mangelnde Vorstellungskraft zu sein, dass Behinderung keinen Leistungsausschluss bedeutet. Andererseits sind es rechtlich basierte Fehleinschätzungen wie die oft angenommene Unkündbarkeit, die objektiven und konstruktiven Erwägungen hinsichtlich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung entgegenstehen. Was es bräuchte, sind Wissen und Erfahrung – doch dies bedeutet Aufwand und somit verfügbare Ressourcen. Welcher Unternehmer oder Personaler hat jedoch Erfahrungen mit dem Thema Behinderung und den Besonderheiten eines diesbezüglichen Arbeitsverhältnisses oder die Zeit, sich hierin einzuarbeiten? Am Ende hilft da nur das Glück, auf einen Personaler bzw. Unternehmer mit solchen Kompetenzen zu treffen oder über eine langjährige Bekanntschaft mit jemandem aus dieser Zielgruppe zu verfügen. Nur im seltensten Fall zeigt der Anreiz eines geförderten Arbeitsverhältnisses seine angedachte Wirkung und der Hinweis auf Stellenausschreibungen, die die bevorzugte Einstellung von Menschen mit Behinderungen ausweisen, suggeriert doch so wundervoll die doch guten Arbeitschancen für Behinderte. Letztendlich bedingt eine Einstellung immer eine Risikoabwägung, deren Ergebnis vom Wissen und der Erfahrung der Personalverantwortlichen abhängt.

Quote statt Karriere

Der Weg zur Qualifikation für den ersten Arbeitsmarkt ist wohl für wenige Menschen leicht. Für Menschen mit Behinderung gleicht dieser oftmals einem Hürdenlauf. Da gibt es die Kostenträger, die ihre Leistungen für erforderliche Hilfsmittel, Mobilität oder Assistenz unter das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stellen, Arbeitgeber und Bildungseinrichtungen, die man von der Notwendigkeit abweichender Bedingungen für z. B. Tätigkeiten oder Prüfungen überzeugen muss, und letztendlich die eigentliche Qualifikationsarbeit. So wird beispielsweise ein Studium zur Unternehmung. Die Finanzierung muss gesichert, Personal angelernt und geführt, Prozesse und Ressourcen koordiniert und überwacht sowie über alles Rechenschaft abgelegt werden. Es versteht sich hierbei von selbst, dass die kostenträgerbasierte Finanzierung einer solchen Unternehmung kein Schöpfen aus einem Füllhorn ist. Soll es funktionieren, ist unternehmerisches Denken unabdingbar. Mit der so gewonnenen Fachlichkeit und Kompetenz tritt man nun potenziellen Arbeitgebern gegenüber, die leider oftmals nur in behinderungsspezifischen Rollenprofilen denken. Unter dem Blickwinkel, dass mehr als 90 Prozent der Menschen mit Behinderung nicht über ihre Einstiegsposition hinauskommen, beschleicht mich eine bittere Erkenntnis. Quote statt Karriere.

Eingestellt heißt nicht gleich inkludiert

Leider ist Inklusion kein Prozess, der mit der Einstellung eines Behinderten sein erfolgreiches Ende findet. Auch wenn die optimalen Arbeitsabläufe gefunden wurden und sich die Kollegen mit den Besonderheiten des neuen Mitarbeiters arrangiert haben, bleibt ein erweiterter Verwaltungsaufwand. Stets muss ggf. ein Mehrurlaub berücksichtigt, steuerliche Besonderheiten beachtet und erforderliche Hilfen beantragt werden. Das Resultat ist Aufwand, der Wissen erfordert, welches über die Personalverwaltung normaler Mitarbeiter hinausgeht. Ob dies im Verhältnis zu den Ersparnissen der nicht zu leistenden Sonderabgabe steht, kann wohl nur jeder Unternehmer für sich beantworten.

Epilog

Es ist nun über zwei Jahre her, dass ich diesen Artikel als Diskussionsbeitrag für Xing verfasst und bislang nicht veröffentlicht habe. Daher stellte sich mir die Frage, ob denn meine Sicht und Erfahrungen noch aktuelle Relevanz bergen? Ja, leider! Es sind und bleiben Erfahrungen und Erkenntnisse, die auf all diejenigen warten, die trotz Behinderung eine berufliche Karriere in der freien Wirtschaft anstreben. Letztendlich ist dieser Weg eine harte Schule, an deren Ende jedoch eine Qualifikation steht, die man in keiner Lehre oder Studium erwerben kann. Das Selbstbewusstsein, seinen beruflichen Weg selbst zu wählen und zu gestalten. Ich kann selbst nur dazu raten und gestatte mir einen Hinweis zum Schluss: Wer keine Brücken zu anderen Menschen denkt, schafft keine Wege für den Konsens.

Zum Autor

Carsten Otto ist ausgebildeter Diplom-Wirtschaftsjurist, 39 Jahre alt und lebt in Berlin. Trotz umfangreicher Bewerbungen ist er seit etwa 3 Jahren wieder Rentner. Im DVBS engagiert er sich als stellvertretender Leiter der FG Wirtschaft. Des Weiteren ist er in Bogensportvereinen im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderung ehrenamtlich tätig sowie derzeit amtierender deutscher Meister im Bogenschießen in der Klasse der blinden/sehbehinderten Menschen.


 horus-Zeitreisen

Unsere horus-Zeitreisen, in denen bisher einzelne Artikel vorgestellt wurden, sollen mit diesem Heft zu Ende gehen. Die Ereignisse der 1990er Jahre und die nach der Jahrtausendwende sind doch noch so verhältnismäßig präsent, dass eine erneute Dokumentation (bislang nicht) lohnt. Wir werden dennoch die Zeitreisen 2018 letztmalig fortsetzen und dabei übergreifend auf die Geschichte des horus ausführlich zurückkommen, datiert dessen erste Ausgabe doch aus dem Jahr 1918, so dass die Zeitschrift dann ihr 100-jähriges Jubiläum begehen kann.

Heute beschäftigen wir uns mit einem Fall krasser Diskriminierung durch den bundesdeutschen Gesetzgeber der 1980er Jahre, der allen blinden Menschen die angebliche Wohltat eines Pflichtverteidigers in Strafprozessen antun wollte. Inzwischen ist übrigens auch eine Pflichtverteidigung für taube Menschen nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Nach § 140 Abs. 2 Satz 2 StPO muss lediglich dem Antrag eines hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers entsprochen werden.

Die Quellen:

  • Schulze, Dr. Hans-Eugen: Braucht der Blinde im Strafverfahren einen Verteidiger?, - in: Marburger Beiträge zur Integration Blinder und Sehbehinderter 1987, H. 3, S. 269-275 (Punktschrift) = horus: Marburger Beiträge zur Integration Sehgeschädigter (1987), H. 2, S. 49-50 (Schwarzschrift),
  • Ders.: Pflichtverteidigung für Blinde wieder aufgehoben, - in : Marburger Beiträge 1988, H. 2, S. 211-212 (Punktschrift) und 1988, H. 2, S. 77-77 (Schwarzschrift)
  • Ders.: Noch einmal: Keine Pflichtverteidigung für Blinde mehr!, - in: Marburger Beiträge 1988, H. 4, S. 471-475 (Punktschrift) und 1988, H. 3, S. 118-119 (Schwarzschrift).

Uwe Boysen


Braucht der Blinde im Strafverfahren einen Verteidiger?

Dr. Hans-Eugen Schulze

Von uns allen unbemerkt und erst recht ohne uns zu fragen, hatte die Bundesregierung dem Bundestag eine Ergänzung von § 140 Abs. 1 Nr. 4 der Strafprozessordnung vorgeschlagen, die uns Blinde betrifft (Bundestagsdrucksache 10/1313 vom 13.4.1984; vgl. auch den Bericht Bundestagsdrucksache 10/6592 vom 28.11.1986), und der Bundestag ist diesem Vorschlag - wiederum ohne uns zu fragen - in Art. 1 Nr. 7 des Strafverfahrensänderungsgesetzes vom 27.1.1987 (BGBl 1 S. 475) gefolgt. Dabei war den Blindenselbsthilfeorganisationen im Zusammenhang mit der Novellierung des Schwerbehindertengesetzes zugesichert worden, sie künftig bei allen für Blinde wichtigen Gesetzesänderungen vorher zu hören. Es geht um unsere sog. notwendige Verteidigung. Wer beschuldigt wird, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, kann sich in jeder Verfahrenslage des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen. In einer Reihe von Fällen, die § 140 Abs. 1 StPO im Einzelnen aufzählt, schreibt das Gesetz die Mitwirkung eines solchen Verteidigers sogar zwingend vor. (…)

Früher lautete § 140 Abs. 1 StPO, soweit er hier interessiert: “Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwendig, wenn ... 4. der Beschuldigte taub oder stumm ist.” Vor “taub” ist nunmehr das Wort “blind” eingefügt worden mit der Folge, dass jetzt auch der blinde Beschuldigte einen Verteidiger haben muss.

Darin, dass Bundesregierung und Bundestag keiner der deutschen Blindenselbsthilfeorganisationen Gelegenheit gegeben haben, zu dem Änderungsentwurf Stellung zu nehmen, liegt zunächst eine große Missachtung der Betroffenen durch die Gesetzgebungsorgane, die seit der Bewusstseinsbildung im Jahre der Behinderten 1981 eigentlich nicht mehr hätte geschehen dürfen. Der Gesetzgeber könnte nicht einwenden, er habe uns doch nur eine Wohltat erweisen wollen; denn der Respekt vor der Würde der Behinderten gebietet es, ihnen auch Vergünstigungen nur einzuräumen, nachdem vorher die von ihnen selbst gewählten Interessenvertreter gehört worden sind. (…)

Die Ausdehnung von § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO auf Blinde wäre nicht notwendig gewesen. Sie unterwirft uns vielmehr ohne sachlichen Grund, allein wegen unserer Blindheit, einer Sonderregelung und diskriminiert uns damit. In der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf heißt es zwar: Grund für die (frühere) gesetzliche Regelung sei die durch Taubheit oder Stummheit eintretende Erschwerung der Fähigkeit zur Eigenverteidigung, namentlich zur Wahrnehmung der dem Beschuldigten zustehenden prozessualen Rechte, vor allem seines Anspruchs auf rechtliches Gehör; und sodann wörtlich: “Eine vergleichbare Beeinträchtigung wird durch Blindheit bewirkt.” Das ist nicht richtig. An der Erörterung seines Falles vor Gericht kann sich der Blinde ebenso beteiligen, kann also seinen Anspruch auf “rechtliches Gehör“ ebenso wahrnehmen wie ein Sehender. Auch sonst ist seine Fähigkeit zur Verfolgung prozessualer Rechte nicht gemindert, jedenfalls nicht in einem fairen Verfahren - und der Gesetzgeber will gewiss nicht Richter und Staatsanwälte verdächtigen, sie könnten einmal die Blindheit eines Beschuldigten ausnutzen. (…) Würde die Blindheit den Betroffenen hindern, seine Rechte in einem fairen Verfahren wahrzunehmen, dann wäre es ihm erst recht nicht gelungen, unter Sehenden und teilweise sogar im Wettbewerb mit ihnen im Laufe der Zeit zahlreiche berufliche Positionen, auch herausragende, zu erobern und zu behaupten. (…)Blinde müssen es deshalb als Verletzung ihrer Würde empfinden, allein wegen dieser Behinderung in ihrem Recht eingeschränkt zu werden, sich selbst zu verteidigen. Sie müssen außerdem fürchten, dass Sehende unter Hinweis auf die “Weisheit” des Gesetzgebers aus der Gesetzesänderung auch nachteilige Folgerungen auf ihre übrige, insbesondere berufliche Leistungsfähigkeit ziehen. Das Ansehen Blinder in der Gesellschaft ist ohnehin gefährdeter als dasjenige Sehender, zumal in einer Zeit zunehmender Arbeitslosigkeit. Die Gesetzesänderung untergräbt es noch weiter. (…)

Für jemanden, der sich selbst verteidigen will, bedeutet es im Übrigen eine zusätzliche finanzielle Last, in Zukunft bei einem ihm ungünstigen Ausgang eines Strafverfahrens in allen Fällen auch für das Verteidigerhonorar aufkommen zu müssen. Der Zyniker kann natürlich sagen, dass wir auch dazu unser Blindengeld erhielten - aber eben nur der Zyniker. (…)


Pflichtverteidigung für Blinde wieder aufgehoben

Dr. Hans-Eugen Schulze

(…) Auf unsere Gegenvorstellungen hatte der Herr Bundesminister der Justiz schon Ende Juni vorigen Jahres, nur drei Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, seine Bereitschaft erkennen lassen, diese Gesetzesänderung "bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit" rückgängig zu machen, d.h. sobald auch andere Änderungen der Strafprozessordnung notwendig würden. Da gar nicht abzusehen war, wann das wäre, bemühten wir uns in den folgenden Monaten, das Bundesjustizministerium und die im Bundestag vertretenen Parteien davon zu überzeugen, dass wir nicht auf unabsehbare Zeit warten könnten. Das ist uns gelungen. Am 10. März hat der Bundestag in Bezug auf uns Blinde den früheren Rechtszustand wiederhergestellt. Wir sind den Politikern sowie den Bediensteten im Bundestag und im Bundesjustizministerium, die diese ganz ungewöhnlich schnelle gesetzgeberische Maßnahme möglich gemacht haben, zu großem Dank verpflichtet, den ich hiermit öffentlich aussprechen möchte. (…)


Noch einmal: Keine Pflichtverteidigung für Blinde mehr!

Dr. Hans-Eugen Schulze

Ich möchte (…) nachstehend aus den beiden Bundestagssitzungen, die dem Erlass des Gesetzes vorausgegangen waren, einige Äußerungen festhalten, die für Behinderte auch über den Tag hinaus Bedeutung haben und darum nicht in Vergessenheit geraten sollten. Ich zitiere zunächst aus der 36. Sitzung vom 5.11.1987, in der die erste Lesung des von der SPD eingebrachten Änderungsgesetzes stattfand (Stenographische Berichte 11, S. 2460 ff.): Abgeordneter Singer, SPD: "Die ... Blinden haben in Jahrzehnten gezeigt, dass sie den Problemen ihrer Berufe gewachsen sind ... Eine generelle Pflicht der Blinden, sich in jedem Strafverfahren und jedem OWIG-Verfahren eines Anwalts zu bedienen, kann deshalb nicht anerkannt werden. (…)“

Abgeordneter Eylmann, CDU/CSU: "In unserem Bemühen, behinderten Personen unsere besondere Fürsorge angedeihen zu lassen, sollten wir kritischer, als es zuweilen in der Vergangenheit geschehen ist, prüfen, ob diese Fürsorge wirklich notwendig ist. Wir sollten auch darauf achten, dass die Hilfe so gewährt wird, dass sie das Selbstwertgefühl des Behinderten nicht beeinträchtigt. Wir sollten vor allem Behinderte nicht zwingen, die ihnen angebotenen Hilfen in Anspruch zu nehmen, sondern es ihrer Einschätzung überlassen, ob sie sich die Wahrnehmung ihrer Rechte selbst zutrauen oder nicht."

Abgeordnete Frau Nickels, Fraktion Die Grünen: "Es beschämt mich, es beschämt uns - und wir haben das den Verbänden zu danken -, dass nicht wir das gemerkt haben, sondern dass erst die Verbände, die Vertretung der Betroffenen, hier Alarm schlagen und uns darauf aufmerksam machen mussten, was wir da eigentlich gemacht haben. Es ist so, dass die Einfügung dieses kleinen Wörtchens (Anm.: gemeint ist das Wort "blind") in der Konsequenz von 75.000 blinden Menschen in der Bundesrepublik als schwerwiegende Diskriminierung empfunden wurde - und ich meine auch zu Recht ... Mit dieser Vorgehensweise offenbart sich eine falsch verstandene Fürsorglichkeit für behinderte Menschen, und zwar darin, dass hier Betroffene zu Unmündigen degradiert werden. Eine eigenständige Entscheidung darüber, was sie an Unterstützung für ihre speziellen Lebensbedürfnisse benötigen, wird ihnen unmöglich gemacht. (…)“


Recht

Digitale Justiz auf dem Weg zur Barrierefreiheit

Andreas Carstens

Foto: DVBS-Stand auf dem EDV-Gerichtstag

Der DVBS ist schon seit vielen Jahren auf dem EDV-Gerichtstag vertreten. (Foto: DVBS)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Raum, in dem ein Tisch mit DVBS-Tischtuch sowie zahlreichen Unterlagen zu erkennen sind. Auf der rechten Seite sitzen zwei männliche Personen vor einem Computer-Bildschirm.

Am diesjährigen EDV-Gerichtstag, der unter dem Motto „Recht 4.0 - vom elektronischen Rechtsverkehr zur digitalen Justiz“ vom 20. bis 22. September 2017 in Saarbrücken stattgefunden hat, haben über 750 Kongressbesucher und 45 Ausstellerfirmen teilgenommen (1). Auch der DVBS war wieder mit einem Informationsstand zur Barrierefreiheit vertreten. An zwei mit Screenreader, Braillezeile und Sprachausgabe bzw. Vergrößerungssystem ausgestatteten PC-Arbeitsplätzen haben wir gezeigt, wie blinde und sehbehinderte Juristinnen und Juristen am PC arbeiten, welche Hindernisse und Barrieren dabei auftreten und wie sich diese Barrieren vermeiden lassen (2). Wie schon in den vergangenen Jahren war unser Informationsstand wieder gut besucht. In zahlreichen Gesprächen mit Vertretern von Ministerien, IT-Verantwortlichen der Gerichte und Entwicklern von elektronischen Akten und IT-Fachanwendungen konnten wir über die Möglichkeiten zur barrierefreien Gestaltung informieren und uns zu Fragen der Umsetzung austauschen. Auch die Juris GmbH, die den Internetauftritt für ihre Rechtsdatenbanken neu gestaltet hat, war bei uns am Stand, um mit uns zu beraten, wie sich der Internetauftritt auch zukünftig barrierefrei gestalten lässt. Und von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) haben wir erfahren, dass für das neu geschaffene elektronische Anwaltspostfach erfolgreich ein BITV-Test durchgeführt wurde.

Hilfreich bei unserem Engagement für eine barrierefreie digitale Justiz, die sowohl den Rechtssuchenden und ihren Verfahrensbevollmächtigten als auch den Beschäftigten in der Justiz zugute kommt, waren u.a. zahlreiche gesetzliche Vorschriften, die inzwischen zur Barrierefreiheit verpflichten (3). So wurde bereits durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl I, S. 3786) ein neuer Absatz 3 in § 191a des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) eingefügt (4), der die Justiz ab dem 1. Januar 2018 dazu verpflichtet, die elektronischen Dokumente und Formulare der Justiz und den Zugang zu den sicheren Übermittlungswegen barrierefrei zu gestalten (5). Darüber hinaus sieht das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 BGBl I, S. 2208 vor, dass der Bund und die Länder die Anforderungen zur Barrierefreiheit elektronischer Akten zukünftig in einer Rechtsverordnung verbindlich festlegen (6). Und nach § 121 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) müssen öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen in der Leistungsbeschreibung regelmäßig die Anforderungen zur Barrierefreiheit berücksichtigen (7). Außerdem verpflichtet § 7 des Vertrauensdienstegesetzes (VDG) die Anbieter von sog. Vertrauensdiensten (z.B. zur qualifizierten elektronischen Signatur), ihre Angebote und die hierzu im Internet verfügbaren Informationen barrierefrei zu gestalten (8).

Auf die Frage nach einem (Zwischen-) Fazit lässt sich sagen, unser Engagement für Barrierefreiheit hat sich gelohnt. Bereits im November 2014 hat die Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz (BLK) ein Themenpapier und einen Aktionsplan zur Barrierefreiheit der Informationstechnik in der Justiz beschlossen (9). Eine Fortschreibung des Aktionsplans durch die BLK ist in Vorbereitung. Zahlreiche Bundesländer berichten inzwischen regelmäßig in den jährlich aktualisierten Länderberichten zur EDV-Ausstattung in der Justiz auch über ihre Maßnahmen zur Barrierefreiheit und deren Umsetzung (10). Gleichwohl bleibt noch einiges zu tun. Damit die Umsetzung gelingt, ist es auch weiterhin erforderlich, dass wir uns als DVBS, vor Ort als Schwerbehindertenvertretung und unmittelbar als betroffene Nutzerinnen und Nutzer, aktiv in diesen Prozess einbringen, darauf achten, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Barrierefreiheit tatsächlich durchgeführt werden und wir, wo möglich, Vorschläge zur Beseitigung von Barrieren machen.

Zum Autor

Der Autor ist Richter am niedersächsischen Finanzgericht, Vertrauensperson der schwerbehinderten Richterinnen und Richter und Mitglied in der Fachgruppe Jura des DVBS.

Weiterführende Hinweise

  1. Siehe www.edvgt.de; die Präsentationen und Protokolle der Arbeitskreise werden in Kürze im Internetauftritt des EDV-Gerichtstages veröffentlicht.
  2. Siehe www.dvbs-online.de/php/dvbs-news687.htm; dort auch die Ankündigung unseres Informationsstandes in der Tagungsmappe des EDV-Gerichtstages.
  3. Ausführlich dazu A. Carstens, Grundlagen für eine barrierefreie IT in der Justiz, in: F. Kerkmann und D. Lewandowski (Hg.), Barrierefreie Informationssysteme, 2015, S. 177 - 215.
  4. Zur aktuell geltenden Fassung siehe Gesetze im Internet: www.gesetze-im-internet.de/gvg/__191a.html; mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 kommen folgende Sätze hinzu: „Elektronische Dokumente sind für blinde oder sehbehinderte Personen barrierefrei zu gestalten, soweit sie in Schriftzeichen wiedergegeben werden. Erfolgt die Übermittlung eines elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg, ist dieser barrierefrei auszugestalten.“
  5. Siehe dazu auch Chr. Sorge und J. Krüger, E-Akte, elektronischer Rechtsverkehr und Barrierefreiheit, NJW 2015, 2764 - 2767.
  6. Vgl. § 32 Abs. 2 StPO, § 298a Abs. 1a ZPO, § 46e Abs. 1a ArbGG, § 65b Abs. 1a SGG, § 55b Abs. 1a VwGO und § 52b Abs. 1a FGO (jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der E-Akte in der Justiz vom 5. Juli 2017).
  7. Gesetze im Internet: www.gesetze-im-internet.de/gwb/__121.html; siehe dazu auch A. Carstens, Modernisierung des Vergaberechts – nicht ohne Barrierefreiheit, ZRP 2015, 141 - 144.
  8. Gesetze im Internet: www.gesetze-im-internet.de/vdg/__7.html
  9. Download: www.justiz.de/BLK/berichte/barrierefreiheit.pdf
  10. Abrufbar unter: http://www.justiz.de/BLK/laenderberichte/index.php; hierzu ausführlich insbesondere die Länderberichte der Justiz aus Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Bücher

Buchtipps aus der Brailledruckerei

Thorsten Büchner

Foto: Polizeiauto

Die Polizei – Dein Freund und Helfer im Einsatz. (Foto: NicoLeHe / pixelio.de)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt ein Polizeifahrzeug in der typischen silber-blauen Lackierung, das mit offener Fahrertür auf einer Straße steht.

Tania Kambouri: Deutschland im Blaulicht - Notruf einer Polizistin

Piper, München, 2015, Bestellnummer: 4834, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Die griechischstämmige Polizeikommissarin schildert den höchst frustrierenden Polizeialltag einer Streifenpolizistin, die teilweise ohnmächtig zusehen muss, wie Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft zunehmen und sich eine spezielle Form von Paralleljustiz etabliert. Die Gruppe mit den größten Integrationsproblemen seien muslimische junge Männer. Die Hauptursache sieht sie in deren kultureller, religiöser Prägung. Sie möchte zum gemeinsamen Handeln auffordern und wünscht sich eine Gesamtstrategie aller staatlichen und kommunalen Stellen, die Präventionsmaßnahmen, Hilfsangebote, klare Ansagen und spürbare Konsequenzen miteinander abstimmen.

Wolfgang Bauer: Über das Meer - Mit Syrern auf der Flucht nach Europa

Suhrkamp, Berlin, 2016, Bestellnummer: 4846, 1 Band, KR, 21,50 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Im Frühsommer 2014 gaben sich der "Zeit"-Journalist Bauer und der tschechische Fotograf Krupar als kaukasische Flüchtlinge aus. Sie wollten von Ägypten aus über das Mittelmeer nach Europa gelangen und wurden dabei mit vielen syrischen Flüchtlingen zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengeschweißt.

Camille de Peretti: Die kleinen Arrangements unserer Herzen

Rowohlt, Berlin, 2016, Bestellnummer: 4859, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)

Camille trifft nach vielen Jahren ihre Jugendliebe Stanislas wieder. Kurz entschlossen schmeißt sie alles über Bord und zieht zu ihm nach London. Sie führen ein ausuferndes Leben. Stanislas ist Banker, Geld spielt keine Rolle, Champagner wird wie Wasser getrunken, der "Prinzessin" jeder Wunsch erfüllt. Kein Land ist zu weit, keine Reise zu teuer. Doch unaufhaltsam spüren sie eine gewisse Leere in sich aufsteigen. Zweifel beginnen an den beiden zu nagen, das kleine Unglück im großen Glück klopft an. Kann man eine Liebe festhalten, für die man viel aufgegeben hat?

Ilona Bulazel: Schmutzige Tränen

Createspace, Wroclaw, 2016, Bestellnummer: 4862, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Hauptkommissar Christian Feinbach entspricht nicht dem Bild des typischen Polizisten. Er ist unberechenbar, nimmt kein Blatt vor den Mund und liebt die Frauen und den Alkohol mehr, als gut für ihn ist. Trotzdem scheint er der Richtige, um den rätselhaften Mord an einem Stricher aufzuklären. Schnell wird klar, dass der Täter ein gefährliches Spiel mit den Ermittlern treibt, und schon bald gibt es ein weiteres Opfer. Auch die junge Lisa Braul gerät in das Netz aus Lügen und Intrigen. Ihr Leben ändert sich durch die schrecklichen Ereignisse auf tragische Weise. Selbst zehn Jahre nach den Morden lässt sie die Erinnerung daran nicht los. Und als hätte sie eine dunkle Vorahnung gehabt, beginnt der Albtraum plötzlich von neuem.

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Dominik Schottner: Dunkelblau - Wie ich meinen Vater an den Alkohol verlor

Piper, München, 2017; Bestellnummer: 825471, Laufzeit: 7 Std. 57 Min.

Ein paar Gläser Wein, eine Flasche Bier mehr, na und? Alkohol ist das Schmiermittel unserer Gesellschaft. Was Dominik Schottner nüchtern feststellt, betrifft ihn selbst unmittelbar: Sein eigener Vater war Alkoholiker. Über viele Jahre hat die Familie weggeschaut, hat hilflos miterleben müssen, wie sich ein Mensch immer tiefer ins Verderben säuft. Jetzt spürt der Sohn dem Verhängnis nach und fragt: Wie hätten wir meinem Vater helfen können? Erschütternd offen erzählt er die Geschichte seines alkoholkranken Vaters und sein eigenes Erwachsenwerden im Schatten der Sucht.

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Postfach 1160
35001 Marburg.
Telefon: 06421/606-0
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"Romane von starker, emotionaler Kraft"

Thorsten Büchner

Werke des Literaturnobelpreisträgers Kazuo Ishiguro sind auch für blinde und sehbehinderte Literaturfans verfügbar

Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den britischen Autor Kazuo Ishiguro. Der 1954 im japanischen Nagasaki geborene und im Alter von fünf Jahren nach Großbritannien übergesiedelte Schriftsteller war von der Auszeichnung überrascht und hielt die Meldung „zuerst für Fake News“. Ishiguro stand nicht auf den üblichen Listen, die im Vorfeld der Bekanntgabe des Preises in Zeitungen und den Wettbüros kursierten.

Das schwedische Nobelkomitee lobte in seiner Begründung die „starke, emotionale Kraft“ von Ishiguros Romanen. Die „vorsichtig zurückhaltende Ausdrucksform" in Ishiguros Schreiben, "unabhängig davon, welche Dinge sich ereignen“, mache ihn zu einem würdigen Preisträger.

Foto: bei dem Begriff Nobelpreis aufgeschlagenes Wörterbuch

Kazuo Ishiguro gewann den Nobelpreis für Literatur im Jahr 2017. (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen aufgeschlagenen Duden, auf dem das Wort „Nobelpreis“ und dessen Bedeutung zu lesen sind.

Besonders die beiden Romane „Was vom Tage übrig blieb“ und „Alles, was wir geben mussten“ waren auch in Deutschland erfolgreich und bescherten Ishiguro einen Platz in den Bestsellerlisten.

Sara Danius, Sprecherin des Nobelkomitees, beschrieb Ishiguro als eine „Mischung aus Jane Austen und Franz Kafka“. Er habe die „Sittenkomödie und die psychologische Einsicht Austens“ mit der „Erkundung existenzieller Absurdität des Alltags“ durch Kafka zusammengeführt.

Damit auch blinde und sehbehinderte Literaturliebhaber die Werke von Kazuo Ishiguro kennen lernen können, bietet die „Deutsche Blinden-Bibliothek“ (DBB) viele seiner Romane und Erzählungen als ungekürzte DAISY-Hörbücher und als Punktschriftbücher, zur kostenlosen Ausleihe, an.

Hörbücher von Kazuo Ishiguro in der DBB
Alles, was wir geben mussten

In einem Internat in England leben Jugendliche in scheinbarer Idylle - wären da nicht einige Dinge, die irritieren: Es ist von Spendern die Rede, die Lehrer heißen Aufseher und nie kommen Eltern zu Besuch. Erst allmählich erfährt der Leser die grausamen Hintergründe. Im Internat werden Klone auf ihr Schicksal als Organspender vorbereitet. - Der Autor hat in diesem Thriller eine beklemmende Zukunftsvision entworfen, die zu Diskussionen anregt.

Laufzeit: 9 Std. 55 Min., Bestellnr.: 13569, (Leihausgabe)

Bei Anbruch der Nacht

Von Venedig über London bis nach Hollywood führt uns der Autor in seinen fünf Geschichten, in denen er die unterschiedlichsten Persönlichkeiten in ihrem Bemühen um harmonische Beziehungen verknüpft. Gemeinsam ist allen ihre Liebe zur Musik.

Laufzeit: 6 Std. 14 Min., Bestellnr.: 664051, (Leihausgabe)

Als wir Waisen waren

Jahrzehnte, nachdem seine Eltern unter mysteriösen Umständen in China verschwunden sind, macht sich der in England aufgewachsene, inzwischen als Detektiv erfolgreiche Sohn auf, nach ihnen zu suchen. Erinnerungen werden wach an die Mutter, die mit ihrer Kampagne gegen den Opiumhandel auch den Vater anklagte. War dieser doch in einer britischen Firma tätig, die davon profitierte. Es ist das Jahr 1937: Bei seiner Suche gerät er zwischen die Fronten der japanischen und chinesischen Truppen. Endlich erfährt er die bittere Wahrheit.

Laufzeit: 14 Std. 41 Min., Bestellnr.: 10117, (Leihausgabe)

Die Ungetrösteten

Schon in der Lobby seines Hotels wird der berühmte Pianist Ryder von Menschen bedrängt, die ihn um einen Gefallen bitten. Eine Hetzjagd durch eine von mysteriösen Figuren bevölkerte Stadt beginnt. Menschen, die von ihm als Künstler Hilfe oder gar Erlösung erwarten. Es entsteht so etwas wie ein absurder Thriller.

Laufzeit: 25 Std. 49 Min., Bestellnr.: 13894, (Leihausgabe)

Der Maler der fließenden Welt

Masuji Ono, der Ich-Erzähler, ist ein alter Mann, als er 1948 auf sein Leben zurückblickt. Er war ein begabter Maler, der die Welt verändern wollte. Anlass seiner Erinnerung ist die Hochzeit beziehungsweise Verhandlung über eine mögliche Heirat seiner Töchter.

Laufzeit: 7 Std. 11 Min., Bestellnr.: 7547, (Leihausgabe)

Der begrabene Riese

Britannien im 5. Jahrhundert: Axl und Beatrice gelten in ihrem Dorf als Außenseiter. Man gibt ihnen zu verstehen, dass sie eine Belastung für die Gemeinschaft sind. Sie verlassen ihre Heimat in der Hoffnung, ihren Sohn zu finden. Zusammen mit einem Wunderknaben, dem sächsischen Krieger Wistan und dem Ritter Gawain erleben sie rätselhafte und unheimliche Begegnungen und gehen auf die Jagd nach einer Drachin.

Laufzeit: 12 Std. 28 Min., Bestellnr.: 787961, (Leihausgabe)

Was vom Tage übrig blieb

Auf einer Autotour an die Westküste zieht Stevens, ein englischer Butler, nach 40 Dienstjahren die Bilanz seines Lebens. Er kämpft um seine Lebenslüge, wenn er in wohlgesetzten Worten erzählt, wie er aus einem Gefühl von Würde und Pflicht mit Tränen in den Augen Portwein servierte, während sein Vater im Sterben lag und wie er nach besten Kräften jahrzehntelang dem Lord von Darlington Hall diente, der mit den Nazis kollaborierte. Der Roman voll feinsinniger Kritik an der britischen Society wurde 1989 mit dem Booker Prize ausgezeichnet.

Laufzeit: 9 Std. 3 Min., Bestellnr.: 156392, (Leihausgabe)

Punktschriftbücher von Kazuo Ishiguro in der DBB

Die beiden Romane „Alles, was wir geben mussten“ und „Der begrabene Riese“ können als Punktschriftbuch in Kurzschrift, der Erzählungsband „Bei Anbruch der Nacht“ kann zusätzlich auch in Vollschrift ausgeliehen werden.

Ihr Kontakt zur DBH:

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Postfach 1160, 35001 Marburg.

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 Panorama

Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V. (bezev): DVD zum Handbuch „Jetzt einfach  machen“ erschienen

Der „Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.“ (bezev) hat aktuell die DVD zum Handbuch „Jetzt einfach machen – Leitlinien für den inklusiven Freiwilligendienst“ veröffentlicht, die einen nachhaltigen Beitrag zu der inklusiven Gestaltung von internationalen Freiwilligendienstprogrammen leistet.

Die digitale Neuauflage ergänzt das Handbuch um zahlreiche hilfreiche Hinweise. Neue Themen sind unter anderem: die medizinische Versorgung, Notfälle, der Umgang mit psychischen Beeinträchtigungen, Versicherungsbedingungen im Ausland sowie Leistungen der Teilhabe, Rehabilitation und Eingliederungshilfe.

Die auf der DVD vorhandenen Dokumente können heruntergeladen und für die interne Nutzung bearbeitet werden. Auf der DVD befindet sich zudem eine komplett überarbeitete viersprachige Partnerversion für Einsatzstellen und Partnerorganisationen (in Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch).

Die DVD lädt somit zu einer noch umfassenderen, praktischen Auseinandersetzung mit dem Thema inklusive Gestaltung und Umsetzung von Freiwilligendienstangeboten ein. Die DVD ist unter www.bezev.de erhältlich.

Überraschungs-Silber für deutsche Goalball-Herren – Damen mit Klassenerhalt

Foto: Deutsches Goalball-Team

Das erfolgreiche deutsche Goalball-Team der EM in Finnland. (Foto: Privat)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt mehrere junge Männer, die - mit roten Turnschuhen, schwarzen Trainingshosen und einem roten Pullover mit der Aufschrift „Germany“ - hinter einem Pokal posieren. Alle Personen haben einen glücklichen Gesichtsausdruck.

Die Goalball Europameisterschaft 2017 hielt aus deutscher Sicht viele Überraschungen parat. Damen und Herren sind mit der Zielsetzung „Klassenerhalt“ im A-Pool nach Finnland gereist, die Erwartungen wurden erfüllt bzw. sogar weit übertroffen.

Die Herren, angeführt von einem sehr stark aufspielenden Marburger Michael Feistle, setzten gleich am ersten Tag zwei deutliche Ausrufezeichen. Mit 6:1 besiegte man den Europameister von 2015, die Türkei, und mit 8:3 den Titelaspiranten aus Tschechien. Gegen die Ukraine gab es trotz einer starken Leistung eine 6:9-Niederlage. Im letzten Gruppenspiel setzte man sich sogar mit 10:0 gegen Aufsteiger Großbritannien durch.

Am Ende der Vorrunde war dies für die Herren der Gruppensieg und damit gleichbedeutend eine Viertelfinalbegegnung mit Gastgeber Finnland. In der ersten Hälfte legte das junge deutsche Team eine perfekte Leistung hin, ging mit einem 5:0-Vorsprung in die Pause und gewann am Ende verdient mit 8:5. Damit zog man ins Halbfinale ein. Mit diesem Sieg war gleichzeitig auch klar: Deutschlands Herren bleiben im A-Pool und haben sich gar für die WM 2018 und die World Games 2019 qualifiziert. Der Halbfinalgegner hieß Schweden. Mit der Pausensirene kassierte das Team den 2:2-Ausgleich, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und siegte mit kühlem Kopf 6:3, wonach der Jubel keine Grenzen mehr kannte. Im Finale musste sich das Team von Johannes Günther dem Paralympics-Sieger Litauen mit 3:6 geschlagen geben.

„Das war eine unglaubliche Woche für uns. Sonst haben wir immer zugeschaut bei den Finalspielen und der Siegerehrung, jetzt waren wir mittendrin und haben einen Pokal und eine Medaille“, sagt Cheftrainer Johannes Günther voller Stolz auf sein Team.

Neben der Silbermedaille gelang es Michael Feistle, zweitbester Torschütze der EM mit 29 Treffern in 7 Spielen zu werden.

Damen schaffen Klassenerhalt mit Rang sieben

Überraschung bei den Damen war sicherlich das 5:5-Remis gegen Europameister und Paralympics-Sieger Türkei. Im entscheidenden Spiel um den Klassenerhalt setzte man sich am Ende aber deutlich mit 6:0 gegen Gastgeber Finnland durch. Charlotte Hartz spielte eine sehr gute EM. „Unsere Voraussetzungen waren stellenweise nicht so gut, aber das Team hat die Herausforderung angenommen und ist in dieser Situation immer enger zusammengewachsen“, sagte Damen-Trainer Thomas Prokein.

BIH LeistungsNavi hilft bei Förderbedarf

In Deutschland eine individuelle, passgenaue Förderung zu erhalten, gestaltet sich mitunter schwierig. Ein wenig Licht in den Förderdschungel bringt nun der BIH LeistungsNavi. Dieser bietet Arbeitgebern und schwerbehinderten Arbeitnehmern - ausgehend von der persönlichen Situation des Betroffenen - Hilfe in verschiedenen Situationen wie Einstellung, Ausbildung, Beschäftigung oder Wiedereingliederung. Er informiert beispielsweise über in Frage kommende Leistungen, die benötigten Voraussetzungen oder wo der Antrag gestellt werden muss.

Die passende Förderung kann mit dem PC, Tablet oder dem Smartphone kostenlos und barrierefrei gesucht werden. Weitere Informationen sind erhältlich unter https://leistungsnavi.integrationsaemter.de.

Teilhabe als politischer Auftrag: Repräsentativbefragung von Menschen mit Behinderungen

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen ersten Zwischenbericht der "Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen" veröffentlicht. Teilhabe bezeichnet demnach das Recht aller Menschen, am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt mit anderen teilzunehmen, sich zu beteiligen, einbezogen zu sein, mitwirken und mitbestimmen zu können. Dieses Recht gilt unabhängig von der Herkunft, dem Alter, dem Geschlecht oder dem Vorliegen einer Beeinträchtigung. Durch die Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hat Deutschland eine besondere Verpflichtung gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen übernommen, bestehende Diskriminierungen zu beseitigen und Teilhabemöglichkeiten zu fördern. Die Lebensverhältnisse müssen so gestaltet werden, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen eine selbstbestimmte Lebensführung und soziale Teilhabe in allen Lebensbereichen möglich ist.

Die zuständigen politischen Stellen haben auch die Verpflichtung, über die Lage von Menschen mit Beeinträchtigungen zu berichten. Weil die Datenlage bis heute unzureichend ist, hat das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine umfassende Erhebung in Auftrag gegeben. Sie soll Aufschluss geben über die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und Ansatzpunkte aufzeigen, wo Bedarf für eine Verbesserung ihrer Teilhabemöglichkeiten besteht.

Die Studie „Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (kurz: Teilhabebefragung) ist in Deutschland die erste umfassende Erhebung dieser Art. Sie soll von 2017 bis 2021 durchgeführt werden und alle Gruppen von Menschen mit Beeinträchtigungen einbeziehen, unabhängig davon, ob die Menschen zu Hause oder in einer Einrichtung leben. Der erste Zwischenbericht stellt auf rund 40 Seiten zunächst  Inhalte und Methoden vor.

Download der Teilhabebefragung unter: http://www.bmas.de

Ehrung für Verdienste um Belange behinderter Menschen

Mitglieder der ersten Stunde/Ehrung für Franz-Josef Visse und Dr. Heinz Willi Bach

Am 13. September 2017 feierte der Behindertenbeirat der Stadt Marburg sein 20-jähriges Bestehen. Seit 1997 vertritt das Gremium die Interessen von Menschen mit Behinderung.

Für ihren Einsatz im Behindertenbeirat würdigte der Magistrat zwei Mitglieder der ersten Stunde, überreichte ihnen Stadtsiegel und die Goldene Ehrennadel. Franz-Josef Visse ist seit der Gründung des Behindertenbeirats vor 20 Jahren dessen Vorsitzender. "Ich arbeite gerne in dem Gremium mit, weil man die Früchte seiner Arbeit sieht", erklärte der vielseitig engagierte Visse. Er wirkte unter anderem im Behindertenbeirat der Frühförderstelle blinder und sehbehinderter Kinder mit. Zudem fungiert er als Verbindungsglied zwischen Stadt und Universität zu Behindertenfragen.

Dr. Heinz Willi Bach ist seit 1997 Mitglied im Behindertenbeirat. "Er ist jemand, der mit großer Ausdauer Klinken putzt", sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies über Bach und spielte damit auf dessen maßgebliche Initiative zur Gründung eines Behindertenbeirats an.

Von 1997 bis 2006 war der ehemalige Zweite DVBS-Vorsitzende Heinz Willi Bach Mitglied der AG Soziale Sicherung, seit 2011 wirkt er in der AG Bau und Verkehr mit und er beteiligt sich seit 2013 im Netzwerk Inklusion Arbeit, um nur einige seiner Einsatzgebiete zu nennen. "Ich bin sehr zufrieden, dass der Magistrat unser Engagement sieht, schätzt und ehrt", sagte Bach. Die Bemühungen des Behindertenbeirats kämen nicht nur Menschen mit Behinderung zugute: "Ein rollstuhlgerechter Weg ist auch ein kindgerechter Weg."


Aus der Arbeit des DVBS

Der ICC Youth Exchange – 10 großartige Tage in Leuven

Ursula Weber und Dorothea Hilzinger

Foto: Deutsches Team beim ICC 2017

Das deutsche Team beim ICC 2017 in Leuven (Belgien) (Foto: ICC).

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind neun Personen zu sehen. Die Gruppe besteht aus jungen Menschen, die – alle mit einem Lächeln im Gesicht – vor mehreren europäischen Flaggen in einem Halbkreis Aufstellung genommen haben.

Am Ende der zehn Tage tragen schreibbegeisterte Jugendliche ihre Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des ICC Youth Exchange in der Camp-Zeitung zusammen. Alle – Teilnehmer, Begleiter und Workshop-Leiter – nehmen die Geschichten, Fotos, Videos, Erinnerungen, viele neue Kontakte, natürlich die Camp-Zeitung und jede Menge Selbstbewusstsein mit nach Hause.

Doch was ist das International Camp on Communication and Computers, kurz ICC, überhaupt? Eine simple Idee, sehbehinderte und blinde Studierende bei technischen Studiengängen zu unterstützen, führte zu einer Kooperation zwischen der TU Linz und dem KIT (Karlsruher Institut für Technologie). Daraus hat sich ein Camp entwickelt, das seit 1993 jährlich wechselnd in einem anderen europäischen Land ausgerichtet wird, 2016 in Dresden. Ziel ist, die Soft Skills der Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren zu stärken, ICT-Knowhow zu vermitteln und gleichzeitig soziale, kulturelle und kommunikative Kompetenzen im internationalen Kontext zu fördern. Das Novum in diesem Jahr: Begeisterte ICC-Teilnehmer aus früheren Jahren wollten das Camp zum ersten Mal nach Belgien holen. Sie planten, organisierten, schlossen Kooperationen, suchten finanzielle Unterstützung und im Sommer dieses Jahres war es so weit. Das junge belgische Team konnte 63 Teilnehmer sowie 53 Begleiter und Workshop-Leiter in Leuven, Belgien, begrüßen. Insgesamt waren dieses Jahr 14 Nationen vertreten: Belgien, Tschechien, Deutschland, Großbritannien, Österreich, Kroatien, Italien, Japan, die Niederlande, Polen, Griechenland, Serbien, die Schweiz und Slowenien. Zwischen den An- und Abreisetagen wurden an sieben Tagen unzählige Workshops durchgeführt. Abgerundet wurde das Camp für die Jugendlichen durch einen Tagesausflug nach Brüssel mit einem Besuch des Europäischen Parlaments, diversen Stadtführungen und einem abschließenden kulturellen Abend. Als nationale Koordinatorin des ICC kann ich, Ursula Weber, nur empfehlen, sich beim ICC zu bewerben. Aber wie der Alltag in Leuven aussah, zeigen am besten die Impressionen einer Workshop-Leiterin und Begleiterin des deutschen Teams, die zum ersten Mal die ICC-Luft schnupperte:

Alles zu erzählen, was stattgefunden hat, würde für mehrere Ausgaben des horus ausreichen, aber für die Highlights ist genügend Platz. Und wer schreibt hier? Ich bin Dorothea Hilzinger, 30 Jahre alt, Tochter einer vollblinden Mutter und hauptberuflich Musikwissenschaftlerin. Spannend war schon die Anreise. Unser erster Treffpunkt war in Köln am Hauptbahnhof und dank pünktlicher Züge und einer tollen Vorbereitung unserer nationalen Koordinatorin haben wir uns auch alle gefunden und konnten uns im Zug nach Leuven erst einmal kennen lernen. Immerhin kommen wir aus ganz Deutschland, befinden uns in verschiedenen Ausbildungssituationen und sind natürlich unterschiedlich sehend. Wir waren drei Betreuer/-innen und sechs Teilnehmer/-innen – vier blind, vier sehbehindert und eine sehend. In Leuven angekommen, wurden wir von netten Helfern vom Zug abgeholt und in die Jugendherberge geführt. Alle schlafen zusammen in großen Zimmern. Sowohl Betreuer als auch Teilnehmer sind meist kunterbunt gemischt, so dass man gar nicht drumherum kommt, viele neue Menschen kennen zu lernen – ach ja: alle reden englisch miteinander!

Aber wie sieht denn nun ein typischer Tag aus? Morgens um 07.30 Uhr gibt es Frühstück, dann werden wir mit zwei Bussen zur Katholischen Universität Leuven gefahren. Dort sammeln sich erstmal alle im großen Hörsaal, um die Pläne für den Tag zu erfahren. Jeder besucht morgens und nachmittags je einen Workshop. Schon vorher konnte man sich aussuchen, welche der Kurse man besuchen möchte. Die Vielfalt war überwältigend. Von Networking, Arbeiten mit JAWS, Backen und Kochen, Kreatives Schreiben, Apps fürs Handy, Radioproduktion, Schreiben für die Camp-Zeitung, Echolokation, die ICC-Alumni-Plattform, Mathematikprogramme oder Arbeiten mit Mac-Laptops, war alles dabei. Zwischendurch gab es genügend Pausen, in denen man sich austauschen konnte. Es gab Kaffee, belgische Waffeln oder auch Mittagessen. Nun fragen Sie sich sicherlich, wie sich 60 blinde und sehbehinderte Jugendliche in einem großen mehrstöckigen und ziemlich verwinkelten Gebäude zurechtfinden. Neben „klassischen“ Hilfen, wie ein Mobilitätstraining zu Beginn der Woche oder taktilen Markern auf dem Boden an Treppen, gab es akustische Signale. Vor allen Toiletten pfiff ein kleiner Gartenzwerg und jede Etage hatte ihr eigenes Tierchen mit Bewegungsmelder, das einem die Treppe und die Durchgangstür signalisiert hat. Besonders das Hinterherpfeifen der Gartenzwerge sorgte konstant für gute Unterhaltung. In den Räumen selbst waren alle Computer mit den verschiedenen Softwares ausgestattet, so dass jeder den Computer bedienen konnte.

 Foto: Jugendlicher am Schlagzeug

Ein ICC-Teilnehmer während der „Jam Session“ an einem Schlagzeug (Foto: ICC).

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen jungen Mann, der Schlagzeug spielt und sich dabei völlig in die Musik vertieft. Im Hintergrund sind weitere Teilnehmer u.a. mit einer Gitarre und einer Trommel zu sehen.

Auch als Sehende habe ich einiges von den Teilnehmern gelernt. Und das nicht nur tagsüber, sondern auch abends, entweder beim gemeinsamen Abendessen, bei einer der vielen Abendbeschäftigungen oder bei einem echten belgischen Bier in der jugendherbergseigenen Bar. Die Freizeitangebote waren wirklich großartig und wurden begeistert angenommen. Man konnte Tandem fahren, Blindenfußball, Torball oder Goalball spielen, Salsa tanzen, Improvisationstheater spielen, bei der Jam Session mitmachen, Karaoke singen, Styling-Tipps für Mann und Frau austauschen, aus dem Escape Room ausbrechen, selber Pralinen machen, eine Weinprobe erleben, beim Speed-Dating mitmachen oder auch Brettspiele spielen. Mein persönliches Highlight war das Spiel Showdown, also so etwas wie Tischtennis für Blinde – oder eben auch Sehbehinderte/Sehende mit Augenbinde.

Insgesamt waren die zehn Tage ein unvergleichbares und bereicherndes Erlebnis und ich kann jedem Jugendlichen im richtigen Alter empfehlen, sich für das Camp zu bewerben. Neben den vielen Weiterentwicklungen am Handy und Computer, dem Erlebnis, dass blind oder sehbehindert zu sein überall selbstverständlich dazugehört, war es schön zu beobachten, wie die Jugendlichen einerseits untereinander ihre Erfahrungen austauschen und andererseits aber auch einfach ganz normale Jugendliche sind, die Lust haben, Quatsch zu machen, Spaß zu haben, ein Bier oder eine Cola zu trinken oder auch mal ihre Ruhe haben wollen. Ich bin froh, ein Teil des ICC 2017 in Belgien gewesen zu sein.


Das 24. ICC wandert nach Zadar

Ursula Weber

PC-Kenntnisse vertiefen, internationale Freundschaften schließen und ganz nebenbei die Englischkenntnisse aufpolieren: Das und noch vieles mehr erleben die Teilnehmenden beim jährlich stattfindenden International Camp on Communication and Computers (ICC). Im kommenden Jahr wird das ICC an der herrlichen Küste von Kroatien in Zadar stattfinden. Vom 22. Juli bis 31. Juli 2018 erwartet das kroatische Team ca. 60 blinde und sehbehinderte Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren aus zahlreichen europäischen Ländern.

Neben technischen, sozialen und kulturellen Workshops an der University von Zadar wird es ein spannendes Freizeitangebot rund um die Jugendherberge geben. Wohin der fest im Programm verankerte Exkursionstag die Teilnehmer führt, davon müssen sich die Teilnehmenden überraschen lassen. Denn es befindet sich noch vieles in der Planungsphase.

Doch wer sich dafür interessiert, sollte sich den Termin bereits vormerken. Teilnahmebedingungen, Auskünfte zum Bewerbungsverfahren und zum Ablauf des ICC können bei der nationalen Koordinatorin, Ursula Weber, unter der Telefonnummer 0351/31553045 oder per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), erfragt werden. Genauere Informationen zu den Kosten werden voraussichtlich im November verfügbar sein. Alle früheren Teilnehmenden schwärmen von diesem coolen Camp. Also: informieren, anmelden und dann im Juli 2018 die Koffer packen!


Workshop für Berufseinsteiger bei Ernst & Young bereichert DVBS-Mentoringprogramm

Dr. Heinz Willi Bach

Foto: TriTeam bei Ernst and Young

Die Teilnehmer des DVBS-Mentoring-Programms TriTeam besuchten die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Eschborn. (Foto: Michael Ritter)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Herrn mittleren Alters in einem dunklen Anzug, der vor einer Gruppe von Zuhörern spricht.

Die international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hatte die Mentees aus dem dritten Mentoring-Programm TriTeam eingeladen, an einem ganztägigen Workshop für Berufseinsteiger teilzunehmen. Der Workshop fand am 11. September 2017 in der Niederlassung der Firma in Eschborn bei Frankfurt statt. Für Teilnehmer, die von weit her anreisen mussten, stellte die Firma eine Hotelübernachtung zur Verfügung und übernahm alle Reisekosten.

Eingangs informierten die Mitarbeiter der Abteilung „Human Ressources“ über die Tätigkeitsschwerpunkte von Ernst & Young (EY), über die Geschäftspolitik und über ihre Personalpolitik. Diversity und Inklusion spielen bei dieser Weltfirma eine große Rolle. In der Niederlassung Eschborn sind zwei blinde Mitarbeiter beschäftigt.

Im Urteil der Mentees war der zweite Teil äußerst hilfreich für ihre Bemühungen bei der künftigen Jobsuche. Alle Teilnehmer hatten die Chance genutzt, Bewerbungsunterlagen erstellt und eingereicht, die von den Recruiting-Spezialistinnen gewürdigt wurden. „Dies geschah in Gruppen und war für uns alle sehr lehrreich. Wir profitierten nicht nur von den Einschätzungen zur eigenen Bewerbung, sondern durchaus auch davon, wie andere kommentiert wurden“, erklärte eine Teilnehmerin. Die Fachleute bescheinigten den Teilnehmern überwiegend eine hohe Qualität ihrer Unterlagen, hielten sich aber auch mit Hinweisen und Kritik nicht zurück. Dieser Teil nahm den größten Zeitabschnitt in Anspruch; dies aber auch zu Recht, so das Urteil der Teilnehmer.

Nach einem Mittagsimbiss wurden mit Freiwilligen nacheinander zwei Vorstellungsgespräche vor der Gruppe durchgeführt. Die Erwählten waren verständlicherweise aufgeregt, hatten sich aber gut dargestellt. Während der Assessments war es im Raum komplett still. Alle waren kognitiv wie emotional stark beteiligt. Es trainiere enorm für den Ernstfall, meinten insbesondere die, die Assessments als Aktive erlebt haben.

Im vierten Teil informierte Michael Ritter, der als blinder Spezialist bereits etliche Jahre bei der Firma tätig ist, über die Bedingungen, unter denen Menschen mit Behinderungen - insbesondere Sehbeeinträchtigung - in dieser Gesellschaft tätig sind und sein können. Er führte u.a. aus: Die Firma stellt ihren behinderten Mitarbeitern alle notwendigen Unterstützungsleistungen zur Verfügung. Sie erwartet dementsprechend vollen Einsatz von ihnen und die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. Wegen der fortgeschrittenen Zeit konnten viele Dinge nur noch kurz angesprochen werden. Die Fachleute stellten den Teilnehmern ein Infopaket in Aussicht und erklärten sich bereit, auch zukünftig mit Rat zur Verfügung zu stehen.

Dr. Heinz Willi Bach vom DVBS dankte den Experten/-innen herzlich für ihren enormen Einsatz. „Ich bin restlos begeistert“, sagte er, „Ihr von Ernst & Young habt alles gegeben.“ Die Fachleute  äußerten im Nachgespräch, wie sehr sie die hohe Motivation der Teilnehmer gefreut hat. Angesichts des erfolgreichen Verlaufs dieses Workshops wird sich der DVBS bemühen, eine solche Veranstaltung in das Mentoringprojekt des kommenden Jahres einzupflegen.


LaTeX-Workshop der Fachgruppe Studium und Ausbildung

Raphael Ammon

Vom 15.-17.09.2017 fand in der DVBS-Geschäftsstelle in Marburg ein von der Fachgruppe Studium und Ausbildung organisiertes Seminar zu den Grundlagen der Auszeichnungssprache LaTeX statt.

LaTeX (gesprochen Latech) ist ein kostenfreies Textsatzsystem, mit dem man professionell aussehende Dokumente aller Art - von Briefen bis hin zu Master- und Doktorarbeiten oder ganzen Büchern - erstellen kann.

Dabei ist der Erstellungsprozess barrierefrei, denn der eigentliche Text und die zur Formatierung und Strukturierung notwendigen LaTeX-Befehle werden in eine einfache Text-Datei geschrieben, die mit jedem beliebigen Texteditor bearbeitet werden kann. Wenn man die LaTeX-Befehle in dieser sogenannten Quelldatei korrekt angewendet hat, erstellt ein Übersetzungsprogramm (der sogenannte LaTeX-Compiler) aus der Quelldatei eine fertig formatierte PDF-Datei. Der Schwerpunkt von LaTeX liegt auf dem Schreiben mathematisch-naturwissenschaftlicher Dokumente. Deshalb ist LaTeX das vermutlich am besten geeignete Format, blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen Vorlesungsskripte, Zeitschriftenartikel, aber auch Aufgabenblätter und Klausurtexte aus den Fachbereichen Mathematik, Physik, Informatik und den Ingenieurwissenschaften zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt können insbesondere blinde Personen mit Hilfe von LaTeX mathematisch-naturwissenschaftliche Texte weitgehend selbständig produzieren.

Am Freitagabend begrüßte Oliver Nadig, EDV-Lehrer und Hilfsmittelberater an der blista, acht Studierende und einen Assistenten im Kursraum des DVBS in der Frauenbergstraße. Herr Nadig führte nach einer kurzen Vorstellungsrunde in die LaTeX-Entwicklung und –Geschichte ein. Den Rest des Abends stand das Erkunden des Programmmenüs sowie die erste Eingabe eines LaTeX-Befehles und die Umwandlung in ein entsprechendes PDF-Dokument auf dem Programm.

Am Samstagmorgen erklärte der Referent, welche Regeln es bei der Eingabe von LaTeX-Befehlen zu beachten gilt. Da die Software aus den USA stammt, sind z.B. bei der Eingabe von Umlauten bestimmte Zeichenfolgen zu beachten.

Nachdem die Grundlagen gelegt waren, führte Herr Nadig am Nachmittag in die Anwendungsbereiche von LaTeX ein. Es wurden Zeichen-, Absatz-, Listen- und Tabellenformatierung sowie die Dokumentgliederung besprochen. Der Abend klang bei einem geselligen Essen in einem Marburger Hotelrestaurant aus.

Der Sonntagmorgen begann mit einer allgemeinen Wiederholung des bisher vermittelten Wissens.

Anhand von Klausuren aus den Bereichen der Analysis und der linearen Algebra konnten die Teilnehmenden die Anwendung in der Mathematik, dem wohl bekanntesten Einsatzgebiet von LaTeX, nachvollziehen.

In der abschließenden Feedbackrunde zogen alle eine durchweg positive Seminarbilanz. Einige entdeckten die Software als neues Arbeitsinstrument. Für andere wiederum brachte der Workshop die Erkenntnis, mit den gängigen MS Office Programmen weiterzuarbeiten und die Veranstaltung als interessante Erfahrung zu betrachten.

Zum Autor

Raphael Ammon (24) ist Leiter der Fachgruppe Studium und Ausbildung im DVBS.


Ein neues Angebot: der DVBS-Podcast

Uwe Boysen

Wenn Sie diese Zeilen lesen oder hören, sollten die ersten beiden Ausgaben des Podcasts bereits erschienen sein. Und vielleicht haben einige sie auch schon unter www.podcast.dvbs-online.de gehört.

Podcasting, so sagen uns die Allwissenden von Wikipedia, „bezeichnet das Anbieten abonnierbarer Mediendateien (Audio oder Video) über das Internet. Das Kofferwort (welch ein schöner Ausdruck, U.B.) setzt sich zusammen aus der englischen Rundfunkbezeichnung Broadcasting und der Bezeichnung für bestimmte tragbare MP3-Player, iPod, mit deren Erfolg Podcasts direkt verbunden sind und die heute stellvertretend für jegliche tragbare MP3-Player stehen.“ Anfang der 2000er Jahre ins virtuelle Leben getreten, gibt es inzwischen eine Unmenge dieser Sendungen, von Pornografie bis Mathematik. In letzter Zeit entdecken auch immer mehr Zeitungen dieses Format. Für uns ein Segen, weil die oft auch akustisch ansprechenden Episoden häufig auf gedruckte Beiträge zurückgehen, die uns so aber ja nicht ohne weiteres zugänglich sind.

In dieser Situation lag die Idee nicht ganz fern, sich dieses Kommunikationskanals auch für den DVBS zu bemächtigen. Nach unseren Erfahrungen scheint es nämlich so, als ob eine immer größere Zahl unserer Mitglieder mehr auf auditive Inhalte setzt als auf schriftliche. Hier bietet es sich an, dafür die Möglichkeiten eines Podcasts zu nutzen. Er ist leichter zu produzieren als ein langes Hörmagazin und kann damit aktueller sein als andere Medien (einmal von horus aktuell abgesehen). Deshalb gibt es inzwischen eine kleine Redaktion, die plant, monatlich einen Podcast von ca. 15 bis 20 Minuten mit aktuellen Meldungen und Interviews über das Innenleben des DVBS herauszubringen. Die in der Geschäftsstelle dafür notwendigen technischen Voraussetzungen sind inzwischen gegeben. Hören Sie also einmal per Computer oder Smartphone hinein und geben Sie uns gern Rückmeldungen, was verbesserungswürdig ist. Oder - noch besser - produzieren Sie gleich selbst für uns einen Podcast-Beitrag.


Aus der blista

Autofahren für Blinde und Sehbehinderte – wie soll das denn funktionieren?

Elke Averesch

Junger Mann in einem Auto
Das Autofahren machte den Teilnehmern sichtlich Spaß. (Foto: blista)

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist durch die Seitenscheibe eines Autos ein erkennbar blinder, junger Mann zu erkennen, der freudig das Fahrzeug steuert. Neben ihm sitzt ein älterer Herr und lächelt ebenfalls.

Wenn man mit dem Auto unterwegs ist, können manchmal vom Fahrer Sprüche wie „Ja, ist denn der blind!“ oder „Mach doch die Augen auf!“ kommen. „So ein Quatsch“, mag man sich hier denken, denn welcher Blinde würde sich schon freiwillig hinters Steuer setzen? Schließlich wissen alle, wie komplex der Straßenverkehr ist.

Am Samstag, den 23.09.2017, in Stadtallendorf war es dann allerdings so weit: ganz freiwillig wagten Schüler der Deutschen Blindenstudienanstalt und auch ein paar Ehemalige, wie z. B. Elke Averesch, ihre erste Fahrstunde.

Ich kam mit meinem Begleiter, Holger Reising, der über einen Freund vom Autofahren für Blinde erfahren hatte, gegen 10.00 Uhr auf dem Gelände der Herrenwaldkaserne in Stadtallendorf an. Dieser Freund, Marcel Adler, war ebenfalls vor Ort, und zwar als einer von vielen Fahrlehrern, die bereit waren, die Blinden und Sehbehinderten bei ihrer ersten Fahrstunde zu unterstützen. Nach einer kurzen Einweisung, was man außer den „Fahrstunden“ noch auf dem Gelände machen kann, ging es für mich gleich los, denn zu dem Zeitpunkt wollte ich es einfach nur hinter mich bringen und hatte auch ein mulmiges Gefühl. Nach einer Grundeinweisung für mich als blutige Anfängerin durch Marcel zu z. B. den diversen Pedalen und Anzeigetafeln, ging es zunächst einmal darum, das Auto überhaupt in Gang zu bringen und im nächsten Schritt sicher vom Parkplatz zu bewegen, möglichst ohne ein Motorrad des ebenfalls anwesenden Motorradclubs „Kuhle Wampe“ auf die Motorhaube zu nehmen. Nachdem dies gelungen war, wollte ich auch einmal aufs Gas treten, nur, wenn man Geschwindigkeit erlangen will, muss man auch schalten und evtl. auch mal bremsen. Beim Bremsen war ich sehr überrascht, wie wenig man auf das Pedal treten muss, um eine Reaktion zu erhalten und es bedurfte einiger Anläufe, bis mir eine halbwegs „butterweiche“ Bremsung gelang. Die ca. 1,5 Kilometer lange Strecke war ausreichend lang, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es sich anfühlt, ein paar Pferdestärken kontrollieren zu wollen. Auch wenn das Fahrtraining unter vereinfachten Bedingungen stattfand, habe ich zunächst Blut und Wasser geschwitzt, wurde aber gegen Ende der Fahrt auch ein wenig sicherer. Vor der Fahrt wurde mir gesagt, dass alle bisherigen Fahrer angespannt ins Auto gestiegen seien, aber am Ende mit einem breiten Grinsen wieder ausgestiegen seien. Ich hoffe, das war auch bei mir der Fall und dass ich mich nicht komplett „zum Affen“ gemacht habe. Im anschließenden Gespräch mit meinem Fahrlehrer Marcel erfuhr ich auch, dass er den Eindruck habe, dass Blinde häufig gefühlvoller führen als sehende Fahranfänger. Auch Holger, der während meiner Fahrt im Fond Platz nahm, musste sein Testament noch nicht machen.

Im Anschluss an die Autofahrt haben wir noch zwei Simulatoren ausprobiert – einen für einen Überschlag, bei dem man sich kopfüber in den Gurten hängend aus selbigen befreien musste – natürlich möglichst ohne sich dabei wehzutun. Der zweite Simulator hat mich sehr beeindruckt, denn hier fuhr man mit sieben Kilometern pro Stunde auf ein bewegliches Hindernis auf. Die Kräfte, die dabei wirken, sind enorm. Wenn man bedenkt, dass man in jedem Wohngebiet 30 Kilometer pro Stunde fahren darf, ist das schon ein wenig beängstigend.

Ich hoffe, dass es eine weitere Auflage des „Autofahrens für Blinde und Sehbehinderte“ gibt, denn es hat sehr viel Spaß gemacht.


Grip-BS: Zertifikatskurs erfolgreich absolviert

Dr. Imke Troltenier

Foto der Absolventen

Die elf Absolventinnen und Absolventen des universitären Zertifikatskurses „Grundlagen inklusiver Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung“: Otfried Altfeld, blista; Isabella Brawata, blista; Ronny Bauer, Überregionales Förderzentrum "Sehen" Neukloster; Rita Dorsch, Deutsches Taubblindenwerk Kirchrode; Pascale Faust, Fondation Letzbuerger Blannevereenegung; Dominik Hagen, blista; Iris Jehrke, blista; Jana Jordan, Lebenshilfe Wetterau; Katja Pietsch, Pro Senis; Dagmar Popan, blista; Jakob Friedrich Söhn, blista mit Herrn Prof. Rohrmann (2. von links) und Frau Dr. Lauber-Pohle (3. von links). (Foto: blista)

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt eine Gruppe von Personen, die lächelnd in die Kamera blicken. Alle Gesichter haben einen sehr fröhlichen Gesichtsausdruck.

Mit einem „herzlichen Dank für das gute gemeinsame Jahr!“, begrüßte Dr. Sabine Lauber-Pohle vom Institut für Erziehungswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg die elf Absolventinnen und Absolventen des Zertifikatskurses „Grundlagen inklusiver Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung“, kurz „Grip-BS“, zur Abschlussfeier am 15. September 2017. Sie sei stolz auf die Teilnehmenden, allen sei es gelungen, mit dem Erwerb des Zertifikats auch die Voraussetzungen für ihre berufliche Zukunft zu verbessern. Dies gelte sowohl für den persönlichen Arbeitsalltag wie auch für die jeweiligen Klientinnen und Klienten mit Blindheit, Sehbehinderungen oder Hörseheinschränkungen.

Eine inklusionsorientierte Pädagogik bedarf qualifizierter Fachleute

„Die Nachfrage nach dem Zertifikatskurs gibt uns recht“, betonte Prof. Dr. Eckhard Rohrmann. „Nach dem erfolgreichen dritten Durchgang steht schon jetzt der nachfolgende vierte mit rund 20 Teilnehmenden.“ Insgesamt haben mit den Feiernden jetzt bereits 39 Personen das Zertifikat erworben.

Auch die Absolventen richteten einen „Mega-Dank“ an die Referenten und Organisatoren. „Toll, dass die Themen, Methoden und Unterrichtsformen so verschieden waren.“

Der berufsbegleitende Zertifikatskurs Grip-BS ist Teil einer bundesweit einmaligen Wissenschaftskooperation zwischen der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) und der Philipps-Universität, die u.a. der Durchführung von universitären Weiterbildungsangeboten im Bereich Blinden- und Sehbehindertenpädagogik dient. Der Kurs zielt darauf ab, behinderungsspezifisches Fachwissen zu erwerben bzw. zu aktualisieren und richtet sich an Erzieher und Erzieherinnen, Inklusionsassistenten, Grundschullehrerinnen und -lehrer, Eltern, Pflegedienstleitungen, Pflegekräfte, Optiker und andere Berufstätige und Wiedereinsteiger mit pädagogischer, rehabilitativer, pflegerischer oder optisch-technischer Berufserfahrung.

Der Zertifikatskurs bildet zugleich das Basismodul für die berufsbegleitende Ausbildung zur „Fachkraft für Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation“. Für nähere Informationen und Ansprechpartner: www.blista.de/zertifikatskurs.


Osterfreizeit „Rund ums Pferd, mit viel Theater“

Thorsten Büchner

Die blista lädt Kinder zwischen zehn und vierzehn Jahren in den Osterferien zu fünf spannenden und abwechslungsreichen Tagen nach Marburg ein. Vormittags dreht sich alles ums Pferd. Und jeder Reiter weiß, zum Reiten gehört auch das Striegeln und Bürsten, bevor man sich auf dem Rücken eines Pferdes den Wind um die Nase wehen lassen kann. Hier kommen sowohl Reitanfänger als auch versierte Reiterinnen und Reiter auf ihre Kosten.

Nachmittags stehen dann die „Bretter, die die Welt bedeuten“ im Mittelpunkt. Gemeinsam finden die Kinder heraus, wie schnell man in andere Rollen und andere Figuren schlüpfen kann und wie leicht daraus witzige, spannende und berührende Theaterszenen entstehen. Im Mittelpunkt steht dabei das Improvisationstheater, bei dem es darum geht, Geschichten und Figuren aus dem Nichts entstehen zu lassen.

Während der Tage sind die Ostercamper in blista-Wohngruppen untergebracht und werden von Pädagoginnen und Pädagogen betreut. Für das leibliche Wohl ist ebenso gesorgt wie für ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm, das vom Hüpfen auf einem überdimensionierten Luftkissen über einen Ausflug in einen Kletterwald bis zu gemeinsamen Kinobesuchen reicht. Natürlich ist auch genügend Zeit zum Musikmachen, Spielen und Quatschen.

Informationen und Anmeldung zur Osterfreizeit

Wer schon immer gerne „mal so richtig Theater machen“ wollte, neugierig auf das Reiten ist und Spaß daran hat, neue Leute kennen zu lernen, der kann sich anmelden. Die Osterfreizeit findet von Sonntag 25. März 2018 bis Freitag 30. März 2018 statt und kostet 295 Euro. Anmeldeschluss ist der 28. Januar 2018.

Für weitere Informationen und Anmeldung wendet Euch an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Impressum

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: André Badouin, Uwe Boysen, Andrea Katemann und Mirien Carvalho Rodrigues
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle, André Badouin, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck ‑ auch auszugsweise ‑ nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Uwe Boysen (DVBS) und Dr. Imke Troltenier (blista)

Erscheinungsweise

Der „horus“ erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und auf einer CD-ROM, die die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version und die Braille-, RTF- und PDF-Dateien enthält.

Jahresbezugspreis

22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe,
35 Euro für alle übrigen Ausgaben.
Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389

Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg
Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen
Die Herausgabe der Zeitschrift „horus“ wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der „Glücksspirale“ unterstützt.

horus 4/2017, Jg. 79 der Schwarzschriftausgabe