Digitale Barrierefreiheit an Hochschulen durchsetzen

Corona hat auch den deutschen Hochschulen einen Digitalisierungsschub beschert, doch sie scheitern mit ihren digitalen Angeboten oft an rechtlichen Vorgaben für Barrierefreiheit und Datenschutz. Hierzu schreibt Jörn Loviscach, Professor für Ingenieurmathematik und technische Informatik an der Fachhochschule Bielefeld, der sich mit der Medienunterstützung in der Hochschullehre beschäftigt, Folgendes: „Der 23. September 2020 ist der entscheidende Stichtag. So legt es die EU-Richtlinie 2016/2102 fest, so haben es Bund und Länder in ihr jeweils eigenes Recht umgesetzt. Die sogenannten Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnungen (BITV) oder entsprechenden Regelungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland in Name, Form und Inhalt; ihr Tenor ist indes derselbe: Ab dem 23. September 2020 müssen auch die letzten Websites öffentlicher Einrichtungen und ab Mitte nächsten Jahres auch alle mobilen Anwendungen eine "Erklärung zur Barrierefreiheit" bereitstellen. Sie müssen belegen, dass und wie der Zugang zu ihnen trotz Behinderungen möglich ist.“ (Eine Übersicht aller Landesgesetze bietet der Barrierekompass).

Das gilt auch und gerade für alle staatlichen Hochschulen. Und tatsächlich sind einige von ihnen dieser Pflicht zumindest formal bereits nachgekommen, aber – mit Stand 22. September 2020– finden sich noch viele Hochschulen ohne eine solche Erklärung.

Weiter schreibt Professor Loviscach: „Doch stellen die nach außen gerichteten Websites der Hochschulen nur den kleineren Teil des Problems dar. Dicke Brocken sind all die Lernplattformen, Videokonferenzsysteme, Videoserver, E-Books und E-Journals. (…) Wenn man die Erklärungen der Hochschulen zur Barrierefreiheit (bisher) liest und gleichzeitig ihren Umgang mit dem Privacy-Shield-Problem verfolgt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass sie auf Zeit spielen – nach dem Motto: Solange niemand meckert …“.

Aus diesem Anlass haben wir, der Vorstand des DVBS, alle Hochschulpräsident:innen und Rektor:innen in Deutschland angeschrieben, um zu erfahren, ob und wie sie diese Informationspflicht erfüllen. Hier fragen wir unter anderem, ob eine lokale Überwachungsstelle besteht, bei der Barrieren gemeldet werden können oder ob Barrieren einzelner IT-Systeme bei der Überwachungsstelle des Landes gemeldet werden müssen, ob der Stand der digitalen Barrierefreiheit nach BITV 2.0 beziehungsweise WCAG 2.1 bereits geprüft wurde und ob barrierefreie Produkte in Zukunft bevorzugt beschafft werden sollen.

Wir hoffen auf viele Rückmeldungen bis zum 31. Oktober 2020, um einen aussagekräftigen Überblick zum Stand der Umsetzung digitaler Barrierefreiheit an deutschen Hochschulen zu erhalten. Die Ergebnisse der Befragung werden wir dann veröffentlichen. Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die BITV vollständig und zeitnah umgesetzt werden, damit blinde und sehbehinderte Menschen mit möglichst wenig digitalen Barrieren zu kämpfen haben.