horus NR: 1 / 2012

Inhaltsverzeichnis

Bildbeschreibung Titel

Aktives Altern

horus 1/2012 trägt den Titel "Aktives Altern". Das Titelfoto in der Schwarzschriftausgabe wirkt bunt und bewegt: Es zeigt eine vergnügte Gruppe von sieben Seniorinnen und Senioren im Schwimmbecken. Im Halbkreis stehend, schwingen sie bunte Reifen in beiden Händen, das in kräftigem Blau schimmernde Wasser reicht ihnen bis zur Brust. Das Foto bezieht sich auf einen der nachfolgenden Artikel zum Schwerpunktthema: Unter dem Titel "Wer rastet, der rostet - Fit durch Wassergymnastik" stellt die Autorin Almuth Metzner eine der beliebtesten Sportarten älterer Menschen vor (Foto: Simone Rößer).


Vorangestellt

Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitglieder,

"Alle wollen es werden, keiner will es sein: alt!" Dieser durchaus provozierende Spruch geht mir gelegentlich durch den Kopf, wenn vom "demografischen Wandel" oder von der "überalterten Gesellschaft" gesprochen wird. Aber: Wieso kann eine Gesellschaft "altern"? Und was hat es mit der durchaus negativen Konnotation auf sich, die bei diesem Begriff mitschwingt? Gesellschaften können nicht altern! Sie können sich wandeln oder ihre Normen und Werte ändern. Schlimmstenfalls können sie aussterben. Aber alt werden wie ein Individuum können sie nicht. Deshalb ist der mit dem Begriff der "alternden" oder "überalterten" Gesellschaft verbundene Alarmruf, der die Jungen vielleicht erschaudernd in die Ehe- oder Nichtehe-Betten treiben soll, verfehlt. Die Veränderungsprozesse innerhalb jeder Gesellschaft sind indes bedeutsam, wie uns die Autorinnen und Autoren in diesem dem Alter gewidmeten Schwerpunkt des horus unmissverständlich zeigen. Wie immer bei solchen Prozessen gibt es auch hier Licht und Schatten, Erfreuliches und Unerfreuliches oder Erfüllendes und Versagendes zu beobachten. Damit angemessen reflektierend umzugehen, kann man vielleicht als die Kunst des Alterns bezeichnen.

Doch auch die Frage, wie die Belange der jungen Generation im Hinblick auf ihre Ausbildung gewahrt werden können, beschäftigt uns in dieser Ausgabe erneut. Zauber- und Reizwort ist und bleibt in diesem Zusammenhang die schulische Inklusion und vor allem, wie sie sich in und nach der Schule auswirkt. Nur als ernüchternd sind hier die Ausführungen von Rodney zu bezeichnen, denen ein dänisches Forschungsprojekt zu Grunde liegt, Erfahrungen aus einem Land, in dem eigenständige Schulen für Blinde und Sehbehinderte schon vor mehr als 30 Jahren abgeschafft wurden.

Dass zu den beiden hier genannten Themen in diesem Heft der eine oder andere Denkanstoß gesetzt wird, das wünscht sich

Ihr und Euer Uwe Boysen

Motiv in der Schwarzschriftausgabe: Das Portrait zeigt Uwe Boysen in dunklem Anzug, hellem Hemd und Krawatte. Er trägt eine dunkle Brille und lächelt. Bildunterschrift: Uwe Boysen ist erster Vorsitzender des DVBS (Foto: DVBS).


In eigener Sache

Herzlichen Dank!

Die vorliegende Ausgabe des horus verdankt ihr Entstehen den vielfältigen Perspektiven der blinden, sehbehinderten und sehenden Autorinnen und Autoren auf die Möglichkeiten und Herausforderungen aktiven Alterns. Ihnen allen gilt unser Dank.

Besonderer Dank richtet sich an Dr. Joh.-Jürgen Meister, den Leiter der DVBS-Gruppe Ruhestand, der uns darüber hinaus bereits im Vorfeld konzeptionell beraten und aktiv unterstützt hat. Sehr gefreut hat uns zudem die freundliche Bereitschaft des BMBFSFJ und der am Foto-Wettbewerb des Programms Altersbilder Beteiligten, uns für die horus-Schwarzschriftausgabe ausgewählte Fotos zur Verfügung zu stellen.

Persönlich heißt dieser horus für mich Abschiednehmen. Nach zwei Jahren, endet meine Arbeit für den DVBS im April. Die Arbeit hat mir sehr viel Freude gemacht, mein herzlicher Dank gilt allen Beteiligten: den Autorinnen und Autoren, den Leserinnen und Lesern, den anregenden und kritischen Stimmen, den Anzeigenkunden und allen an der Produktion Mitwirkenden.

Willkommen auf der SightCity 2012

Vom 23. bis 25. Mai 2012 öffnet die SightCity ihre Türen. blista und DVBS sind auf der größten Hilfsmittelmesse Deutschlands wieder gemeinsam vertreten. Zum 10. SightCity-Jubiläum erwartet Sie an unserem Gemeinschaftsstand D17 ein abwechslungsreiches Programm. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und halten Sie im Vorfeld via horus-aktuell auf dem Laufenden.

Globalisierte Blindenwelt

Wie gut funktioniert die Umsetzung der UN-BRK in ihrem Ursprungsland Mexiko? Wie steht es um die Blindenschrift im Heimatland von Louis Braille? Wie sieht die Rolle der Blinden und Sehbehinderten im Judentum aus? Und wie im Islam? Die kommende horus-Ausgabe hat den Schwerpunkt "Globalisierte Blindenwelt", wir freuen uns auf Ihre Beiträge, sind gespannt auf Ihre Berichte über fremde Kulturen, Auslandsstudien und "Work experience", genauso wie auf Ihre Erfahrungen beim Kennenlernen ausländischer Studien- und Arbeitskollegen oder Nachbarinnen und Nachbarn mit ausländischen Wurzeln.

Für Meldungen ist eine Länge von etwa 2.000 Zeichen wünschenswert. Berichte dürfen gern doppelt so viele Anschläge enthalten, was dann etwa vier Punktschrift- bzw. zwei Schwarzschriftseiten im horus entspricht. Berichte zum Schwerpunktthema lassen sich oft nicht in wenigen Sätzen abhandeln, hier sind durchaus auch umfangreichere Beiträge mit bis zu 9.000 Zeichen erwünscht. Redaktionsschluss ist der 12. April 2012, Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel.: 06421 94888-13.

Mit besten Grüßen aus der horus-Redaktion

Dr. Imke Troltenier


Aktives Altern

Altersbilder in der Gesellschaft - Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland

Die Tradition der Altenberichte

Der Erste Gesamtbericht zur Lage der älteren Generation in Deutschland erschien 1993 und seither wurde die Altenberichterstattung zu einem seniorenpolitischen Schwerpunktthema in jeder Legislaturperiode fortgeführt. Die Altenberichte sollen Erkenntnisse gewinnen über die Lebenssituation älterer Menschen, Impulse für Fachöffentlichkeit und Politik geben, den fachpolitischen Diskurs anregen sowie zukunftsweisende Handlungsempfehlungen entwickeln. Eine wissenschaftlich fundierte, regelmäßige Altenberichterstattung, wie sie in Deutschland seit nahezu zwei Jahrzehnten eingeführt ist, ist international beispielhaft und einmalig. Die mit ausgewiesenen Wissenschaftler/innen besetzten Kommissionen arbeiten unabhängig, ihre Analysen schließen mit einem Empfehlungsteil an die Bundesregierung. Kommissionsbericht und Stellungnahme der Bundesregierung bilden zusammen den "Altenbericht", der nach Beratung im Kabinett dem Bundestag zugeleitet und veröffentlicht wird. Für alle, die in Politik, Wissenschaft und Praxis mit der Lebenssituation älterer Menschen befasst sind, bieten die Altenberichte umfassende und qualifizierte Informationen für eine am aktuellen Kenntnisstand orientierte Seniorenpolitik und Altenarbeit.

Der Perspektivwechsel nach dem Fünften Altenbericht

Die gesellschaftliche Diskussion um den demografischen Wandel und die Folgen der Alterung der Bevölkerung erweiterte der Fünfte Altenbericht um eine umfassende Beschreibung der "Potenziale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft und den Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen". Er forderte einen Perspektivwechsel: statt Belastungen und Risiken einer alternden Gesellschaft zu beklagen, sollten die Potenziale des Alters wahrgenommen und den Älteren Möglichkeiten eröffnet werden, ihr Erfahrungswissen sowie ihr gemeinwohlorientiertes Engagement in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik einzubringen. Der Fünfte Altenbericht sah ältere Menschen als aktive Mitgestalter/innen des Gemeinwesens. Könne sich ihr "Humanvermögen" in allen Bereichen des Gemeinwesens voll entfalten, seien auch die Herausforderungen des demografischen Wandels leichter zu bewältigen. Aber, so das Fazit des Fünften Altenberichts, noch werden Erfahrungswissen und Engagementbereitschaft der Älteren nicht in dem Maß realisiert, wie es gesellschaftlich notwendig und für ein gutes Altern wünschenswert wäre.

Der Sechste Altenbericht und seine Leitbilder

Im November 2010 folgte der Sechste Altenbericht, der die vorhandenen Altersbilder in Wirtschaft und Gesellschaft sowie Politik und Kultur umfassend beschreibt und in ihren Wirkungen sowohl für das gesellschaftliche als auch das individuelle Altern analysiert. Die Kommission ging der Frage nach, ob vorhandene Altersbilder die Potenziale und Ressourcen sowie die Vielfalt des Alters widerspiegeln und wie sich Altersbilder auf die Entwicklung und Nutzung dieser Potenziale, die Generationenbeziehungen sowie die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritt auswirken. Damit schließt der Sechste Altenbericht inhaltlich unmittelbar an den Fünften Altenbericht und seine fünf, für die Verwirklichung der Alterspotenziale relevanten, Leitbilder an: Mitverantwortliches Leben und Solidarität der Älteren, Stärkung des Alters als Innovationsmotor, Nachhaltigkeit und Generationensolidarität, Lebenslanges Lernen und Prävention. Daran orientiert lautete die Frage: Sind diese Leitbilder in den gesellschaftlich dominierenden Altersbildern zu finden, bzw. wie prägen sie den individuellen und institutionellen Umgang mit dem Alter(n)? In ihrer Analyse ließ sich die 6. Altenberichtskommission von zwei Leitbildern führen: erstens der Ermöglichung eines selbst- und mitverantwortlichen Lebens und zweitens einer differenzierten Betrachtung des Alterns und des alten Menschen. Mit dem Leitbild des selbst- und mitverantwortlichen Lebens formuliert die Kommission die normative Anforderung einer höheren Verantwortung der heutigen und der künftigen Altersgenerationen im Vergleich zu früheren Generationen. Sie legitimiert diese Anforderung mit dem Hinweis auf die lebenslange Gestaltbarkeit von Entwicklungsprozessen und eine längere Lebenserwartung bei besserer Ressourcenausstattung, bezogen auf Einkommen, Gesundheit, Bildungsstatus, Mobilität usw. Die Kommission verkennt dabei nicht, dass sich biografische und lebenslagespezifische Voraussetzungen für die geforderte selbst- und mitverantwortliche Lebensführung deutlich unterscheiden. So werde die soziale Ungleichheit im Alter deutlich in einem erhöhten Armutsrisiko für künftige Altersgenerationen. Und konsequent bestätigt der Altenbericht die staatliche Verpflichtung, insbesondere ältere Menschen mit niedrigen Alterseinkünften, geringer Bildung und erhöhtem Krankheits- und Pflegebedürftigkeitsrisiko spezifisch zu fördern. Dies gilt auch für die wachsende Gruppe der älteren Migrant/innen und deren Chancen auf ein selbstbestimmtes, aktives Altern sowie ihren Zugang zu Angeboten der Gesundheitsförderung und Pflege.

Die Vielfalt der "Altersformen" entzieht sich lebensaltersbezogenen "Altersnormen"

Es gilt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jedem älteren Menschen ermöglichen, seine Potenziale zu entfalten. Die Kommission betont dazu die Bedeutung einer differenzierten Wahrnehmung des Alters und der Unterschiede in Lebensstilen und Lebenslagen älterer Menschen. Dass im Lauf des Lebens interindividuelle Unterschiede größer werden, ist eine Binsenweisheit. Es gibt leistungsfähige Hochbetagte und 60-Jährige mit starken Beeinträchtigungen. Alter ist weder gleichbedeutend mit Pflege noch dem Wunsch nach Rückzug aus der Gesellschaft und auch im Alter differenzieren sich die sozial-kulturellen Milieus zunehmend aus. Die Vielfalt der "Altersformen" entzieht sich also lebensaltersbezogenen "Altersnormen". Die Kommission beurteilt (noch) vorhandene starre Altersgrenzen im Erwerbsleben, in Politik oder Ehrenamt kritisch und plädiert für eine "Lebenslaufperspektive". So schlägt sie vor, statt einer starren Regelaltersgrenze den Rentenbezug an die Dauer der Erwerbstätigkeit zu knüpfen (diesen Vorschlag lehnt die Bundesregierung ab). Deutlich wendet sich die Kommission auch gegen einen lebensaltersbezogenen Ausschluss von medizinischen Leistungen oder Forderungen nach einer Rationierung im Gesundheitswesen ab einem bestimmten Lebensalter. Solche Überlegungen spiegelten negative und vorurteilsbehaftete Altersbilder, ohne empirischen Beleg.

Entsprechend der Bedeutung, die Altersbilder für Diagnostik, Therapie und Pflege haben, fordert die Kommission Anstrengungen im Gesundheits- und Pflegesystem zur Entwicklung einer differenzierten Sicht auf das Alter. Werden z.B. Demenz oder Depression nicht als Krankheit, sondern als Merkmal des Alterungsprozesses missdeutet, so unterbleiben Hilfe und Behandlung mit gravierenden Folgen. Auch fordert die Kommission für Pflegebedürftige eine stärkere Umsetzung des Teilhabegedankens, wie er sich im SGB IX findet.

Behinderungen im Alter oder das Alter mit Behinderungen werden im 6. Altenbericht nicht gesondert betrachtet, mit Ausnahme des Kapitels zur Pflegebedürftigkeit und zur Demenz. Im Sinne eines teilhabeorientierten Begriffs von Behinderung sind Menschen mit Demenz oder Pflegebedürftige immer auch Menschen mit Behinderungen. Der Sechste Altenbericht ist von seinem Gesamtansatz ausgerichtet am Gedanken einer umfassenden Teilhabe aller alten Menschen in allen Bereichen des Lebens und insofern orientiert am Gedanken der Inklusion. Ausführlich setzt sich der Altenbericht mit den Risiken und Gefährdungen des Alters auseinander und beurteilt eine einseitig "positive" Sicht des Alters kritisch. Trotz aller Bemühungen sei Alter(n) nicht beliebig individuell gestaltbar. So konfrontiere das hohe Alter den Einzelnen und die Gesellschaft mit der Verletzlichkeit menschlicher Existenz. Dies auszublenden widerspricht einer Kultur humanen Alterns.

Im Falle von Einschränkungen sei es Aufgabe von Staat und Gesellschaft, solidarisch zu sein und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Teilhabe ermöglichen und Barrieren abbauen oder überwinden. So wie der Einzelne zur Altersvorsorge aufgefordert ist, so ist die Gestaltung lebenswerter, altersgerechter Lebensumwelten ebenso wie soziale Sicherheit im Alter und bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Aus dem hohen Maß gegenseitiger materieller und nicht-materieller Unterstützung und Hilfe zwischen den Generationen zieht der Altenbericht den Schluss, das Altern mehr als bisher im Kontext der Generationensolidarität zu betrachten und empfiehlt der Politik, eine stärker generationenübergreifende Perspektive einzunehmen.

Zur Autorin

Diplom-Sozialwissenschaftlerin Barbara Kahler ist seit 1986 tätig beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, e.V. (DV), Berlin. Seit 2006 ist sie wissenschaftliche Referentin für Fragen des Alterns in nationaler und internationaler Perspektive im Arbeitsfeld IV "Alter, Pflege, Rehabilitation, Gesundheit und Grundsatzfragen des Sozialrechts" des DV (www.deutscher-verein.de).

Zum Motiv in der Schwarzschriftausgabe:

Mit dem Programm Altersbilder hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Plattform geschaffen, um das Thema in die breite öffentliche Diskussion zu bringen (www.programm-altersbilder.de), der Foto- und Videowettbewerb unter dem Motto "Was heißt schon alt?" trägt dazu bei. Im Rahmen der Preisverleihung am 30. Mai 2011 wurden die 18 Gewinnerinnen und Gewinner geehrt. Der Autor Timm Stütz hat mit seinem Beitrag "Ein Tag im Mai" den 1. Platz in der Kategorie Fotos Profis gewonnen. Das Foto zeigt ein älteres Paar. Der Mann liegt lang hingestreckt im Gras, das Kinn mit der Hand aufgestützt, scheint er mit seiner dicht anbei sitzenden Partnerin in vertrautem Dialog. Die Meinung der Jury: "Das Bild zeigt zwei ältere Menschen mit ihrer Hingabe, ihrer Zuneigung und ihrem Vertrauen zueinander ... so, wie man es eher von jungen Leuten in der Öffentlichkeit erwarten würde. Kurzum: Woodstock lebt."


Altersdiskriminierung: Täter von heute, Opfer von morgen

Älteren Menschen weht in Deutschland ein rauer Wind entgegen. Ob im Job, im Gesundheitswesen, in den Medien oder im Alltag - Altersdiskriminierung existiert überall. Doch im Unterschied zu Ausländerfeindlichkeit oder der Benachteiligung von Frauen gibt es für Altersdiskriminierung kaum ein Bewusstsein in unserer Gesellschaft. Das möchte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ändern.

Ach, Methusalem! Früher war der Großvater Noahs ein Synonym für Erfahrung, Weisheit und Friedfertigkeit. Allesamt Eigenschaften, denen man Respekt zollte. Heute ist Methusalem vielen einfach nur noch peinlich und eine Belastung. Ob "Methusalem-Komplott", Altersfalle, Überalterung, Seniorenboom, Kollaps der Rentenkassen - weit und breit dominieren die negativen Altersbilder. Und sie prägen unsere Wirklichkeit: Warum nur wird der 50-jährige Informatiker nicht mehr eingestellt, obwohl er hochqualifiziert ist, über langjährige Berufserfahrung verfügt und viele Unternehmen händeringend Fachkräfte suchen? Die Diskriminierung älterer Menschen zeigt sich nicht nur im Berufsleben. Sie kann auch beim Abschluss von Geschäften sichtbar werden: Da verweigern Krankenkassen älteren Versicherten eine Heilbehandlung, da lehnen Stromanbieter Neukunden allein aufgrund des Alters ab, da verwehren Banken älteren Kunden trotz Sicherheiten in Form von Immobilien oder Lebensversicherungen einen Kredit und da nehmen Versicherungen ab einem bestimmten Alter höhere Beiträge. Und auch im Alltag werden die Bedürfnisse älterer Menschen nur unzureichend berücksichtigt, was besonders bei der Stadtplanung und Produktentwicklung deutlich wird. Leider handelt es sich bei den genannten Beispielen nicht um Einzelfälle; Altersdiskriminierung gibt es darüber hinaus auch im jungen Alter - dann etwa, wenn willkürliche Altersgrenzen junge Menschen von einer Bewerbung abhalten, obwohl sie die erforderlichen Qualifikationen mitbringen.

Ganz davon abgesehen, dass jede Form von Diskriminierung verurteilenswürdig ist, stellt sich die Situation bei Altersdiskriminierung besonders paradox dar, da die Täter von heute die Opfer von morgen sind - es ist nur eine Frage der Zeit. Altersdiskriminierung kann jeden treffen. Immer wieder hören wir auch von Menschen, "ich bin noch nie diskriminiert worden" oder "ich behandle alle gleich". Doch in vielen Fällen kommen Menschen zu dieser Einschätzung, weil sie einfach nicht genau wissen, was Diskriminierung ist. Wer in Beruf und Alltag in diskriminierender Weise beleidigt, beschimpft, übergangen oder unfair behandelt wird, muss oftmals allein mit diesen frustrierenden Erfahrungen fertig werden. Viele Menschen wissen nicht, dass es ein Gesetz gibt, das vor Diskriminierungen schützt. Oder sie kennen keine Anlaufstellen, wo sie Unterstützung finden. Deshalb ist es wichtig, Menschen leicht zugängliche Informationen und Hilfe anzubieten.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes legt daher 2012 einen Schwerpunkt auf das Thema Alter und hat das Jahr unter dem Motto: "Im besten Alter. Immer" zum Themenjahr Altersdiskriminierung erklärt. Auch die EU hat 2012 zum "Jahr für Aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen" ausgerufen. Ziel beider Initiativen ist es, die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Menschen zu verbessern, sie dabei zu unterstützen, eine aktive Rolle in der Gesellschaft einnehmen zu können und gesundes Altern zu fördern.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) unterstützt dabei nicht nur Menschen, die Altersdiskriminierung erfahren, sondern auch all jene, die wegen ihrer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden. Sie alle sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt und können sich juristisch beraten lassen, zum Beispiel bei der ADS. Wenn die Person das nicht möchte oder sich scheut, können auch Außenstehende sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Wir geben gern eine Einschätzung zum entsprechenden Fall.

Wie schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konkret vor Altersdiskriminierung? Das AGG bezweckt nicht nur den Schutz beschäftigter Jüngerer und Älterer, sondern erfasst jede ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung, die an das biologische Alter einer Person anknüpft. Zum Thema Alter gab es in Deutschland und vor dem Europäischen Gerichtshof einige wichtige Urteile, die den Schutz von Menschen vor Diskriminierung aufgrund des Lebensalters gestärkt haben. Zu unterscheiden ist dabei grundsätzlich zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Personengruppe direkt wegen eines der im AGG genannten Merkmale diskriminiert wird. Die Bezahlung nach Lebensaltersstufen, wie sie bis vor wenigen Jahren durch den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) geregelt war, führte beispielsweise zu so einer unmittelbaren Diskriminierung: Warum sollte jemand mit 31 Jahren mehr verdienen als mit 26 - wenn die Berufserfahrung die gleiche ist? Zahlreiche weitere gesetzliche Bestimmungen sowie unternehmerische Regelungen sind diskriminierend. Das gilt für starre Altersgrenzen beim Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsstellen sowie bei der Pensionierung. Hier ein paar Beispiele: Zur Stadträtin oder zum Stadtrat konnte nach dem Berliner Bezirksamts-Mitglieder-Gesetz bis vor kurzem nur eine Person gewählt werden, die mindestens 27 oder höchstens 57 Jahre alt ist. Als Prüfer oder Prüferin des Rechnungshofes sollte ein Mindestalter von 35 Jahren aufgewiesen werden, und wer als Vermessungsingenieur oder Vermessungsingenieurin öffentlich bestellt werden möchte, darf das Höchstalter von 60 Lebensjahren nicht überschritten haben. Der Sinn dieser Altersgrenzen ist allesamt fraglich.

Mittelbare Benachteiligungen sind dagegen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Sie liegen vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften oder Kriterien Personen benachteiligen. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters lag zum Beispiel vor, als eine Drogeriekette in einer internen Stellenausschreibung nur Bewerbende im ersten Berufsjahr ansprach, mit der Begründung, dass für die ausgeschriebene Stelle nur wenig Personalbudget zur Verfügung stehe und Arbeitnehmende in der niedrigen Tarifgruppe gesucht würden. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts 2009 stellt die Begrenzung der Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr einen Verstoß gegen das Verbot mittelbarer Benachteiligung gemäß § 3 Absatz 2 AGG dar. Denn Arbeitnehmer mit mehr Berufsjahren sind in der Regel älter als Arbeitnehmende im ersten Jahr.

Doch der Schutz vor Diskriminierung ist mit Gesetzen und Verboten allein nicht umzusetzen. Neben rechtlichen Vorschriften ist auch die Information über und die Einrichtung von Anlaufstellen für Menschen wichtig, die von Altersdiskriminierung betroffen sind. Ein Schwerpunkt des Themenjahres gegen Altersdiskriminierung liegt deshalb in einer Informationskampagne für eine stärkere Wahrnehmung und eine bessere Ausstattung der Beratungsstellen, die wir gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe (KDA) starten. Außerdem brauchen wir Unternehmensleitlinien, die Altersvielfalt als Vorteil begreifen und ein Lebensumfeld, das die Bedürfnisse aller Altersgruppen berücksichtigt. Ein ganz wichtiger Bestandteil des Themenjahres gegen Altersdiskriminierung ist deshalb die Verleihung unseres "Best-Practice-Preises" im Herbst und ein anschließender Fachkongress, mit dem wir Unternehmen würdigen wollen, die in vorbildlicher Weise zur Schaffung eines positiven Altersklimas beitragen - etwa durch altersfaire Unternehmensleitlinien oder altersheterogene Arbeitsgruppen. In diesem Zusammenhang werden wir auch einen Leitfaden für Unternehmen zum guten Umgang mit dem Thema Alter veröffentlichen. Außerdem wollen wir die Woche vor dem "EU-Tag der Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Generationen" am 29. April zu einer Aktionswoche machen, um das Thema nachhaltig auf die Agenda der öffentlichen Aufmerksamkeit zu bringen. Prominente Botschafter wie Uschi Glas, Liz Baffoe, Peter Maffay und Henning Scherf helfen uns dabei.

Es ist an der Zeit, mehr dafür zu tun, dass Jüngere und Ältere gleichberechtigt teilhaben können. Noch nie gab es eine so gesunde, aktive, gebildete und materiell wohlhabende Generation 60plus. Damit dies so bleibt und auch in Zukunft die Jüngeren ein Alter in Würde führen können, müssen wir alle sensibler werden, wenn es um Altersdiskriminierung geht. Niemand darf aufgrund seines Alters benachteiligt werden - egal in welchem Alter. Damit dieser Satz gelebter Alltag wird, müssen wir unser Bild überdenken - von dem, was "zu jung" und von dem, was "zu alt" ist. Das sind wir nicht nur Methusalem schuldig.

Zur Autorin

Christine Lüders, 58, ist Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (www.antidiskriminierungsstelle.de). Die studierte Pädagogin ist verheiratet und lebt in Berlin und Frankfurt am Main.

In der Schwarzschriftausgabe zeigt das Autorenfoto eine so freundlich wie engagiert wirkende Frau. Das blonde Haar ist mittellang, sie trägt eine helle Bluse und einen dunklen Blazer.

Das Bildmotiv in der Schwarzschriftausgabe ...

trägt den Titel "Fenster der Alten", Traugott May hat damit im o.g. BMFSFJ-Wettbewerb einen Sonderpreis gewonnen, denn durch den sehr geschickten Bildaufbau erzielt es eine eindringliche Wirkung: Es zeigt eine alte Dame im Krankenbett. Das Dreieck des Haltegriffs hält sie mit ihren zu Fäusten geballten Händen vor das Gesicht. Mit intensivem Blick schaut sie durch dieses "Fenster". Ob sie den Betrachtenden erkennt, weiß man nicht, ihre Stirn bleibt gerunzelt (www.programm-altersbilder.de/aktionen/wettbewerb-was-heisst-schon-alt).


10. Deutscher Seniorentag 2012

Unter dem Motto "Ja zum Alter" findet der Seniorentag vom 03.05.-05.05.2012 im Congress-Center Hamburg statt. Bunt und vielfältig wie das Leben selbst ist auch das Programm. In nahezu 100 Veranstaltungen wollen die zahlreichen Seniorenorganisationen und -verbände demonstrieren, wie sie dem Motto gerecht werden. Es hat sich viel Prominenz angesagt, so der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin.

Am Nachmittag des 03.05. sowie am 05.05. werden die zahlreichen Mitgliedsorganisationen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) in kurzen Workshops ihre Arbeit vorstellen. Wie auf den vorangegangenen Seniorentagen werden am zweiten Tag, Freitag, 04.05., in mehreren parallel stattfindenden Foren Schwerpunkte der Seniorenpolitik und Seniorenarbeit angesprochen. Dazu gehören Fragen und Probleme der Rentenpolitik und -sicherheit oder der Berufstätigkeit älterer Arbeitnehmer ebenso wie Fragen des ehrenamtlichen Engagements, des Lebenslangen Lernens sowie der Gesundheit im Alter, Angebote und Möglichkeiten des Wohnens im Alter, der Solidarität zwischen den Generationen, aber auch Fragen nach dem Sinn des Lebens. DBSV, DVBS und der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) werden unter dem Motto "Eine Gesellschaft für alle - barrierefrei und inklusiv" eine dreiteilige Veranstaltungsreihe anbieten, bei der den Besucherinnen und Besuchern die UN-Behindertenrechtskonvention näher gebracht werden soll. Neben Vertreterinnen und Vertretern der Selbsthilfe werden Wissenschaftler, Bundestagsabgeordnete sowie Anbieter von Internet-Kommunikation ihre Perspektiven von Inklusion älterer und behinderter Menschen in die eine Gesellschaft, ihre soziale und kommunikative Sicherheit, gleichberechtigte selbstständige Teilhabe und von Barrierefreiheit miteinander austauschen. Gerade mit den Bundestagsabgeordneten sollen die Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Defizite von Aktionsplänen zur Umsetzung der Konvention auf Bundes- und Länderebene diskutiert werden. Für weitere Informationen: www.Deutscher-Seniorentag.de.

Parallel zum Seniorentag informieren auf der Sennova zahlreiche Seniorenorganisationen, aber auch namhafte Wirtschaftsunternehmen über ihre Arbeit, ihre Produkte und Dienstleistungen für Senioren. Schwerpunkte bilden hier Kommunikation und Technik, Reisen und Kultur, Gesundheit und Bewegung. Darüber hinaus finden auf einer Aktionsbühne an den drei Tagen Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunkten statt. Auch hier werden sich die Blindenselbsthilfeorganisationen auf einem Gemeinschaftsstand präsentieren. Highlights werden dabei die Erstellung von Punktschrift, das Lesen und Hören mit DAISY, aber auch die Beratung und Betreuung von älteren Menschen mit Sehverlust sein. Bemerkenswert und zugleich eine Einladung für Menschen mit Behinderungen ist, dass der 10. Deutsche Seniorentag so wie schon der 9. Seniorentag 2009 in Leipzig soweit wie möglich barrierefrei sein wird. Zahlreiche Ehrenamtliche werden die Besucher empfangen, informieren und bei Bedarf begleiten. Orientierungshilfen für Blinde und Sehbehinderte werden das Auffinden der verschiedenen Veranstaltungsorte ebenso erleichtern wie Induktionsschleifen in verschiedenen Veranstaltungsräumen für Schwerhörige. Die Lifte sind teilweise mit Punktschrift und Sprachausgabe ausgestattet. Das ausführliche Programmheft wird nicht nur auf der o.g. Homepage zum Herunterladen zur Verfügung stehen, sondern auch in Großdruck, Punktschrift und als Audio-CD. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn blinde und sehbehinderte Menschen - vor allem aus den nördlichen Bundesländern - ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft nicht nur fordern, sondern auch aktiv wahrnehmen würden.

In der Schwarzschriftausgabe ist diesem Artikel das Logo des 10. Seniorentages vorangestellt. Es wirkt frisch und lebhaft. Auf weißem Untergrund stehen drei Textzeilen. In der ersten Zeile liest man: "10. Seniorentag" in großen schwarzen Lettern. Darunter steht in der zweiten Zeile: "JA ZUM ALTER!", die dunklen Versalien sind jeweils mit bunten Rechtecken unterlegt. Der Farbkontrast der Rechtecke ist groß: Magenta, Hellblau, Gelb, Grün, Rot ..., zudem sind die Rechtecke nicht völlig gleichförmig zueinander platziert, denn mal ist der Abstand, mal der Winkel verändert. Die dritte Zeile trägt den schwarzen Schriftzug "3. bis 5. Mai 2012 im Congress Center Hamburg".


Kompetent und aktiv bis ins hohe Alter

Lange wurde der demographische Wandel der Gesellschaft in Politik und Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, ignoriert oder bestenfalls seine negativen Folgen betrachtet. Das hat sich im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts spürbar geändert. In Deutschland hat insbesondere das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zahlreiche Initiativen auf den Weg gebracht, Modellprojekte und -programme gefördert und wissenschaftliche Untersuchungen und Auseinandersetzungen initiiert. Höhepunkte dieser Aktivitäten waren der 5. und 6. Altenbericht "Kompetenzen und Potentiale des Alters" (2005) und "Bilder des Alters" (2010) sowie der europäische Kongress "Demografischer Wandel als Chance: Wirtschaftliche Potenziale der Älteren" (2007). Nachfolgend sollen Aspekte und Empfehlungen des fünften Altenberichts sowie solche von wissenschaftlichen Untersuchungen im Umfeld dieses Berichts skizziert werden.

Unter Potenzialen des Alters sind sowohl vom Individuum oder der Gesellschaft präferierte Lebensentwürfe und Lebensformen, die zur Wirklichkeit werden können, als auch die den älteren Menschen für die Verwirklichung von Lebensentwürfen und Lebensformen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu sehen. Dabei kann zwischen einer stärker individuellen, persönlichen und einer stärker gesellschaftlichen für das Gemeinwohl nützlichen Perspektive differenziert werden.

Die Kompetenzen des Alters definierten Kruse und Lehr 1999 als "alle Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen zur Aufrechterhaltung eines selbstständigen, selbstverantwortlichen und persönlich zufrieden stellenden Lebens in seiner räumlichen, sozialen und institutionellen Umwelt" (1). Die Voraussetzungen für ein positives, aktives Altwerden sind durch Veränderungen im Verständnis von Bildung verbessert worden. Auch in Deutschland lernen alle Altersgruppen nicht mehr nur in Schule und Ausbildung, sondern lebenslang multimedial, einzeln oder in Gruppen, an unterschiedlichen Lernorten und berufsbegleitend. Der Fünfte Altenbericht der Bundesregierung "Kompetenzen und Potenziale des Alters" setzt daher auch ein bei der Erwerbsarbeit, reflektiert sodann über Bildung und Weiterbildung und analysiert schließlich in einem dritten Schritt die Einkommensverhältnisse älterer Arbeitnehmer in der Gegenwart und in der Zukunft.

Anhand des Konsumverhaltens Älterer werden die besonderen Schwerpunkte der Seniorenwirtschaft herausgearbeitet, denen angesichts des demographischen Wandels eine besondere Bedeutung zukommt: Wohnen, Reisen und Tourismus, Kommunikation und Neue Medien, Gesundheit und Pflege, Freizeit, Mobilität. Auf diesem Hintergrund werden dann die Potenziale des Alters in familialen und privaten Netzwerken sowie das Engagement und die Teilhabe Älterer am Leben der Gesellschaft betrachtet. Ein letztes Kapitel widmet sich der besonderen Situation älterer Menschen mit Migrationshintergrund.

Und die älteren Menschen mit Behinderungen? Sieht man einmal vom Kapitel 2, Erwerbsarbeit, ab, in dem im Unterkapitel 2.2.4 die "Situation schwerbehinderter Menschen in der Arbeitswelt und auf dem Arbeitsmarkt" behandelt wird (2), kommen ältere Menschen mit Behinderungen außer im Kontext von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit in dem Bericht nicht vor. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass mit zunehmender Lebenserwartung die Zahl der älteren Menschen mit Behinderungen stetig steigt.

Aus individueller Lebensperspektive können die Aktivitäten Älterer unter dem Stichwort intergenerationeller Solidarität subsumiert werden. Großeltern fördern und unterstützen ihre Kinder und Enkel nicht nur durch materielle und finanzielle Beiträge. Sie leisten oft praktische Hilfe durch Betreuung von Kleinkindern, Beaufsichtigung bei Schulaufgaben oder sie übernehmen Aufgaben bei der Pflege und Betreuung dementiell Erkrankter innerhalb ihrer Familie. Allerdings wird es angesichts des demographischen und des Wandels familialer Strukturen notwendig sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es älteren Menschen ermöglichen, lange ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in privaten Netzwerken zu führen (3).

Aus gesellschaftlicher Perspektive rücken die Potenziale des Alters im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements in den Mittelpunkt der Betrachtung. Es wurden in verschiedenen Studien Daten zur Lebensgestaltung und zum ehrenamtlichen Engagement älterer Menschen gesammelt. Es zeigt sich, dass sich von den 60- bis 69-Jährigen etwa jeder Dritte und von den 70-79-Jährigen etwa jeder Fünfte freiwillig bürgerschaftlich engagiert. Selbst bei den über 80-Jährigen findet sich noch eine stattliche Anzahl ehrenamtlich Engagierter.

Während sich die Aktivitäten älterer Männer stärker auf die prestigeträchtigen Bereiche und Tätigkeiten des politischen Ehrenamtes konzentrieren, finden sich die engagementbereiten älteren Frauen vornehmlich in den eher unscheinbaren Bereichen des "sozialen Ehrenamtes". Als besondere Engagementschwerpunkte haben sich herauskristallisiert: Gesundheit und Pflege, Kindergarten und Schule, Religion und Kirche, Gesellschaft, Kultur und Freizeit. Weniger aktiv sind engagierte Ältere dagegen in Bereichen wie Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste, außerschulische Jugend- und Bildungsarbeit, Umweltschutz und Tierschutz. Am Ende dieser Skala rangieren das politische Engagement auf lokaler Ebene in Interessenvertretungen, Vereinen und Verbänden, Beiräten für Senioren, Behinderte, Agenda21-Prozesse u. ä.

Die erwähnten Untersuchungen zeigen auch sehr deutlich, dass Aktivitäten und bürgerschaftliches Engagement eng verknüpft sind mit dem Bildungsstand und den ökonomischen Verhältnissen im Alter. Je höher der Grad der Bildung, umso größer das Engagement und umgekehrt. Hier erweist sich aber auch, dass lebenslanges Lernen eine wesentliche Voraussetzung für das Interesse und die Partizipation am bürgerschaftlichen Engagement im Alter ist, und dass Lernen im Alter wiederum abhängig ist von der Teilhabe an Weiterbildungsmöglichkeiten in der späten Phase der Berufstätigkeit. Aus Studien ist bekannt, dass von solchen Weiterbildungsmaßnahmen insbesondere sozial Schwächere, Bildungsbenachteiligte, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und last, but not least, Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen sind und werden.

Zwar werden die wachsenden Risiken und Probleme des Alters und Alterns - vor dem Hintergrund eines seit Jahren speziell für ältere Arbeitnehmer prekären Arbeitsmarktes - von Analysten und Interpreten der "Kompetenzen und Potenziale des Alters" keineswegs ignoriert oder verkannt, aber es geht ihnen vorrangig um die sinnvolle Nutzung des "Sozialkapitals" (4), das sich aufgrund des demografischen und sozialen Strukturwandels gebildet hat und stetig wächst.

Davon ausgehend, dass die heutige Generation der Älteren eine höhere und weiterhin steigende Lebenserwartung hat, besser gebildet, gesundheitlich fitter und finanziell und materiell besser ausgestattet ist, werden an das freiwillige ehrenamtliche und unentgeltliche Engagement der Älteren Erwartungen geknüpft, die nicht allein auf eine finanzielle Entlastung der sozialen Sicherungssysteme zielen, sondern über eine größere Zielgenauigkeit der öffentlichen Leistungen bis hin zu einer größeren Effektivität und Leistungsqualität solcher Einrichtungen und Dienstleistungen reichen, z.B. Einrichtungen der Altenhilfe und -pflege, Beratungsdienste, Kommunikations- und Informationsangebote etc. (5). Hier sind neue Formen des Engagements denkbar und möglich, in denen professionelle Dienstleister, ehrenamtlich Engagierte und Betroffene sowie Angehörige zusammenwirken.

Durch diese Umgestaltung können ältere Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen ihr Engagement für sich und gleichzeitig für die Gesellschaft nützlich einbringen. Auch wenn sie bisher allenfalls als Hilfs- und Pflegebedürftige gesehen wurden. Könnte nicht über einem solchen Engagement das Motto des internationalen Jahres der Freiwilligen 2001 (IYV = International Year of Volunteers) stehen: "Was ich kann, ist unbezahlbar und ich kann tun, was ich will und nicht, was ich muss"? Es gibt zahlreiche Beispiele älterer blinder und sehbehinderter Menschen, die sich freiwillig ehrenamtlich, in familialen, privaten Netzwerken, oder in öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen engagieren, z.B. als Behinderten- oder Seniorenbeauftragte bzw. in entsprechenden Beiräten in ihren Heimatkommunen. Sieht man einmal von Engagementbereichen ab, in denen eine unmittelbare visuelle Wahrnehmung und Beobachtung unerlässlich ist, können sie ihre spezifischen Kompetenzen und Potenziale in nahezu allen Bereichen einbringen und vermitteln. Um die Vision der UN-Konvention Rechte von Menschen mit Behinderungen von der einen Gesellschaft mit Leben zu erfüllen, müssen sich auch ältere Menschen mit Behinderungen aktiv in diese Gesellschaft einbringen und an ihrer Gestaltung mitwirken.

Quellenangaben

1) Kruse, A. & Lehr, U. (1999): Reife Leistung. Psychologische Aspekte des Alterns. In: Niederfranke, A., Naegele, G. und Frahm, E. (Hrsg.): Funkkolleg Altern 1. Die vielen Gesichter des Alterns. Opladen, Wiesbaden. Zitiert in: Klaus-Peter Schwitzer: Weisheit versus Mut? Was sind spezifische Kompetenzen von Älteren und was sind sie wert?

2) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) 2005: 5. Altenbericht "Kompetenzen und Potenziale des Alters, S. 61-63

3) a.a.O., S.29 ff

4) a.a.O., S.370

5) a.a.O., S.338

Den ungekürzten Originalbeitrag finden Sie als ADDITIV zu horus 1/2012 unter www.dvbs-online.de/horus/index.php

Zum Autor

Dr. Johannes-Jürgen Meister ist Leiter der DVBS-Gruppe Ruhestand (www.dvbs-online.de/dvbs).

Der Schwarzschriftausgabe ist ein Foto des Autors beigefügt, es zeigt einen engagierten Herrn in Anzug und Krawatte am Rednerpult. Die Aufnahme von Dr. Meister wurde während seines Vortrags auf der DVBS-Mitgliederversammlung 2010 gemacht (Foto: DVBS itrol).


Mehr Durchblick für alternde Augen

Low Vision-Beratung der blista unterstützt Seniorinnen und Senioren

Norbert K. sieht schlecht. Trotz der neuen Brille fällt das morgendliche Zeitunglesen zunehmend schwer, auch mit zusätzlichem Einsatz einer Handlupe sind die Buchstaben oft kaum mehr zu entziffern. "Es gibt Momente, da wird alles trüb und verwischt", erzählt der 80-Jährige traurig. Der rüstige Herr hatte die 70 just überschritten, als er vom Augenarzt die Diagnose altersbedingte Makuladegeneration (AMD) erhielt. Den zunehmenden Verlust des Sehvermögens empfindet er als gravierenden Einschnitt: "Ich habe mein ganzes Leben wahnsinnig gerne Bücher gelesen, aber jetzt muss ich aufpassen, dass ich das bisschen Sehfähigkeit, das ich noch habe, nicht überanstrenge."

Jedes Jahr erblinden über 10.000 Menschen in Deutschland

Unter dem Begriff Makuladegeneration wird eine Gruppe von Augenerkrankungen zusammengefasst, die die Makula lutea betreffen, den sogenannten "Gelben Fleck". Dieser ca. 2 mm große Bezirk der Netzhaut ist für das Scharfsehen verantwortlich. Gerade im Alter kann es in diesem Bereich der Netzhaut zu Schäden und Vernarbungen kommen, die das Augenlicht gefährden. In den Industrieländern ist die AMD die häufigste Ursache für eine Erblindung, jedes Jahr erblinden in Deutschland über 20.000 Menschen. Aufgrund des demographischen Wandels nehmen die Erkrankungsraten zu. Da die Zahl der Älteren in unserer Gesellschaft steigt, wird es künftig immer mehr sehbehinderte und blinde Menschen geben. Die Erkrankung wird von den Betroffenen im Anfangsstadium oft nicht wahrgenommen. Wer vorbeugen will, sollte ab dem Alter von 50 Jahren jährlich einen Augenarzttermin zur Kontrolle der Netzhaut vereinbaren.

Was ist zu tun, wenn trotz Brille die Sehkraft nachlässt?

Weil sich auch mit der neuen Brille keine Besserung mehr erzielen ließ, hat sich Norbert K. gemeinsam mit seiner Ehefrau auf den Weg zum Low Vision-Zentrum der Marburger Blindenstudienanstalt (blista) gemacht. Denn was viele nicht wissen: Es gibt eine breite Palette unterschiedlichster Sehhilfen und Angebote, die das Lesen und auch die Bewältigung der praktischen Alltagsdinge für sehbehinderte Menschen erleichtern. Dabei fasst der Ausdruck "Low Vision", der aus dem Englischen kommt und für ein verringertes Sehvermögen steht, das gesamte Spektrum rehabilitativer Maßnahmen zusammen: Vom Erkennen und Überprüfen des funktionalen Sehens über die Beratung zur optimalen Nutzung des Sehrestes bis hin zur Versorgung mit Hilfsmitteln. Hinzu kommen Anleitungs- und Trainingsangebote, die speziell auf die Wünsche und Anforderung von Seniorinnen und Senioren zugeschnitten sind.

Die Fachleute im Low Vision-Zentrum der blista (Augenoptiker und Rehabilitationslehrer und ein Orthoptist) beraten individuell und gezielt. "Auf rund zwei Millionen schätzt man in Deutschland schon heute die Zahl der AMD-Patientinnen und -Patienten. Wenn sich dann trotz der Therapie die Sehfähigkeit allein mit der Brille nicht mehr verbessern lässt, meinen viele Betroffene, sich mit der Situation abfinden zu müssen. Dadurch schleicht sich häufig allzu früh im Alltag ein Verlust an Lebensqualität ein: Der eine leidet darunter, dass er die Zeitung nicht mehr lesen kann, anderen geht es um die Briefpost, die man nicht mehr selbständig erledigen kann, um die Fernsehsendungen, denen man nicht mehr zu folgen vermag, um ein geliebtes Hobby, die alten Familienfotos oder die Rommee-Abende mit Freunden", erklärt Christian Gerhold. Als Augenoptiker und Rehabilitationslehrer bringt er eine wichtige Doppelqualifikation mit, die die Low Vision-Beratung erfolgreich macht. "Wir nehmen uns Zeit, setzen uns gemeinsam an einen Tisch und besprechen die Anliegen und Wünsche. Wir bieten eine individuelle, herstellerunabhängige Beratung und probieren die möglichen Hilfen aus. Es gibt nämlich nicht nur ein Hilfsmittel für alle Lebensbereiche, man muss differenzieren", betont Gerhold. Norbert K. hat den aktuellen augenärztlichen Befund und seine Gleitsichtbrille zum Beratungstermin mitgebracht.

Für das Ausmaß einer Sehbehinderung bzw. Blindheit gibt es verschiedene Einteilungen, die auch für die entsprechenden Leistungsansprüche Bedeutung haben. Bei der internationalen Einteilung nach WHO (World Health Organization / Weltgesundheitsorganisation) gilt Stufe 1, wenn das Sehvermögen bei höchstens 30% liegt, man spricht hier auch von einem Visus von 0,3. Stufe 2 bezeichnet ein Restsehvermögen von höchstens 10 % bzw. einem Visus von 0,1. Diese beiden Stufen fallen laut Bundessozialhilfegesetz (BSHG) unter den Begriff "Sehbehinderung" und Betroffene haben z.B. einen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. WHO-Stufe 3 mit einem Sehrest von maximal 5 % wertet das BSHG (SGB XII) als "hochgradige Sehbehinderung". WHO-Stufe 4 mit einem Visus von höchstens 0,02 gilt als praktische Blindheit, daraus resultiert ein Anspruch auf Blindengeld bzw. das Merkzeichen Bl im Schwerbehindertenausweis. Bei Stufe 5 fehlt die Wahrnehmung von Lichtschein.

Warum sich eine Low vision-Beratung lohnt

Im Low Vision-Zentrum überprüft der Fachmann bei Norbert K. zunächst die Sehfähigkeit: 3, 6, 5 - im Fernbereich kann er die erste Zahlenreihe gut erkennen, bei der kleineren zweiten Zahlenreihe wird es bereits schwierig. Einen Visus von 0,16 ermittelt der Experte schließlich für das rechte und einen Visus von 0,1 für das linke Auge. Die Brillenstärke ist optimal angepasst. Und doch hat der Reha-Fachmann für den Fußballfan Verbesserungen parat. Auf Basis des ermittelten Vergrößerungsbedarfs bietet er Norbert K. verschiedene Monokulare zum Ausprobieren an. Mal zittert die Hand, mal fehlt das Geschick: die Handhabung der kleinen Handfernrohre fällt Norbert K. schwer. Aber mit der vergrößernden "Fernsehbrille" registriert Norbert K. schließlich erfreut einen Zugewinn. Alternativ könnte er den Abstand zum Fernseher so weit verkürzen, dass die Einzelheiten wieder erkennbarer werden. Die Angst, sich damit die Augen zu "verderben", wird in dem klärenden Gespräch genommen.

Jetzt wird das Nahsehen untersucht und praktisch getestet. Bei der Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen ist die richtige Beleuchtung fast genauso wichtig wie die Sehhilfe selbst. Eine Leuchtlupe für die Tasche erweist sich als Hilfe für unterwegs. Aber eine Standlupe mit Lesepult oder eine Lupenbrille reichen trotz Weißlichtunterstützung zum entspannten Zeitungslesen nicht hin. So begegnet Norbert K. auch dem Bildschirmlesegerät zunächst mit Skepsis. Das Buch wird auf den beweglichen Kreuztisch gelegt, am Monitor die Farbstellungen und Kontraste variiert. "Ach, so geht das!", ruft der ältere Herr nach ein wenig Ausprobieren auf einmal vergnügt und liest einen ganzen Absatz flüssig vor.

Speziell zugeschnitten auf die Wünsche und Anforderung

Wie es mit der Orientierung unterwegs und zu Hause klappt, erkundigt sich der blista-Experte nun und knüpft die Frage an den Bedarf nach einem Mobilitäts- und Orientierungstraining. Denn das blista-Team der Rehabilitationslehrer fördert auch den Erwerb von Grundfertigkeiten für den Erhalt oder der Wiederherstellung der Selbständigkeit. "Ach, das ist ja alles vertraut, beim Hellen habe ich da bislang kein Problem. Aber nach Sonnenuntergang würde ich allein gar nicht mehr rausgehen", winkt Norbert K. ab. "Das besprechen wir dann beim nächsten Mal." Manche Seniorinnen und Senioren kommen auf Empfehlung des Augenarztes, die Mehrzahl auf eigene Initiative. Rund 550 Klientinnen und Klienten berät das Low Vision-Team der blista pro Jahr. Die "Durchschnittsklient" ist weiblich und ca. 80 Jahre alt. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten des einstündigen Beratungsgesprächs, dessen Ergebnis und Empfehlungen schriftlich dokumentiert und den Klienten in zweifacher Ausfertigung zugeschickt werden. So kann man eines behalten und das andere zur Verordnung der empfohlenen Hilfen an den Augenarzt weiterreichen.

Kontakt

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Rehabilitationseinrichtung für Blinde und Sehbehinderte (RES), Biegenstraße 22, 35037 Marburg. Zur Terminvereinbarung oder um sich über das Angebot zu informieren, können Sie das Team Montags bis Freitags zwischen 9:00 - 10:00 Uhr und 13:00 - 14:00 Uhr erreichen unter Tel: 06421 1698815, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.blista.de/res

Wer sich über nützliche Hilfsmittel für den Alltag informieren will, der findet auf den Internetseiten www.deutscherhilfsmittelvertrieb.de eine breite Palette unterschiedlichster Helferlein.

Das Foto in der Schwarzschriftausgabe zeigt ein typisches "Beratungsmotiv": Ein älterer Mann erprobt eine Sehhilfe unter Anleitung der Beraterin. Er ist nicht allein gekommen, seine Begleitung sitzt neben ihm.


Ich habe da einen Langzeitversuch laufen …

Rente kommt von Rennen, sagt Gerda Kloske-Schindlbeck mit freundlichem Schalk. In der Tat wird es nicht ganz einfach, sich telefonisch zu verabreden und einen Termin zu finden für ein gemeinsames Gespräch. Dann klappt es doch: spontan und unkompliziert.

"Ich sitze am Computer, bin gerade völlig in Action und bearbeite die tägliche Korrespondenz. Für uns Blinde bedeuten die Neuen Medien einen ganz großen Fortschritt. Ich bin nicht perfekt, aber zum Scannen von Schwarzschriftdokumenten, zum Surfen im Internet und für die E-Mail-Korrespondenz reicht es allemal. Da bin ich unabhängig und nicht angewiesen auf die Hilfe meines Mannes."

In zwei Stunden erwarte man sie zu einer Ausstellungseröffnung in der Archäologischen Staatssammlung München. "Blindengerechte Gestaltung - da mach ich mich immer mit großer Freude dran!", erklärt meine Gesprächspartnerin vergnügt. "Wenn Blinde in ein Museum kommen, dann ist es mein großer Wunsch, dass sie nicht erst bitten und betteln müssen, damit man etwas anfassen darf. Es ist ganz schlimm, wenn man durchgehen muss und Sachen nur erzählt bekommt." Das Archäologische Museum bietet unter der Leitung von Michael Egger ein deutschlandweit einmaliges und kostenloses Programm für blinde Menschen. Ob Steinzeitschmuck oder Faustkeile, seit Jahren sorgt die engagierte Landshuterin in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Museumsarchäologen Egger dafür, dass blinde Kinder und Erwachsene in der Archäologischen Staatssammlung etwas "unter die Finger" bekommen.

Zusätzlich zu ihrem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement schrieb sich Gerda Kloske-Schindlbeck mit dem Renteneintritt an der Uni ein. Seit rund zehn Jahren hört sie Vorlesungen in Philosophie, Religionswissenschaften, Paläontologie und Archäologie.

Wie ein roter Faden …

Zwanzig Minuten verbleiben uns zum Gespräch, für das Thema "Lebenslanges Lernen" sind wir verabredet: "Frau Kloske-Schindlbeck, wie kommt man denn nach einem arbeitsreichen Berufsleben auf die Idee, sich das Lernen wieder auf die Fahnen zu schreiben? Was gab den Anstoß dafür?". Der Grundstein, so scheint es, war früh gelegt: "Die damalige Landesblindenschule", so erklärt sie, "lag in direkter Nachbarschaft zur Universität. Was da passiert, das hat mich schon als kleines Mädchen immer interessiert. Aber wir waren ganz arme Leute, ich blind nebenbei, an BAföG war noch nicht zu denken, man musste einfach berufstätig werden."

Gleich die erste Bewerbung als Anfangsstenotypistin bei der Stadt Landshut war erfolgreich. Denn wer in der Aufnahmeprüfung als Beste unter 55 Bewerberinnen abschneidet, den kann man nicht ablehnen. "Ich habe klein angefangen, mit drei Mark Tagegeld brutto, und war dann insgesamt 43 Jahre und 153 Tage bei der Stadt Landshut angestellt." Wie ein roter Faden zog sich "Lebenslanges Lernen" fortan durch ihr Berufsleben: "Ich hab halt immer wieder an Fortbildungen teilgenommen, Prüfungen absolviert und mich Stück für Stück emporgearbeitet. Die letzten 15 Jahre war ich dort als Behindertenbeauftragte tätig, die erste der Stadt! Das ist eine große Vertrauenssache, aber eben auch sehr anspruchsvoll. Man musste ständig neues Wissen erarbeiten und sich beweisen. Bis heute bekommt man Anrufe aus der Zeit und möchte nicht Nein sagen, nicht Hilfe und Unterstützung verweigern." Weil es schön ist, wenn man spürt, dass man gebraucht wird, hat sie nach dem Renteneintritt zusätzlich auch eine Ausbildung als Hospizhelferin gemacht: "Ich will für die Menschen da sein und für die Dinge, die das Leben schreibt. Zur Hospizausbildung habe ich auch noch gelernt, Fußreflexzonenmassagen machen zu können, damit ich den Menschen nahe sein darf."

Mitten unter den jungen Leuten

Philosophie, Religionswissenschaften, Paläontologie und Archäologie studieren - wie sieht das praktisch aus? "Gemeldet bin ich im Rahmen des Seniorenstudiums, aber in den Vorlesungen, Seminaren und Übungen sind wir mitten unter den jungen Leuten. In der Archäologie habe ich zum Beispiel immer wahnsinnige Freude am Graben. Da arbeiten wir in kleinen Gruppen zusammen und natürlich unterstützt man sich gegenseitig. Nur ich bin es, die hören kann, wenn es da unbemerkte Zwischenräume gibt, die das Weitergraben lohnend machen. Dadurch haben wir schon so einiges entdeckt und damit kann ich anderen viel helfen. Die Uni selbst ist nicht für blinde Senioren hergerichtet, die Unterlagen bekomme ich ganz normal in Schwarzschrift. Die scanne ich mir dann zu Hause ein, die Fachliteratur beschaffe ich mir auf alle möglichen Weisen, oft lesen mir auch Studienkollegen was auf. Es stimmt einfach nicht, wenn man sagt, die jungen Menschen seien heute nicht hilfsbereit."

Wir Älteren kommen nicht mit leeren Händen

Und was würden Sie anderen empfehlen, die sich für ein Studium interessieren? "Gerade am Anfang war es ganz wichtig, dass ich nicht allein unterwegs war. In den ersten Semestern hat mich Dr. Demmel oft mitgenommen, er kannte sich schon aus und hat mich auch bei den Kontakten unterstützt. Inzwischen habe ich meinen eigenen "Fan-Club" und so haben mich die Freunde auch einmal in eine Psychologie-Vorlesung mitgenommen. Als der Professor über Wahrnehmungspsychologie sprach und über die massiven Auswirkungen eines Sinnesverlustes, da bin ich nachher zu ihm hin: "Ich habe da einen Langzeitversuch laufen", habe ich gesagt. "Wie man mit Blindheit umgeht, darüber könnte ich eine Menge erzählen." So sind wir Freunde geworden, dieser Professor und ich. Mein Vortrag wurde ein Teil seiner Vorlesung. Jedes Mal, wenn ich den Hörsaal fülle, dann sagt er ein wenig neidisch: "Gerda, so viele kommen bei mir nicht.""

Es sei wichtig, auf andere zuzugehen, ihnen die Scheu für den Erstkontakt zu nehmen, selbstbewusst und aufgeschlossen zu sein: "Wir Älteren kommen nicht mit leeren Händen, wir bringen ja Lebenserfahrung mit. Überall!", betont Gerda Kloske-Schindlbeck und fügt zugleich an: "Es muss ja nicht jeder zur Uni gehen, es geht darum, mit seinem Leben etwas anzufangen, mit sich selbst zufrieden zu sein, seinen Weg einzuschlagen, zu verfolgen und dazu zu stehen."

Zur Person

Gerda Kloske-Schindlbeck wurde mit einer Glaukomerkrankung geboren und erblindete im Laufe ihrer Kindheit. Sie besuchte die Blindenschule München und startete bei der Stadt Landshut als Anfangsstenotypistin in den Beruf und wurde 28 Jahre später zur ersten Behindertenbeauftragten der Stadt berufen. Heute trägt sie Verantwortung in verschiedenen Verbänden, die sich um die Belange sehbehinderter Menschen kümmern. So arbeitet sie sehr intensiv für das Deutsche Komitee zur Verhütung von Blindheit, in verschiedenen Gremien für den Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund, in mehreren Ausschüssen und Verbänden für die Stadt Landshut. Daneben pflegt sie mit Stricken, Malen und dem Arbeiten mit Speckstein und Alabaster vielfältige Hobbys. Ihr persönliches Motto ist dem Leben auf eine besondere Weise zugewandt, es lautet: "Nur wer sein Schicksal bewusst annimmt, erfährt seine wandelnde Kraft."

Das Interview führte Dr. Imke Troltenier.


Alternativ, kooperativ und inklusiv: Nachbarschaftshilfe im Marburger Tauschring

"Eine Hand wäscht die Andere." Wenn man diesen Spruch hört, denkt man nicht selten an Klüngelei und Vetternwirtschaft. Doch meine Interviewpartnerin, Annette Sander, zeigt mir anhand des Marburger Tauschringes auf, wie dieses Motto gelebt werden kann.

Bundesweit gibt es mehrere Hundert Tauschringe, die unterschiedlich funktionieren, doch das Grundprinzip ist stets ähnlich: Menschen tauschen untereinander Dienstleistungen aus. Man hilft sich gegenseitig. Die Tauschringe entstanden aus der Idee heraus, dem Kapitalismus und dessen Grundgedanken "Geld regiert die Welt" etwas entgegenzusetzen und alternative Währungssysteme zu erschaffen.

Manche Tauschringe arbeiten mit einem Punktesystem, aber beim Marburger Tauschring verfügen alle Mitglieder über ein Zeitkonto, ein sogenanntes Checkblatt. Jede Dienstleistung ist genauso viel wert, gleichgültig, ob man Gedichte für Feiern schreibt, Fahrdienste oder Massagen anbietet, Haare schneidet, im Garten hilft, einen Kuchen backt, einen Tisch baut, auf das Haustier oder die Kinder aufpasst. Hat man eine Stunde gearbeitet, bekommt man diese auf seinem Zeitkonto gutgeschrieben und trägt sie in das Checkblatt ein. Wenn man eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, wird die entsprechende Zeit vom Konto abgezogen bzw. aus dem Checkblatt ausgetragen. Dieses System hat den Vorteil, dass man nicht mit derselben Person rücktauschen muss. Bei Sachleistungen - besonders beliebt ist der Honig vom Imker - wird der Geldwert ebenfalls in Zeit umgewandelt. Auch die Arbeit für den Tauschring selbst wird angerechnet. "Wichtig ist", betont Annette Sander, "dass das Zeitkonto ausgeglichen ist, dass also immer ein Wechsel von Geben und Nehmen stattfindet."

Die Mitglieder des Marburger Tauschrings sind ein bunter Haufen: Studierende, Hausfrauen und -männer, Berufstätige und Arbeitslose, Rentner, Behinderte und Nichtbehinderte. Einige machen aus politischer Überzeugung mit, andere, weil sie ihren Bekanntenkreis erweitern möchten, wenig Geld haben oder weil sie über viel Zeit verfügen, die sie sinnvoll für die Gemeinschaft aufwenden möchten. Manchen ist das Gefühl wichtig, nützlich zu sein und gebraucht zu werden.

Der Marburger Tauschring gründete sich vor sechs Jahren neu. Annette Sander, selbst hör-sehbehindert, ist fast von Anfang an mit von der Partie. Sie wurde auf einem Seminar von einer sehenden Mitgründerin angesprochen, ob sie nicht auch mitmachen wolle. Zusammen mit zwei weiteren blinden "Tauschringern" sorgte Annette Sander dafür, dass die Homepage, die Adressenliste sowie die Suche-Biete-Liste barrierefrei gestaltet sind. Sie ist für die Öffentlichkeitsarbeit im Tauschring mitverantwortlich und bietet regelmäßig Informationsabende an. Zusätzlich betreut sie die Mailingliste, die über Ein- und Austritte, Gesuche und Gebote sowie aktuelle Veranstaltungen informiert. Wer kein Internet hat, bekommt die aktuellen Listen gegen Porto zugeschickt und wird telefonisch über Neuigkeiten auf dem Laufenden gehalten.

Mittlerweile beteiligen sich im Marburger Tauschring rund 90 Personen (mehr Frauen als Männer) und es sind auch noch zwei weitere Sehbehinderte hinzugekommen. Es gibt einen monatlichen Stammtisch, eine Neujahrsfeier, wo alle was zu essen mitbringen und wo gedichtet und musiziert wird. Auch ein Picknick an der Lahn wurde schon mal veranstaltet. Auf der halbjährlich stattfindenden Jahreshauptversammlung werden alle Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen, denn der Tauschring ist basisdemokratisch organisiert.

Sander selbst hilft bei Umzügen, "weil ich gut schleppen kann", und sie bietet Reiki-Behandlungen an. "Als Gegenleistung für meine Arbeit lasse ich meine Stühle leimen, mir die Kleidung anpassen oder ausbessern, gehe mit Leuten die Post durch, lasse mir Programme auf den PC installieren oder Updates durchführen. Einmal habe ich auch eine Schürze als Weihnachtsgeschenk für meine Mutter nähen lassen."

Wer in Marburg Mitglied werden möchte, zahlt einmalig 15 Euro in die Gemeinschaftskasse. Jeden Monat wird dann noch eine Viertelstunde für das gemeinsame Zeitkonto abgetreten. Aus diesem Kontingent wird die Arbeit für die Organisation vergütet. Einwände wie: "Ich habe Angst, dass ich für den Tauschring nicht genügend Zeit habe" oder: "Ich würde ja furchtbar gerne mitmachen, aber ich weiß nicht, was ich anbieten soll.", aber auch: "Ich kann doch alles selbst. Ich brauche keine Hilfe.", lässt Sander nicht gelten. Im Tauschring ist man zu nichts verpflichtet. Man kann jederzeit ablehnen, was für Menschen, die Schwierigkeiten haben, "nein" zu sagen, ein gutes Training sein könnte. Annette Sander ist überzeugt: "Jeder hat verborgene Talente. Es muss nichts Großartiges sein, das man können muss. Schauen Sie doch einfach auf unserer Homepage vorbei und lassen sie sich von den Angeboten und Gesuchen auf der Internetseite inspirieren! Denn je mehr Leute mitmachen, desto dichter wird unser Hilfsnetzwerk."

Für Senioren sind Tauschringe eine gute Möglichkeit, mit Menschen aller Generationen zusammenzukommen, ihre Fähigkeiten einzubringen und sich bei anderer Gelegenheit helfen zu lassen.

Das Interview führte Isabella Brawata.

Zur Information

Annette Sander arbeitet gern mit anderen Menschen zusammen. Sie ist ausgebildete Erzieherin und Peer-Councelerin. Sie engagiert sich für die Belange der hör-sehbehinderten Mitglieder der Marburger Bezirksgruppe des Hessischen Blinden- und Sehbehindertenbundes und ist in der Öffentlichkeitsarbeit des Tauschringes aktiv. Homepage: www.marburger-tauschring.de, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Der Schwarzschriftausgabe ist das Logo des Marburger Tauschrings beigefügt: Mittig hinter dem Namenszug "Marburger Tauschring" bilden vier bunte, geschwungene Pfeile einen Kreis. Darunter liest man in kleinerer Schrift: "Nachbarschaftshilfe & gegenseitige Unterstützung".


Die wahre Kunst des Gedächtnisses ist die Aufmerksamkeit

Gedächtnistraining? Viele Menschen meiden das Thema, verbinden es mit Anspannung, Leistungsdruck, Versagensangst oder Stress. "Ganzheitliches Gedächtnistraining" ist anders. Es verknüpft Impulse für Körper, Geist und Seele auf so vergnügliche wie anregende Weise.

"Ganzheitliches Gedächtnistraining", sagt Martina Reicksmann, "beruht auf einem wirklich stimmigen Konzept, weil es alle Bereiche einbezieht." Übungen zu Bewegung und Koordination, so die Bremerin, zählen zu den Elementen, die dem Körper guttun, das körperliche Befinden fördern und die Kursstunden immer wieder auflockern. In Bezug auf den Geist gehe es darum, die Wahrnehmung zu schulen, Merkfähigkeit, Logik, Assoziation und Denkflexibilität zu trainieren. Die Seele spiele eine spezielle Rolle, denn durch soziales Erleben und emotionale Beteiligung kämen immer auch Gefühle ins Spiel.

"Gefühle sorgen dafür, dass wir uns die Dinge leichter merken", betont die Gedächtnistrainerin. "Viele von uns verknüpfen Lernen noch immer mit Disziplin und sturem Pauken. Es gibt jedoch Merktechniken, die Freude machen und die zugleich die ganz persönliche Fantasie anregen." Ein Beispiel: Wenn man sich etwa die europäischen Staaten merken möchte, in denen man mit dem Euro bezahlen kann, ist das nicht einfach. Es sind 17 an der Zahl. Bei der sogenannten Loci-Methode werden bekannte Wege im Geist abgeschritten und dabei Orte mit Stichpunkten belegt. Diese Technik kannte man schon in der Antike, der brillante Rhetoriker Cicero etwa hat sie angewandt, um seine legendären Reden im Kopf zu behalten.

Wenn man sich als Weg den menschlichen Körper vorstellt und ihn von unten nach oben abschreitet, ergibt sich daraus etwa folgendes Merk-Bild: Um sich "Frankreich" zu merken, als ersten der 17 europäischen Staaten, in denen man mit dem Euro bezahlen kann, stellt man sich eine Person vor, die auf dem linken Fuß ein Croissant balanciert. Um das Knie hat sie Spaghetti gewickelt, sie stehen für Italien. In Pohöhe merkt man sich Deutschland, denn dort sitzt ein Schwarzwälder Schinken. Halb verdeckt wird der Schinken von einem roten, um die Hüfte geschlungenen Torrero-Tuch (Spanien). Eine Kette aus Käsewürfeln ziert Hals und Brust (Niederlande). Ein über die Schulter geworfenes Saunatuch (Finnland) schützt seinen Träger vor den Krallen eines kleinen, auf der Schulter sitzenden Luchses (Luxemburg). Fünf bunte Ringe in olympischer Farbpalette symbolisieren Griechenland am linken Unterarm. Zugleich balanciert die imaginäre Person auf der linken Hand ein Tablett mit leckeren Pralinen (Belgien) und Mozartkugeln (Österreich). In der anderen Hand hält die Person eine Flasche Portwein (Portugal). Ihr wehendes Haar ist so grün gefärbt wie die "Grüne Insel" (Irland).

Eine Übungsstunde zum Thema Loci-Methode mache den Teilnehmenden immer besonders viel Spaß, denn: "in den Vorübungen geht es erst einmal um das Wecken von Erinnertem und den Austausch von Assoziationen, d.h. um all die Dinge, die den Kursteilnehmern grundsätzlich zum Euro und den europäischen Staaten einfallen: Die ersten, als "Starterkits" ausgegebenen Münzsets, schöne Urlaubsorte, fremde Menschen, spannende Erlebnisse, leckere Spezialitäten, seltsame Vorurteile und vieles mehr", erklärt die Gesprächspartnerin.

Körper, Geist und Seele: Wie geschickt es die Gedächtnistrainerin versteht, emotionale Aspekte einzuflechten! Aber schon führt das Gespräch uns weiter: "Haben Sie so weit aufgepasst und mitgezählt …?". Bislang sind es zwölf Euro-Länder, die sich, via Loci-Technik zum Bild geformt, besser merken lassen. Um die fünf Nachzügler Malta, Zypern, Slowenien, Slowakei und Estland hinzufügen zu können, ergänzt Reicksmann eine weitere Methode, die mit dem Laut der Worte spielt: "Malte", spricht sie langsam und deutlich vor, "sitzt unter einer Zypresse und entspannt sich. Er denkt: Slow-slow und träumt von einem Urlaub in Estland." Dann hakt sie nach: "Na, haben Sie die Fünf erkannt?". Nein, habe ich nicht. Das englische "Slow-slow" hat mich nach Großbritannien entführt. Das kann nicht sein. Um Memotechniken erfolgreich einsetzen zu können, braucht es ein bisschen Übung.

Die Konzentrationsfähigkeit lasse sich sehr gut mit Zungenbrechern trainieren, kontert mein freundliches Gegenüber, denn da gelte es für die Kursteilnehmer voll dabei zu sein. Gefragt seien nicht allein Wiederholung und Wiedergabe, sondern eben auch eine sehr genaue Artikulation, erklärt Martina Reicksmann und fährt dann fort: "Wir fangen in einer solchen Übungsstunde erst einmal ganz einfach an: "Zwischen zwei Zwetschgenzweigen sitzen zwei Schwalben". Versuchen Sie es mal! Und dann kommt einer, der schwerer ist, so wie der für die Liebhaberinnen und Liebhaber von Norddeutschland: "Immer wenn die tüddelige Teetante den Tee in die Kaffeetüte getan hatte, tütete die patente Nichte der Teetante den Tee in die Teetüte um". Den Rekordversuch mit sieben Zungenbrechern in einer Minute gab es vor Jahren in der beliebten Fernsehsendung "Wetten dass …?" Der Kandidat hat die Wette gewonnen, das hat mich damals gefreut. Aber zur Überprüfung musste die Aufnahme deutlich verlangsamt abgespielt werden. Den Schnellredner konnte man als normaler Mensch nicht mehr verstehen."

Die Frage, ob das ganzheitliche Gedächtnistraining sich in Seminaren für blinde und sehbehinderte Seniorinnen und Senioren bewährt habe, beantwortet Martina Reicksmann mit einem klaren Ja: "Ich verzichte dann völlig auf Arbeitsblätter und setze mehr als sonst auf Tastsinn, Geruch und Gehör. Manche Übungen fallen auch weg oder verlangen eine höhere Konzentration. Wenn es zum Beispiel um Brückenrätsel geht, wo die Wörter aus zwei Teilen bestehen und ein Teil in beiden Wörtern vorkommt, dann ist es leichter, die beiden Begriffe auf einem Flipchart zu notieren und den fehlenden Teil anhand von drei Pünktchen zu visualisieren. Wer sich alles im Kopf merken muss, der hat es schwerer. Als Beispiel für ein solches Brückenrätsel nenne ich mal: "Apfel … und … krone". Haben Sie schon die Lösung? Sie heißt "Baum", d.h. "Apfelbaum" und "Baumkrone".

Bei Übungen mit sogenannten "Würfelnetzen" geht es darum, das räumliche Vorstellungsvermögen zu trainieren. Es gilt, zweidimensionale Zeichnungen dahingehend zu überprüfen, wie bzw. ob sie sich dreidimensional, also zum Würfel gefaltet, darstellen. Solche Würfelnetze kann man durchaus tastbar gestalten, zum Beispiel ausschneiden, falzen und als Papier in die Hand geben. Das ist zwar ein bisschen mehr Arbeit, hat aber den Vorteil, dass man die gewählte Lösung gleich ausprobieren kann.

Grundsätzlich gebe ich den Gruppen auch immer eine Vielzahl von Anregungen, geistig fit zu bleiben. Die Einzelnen können und sollten jeden Tag etwas dafür tun: Ein Hobby pflegen, mit anderen Menschen zusammenkommen, sich selbst mit kleinen Aufgaben fordern." Wie das gemeint sei, erklärt sie gern: "Wenn Sie einkaufen gehen, können Sie beim Warten vor der Kasse schon mal das Rückgeld ausrechnen. Oder Sie sagen das Alphabet auf und nennen zu jedem Buchstaben eine Pflanze. Was bei blinden und sehbehinderten Menschen oft prima passt, weil sie öffentliche Verkehrsmittel verwenden: Alle Haltestellen einer Bus- oder Straßenbahnlinie aufsagen. Es können ganz kleine Dinge des Alltags sein, die wegführen von eingefahrenen Handlungsmechanismen, wie etwa das Besteck in der Besteckschublade in monatlich wechselnder Reihenfolge einsortieren, ein unbekanntes Kochrezept ausprobieren, sich neues Wissen aneignen. Dabei kann es um den Computer gehen oder die Brailleschrift. Hauptsache, man sagt sich: "Mensch, das nehm" ich mir jetzt als Projekt vor!"."

Zur Person

Als die ausgebildete Psychologin und Reha-Lehrerin Martina Reicksmann in Bremen keinen Arbeitsplatz fand, erfuhr sie von dem Fortbildungsangebot des Bundesverbandes für Gedächtnistraining (BVGT e.V.). "Das wirklich stimmige Konzept hat mich überzeugt", erzählt die Bremerin. Sie drückte für neun Monate an dreimal fünf Tagen die "Schulbank", erwarb das BVGT-Zertifikat und gründete im Jahr 2006 ihre erste Gruppe. Es folgten viele weitere Kurse an Vor- und Nachmittagen, BVGT-Trainer-Treffen und Fortbildungswochenenden. Wer sich für das Kursangebot interessiert, dem empfiehlt Martina Reicksmann, sich direkt an den BVGT zu wenden. Das Trainernetzwerk sei recht engmaschig und sorge für ein breit gestreutes, regionales Angebot.

Das Interview führte Dr. Imke Troltenier.

Ein Foto in der Schwarzschriftausgabe zeigt Martina Reicksmann. Vor sich, auf dem Tisch, hat die Gedächtnistrainerin gebastelte Würfelnetze ausgelegt, die in Seminaren für blinde und sehbehinderte Seniorinnen und Senioren Verwendung finden. Für sehende Kursteilnehmer gibt es stattdessen ein Arbeitsblatt mit entsprechenden Abbildungen. Ein zweites Foto zeigt einen alten Herrn beim Kreuzworträtseln. Die Bildunterschrift lautet: Auch wenn die Augen nicht mehr mitmachen, gibt es heute Hilfsmittel, die einem erlauben, sich geistig fit zu halten. Christian Träger hat damit am o.g. BMFSFJ-Wettbewerb teilgenommen (www.programm-altersbilder.de/aktionen/wettbewerb-was-heisst-schon-alt).


Musikgeragogik – Musizieren im Alter

Unter Musikgeragogik versteht man die Fachdisziplin im Schnittfeld von Musikpädagogik und Geragogik, die sich mit musikbezogenen Vermittlungs- und Aneignungsprozessen sowie musikalischer Bildung speziell im Alter beschäftigt. Im Begriff wird die Vorsilbe "päd", die den jungen Menschen meint, durch das griechische "ger" ersetzt (geraios = alt).

Musik mit älteren Menschen ist ein sehr weites Feld, das zurzeit sowohl von der wissenschaftlichen als auch von der didaktischen und methodischen Seite her verstärkt erschlossen wird. Man will dafür Sorge tragen, dass ältere und hochaltrige Menschen ein passendes musikalisches Angebot vorfinden. Das Recht auf kulturelle Teilhabe - das von der Charta der Vereinten Nationen über das deutsche Sozialgesetzbuch bis hin zu der Erklärung des Deutschen Musikrates und des Städtebundes wie auch von den Altenberichten mehr oder weniger direkt eingefordert wird - soll bis ans Lebensende gesichert werden.

Musik trifft auf eine jeweils einzigartige Biografie

Das Alter, die Musik, die Biographien der älteren Musizierenden und der meist jüngeren Anleitenden, die zuständigen Einrichtungen … - das "System" Musik und Alter wartet mit sehr umfassenden Kategorien auf. Alter kann eine Zeitspanne sein und eine sehr lange, manchmal das halbe Leben umfassende, sich oftmals extrem verändernde Lebensphase. Musik ist ein schier unerschöpflicher Kosmos und reicht - um nur einige Genres zu nennen - von der Gregorianik über die Oper, die Kirchenmusik, die klassische Musik, den Jazz, den Pop und den Schlager bis hin zu Techno und HipHop. Die Musik trifft auf eine jeweils einzigartige Biografie und Lebenserfahrung.

Musik ist für die meisten Menschen ein bedeutsamer Bestandteil der Lebensgeschichte. Aussagen wie "ohne Musik könnte ich nicht leben" sind bei jung und alt die Regel. Musik kann ein treuer Begleiter sein, gerade dann, wenn Kontakte und Stützen wegbrechen und es im hohen Lebensalter möglicherweise einsamer wird. Bei aller Individualität verfügen die Älteren über gemeinsame musikalische Erfahrungen, sind geprägt durch Musikereignisse und -vorlieben einzelner Generationen und Kohorten - z. B. die Filmmusiken der 1940er Jahre, die Italienschlager der 1950er oder die frühe Popmusik der 1960er.

Weiterhin gilt es, die unterschiedlichen Institutionen in den Blick zu nehmen, in denen Musizieren aus den verschiedensten Gründen angeboten werden kann: von Universitäten und Seniorenakademien über Musikschulen und Kirchen bis zum Altenpflegeheim oder Hospiz, in dem Musik beispielsweise in aller Behutsamkeit den Sterbeprozess palliativ begleiten kann. Letztlich kommen auch diejenigen, die Musik anbieten oder unterrichten, also die Musikgeragogen, mit ihrer eigenen musikalischen Prägung, ihren Vorlieben und Abneigungen und ihrer sonstigen Biografie ins Spiel.

Musikalität meint Erlebnisfähigkeit durch Musik

Musikgeragogik weist in zwei Richtungen: Das Musikangebot kann als selbstverständlicher Teil von Kultur betrachtet werden, der nicht eigens begründet oder durch außermusikalische Ziele und Transfers - etwas zur Intelligenzsteigerung, zum Gedächtnistraining oder zum Erhalt von Gesundheit - legitimiert werden muss. Auf der anderen Seite kann Musik sehr wohl dazu dienen, den Alltag zu erleichtern und zu verschönern. Musik kann eine angenehme Grundatmosphäre schaffen, Stimmungen erzeugen, verändern und verstärken. Musik stimuliert die Motorik und befördert Bewegungen - auch in der Ergotherapie. Als besonders wichtig erweist sich der gesellige Aspekt, Musik kann Kommunikation anregen, Hinwendung zu anderen erleichtern, Berührung unkomplizierter machen. Man kann zusammen singen und, wenn man sich an die Hand fasst oder unterhakt, in eine gemeinsame "Schwingung" kommen.

Musikstücke sind ein hervorragender Anker, um sich an frühere Lebensereignisse und bestimmte Personen zu erinnern. Und an die Gefühle von damals: Wer kennt nicht die tiefen Emotionen, die wiederkehren, wenn man ein Musikstück hört, bei dem man zum ersten Mal mit seiner Liebe getanzt, einen besonderen Erfolg gefeiert hat. Selbstverständlich können durch Musik auch negative Gefühle erinnert werden, das geschieht zwar vergleichsweise selten, muss aber gerade in der Arbeit mit dementiell veränderten Menschen berücksichtigt werden. Denn wenn sich Gegenwart und Vergangenheit zunehmend verwischen, wenn zeitliche und räumliche Orientierung verloren gehen, kann Musik dazu beitragen, Identität zu gewährleisten, z. B. im Sinne von: Ich bin der, der damals zu dieser Musik getanzt hat oder das Lied mit der Mutter gesungen hat. Zudem kann Musik dazu dienen, sich auszudrücken, seine Gefühle darzustellen, wenn die Möglichkeiten der sprachlichen Verständigung versiegen.

Je älter der Geiger … - musikalisches Lernen im Alter

Ein nordirischer Altenheimbewohner wandelte in einem Interview mit einer meiner Studentinnen das alte irische Sprichwort "The older the fiddle, the sweeter the tune" (je älter die Geige, umso lieblicher die Melodie) verschmitzt und scharfsinnig zu: "The older the fiddler, the sweeter the tune". Aus diesem Bonmot lässt sich herauslesen, was Musikgeragogik von der Musikpädagogik wesentlich unterscheidet: Sie knüpft mit einer unbedingt bedürfnis-, kompetenz- und biografieorientierten Grundhaltung an die lange Lebenserfahrung mit Musik an. Vor allem aber wirft dieser Ausspruch einen warmen Lichtkegel auf die so wichtige positive Sicht vom Alter mit seinen vielfältigen musikalischen, mehr noch: kulturellen Möglichkeiten! Es wird nicht nach Defiziten gefragt, sondern nach Ressourcen und Kompetenzen! Musikalisches Lernen ist im Alter selbstverständlich weiterhin möglich. Auch dementiell veränderte Menschen verzeichnen manchmal musikalische Lernfortschritte, etwa auf der Veeh-Harfe, einem zitherähnlichen Instrument mit einer einfachen Spielweise.

Musikangebote werden zunehmend in Einrichtungen getragen, die ursprünglich nichts mit Musik zu tun haben. Als Beispiel seien teilstationäre oder stationäre Alten(pflege)einrichtungen genannt wie das Kursana Domizil in Gütersloh: Nicht nur das Personal, vorne weg der Direktor des Hauses, verfügen hier weitgehend über musikalische Kompetenzen, es gibt Kooperationen vor Ort, mit Schulen, Vereinen und den pensionierten Mitgliedern des Opernensembles einer benachbarten Stadt. Es wird viel gesungen und musiziert, man organisiert Jahreszeitenfeste mit Musik, das Haus verfügt über einen Flügel und eine beliebte Hammond B3, deren Klang gerade bei "jüngeren Alten" oft Erinnerungen weckt und Emotionen auslöst.

Nach Defiziten wird nicht gefragt

Diese Angebote stellen klassische und Unterhaltungsmusik in gleicher Wertigkeit nebeneinander, denn sie haben den musizierenden Menschen im Blick: Jeder kann mitmachen, jeder ist musikalisch. Musikalität meint in diesem Zusammenhang nicht besondere musikalische Fähigkeiten, sondern eine Erlebnisfähigkeit und Beeindruckbarkeit durch Musik und schließt somit jede denkbare hörende und aktive Beschäftigung mit Musik ein.

Viele Musikpädagogen haben einen großen Fortbildungsbedarf, um angemessen und bedürfnisorientiert mit älteren Menschen musizieren, um Ensembles leiten oder Instrumental- oder Vokalunterricht geben zu können. Dabei geht es auch um die Beachtung von Hör- und Seheinschränkungen: Wie kann Notenmaterial besser lesbar gemacht werden? Welche Instrumente eignen sich bei einer Schwerhörigkeit? Welche bei den damit oftmals verbundenen Begleiterscheinungen wie Tinnitus oder Lautheitsphänomenen? Was ist bei der Kommunikation zu beachten und vieles mehr. Der Umgang mit diesen Einschränkungen, validierendes Zugehen auf dementiell veränderte Menschen, grundlegende Haltungen wie Ressourcen-, Kompetenz- und dialogische Orientierungen müssen erlernt und eingeübt werden. Intergenerative Ausrichtungen und kultursensible Orientierungen spielen dabei eine immer größere Rolle. Ebenso wollen Berufstätige in der Sozialen Altenarbeit und der Pflege zunehmend die Musik als Kommunikations-, Ausdrucks- und Fördermedium nutzen lernen. Seit 2004 gibt es an der Fachhochschule Münster daher ein zertifiziertes Weiterbildungsangebot "Musikgeragogik".

Zum Autor

Hans Hermann Wickel ist seit 1995 Professor für "Musik in der Sozialen Arbeit" an der Fachhochschule Münster und baute dort u. a. die Weiterbildung "Musikgeragogik" auf. Der Autor hat bei dem großartigen Messiaeninterpreten und im Jugendalter erblindeten Louis Thiry Orgelunterricht gehabt und bei einem der führenden Orgelkomponisten des 20. Jahrhunderts, dem im frühen Kindesalter erblindeten Jean Langlais, einen Meisterkurs besucht. Gerade als "Sehenden", so Wickel, erfasse ihn eine enorme Hochachtung vor den sinnlichen Leistungen sehbehinderter Menschen, etwa wenn der Orgellehrer durch ganz vorsichtiges "Handauflegen" den Fingersatz des Schülers ertastet, mit der anderen Hand die Noten in Brailleschrift verfolgt oder die meisten Werke auswendig kennt und spontan vorspielen kann.

Informationen zum Weiterbildungsangebot "Musikgeragogik" finden Sie unter: www.musikgeragogik.de, die Publikationsliste des Autors unter: www.h-muenster.de/fb10/personen/professorinnen/wickel.php.


Wer rastet, der rostet – Fit durch Wassergymnastik

Wassergymnastik, auch Aquafitness genannt, nutzt die physikalischen Eigenschaften des Wassers und ist so optimales Gesundheitstraining, sowohl präventiv, also vorbeugend, als auch zur Rehabilitation. Durch den Auftrieb wird der gesamte Stütz- und Bewegungsapparat entlastet, die Gelenke werden geschont, man fühlt sich fast schwerelos. Zugleich ist durch den Wasserwiderstand mehr Kraftaufwand erforderlich, dadurch wird der Körper massiert und die Muskulatur auf eine besonders wirksame Weise gekräftigt. Der Druck des Wassers ist höher als der Luftdruck und sorgt dafür, dass das Herz-Kreislaufsystem angeregt, Haut und Muskulatur besser durchblutet und der Gewebestoffwechsel aktiviert werden.

Die Kursangebote zu Wassergymnastik und Aquafitness sind in aller Regel so aufgebaut, dass sie bewegungseingeschränkte und ungeübte Seniorinnen und Senioren nicht überfordern, aber auch für die Rüstigen und Fitten Möglichkeiten eröffnen, effektiv zu trainieren. Im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf ist es das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das seit über 30 Jahren Wassergymnastik anbietet: Im Kinderzentrum "Weißer Stein" in Wehrda ist die Schwimmhalle überschaubar. In kleinen Gruppen mit 7-12 Teilnehmenden wird die körperliche und geistige Fitness trainiert, es wird gekräftigt, gedehnt, entspannt und zugleich viel gelacht. Bei ca. 31 °C fühlen sich im brusthohen Wasser auch die Nichtschwimmer wohl. Mal tummeln sich Poolnoodeln mit im Wasser, mal Hanteln und Bälle. Die qualifizierten Übungsleiterinnen bieten ein abwechslungsreiches Programm.

Wie Yoga und Seniorengymnastik zählt Wassergymnastik zu den beliebtesten Sportarten älterer Menschen. Neben 28 weiteren Kursen bietet das DRK seit drei Jahren einen Kurs an, der sich expressis verbis auch an Sehbehinderte und Blinde richtet. Wer im Landkreis wohnt und Lust bekommen hat, Wassergymnastik auszuprobieren, der ist herzlich zu einer Schnupperstunde am Mittwochabend eingeladen. Nähere Informationen erhalten Sie unter Tel.: 06421 962631 oder E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Darüber hinaus geben Stadt- und Kreisverwaltungen, Seniorenbeiräte, Sportvereine und Krankenkassen Auskunft über einschlägige Angebote vor Ort.

Das Foto in der Schwarzschriftausgabe zeigt das Bildmotiv der Titelseite im Kleinformat. Die Bildunterschrift lautet: Wassergymnastik macht Spaß (Foto: Simone Rößer).


Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen – oder doch?

Gedanken nach dem Umzug in ein Wohnstift

Wie mag es ihm ergehen, dem alten Baum, wenn er verpflanzt, dort, wo er lange, vielleicht sein ganzes Leben lang, gestanden hat, ausgegraben und in einen anderen Garten, in fremde Erde, eingepflanzt wird? Wird er aus Gram über den Verlust seiner Heimat verkümmern, wird gleichsam die Weide zur Trauerweide werden? Oder wird er den Umzug überstehen, neue Wurzeln schlagen und im nächsten Frühjahr wieder Blätter und Blüten treiben? Ich denke, das kommt darauf an, wie die Juristen zu sagen pflegen, nämlich auf seine Lebensverhältnisse und seine Fähigkeit, vor allem seinen Willen, Vertrautes aufzugeben und sich auf Neues einzulassen.

Bleiben oder gehen, wohl die weitestreichende Entscheidung, die Mann oder Frau, älter geworden und aus dem Berufsleben ausgeschieden, noch zu treffen haben. Hoffe ich, mit Gottes und der Nächsten Hilfe bis an das Ende meiner Tage in meinem Haus, meiner Wohnung leben zu können, oder suche ich mir - rechtzeitig - einen neuen Lebensraum und hoffe, dort am besten gegen das, was da kommen wird, gewappnet zu sein?

Wir, meine Frau und ich, haben uns entschieden. Wir haben unser Haus verkauft und sind in ein Wohnstift gezogen, in dem wir nun mit fast 400 Anderen, die auch alt und älter geworden sind, zusammen leben. Unsere Motivation? Nun, wer in einer großen Familie lebt und "im Falle eines Falles" auf seine Kinder, Enkel, Urenkel, Nichten, Neffen oder andere gute Menschen bauen kann - und will (!), der wird sich über seine Zukunft wohl kaum Gedanken machen. Warum auch? Wie aber, wenn solch ein familiärer Schutzmantel nicht im Schrank hängt? In diesem Fall wird zumal ein Behinderter, etwa ein Blinder oder Sehbehinderter, sich vernünftigerweise fragen, was denn geschehen soll, wenn er oder der Partner oder die Partnerin sich nicht (mehr) um seine Angelegenheiten kümmern kann, er Hilfe, Unterstützung, vielleicht gar Betreuung und Pflege benötigt. Sind dann die Nachbarn am Zuge, der mobile Hilfsdienst, Essen auf Rädern, die - in regelmäßigen Zeitabständen wechselnde - Polin?

Wir haben diese Option für uns verworfen, haben wir doch erlebt, wie es unserer betagten Nachbarin ergangen ist, die, von vielen helfenden Händen gestützt und getragen, lange allein in ihrer Wohnung gelebt hat, bis sie ihr Leben dann eines Tages doch nicht mehr allein meistern konnte und in einem geeigneten Haus ein Platz für sie gefunden werden musste, ganz schnell und ganz unvorbereitet. Die Erfahrungen, die sie nun hat machen müssen, waren uns Anlass genug, unsere eigene Zukunft in den Blick zu nehmen. Nachbarn kann man einmal und noch einmal, aber nicht andauernd in Anspruch nehmen, die schon fast sprichwörtliche Polin bekommt nicht nur ein Entgelt, sie braucht auch eine Wohnung, und ein wachsames Auge, welches ihre Arbeit kritisch begleitet, sollte auch vorhanden sein, ein Haus kann man auf Dauer allein, ohne fremde Hilfe, kaum halten - ähnlicher Gesichtspunkte gibt es viele. Uns erscheinen aber, wenn wir an unsere Zukunft denken, Sicherheit, Stetigkeit und Verlässlichkeit wichtig, und dies nicht nur heute, sondern auch noch morgen und übermorgen. Und deshalb haben wir uns eine Umgebung gesucht, in der sie uns gewährleistet erscheinen, einfach deshalb, weil hier Professionalität, Engagement, Erfahrung und Konstanz das Tun derer bestimmen, die hier arbeiten. Dabei ist eine Sehbehinderung nichts Besonderes, sie findet sich bei vielen älteren Menschen, die AMD z. B. fordert zahlreiche Opfer.

Und warum haben wir uns gerade für "unser" Haus entschieden? Weil wir uns mit einer Reihe verschiedener Angebote beschäftigt und schließlich hier das gefunden haben, das unseren Wünschen, unseren - sicherlich ganz und gar subjektiven - Vorstellungen - andere mögen andere Prioritäten setzen - am ehesten entspricht. Wir wollen, wenn auch mit reizvoller Umgebung und Aussicht, aber in einer Stadt leben, nicht in einer abgelegenen Seitenstraße, mag es dort auch noch so ruhig sein, und auch nicht hinter den sieben Bergen, mag es dort auch noch so grün und idyllisch sein. Wir legen neben den selbstverständlichen Grundlagen des täglichen Lebens Wert auf ein gepflegtes Ambiente, Atmosphäre und kulturelle Vielfalt - die Kulturreferentin ist mit nichts anderem als Kultur (sehr) beschäftigt.

Wo viele Menschen unter einem Dach zusammenleben, kommt es auch zu vielen Begegnungen. Zuweilen, im Lift vielleicht oder im Park, trifft man auch Menschen, die sich, erkennbar von Alter und Krankheit gezeichnet und den Tag über wohlbehütet, in eine eigene, enge Welt zurückgezogen haben, aus der sie nicht mehr herausfinden. Und manchmal mag die Rollatorendichte im Foyer an die Fahrzeugdichte auf der Kö erinnern. Solche und ähnliche Erfahrungen sind eine ständige Mahnung, ein immer wiederkehrendes memento mori: Freue Dich des Lebens, solange Du Dich noch freuen kannst! Genieße jeden Tag, der Dir gegeben, unendlich viele werden es nicht sein!

Viele Begegnungen aber sind nicht nur willkommen und unterhaltsam, sondern geradezu unerlässlich. Denn die alten Freunde, die Bekannten, die Nachbarn, sie sind jetzt nicht mehr nahe, nicht mehr ganz in der Nähe, leicht zu besuchen oder einzuladen. Sie leben jetzt 50 km oder 100 km entfernt, und die räumliche Distanz macht die Pflege auch alt gewohnter, liebgewordener Beziehungen nicht eben leichter. Angesichts dessen ist es ratsam, ja notwendig, nach Mitmenschen Ausschau zu halten, die auf derselben Wellenlänge senden wie man selbst, zu denen man Kontakte aufbauen, die man vielleicht sogar, mit etwas Glück, zu Freunden gewinnen kann. Gelingt das nicht, drohen Einsamkeit und Alleinsein, mögen auch viele Menschen drumherum leben, sicherlich kein erstrebenswerter Zustand. Dies gilt auch, ja, vor allem, für den Behinderten, den Sehbehinderten, den Blinden. Wie heißt es doch bei Erich Kästner in "Der Blinde an der Mauer": Wer nichts sieht, wird nicht gesehen, wer nichts sieht, ist unsichtbar!

Natürlich, alles hat seinen Preis. Alte Volksweisheit: Das Leben ist schön, aber teuer, man kann es auch billiger haben, dann ist es aber nicht mehr so schön. Das gilt auch hier. Wer 1.800 € monatlich zur Verfügung hat, kann sich nicht in einem Nest niederlassen, für das er gerade das zu zahlen hat, man hat ja auch noch andere Bedürfnisse; ein Kriterium, mit dem ein jeder sich für sich selbst auseinandersetzen muss.

Es ist wie immer im Leben: Man muss wissen, was man will und was man (sich leisten) kann. Wer in seinem Haus oder in seiner Wohnung lebt in der festgefügten, unerschütterlichen Überzeugung "My home is my castle, von hier gehe ich nicht fort", der wird nirgends sonst, an keinem anderen Ort, glücklich werden, wäre dieser Ort auch ideal (was es bekanntlich in der realen Welt nicht gibt). Wer hingegen danach trachtet, Vorsorge zu treffen, soweit das einem Menschen möglich ist, zumal im Blick auf eine Behinderung, und einen Ort gefunden hat, der seinen Vorstellungen und Möglichkeiten entspricht, der hat durchaus die Chance, dort Wohlbefinden und Zufriedenheit zu erreichen, wenn es ihm denn gelingt, sich in den Mikrokosmos, den er dort vorfinden wird, einzufügen - was auch von jenem Mikrokosmos abhängt, vor allem aber von ihm selbst.

Zum Autor

Dr. Hans Heinz Herpers, Jahrgang 1935, ist sehbehindert und Mitglied des Leitungsteams der Gruppe Ruhestand im DVBS. Seit Frühjahr 2011 lebt er mit seiner Frau im Wohnstift AUGUSTINUM in Bonn.

Das Bildmotiv in der Schwarzschriftausgabe trägt den Titel "Abschied vom Elternhaus", Ursula Saly hat damit im o.g. BMFSFJ-Wettbewerb einen Sonderpreis gewonnen, denn "nachdenklich und intensiv ist auch dieses Bild, das den Übergang von der eigenen Wohnung zum Betreuten Wohnen zeigt": Eine alte Dame sitzt im Sessel und blickt aus dem Fenster. Die übrige Einrichtung scheint bereits weitgehend ausgeräumt. Ein paar Bücherstapel liegen noch auf einem Regal (www.programm-altersbilder.de/aktionen/wettbewerb-was-heisst-schon-alt).


Teilhabe von blinden und sehbehinderten Senioren am Tourismus

Das Thema hat zwei Ebenen: Zum Einen geht es um die Veränderung der touristischen Wünsche im Lebenszyklus und zum Anderen um die Nutzung touristischer Angebote durch blinde und sehbehinderte Reisende.

Untersuchungen zeigen, dass sich sowohl die touristischen Wünsche von Senioren als auch die von blinden und sehbehinderten Touristen gegenüber dem Durchschnittstouristen kaum unterscheiden. Größere Unterschiede im Reiseverhalten treten eigentlich erst in höherem Alter auf, wenn sich körperliche Beeinträchtigungen vermehrt bemerkbar machen.

Um die Möglichkeiten blinder und sehbehinderter Touristen im Alter zu beurteilen, kommt sicherlich als wichtiges Kriterium auch noch die Frage hinzu, in welchem Alter die Behinderung eingetreten ist. Je später die Sehbeeinträchtigung eintritt, umso größer sind bekanntlich die persönlich empfundene Mobilitätseinschränkung und der Assistenzbedarf. Daraus ergibt sich eine weitere wichtige Frage für die touristischen Bedürfnisse von blinden/sehbehinderten Reisenden: Wird die Reise alleine oder in sehender Begleitung durchgeführt?

In welchem Alter ist die Behinderung eingetreten?

Ich bin der Auffassung, dass sich die Reisewünsche blinder und sehbehinderter Menschen, deren Behinderung schon relativ früh eingetreten ist, im Lebenszyklus nicht anders entwickeln als im Durchschnitt der (nicht behinderten) Bevölkerung. Vorausgesetzt, sie haben nicht nur ein Mobilitätstraining absolviert, sondern sind in ihrer näheren oder weiteren Umgebung regelmäßig auch alleine unterwegs. Tritt die Behinderung hingegen erst im Alter auf, ist es natürlich nicht das Lebensalter, das das Reiseverhalten beeinflusst, sondern die behinderungsbedingte Umstellung des täglichen Lebens.

Touristische Angebote sind in der Regel Angebote im Kultur-, Erholungs- und Sportbereich, wobei die räumliche Distanz zwischen diesem Angebot und dem Wohnort unterschiedlich groß sein kann. Sie reicht vom Tagesausflug bis zur Weltreise. Die Tourismusstatistik zeigt, dass bei jungen wie bei alten Menschen der Inlandstourismus von größerer Bedeutung ist als der Auslandstourismus. Der Hauptgrund dürfte in der Einkommenssituation zu suchen sein, da bei Jugendlichen und bei Rentnern das Einkommen im Durchschnitt niedriger ist als beim durchschnittlichen Erwerbstätigen. In der Gruppe der über 65-jährigen kommt aber sicherlich noch die größere körperliche Beanspruchung bei Fernreisen hinzu, die Inlandsreisen attraktiver werden lässt.

Findet die Reise alleine oder in sehender Begleitung statt?

Beim Inlandstourismus sind in Deutschland der Kultur- und Städtetourismus sowie Wandern wichtige Bereiche. Touristische Angebote aus diesen Bereichen sind auch für blinde und sehbehinderte Touristen von besonderem Interesse. Die Frage der Teilhabe am Tourismus von blinden und sehbehinderten Reisenden reduziert sich insofern fast vollständig auf die Frage, findet die Reise alleine oder in sehender Begleitung statt.

Bei Reisen in sehender Begleitung ist für die Teilhabe am Tourismus das Vorhandensein geeigneter Angebote vor Ort ausschlaggebend, da behinderungsbedingte Mobilitätsprobleme (z.B. beim Umsteigen, am Flughafen oder im Hotel) durch die Begleitung verringert werden.

TEXTKASTEN 1: Wer Begleitung für eine Reise sucht, kann sich entweder an einschlägige Reiseveranstalter wenden bzw. sich auf der speziell hierfür eingerichteten Webseite der Koordinationsstelle Tourismus des DBSV (KosT), www.reiseassistenz.dbsv.org, informieren. Hinweise auf touristische Angebote lassen sich unter www.databus.dbsv.org recherchieren.

Sehr viel schwieriger wird die Teilhabe am Tourismus, wenn es um eigenständiges Reisen ohne sehende Begleitung geht. Selbst wenn sich die Bewältigung des Reisewegs mit Hilfe der an Bahnhöfen und Flughäfen angebotenen Serviceleistungen noch organisieren lässt, gibt es - abgesehen von den Aurahotels - kaum Hotels, in denen sich blinde Gäste alleine zurechtfinden würden. Hier ist noch sehr viel zu tun, um die Hotellerie zu überzeugen, sich durch die Gestaltung ihrer Hotels auf die Belange blinder und sehbehinderter Gäste einzustellen.

TEXTKASTEN 2: Allgemeine Hinweise zum Reisen bietet das im Namen der KosT von Eberhard Tölke erstellte "Touristikinfo". Interessierte können es per E-Mail abonnieren (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Praktische Reisetipps enthält auch die von Sabine Lohner administrierte Mailing-Liste BSreisen zum Erfahrungsaustausch zwischen blinden und sehbehinderten Reisenden, für die man sich per E-Mail bei Sabine Lohner (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) anmelden kann.

Zum Autor

Dr. Rüdiger Leidner ist Leiter der Koordinationsstelle Tourismus im DBSV und Vorsitzender der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle (www.natko.de).


Psychosoziale Beratung älterer Menschen mit Sehbehinderung

Ein möglichst lange selbstbestimmtes, aktives Leben zu führen - das ist der größte Wunsch von Frau Z. Die 70-Jährige hat beruflich viel Engagement als Krankenschwester gezeigt und auch ihr Privatleben sehr unabhängig gestaltet. Plötzlich der Schock über zwei Diagnosen: trockene altersbedingte Makuladegeneration (AMD) auf dem einen Auge, feuchte AMD auf dem anderen. "Ich war vier Wochen zu gar nichts in der Lage, konnte nicht mal denken", berichtet die Frankfurterin. "Wie soll ich mein Leben meistern, wenn ich so schlecht sehe? Was ist, wenn das zweite Auge auch noch "nachkommt" und ich dann noch schlecht höre - auf einem Ohr bin ich ja schon taub…"

Aktiv älter werden mit Sehverlust

Jeder neue Lebensabschnitt stellt spezielle Anforderungen an uns. Für viele ältere Menschen gilt es, den Lebensalltag mit verschiedenen chronischen Erkrankungen oder Sinnesbehinderungen zu meistern. Manchmal gelingt dies trotz vieler verschiedener einschränkender Faktoren - seien es körperliche Erkrankungen oder der Verlust von nahestehenden Angehörigen - sehr gut. Älter werden mit dem Zusatz "nachlassendes Sehvermögen" kann jedoch größere Einschränkungen nach sich ziehen, weil sich das Nachlassen der Sehkraft in jedem Lebensbereich bemerkbar macht - zumindest zu Beginn. Hinzu kommt, dass viele Betroffene merken, dass auch andere Sinne wie das Hör- oder das Tastvermögen schlechter werden und es schwierig sein kann, die Einschränkungen zu kompensieren. Grundlegende Veränderungen sind nötig, um Mobilität, das soziale Miteinander und tägliche Aktivitäten zu erhalten. Im Alter geht häufig ein Großteil der Energie auf das Konto der Bewältigung "notwendiger" Aktivitäten, wie die selbstständige Lebensführung im eigenen Haushalt. Geschätzte Tätigkeiten wie Lesen, im Chor singen oder handwerkliche Aktivitäten kommen oft zu kurz.

Altersbedingte Augenerkrankungen bringen Grenzerfahrungen

Die meisten altersbedingten Augenkrankheiten entwickeln sich über einen Zeitraum von Jahren oder Jahrzehnten, wie z.B. die im Alter am häufigsten zu hochgradiger Sehbehinderung führende trockene AMD. Die Tatsache, schlechter sehen zu können, wird von vielen Menschen häufig zunächst verdrängt: "Es geht ja noch, ich komme schon zurecht."

Wenn im Laufe der meist chronisch degenerativ verlaufenden Erkrankungen jedoch immer wieder Verschlechterungsschübe einsetzen und sich eventuell mehrere Augenerkrankungen parallel entwickeln, reichen die Kompensationsstrategien nicht mehr aus, um diese "nicht enden wollende Krise" allein zu bewältigen. Medizinisch sind die Therapiemöglichkeiten meist ausgeschöpft. Die Hoffnung, dass Ärzte doch noch etwas ausrichten können, hält lange an, wird aber meist enttäuscht, da eine Heilung bei den altersbedingten Augenerkrankungen derzeit in der Regel nicht möglich ist. In erster Linie bleibt die Zielsetzung, das noch vorhandene Sehvermögen so lange wie möglich zu erhalten. Da heißt es, Prioritäten zu setzen und Kompromisse einzugehen.

Beratungsmöglichkeiten, die im Anschluss an die medizinische Versorgung eine Rehabilitation und Teilhabe der großen Anzahl älterer Betroffener fördern, sind jedoch weder ausreichend noch flächendeckend vorhanden.

TEXTKASTEN: Projekt Lotse - Beratung älterer Menschen in der Stiftung

Gerade für ältere Menschen stellt sich durch einsetzenden oder zunehmenden Sehverlust ein großer Verlust an Selbständigkeit und Wohlbefinden ein. Um älteren Betroffenen eine umfassende psychosoziale Beratung bieten zu können, wird in interdisziplinärer Zusammenarbeit erarbeitet: Welche Form von Beratung und Begleitung benötigen gerade ältere Sehbehinderte und Blinde, neben den bereits bestehenden Angeboten der sozialen Rehabilitation? Auf welchem Wege können die Betroffenen ihre Teilhabe an der Gesellschaft (er)leben? Die Ratsuchenden werden dabei in ihrer zum Teil als aussichtslos erlebten Lebenslage beraten und beim Prozess der Verarbeitung und beim Umgang mit den Einschränkungen durch den Sehverlust begleitet. Die "Lotsin" kann über sehbehinderungs- und seniorenspezifische Unterstützungs- und Beratungsangebote und in Bezug auf gemeindenahe Freizeitangebote informieren. Die Beratung kann bei den Betroffenen zu Hause, in der Stiftung oder auch telefonisch stattfinden.

Emotionale Reaktionen im Bewältigungsprozess

Nach der Diagnose einer altersbedingten Augenerkrankung mit meist chronisch degenerativem Erkrankungsverlauf wird der Sehverlust häufig als bedrohlich empfunden. Viele Fragen drängen sich auf: Was erwartet mich, werde ich blind? Wer kann mich unterstützen, wenn ich meine Kinder/Enkel oder Freunde/Nachbarn nicht ständig um Hilfe bitten möchte? Ein Sehverlust stellt für die meisten Betroffenen eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung dar:

Intensive Trauer um den Sehverlust, bis hin zu Depression, Zorn und Wut auf die unabänderlichen Tatsachen, aber auch ein Gefühl des Verlusts der Würde und Achtung vor sich selbst.

Die Gestaltung der Alltagsaktivitäten wird schwieriger, das eigene Verhalten verändert sich: Konzentrationsschwächen und Vergesslichkeit können auftreten, Gesellschaft wird gemieden. Innere Unruhe, Schlafstörungen, Verspannungen, Schwindelgefühle, aber auch der Verlust sozialer Kontakte sind häufig berichtete Begleiterscheinungen. Unklare Hintergründe für das Verhalten der Betroffenen führen zudem oft zu Irritationen - selbst im engsten Familienkreis.

Eine Sorge steht bei vielen im Vordergrund: dass für das Wahrnehmen von Aktivitäten außer Haus häufiger Hilfe in Anspruch genommen werden muss. Diese drohende Abhängigkeit kann ebenfalls Ängste und Anspannung auslösen.

Aktiv älter werden mit Sehverlust - was braucht es dafür?

Nach einem langen Leben mit voller Sehkraft ist es für ältere Menschen, die einen Sehverlust erleben, wichtig, individuell angepasste Unterstützung bei der Bewältigung der neuen Lebenssituation zu bekommen. Um aktiv bleiben oder wieder werden zu können, braucht es Menschen, die sie mit all ihren Wünschen, Ängsten und Fragen ernst nehmen und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, die Situation zu meistern. Für den Betroffenen selbst sind Zeit und Geduld nötig. Mut und Vertrauen braucht es ebenfalls, um Vergangenes loszulassen und so Platz für neue Zuversicht schaffen zu können.

In einer psychosozial orientierten Beratung und Begleitung kann der oder die Ratsuchende ermutigt werden, sich selbst und auch anderen etwas zuzumuten. Selbstbewusstsein kann aufgebaut werden, dass Aktivitäten weiterhin möglich sind. Frau Z. erlebte die Beratung als ermutigend, beruhigend und motivierend für die anstehenden Schritte. Die Informationen rund um Beratungsmöglichkeiten und zu Begleitdiensten in der Stadt Frankfurt gaben ihr die Sicherheit, die Situation selbstbestimmt handhaben zu können.

Persönliche Ressourcen nutzen

"Bei gleicher Umgebung ist doch jeder in einer anderen Welt." Arthur Schopenhauer

Jeder Mensch wird durch lebenslange Erfahrungen, Ereignisse und Krankheiten geprägt. Menschen, die ihr Leben bis ins hohe Alter gemeistert haben, besitzen viele Ressourcen, die zum Teil gar nicht ausgeschöpft werden. Es geht darum, diese zu vergegenwärtigen oder zu mobilisieren, wenn sich eine neue Herausforderung stellt. Zur Bewältigung der mit dem Älterwerden verbundenen Aufgaben sind alle Menschen auf ihre Stärken angewiesen, um notwendige Anpassungen und Kompensationsstrategien ganz bewusst oder auch unbewusst umsetzen zu können. Die Bewältigung des Sehverlusts nämlich heißt nicht, sich vom Leben zu verabschieden: Ressourcen können genutzt werden, es ist Zeit zur Verfügung, sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Zeit, um sich zu trauen, die heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (wie z.B. technische Hilfsmittel) und Angebote für sich zu nutzen.

Frau Y. z.B. nahm nach der Beratung ein ganzes Paket von Angeboten in Anspruch: Nicht nur die Anschaffung einer Vergrößerungssoftware mit Sprachausgabe war für die 61-Jährige wichtig, sondern auch eine Schulung im Umgang mit verschiedenen Computerprogrammen, die sie für das Regeln ihrer Freizeitaktivitäten und zur Erledigung des Briefverkehrs mit Familie, Ämtern und Behörden braucht: "Das habe immer ich gemacht. Nach einem Berufsleben als Sekretärin und Prokuristin kann ich endlich wieder den PC nutzen!" Wichtig für sie waren neben der praktischen Unterstützung bei der Beantragung der Hilfsmittel auch die Sicherheit, eine Ansprechperson zu haben, die sie bei den notwendigen Schritten begleitet.

Ressourcen in wohnortnahen Netzwerken

Dabei ist es ganz besonders wichtig, sich der wohnortnahen Netzwerke zu bedienen, die Möglichkeiten zu nutzen, die es bereits gibt - die aber vielleicht nicht bekannt sind. Nicht nur die Vielfalt an Herausforderungen, denen die Betroffenen gegenüberstehen, sondern auch der Umgang mit Sehbehinderung in der Gesellschaft schränken häufig die Möglichkeiten der Nutzung von Angeboten und der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ein.

Um z.B. Freizeitaktivitäten in den Netzwerken der Senioren auch für Menschen mit Sehverlust zugänglich zu machen, ist eine Sensibilisierung der Multiplikatoren in diesen Netzwerken notwendig. Dafür kann Wissen geteilt und Qualifizierung angeboten werden. Viele Multiplikatoren der Frankfurter Seniorenstrukturen zeigen im Projekt Interesse an Informationen zu Sehbehinderung im Alter. Für Personen, die sich beispielsweise zum Thema Wohnen im Alter beraten lassen, kann möglicherweise auch eine Beratung zu einer einsetzenden Sehbehinderung hilfreich sein.

Die Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte ist aktiv im Bereich der psychosozialen Beratung älterer Menschen mit Sehverlust: Damit für diese große Zielgruppe etwas in Bewegung kommt und das Ziel, selbstständig und aktiv älter zu werden, näher rückt.

Kontakt

Die Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte ist seit vielen Jahren im Bereich der Rehabilitation hochgradig sehbehinderter und blinder Menschen tätig. Angeboten werden sowohl Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation jüngerer sehbehinderter und blinder Menschen, als auch Maßnahmen für Betroffene jeden Alters zur Grundrehabilitation oder zur sozialen Rehabilitation. Seit März 2010 wird im Rahmen des Projekts "Lotse - Entwicklung und Evaluation eines Interventionskonzepts für ältere Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit" das Augenmerk besonders auf die ältere Generation gelegt. Unter wissenschaftlicher Begleitung durch MitarbeiterInnen der Interdisziplinären Alternswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt steht die Entwicklung eines Beratungskonzeptes für die Zielgruppe der Menschen, die im Alter einen Sehverlust erleiden, im Mittelpunkt des dreijährigen Projektes. Ziel ist, die Refinanzierungsmöglichkeiten eines solchen Beratungs- und Unterstützungsangebots zu klären, um eine systematische Regelversorgung zu ermöglichen. Kontakt: Tel.: 069 9551240, Fax: 069 5976296, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Das Bild in der Schwarzschriftausgabe zeigt eine Teilnehmerin eines Kursangebotes "Nähen bei Sehbehinderung". Glücklich, fast stolz zeigt die alte Dame, dass sie gelernt hat, Patentnadel und Einfädelhexe geschickt einzusetzen.


Tempo, Tempooooh!!!!

Wer kennt ihn nicht, diesen alles durchdringenden und alle aufscheuchenden Schrei nach "schneller, höher, weiter": Auf allen Kasernenhöfen der Welt wird er rausgeröhrt, der Fußballtrainer spuckt ihn auf den Rasenplatz, der Chef flüstert ihn leise und freundlich, aber nichtsdestoweniger eindringlich und autoritär in unser Ohr.

Aber was bedeutet er eigentlich?

Tempus = Zeit. Aber was ist Zeit? Dumme Frage, jeder kennt Zeitbegriffe wie Stunde, Tag, Jahr usw. Aber definieren wir mit diesen Begriffen die Zeit? Wir meinen doch damit Zeitabschnitte, Zeiträume, von 0 bis 24 Uhr, von Montag bis Mittwoch oder von Mai bis September. Aber Zeit? Zeit ist etwas, was wir nicht definieren können, d.h. aber dass wir das, was wir nicht definieren können, nicht haben, wir haben "keine Zeit". Wie oft hören wir: "Dazu habe ich keine Zeit; Du stiehlst mir meine Zeit; wenn ich Zeit hätte, dann würde ich ..."; Zeit ist endlos wie das Universum. Die Zeit läuft nicht, sie flieht nicht, sie vergeht nicht, denn sie ist statisch, ist ewig.

Wir hasten, laufen, rasen durch die Zeiten, d.h. durch die Zeitabschnitte. Wir packen immer mehr Ereignisse in den jeweiligen Zeitabschnitt rein und glauben, dadurch die Zeit besser zu nutzen, aber wir verkürzen nur die gefühlte Zeit. Unsere Religion erwartet den Messias am "Ende der Zeit". Damit endet aber nicht die Zeit, sondern der Zeitabschnitt der Erde, das Ende dieser Welt. Die "Zeit" existiert weiter, denn sie ist ewig wie das Universum.

Zeit ist endlos wie das Universum

Wenn wir gefragt werden: "Wie alt bist Du eigentlich?", dann antworten wir meist: "Schätz mal!", in der Hoffnung, dass er uns jünger schätzt als wir tatsächlich sind, denn wir sind eitel. Aber das weiß der Fragende auch und denkt bei sich: "Na ja, er dürfte so 70 sein", sagt aber: "Ende 50. Anfang 60?". Stolz wir: "Nein, nein, ich bin schon 70." Und beide freuen sich an diesem immer wieder neuen Gesellschaftsspiel.

Wir aber gestehen uns etwas wehmütig: "70, eine lange Zeit, wie viel bleibt mir noch?" Carpe diem - nutze den Tag, nimm ihn ein, umarme ihn, fülle und erfülle ihn, nämlich mit Sinn, Freude und Genuss. Denn darin stecken Sehnsucht und Verheißung, aber auch die leise Melancholie der Möglichkeit des Scheiterns. Wir alle leben in dem Prozess des "Werdens und Vergehens". Wenn das Werden beginnt, ist das Vergehen gerade in dieser Sekunde endgültig erloschen; und in dieser tausendstel Sekunde ist Werden und Vergehen identisch, ist absolut dasselbe. Und die Weisheit unseres Alters lehrt uns, die Überwindung der Dualität von Werden und Vergehen, Oben und Unten, Schwarz und Weiß usw. zu erkennen.

Der vedantische Hinduismus nennt dieses Phänomen "Tat Tvam Asi", "Wie oben so unten", die Erkenntnis, die wir normalerweise mit Erleuchtung übersetzen. Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:

eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben,

eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ernten,

eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,

eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen.

Eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.

(Auszug aus Kohelet Kap.3)

Zum Autor

Horst Müller arbeitet seit 2005 für den DVBS. Er ist der Vorleser im Team, der dem DVBS-Textservice am meisten Zeit schenkt und regelmäßig mehrmals in der Woche nach Marburg ins Studio kommt. In eiligen Fällen liest er auch zu Hause am PC. Seine Stimme hören Sie unter anderem regelmäßig auf den DAISY-Ausgaben der Periodika "BAGSO" und "Pro Alter".

Das Autorenfoto zeigt Horst Müller beim Auflesen in der Sprecherkabine der DVBS-Geschäftsstelle. Er hält die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "BAGSO" in Händen und schaut - leicht schmunzelnd - darüber hinweg und zu den Betrachtenden hin.


Bildung und Forschung

Stolpersteine auf dem Weg zur Inklusion - 30 Jahre Inklusion blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler in Dänemark: Ein Erfolgsmodell? (1)

1. Einleitung

In den vergangenen 30 Jahren haben sich in vielen europäischen Ländern tiefgreifende Veränderungen im Bildungssystem für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler vollzogen. In diesem Prozess hat sich der Fokus von der Beschulung in Sonder- bzw. Förderschulen stärker auf den Gemeinsamen Unterricht (GU) in allgemeinen Schulen gerichtet.

Dänemark hat den Ruf, ein Land zu sein, in dem Inklusion erfolgreich praktiziert wird. In den vergangenen zehn Jahren wurde jedoch wiederholt die Frage aufgeworfen: Ist Inklusion wirklich der beste Ansatz für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler?

Verschiedene Parameter können genutzt werden, um die Erfolge von Schülern mit dem Förderschwerpunkt Sehen im Bildungssystem zu untersuchen oder auszuwerten. Aber eine wichtige Frage, die über die schulischen Bildungsergebnisse an sich hinausgeht, ist die Frage, inwieweit die Teilhabe an Bildung auch zu beruflicher Teilhabe führt.

Die wesentlichen Auswertungskriterien sind deshalb, wie hoch der Prozentsatz der Schüler mit dem Förderschwerpunkt Sehen ist, die

  • Ähnliche Noten bekommen wie normal sehende Mitschüler
  • Einen vollen Schulabschluss nach neun oder zehn Schuljahren bekommen
  • Einen höheren (tertiären) Bildungsabschluss erreichen
  • Eine Berufsausbildung absolvieren und erfolgreich abschließen
  • Eine bezahlte Beschäftigung finden, mit der sie sich selbst versorgen können.

Ein Forschungsprojekt, welches im Jahr 2010 vom Danish National Centre for Social Research (SFI) durchgeführt wurde, befasste sich mit den Ergebnissen der Bildungs- und Rehabilitationsmaßnahmen in Dänemark in den letzten 40 Jahren. Die Ergebnisse sind, kurz gesagt, enttäuschend. Es wäre einfach zu behaupten, dass dies auf den integrativen Ansatz des Bildungssystems zurückzuführen sei, aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Schülerinnen und Schüler bessere Ergebnisse in Sonderschulen erzielt hätten.

Das Forschungsprojekt stellt fest, dass die Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit in Bezug auf die oben genannten Kriterien schlicht und einfach versagt haben und dass der aktuelle Trend weiterhin in die Falsche Richtung geht. Gleichzeitig sollte erwähnt werden, dass der dänische Staat niemals so viel Geld für die Förderung der Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen bereitgestellt hat wie heute. Die schlechten Ergebnisse der Untersuchung sind also nicht auf Einsparungen zurückzuführen. Die einzige Erklärung, die plausibel erscheint, ist, dass die zur Verfügung stehenden Mittel in Dänemark nicht zielführend eingesetzt werden.

Aber wie macht man es richtig? Am Ende dieses Artikels wird ein allgemeiner, EU-weiter Überblick gegeben anhand einiger ausgewählter Aspekte. Auf dieser Grundlage soll dargestellt werden, wie Bildung für blinde und sehbehinderte Menschen gemanagt werden sollte, um bessere Resultate zu erzielen als in Dänemark über die letzten 40 Jahre.

2. Die Struktur dieses Artikels

Im ersten Teil des Artikels werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts über den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Sehen und die Stellung von blinden und sehbehinderten Menschen auf dem dänischen Arbeitsmarkt zusammengefasst.

Im zweiten Teil wird auf die Situation von blinden und sehbehinderten Jugendlichen in einem integrativen Kontext eingegangen, wobei hauptsächlich auf psycho-soziale Faktoren Bezug genommen wird. Hierin wird die wesentliche Ursache gesehen, aus der sich Fehlentwicklungen erklären lassen.

In Teil drei wird die Frage behandelt, welchen Einfluss diese psycho-sozialen Faktoren im späteren Leben haben. Dabei wird Bezug genommen auf ein Projekt zur beruflichen Rehabilitation für sehgeschädigte Arbeitslose.

Schließlich wird im vierten Teil dargestellt, wie ein inklusives Bildungssystem sowie Rehabilitationsmaßnahmen strukturiert und organisiert werden sollten und welche Inhalte Voraussetzung für ein positives Ergebnis sind. In diesem Zusammenhang werden Erfahrungswerte aus verschiedenen europäischen Ländern diskutiert. So soll dem Leser ein Einblick in die Konditionen und Parameter von Integrationsprozessen gegeben werden.

3. 30 Jahre Inklusion in Dänemark

Teil 1: Ergebnisse des Forschungsprojektes Es mag für viele sehr überraschend klingen, dass sich die Situation blinder und sehbehinderter Menschen in der dänischen Gesellschaft in die falsche Richtung bewegt. Sie sind als Gruppe mit vielen verschiedenen Hindernissen und Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer beruflichen und sozialen Teilhabe konfrontiert. Eine Sehschädigung kann eine Person isolieren und sie kann das Erlangen eines Universitätsabschlusses erschweren, was dann in Arbeitslosigkeit resultieren kann. Studien haben bewiesen, dass nicht die Behinderung selbst ein Problem bei der Arbeitssuche darstellt, sondern vielmehr das Fehlen einer Ausbildung und des nötigen Selbstbewusstseins. In den vergangenen 20 Jahren wurden viele Gesetzesinitiativen und Projekte zur Unterstützung spezieller Bildungsbedürfnisse gestartet, aber der Erfolg blieb aus.

Es ist schwierig, einen einzelnen Grund für diesen Missstand zu benennen. Ein wichtiger Faktor ist jedoch, dass einige tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft und speziell im Bezug auf Anforderungen an die Arbeitskräfte stattgefunden haben. Diese Veränderungen haben sich einerseits in sehr kurzer Zeit vollzogen, aber andererseits haben unsere Einrichtungen und Maßnahmen es nicht geschafft, sich diesen Veränderungen anzupassen.

Die Altersspanne der Teilnehmer an der Studie liegt zwischen 30 und 70 Jahren . Offiziell wurde das Konzept der Inklusion - oder Integration, wie es damals genannt wurde - 1980 eingeführt. Die Generation der Menschen, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts geboren wurden, war deshalb die erste, die Erfahrungen im Bereich des integrativen Bildungssystems sammeln konnten. Das Forschungsprojekt zeigt keine direkte Verbindung zwischen dem integrativen Ansatz und dessen dürftigen Ergebnissen in Dänemark. Es illustriert lediglich eine Fortsetzung der Negativtendenzen, die für die Generation der 50er Jahre, heute zwischen 50 und 59 Jahre alt, begann und sich fortsetzt, sogar verschlechtert hat, und jetzt die Generation der 70er Jahre beeinflusst, die heute zwischen 30 und 39 Jahre alt sind.

Was sind die Fakten?

 

  • Tabelle 1 - Prozentsatz der Personen mit Sehbehinderung, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben: Geburtsjahr/Prozentsatz mit abgeschlossener Berufsausbildung: 1940-1949/68-82%, 1950-1959/64-78%, 1960-1969/58-72%, 1970-1979/48-68%

Der Grund für die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Generationen lässt sich mit der unterschiedlichen Entwicklung der Gruppen blinder und sehbehinderter Menschen erklären. Außerdem gibt es einige Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Interessanterweise schlossen in der Generation, die in den 40er Jahren geboren wurde, mehr blinde Männer eine Ausbildung ab als normal sehende Frauen. Die Gruppe mit dem größten prozentualen Rückgang ist diejenige der sehbehinderten Männer.

  • Tabelle 2 - Prozentsatz der Personen mit Sehbehinderung, die eine Ausbildung abgeschlossen haben: Geburtsjahr/Prozentsatz Sehbehinderter mit abgeschlossener Berufsausbildung:1940-1949/56-69%, 1950-1959/52-61%,1960-1969/42-48%, 1970-1979/27-29%
  • Tabelle 3 - Prozentsatz der Menschen mit Sehbehinderung, die einen Universitätsabschluss besitzen: Geburtsjahr/Prozentsatz blinder und sehbehinderter Hochschulabsolventen: 1940-1949/42-68%, 1950-1959/42-64%, 1960-1969/39-55%, 1970-1979/26-30%

In dieser Hinsicht sind blinde Frauen im Vorteil im Vergleich zu blinden Männern. Von Menschen, die in den 40er Jahren geboren wurden, absolvierten 68% der Frauen ein Universitätsstudium; in derselben Altersklasse waren das nur 42% der Männer. Der größte Rückgang ist in der Gruppe der sehbehinderten Männer zu verzeichnen: Ihr Anteil fiel von 62% auf 26%.

In der Analyse sieht man, dass in der ältesten Generation blinder und sehbehinderter Menschen das Bildungsniveau fast dem der normal sehenden Vergleichsgruppe entspricht. Dies hat sich jedoch dramatisch verschlechtert, insofern als dass der Anteil der sehbehinderten Teilnehmer der Studie mit einer abgeschlossenen Ausbildung in der jüngsten Generation nur noch etwa ein Drittel der sehenden Vergleichsgruppe beträgt. Dies ist ein herber Rückschlag für die Situation von blinden und sehbehinderten Menschen im Bildungsbereich. Diese Veränderung hat sich über die letzten Jahrzehnte ergeben und der Trend setzt sich in Dänemark unverändert fort. Im Gegenteil. Eine strukturelle Veränderung in der Organisation von Unterstützungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, die 2007 stattfand, hat den Druck auf Menschen mit Sehbehinderung sogar noch erhöht.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt

Die meisten sehgeschädigten Erwachsenen sind von einer Rente oder von Sozialhilfe abhängig, obwohl viele von Ihnen sehr wohl in der Lage wären zu arbeiten. Ob sie sich allerdings in der Lage dazu fühlen, ist eine andere Frage, die später noch einmal aufgegriffen wird. Die 20%, die sagen, dass sie gerne arbeiten würden, sind besonders diejenigen, die bereits berufstätig waren und solche, die einen Universitätsabschluss haben. Menschen in einer festen Beziehung sind ebenfalls eher geneigt, arbeiten zu wollen. Jemand, der also weder Ausbildung noch Berufserfahrung hat und der außerdem noch alleine lebt, hat geringere Aussichten, einer Beschäftigung nachzugehen. Weitere Analysen im Rahmen des Forschungsprojektes ergaben, dass maximal 37% der blinden und sehbehinderten Menschen beruflich tätig sind. Aber diese Zahl ist abhängig von der Definition des Begriffs "berufstätig". Diese Erwerbsquote beinhaltet auch Personen, die auf stark subventionierten Arbeitsplätzen oder in Beschäftigungsprojekten arbeiten. Wenn man von einer Definition ausgeht, die eine komplett selbsttragende Beschäftigung zugrunde legt, reduziert sich die Erwerbsquote auf 15%.

Somit hat Dänemark mit 85% die höchste Arbeitslosenquote blinder und sehbehinderter Menschen in Europa.

Dafür gibt es natürlich unterschiedliche Gründe. Widerstand und Unwissenheit auf Seiten der Arbeitgeber ist eine mögliche Erklärung, aber tatsächlich ist die Einstellung der Arbeitgeber oft sehr positiv wenn sie von den Möglichkeiten erfahren, die zur Unterstützung und für Assistenzmaßnahmen zur Verfügung stehen. Eines der Haupthindernisse sind sogenannte mentale Barrieren. Darauf wird noch einmal eingegangen, wenn die Situation im integrativen Bildungssystem (Teil 2) besprochen und das Rehabilitationsprojekt in Aarhus dargestellt wird (Teil 3). Fortsetzung in horus 2/2012

Erstveröffentlichung: blind - sehbehindert, Zeitschrift des Verbandes für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS), Ausgabe 4/2011, Übersetzung: Marie Denninghaus, M. A., Der englischsprachige Originaltext kann auf der Homepage des VBS nachgelesen werden: www.vbs.eu/index.php?page=zeitschrift_beitraege

Fußnoten:

  1. SFI - The Danish National Centre for Social Research 2010. Basierend auf einer Befragung von 1,364 Mitgliedern des Dänischen Blindenverbands. Zusammengetragen und kombiniert mit Informationen des Sozialministeriums, des Bildungsministeriums und des Arbeitsministeriums.
  2. Die Generationen, die in den 40er, 50er, 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts geboren wurden. Die Generation der 80er Jahre wurde mit einbezogen, da man davon ausgehen kann, dass sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben werden.
  3. Dieser Begriff deckt eine große Bandbreite an Bildung ab, inklusive spezieller Programme wie z. B. die Ausbildung zum Massagetherapeuten, Klavierstimmer oder Telemarketing-Angestellten.

Zum Autor

Peter Rodney, M.A. (Angewandte Psychologie) ist Entwicklungs- und Forschungsbeauftragter am Dänischen Institut für Blinde und Sehbehinderte (IBOS), Dozent für Psychologie an der Dänischen Pädagogischen Hochschule, Fachbereich Sonderpädagogik und Vizepräsident des ICEVI-Europe, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Bücher

Buchtipps aus der blista-Brailledruckerei

In dieser Ausgabe möchten wir Ihnen drei Bücher vorstellen, die spannende und knifflige Rätsel bzw. Rateaufgaben enthalten. Außerdem erfahren Sie in vier weiteren Werken einiges zum Thema Ruhestand, Ernährung sowie über die Schwierigkeiten, eine richtige Betreuungseinrichtung für ältere Menschen zu finden.

Ali Baba und die neununddreißig Kamele

Ergötzliche Geschichten von Zahlen und Menschen, von Karl Menninger. Köln: Aulis-Verlag, 1982, Kurzschrift, Bestellnr.: 3036, 156 S., 24,10 €.

Das humorvoll geschriebene Buch, das bereits in der 11. Auflage erscheint, enthält Rätsel- und Zahlengeschichten für Knobler, die allerdings so amüsant erzählt werden, dass auch derjenige Leser auf seine Kosten kommt, dem es weniger um scharfes Nachdenken als um ergötzliche Geschichten geht.

Labyrinthe

Von Siegfried Schröder, mit taktilen Abbildungen. Erschienen in der Reihe "Das andere Buch" bei der deutschen Blindenstudienanstalt e.V., 1985. Kurzschrift, Bestellnr.: 3025, 90 S., 28,20 €.

Ein Buch in zwei Informationssystemen, Druckschrift und Brailleschrift; für Tüftler aller Altersstufen, mit taktilen Labyrinthen unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, Denk-Labyrinthen, einem unsichtbaren Labyrinth im Innern einer Kunststoffscheibe, durch das eine Metallkugel zu steuern ist.

SUDOKU

Der Rätselspaß aus Japan. Köln: Naumann und Göbel, 2006. Kurzschrift, Bestellnr.: 4481, 222 Seiten, 36,00 €.

Der Pflegefall-Ratgeber

Wie Sie die richtige Pflege Ihrer Angehörigen sicherstellen und kontrollieren können. Moers: Brendow, 2004. Kurzschrift, Bestellnr.: 4548, 104 S., 21,50 €.

Das Buch bietet 50 Tipps über Leistungen, die eine gute Pflege in einem Alten- oder Pflegeheim umfassen sollte sowie viele Anregungen, wie man Schummeleien der Pfleger aufdecken und für Abhilfe sorgen kann.

Anonymus: Wohin mit Vater?

Ein Sohn verzweifelt am Pflegesystem. Frankfurt/M.: S. Fischer 2007. Kurzschrift, Bestellnr.: 4532, 234 S., 43,00 €.

Der Autor, Journalist einer deutschen Tageszeitung, hat für die Pflege seines Vaters Hilfe gesucht, mit seiner Schwester gegen deren trotzig demonstrierten Aufopferungswillen diskutiert und immer wieder mit seinem eigenen Gewissen gekämpft. Es wurden Pflegeheime besichtigt und ambulante Dienstleistungen abgefragt, bis schließlich die "schwarz" arbeitende polnische Haushälterin zu aller Zufriedenheit die Pflege des alten Mannes übernahm.

Das Märchen vom Ruhestand

Falsche Vorstellungen verabschieden, neue Aufgaben entdecken, älter werden mit Gewinn. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 1986. Hrsg.: Diether Wolf von Goddenthow. Kurzschrift, Bestellnr.: 3245, 368 S., 64,50 €.

Der Herausgeber, ein noch junger Publizist, möchte mit der Veröffentlichung dieser Beiträge von Wissenschaftlern und Publizisten den Begriff "Ruhestand" hinterfragen oder ihn durch einen anderen, etwa "freizeittätig" als Gegensatz zu "berufstätig" ersetzen. Nicht ein "Fahrplan zum glücklichen Ruhestand" wird geboten, sondern wissenschaftliche Erkenntnisse der gerontologischen Forschung, praktische Informationen zu Betätigungs- und Bildungsmöglichkeiten (wie etwa Seniorenstudium), Lebenserfahrungsberichte und Selbsthilfeeinrichtungen.

Richtig essen, wenn man älter wird

Von Renate Schütterle. Ernährungs-Ratgeber mit 133 Rezepten. München u. a.: BLV-Verlagsgesellschaft, 1985. Kurzschrift, Bestellnr.: 3873, 296 S., 48,20 €.

Ihre Anfragen nehmen wir gerne entgegen unter: Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Postfach 1160, 35001 Marburg, Tel.: 06421 606-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Hörtipp: Ratgeber der Verbraucherzentrale – für jedes Alter nützlich

Aktuelle Tipps der Verbraucherzentrale lassen aufhören. Ihren Nutzen für den Alltag, als Aufklärung oder Entscheidungshilfen sind unumstritten. So werden sie zu wertvollen Begleitern für jede Lebensphase. Deshalb hat der DVBS-Textservice für Sie drei Titel auf DAISY-CD gelesen.

Clever studieren - mit der richtigen Finanzierung

Viele Abiturienten, Studierende und deren Eltern fürchten mittlerweile, dass sie die Finanzierung eines Studiums überfordert. Hier kann ein Überblick über Lebenshaltungskosten, über Förderungsmöglichkeiten und Darlehensmodelle ratsam sein. Muss ich auf der Ausgaben-Seite mit Verwaltungs- und Semestergebühren an einer speziellen Uni, Studiengebühren in meinem Bundesland oder Steuern und Versicherungen beim Nebenjob rechnen? Und unter welchen Bedingungen kann ich auf der Einnahme-Seite mit BAföG, Ausbildungsunterhalt durch Eltern, Studiendarlehen, Stipendien, Wohn- und Sozialgeld oder allgemeine Vergünstigungen für Studierende rechnen? Die Lektüre hilft, unterschiedliche Angebote zu vergleichen. Außerdem erhalten Sie nützliche Adressen von Institutionen, Banken und Stiftungen. Und schließlich machen die Herausgeber Mut, denn: "(...) der Gang zur Uni zahlt sich aus, persönlich wie beruflich, trotz Studiengebühren."

Clever studieren - mit der richtigen Finanzierung. Von Sina Groß. Hrsg. Verbraucherzentrale NRW. Düsseldorf, 4. aktualisierte Auflage, 9/2011. Dauer: 7:46 Stunden, Bestellnummer 16741.

Schlank bleiben

Mit steigendem Alter steigt meist auch das eigene Gewicht, denn der Energiebedarf des Körpers verringert sich. Niemand muss mit 55 so schmal wie mit 20 sein. Aber wie findet sich die angemessene Balance zwischen Kalorien-Aufnahme und Energieverbrauch? Wie bleibt Essen ein ungetrübter Genuss? Auch wer nach einer Diät das Wunschgewicht behalten will, benötigt eine langfristige Strategie. Und Frauen, die Körper und Seele nicht dem Dauerstress ums Kalorienzählen aussetzen wollen, nur weil sich durch hormonelle Einflüsse, etwa in Schwangerschaft, Stillzeit oder Wechseljahren das Körpervolumen ändert, sind ebenfalls betroffen. Da zu einem gesunden Lebensstil bewusstes Essen und Trinken, Bewegung und Entspannung gehören, geht der Ratgeber auf jede dieser Säulen ein. Theorie und Praxisteile greifen ineinander, unter anderem dank 67 Seiten Rezeptvorschläge oder einfachen Übungen zum Muskelaufbau. Mit ganz speziellen Tipps für Männer.

Schlank bleiben: So halte ich mein Wohlfühlgewicht. Von Maike Groeneveld und Karen Nespethal. Hrsg. Verbraucherzentrale NRW. Düsseldorf, 1. Auflage 2011. Bestellnummer 16748.

Pflegefall - was tun?

Die Palette der Leistungen im Pflegefall sollte umfassend genutzt werden. Schließlich reichen die Leistungen der Pflegeversicherung häufig nicht aus, damit Pflegebedürftige ihren Bedarf selbst decken können. Als bewährtes Nachschlagewerk nun in der 8. Auflage erschienen, hilft dieses Buch, den Dschungel der Begriffe von Hilfebedarf, Pflegegeld, Pflegesachleistung, Kombinationsleistung und Pflegestufen sicher zu durchqueren und den Papierkrieg zu bewältigen. Hier geht es nicht nur um Pflegebedürftige, sondern auch um die soziale Absicherung der Pflegekräfte und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Mit zahlreichen Beispielen und konkreten Hinweisen, z. B. zu Pflegehilfsmitteln. Im Anhang mit nützlichen Adressen von Pflegekassen, Ministerien, Interessenverbänden und anderer Anlaufstellen. Nutzen Sie den Wegweiser, um Ihre Rechte wahrnehmen zu können und Entlastung zu finden!

Pflegefall - was tun? Leistungen der Pflegeversicherung und anderer Träger verständlich gemacht. Von Norbert Scheele und Wolfgang Büser. Hrsg. Verbraucherzentrale NRW. Düsseldorf, 8. Auflage 2011. Dauer 11:08 Stunden, Bestellnummer 16749.

Bestelladresse

Jede der drei vorgestellten DAISY-CDs ist für Blinde und Sehbehinderte zum Sonderpreis von 45,00 Euro (inklusive Versand) erhältlich. Es gelten die üblichen Bedingungen: Textservice des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS), Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-22, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Panorama

Internationale Auszeichnung für Dr. Otto Hauck

"Erschrecken Sie sich jetzt bitte nicht, er ist wahnsinnig schwer, ich glaube, es sind sieben Kilo. Jetzt ist Applaus angesagt, denn das ist er, der Special Award 2011 für unseren Freund und Gast aus Deutschland …", so der Fernsehmoderator Alfons Haider, der durch die Verleihungsgala führte. Dr. Otto Hauck wurde am 20.11.2011 in Innsbruck mit dem "Life Award für Menschen mit Handicap" ausgezeichnet. Die international anerkannte Auszeichnung gilt Persönlichkeiten, die ihr Handicap als besondere Herausforderung angenommen haben.

"Über 40 Jahre lang", so Prof. Dr. Wachter, Dekan der juridischen Fakultät der Universität Innsbruck, in seiner Laudatio, "kämpfte Dr. Otto Hauck für die Chancengleichheit und Gleichberechtigung blinder und sehbehinderter Menschen. Noch heute im Alter von 73 Jahren ist der Träger des Verdienstkreuzes erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland im Verwaltungsrat der Deutschen Blindenstudienanstalt und im Vorstand des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten."

"Unsere Preisträger", so Life Award-Gründerin Ingrid Larese, "haben mit ihrer lebensbejahenden Einstellung und ihrem unbeugsamen Willen eigene Visionen entwickelt und sie mit schier übermenschlicher Anstrengung und Konsequenz in die Realität umgesetzt. Das macht sie für uns alle zum Vorbild und zu einem Beispiel dafür, wozu menschlicher Geist und Wille fähig sind." Die Tirolerin hatte einst ihr eigenes Schicksal zum Anlass dafür genommen, den Life Award ins Leben zu rufen. Im Rahmen einer prunkvollen Gala mit über 500 Gästen wurde der Preis in diesem Jahr zum sechsten Mal jeweils in den Kategorien "Sport", "Wirtschaft", "Gesellschaft", "Kunst und Kultur" und als "Special Award" verliehen.

Das Foto in der Schwarzschriftausgabe zeigt Dr. Otto Hauck auf der Bühne: Von Rechts überreicht ihm Prof. Dr. Wachter den Pokal, links neben ihm steht Ehefrau Elisabeth Hauck. Alle drei sind festlich und elegant gekleidet. Sie schauen freudig in Richtung des applaudierenden Publikums.


Showtime in Berlin!

Aktionen rund um das 100-jährige Bestehen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes

Sie sahen alle etwas überarbeitet aus, wie sie da saßen: DBSV-Pressesprecher Volker Lenk und seine Kolleginnen Petra Wagner (Messen und Broschüren), Claudia Schaffer (Hörfilmpreis und Louis-Braille-Festival) und Carolina Barera ("Woche des Sehens"). In Würzburg brieften sie Mitte Januar die PR-Kollegen aus den Landesvereinen und den korporativen Mitgliedern des Jubilars. Vom Sehbehindertentag am 6.6. (Thema: Diabetische Netzhauterkrankungen), über die Neuauflage diverser Broschüren ("Ich sehe so, wie du nicht siehst") bis zur "Woche des Sehens" (Slogan: "Wir Sehen uns!") reicht das Spektrum des Standardprogramms. Aber weil man nur einmal 100 Jahre alt wird und weil ein Jubiläum selten allein kommt, ist da noch viel, viel mehr…

Zum zehnten Mal wird am 27.3.2012 im Atrium der Deutschen Bank der Deutsche Hörfilmpreis verliehen. Dem Fernsehjournalisten Dieter Moor wird dabei die blinde Ex-Biathletin Verena Bentele zwecks Moderation der Verleihung und des Rückblicks auf eine Dekade Preisverleihung zur Seite gestellt. Bereits seit Anfang des Jahres heißt es "Der DBSV macht Schule". Mit neuem Informationsmaterial besuchen blinde und sehbehinderte "Lehrer in eigener Sache" Grundschulklassen. Am 7.9. findet in Sachsen-Anhalt, wo, wird noch bekannt gegeben, ein Benefiz-Konzert des Bundespräsidenten statt, der die Schirmherrschaft über das DBSV-Jubiläum übernommen hat. Der Erlös kommt der Jugendarbeit des Verbandes zugute. Ein Jubiläumsfestakt am 26.10. in der Hauptstadt, bei dem man mit prominenten Gästen rechnen darf, rundet den 100-jährigen Geburtstag ab.

Das "Familienfest" des DBSV steigt, zeitlich geschickt platziert, zwischen Champions-League-Finale und Fussball-EM: Die Jugend trifft sich vom 30.5. bis 1.6. Ein Band- und ein Theaterworkshop und ein Blindenfußballturnier werden geboten. Von überall her nähern sich unterdessen sternförmig Tandems Berlin. Rund 100 von ihnen bilden am Frühnachmittag des 1.6. einen Korso und steuern das "Tempodrom", Nähe Anhalter Bahnhof, an. Dort ist die Familie dann komplett und feiert bis zum 3.6. das "Louis-Braille-Festival der Begegnung".

Der Berliner Landesverband ABSV richtet die Party gemeinsam mit dem DBSV aus. Von Kabarett bis zur Musik, vom sportlichen Wettkampf bis zum "Spiel ohne Grenzen", von der Quiz-Show bis zum ökumenischen Gottesdienst reicht die Palette der Angebote. Viele DBSV-Mitglieder stellen eigene Aktionen auf die Beine und auch der DVBS plant gemeinsam mit der blista dabei zu sein. DVBS-Geschäftsführer Michael Herbst freut sich riesig auf den Auftritt seiner "Sunday Morning Tea Party" am Samstagnachmittag auf der Außenbühne. "Erstmals kommen alle vier Bandfrauen mit, die Nachbarschaft von Frank und mir will dabei sein und viele, viele Freunde und Verwandte aus Berlin", schwärmt der Sänger der Rockband. Weitere Informationen zum DBSV-Jubiläum unter: www.2012.dbsv.org.

Das Foto in der Schwarzschriftausgabe zeigt Michael Herbst, den Frontmann der Gruppe "Sunday Morning Tea Party", bei einem Auftritt im Sommer vergangenen Jahres. Die Hamburger Blindenstiftung hatte unter dem Motto "Kultur verbindet!" für vielfältigen Kulturgenuss gesorgt. Der Leadsänger steht auf der Bühne, singt und spielt Akustikgitarre, vor ihm ist das Mikrofon aufgebaut, hinter ihm steigt Rauch auf, die Scheinwerfer setzen den Auftritt bunt in Szene (Foto: Runtemund).


Torsten Brand - Preis 2011

Annette Thurow und Peter Wendorff sind die Gewinner des mit 7.000 Euro dotierten Torsten Brand - Preises, der Ende 2011 zum ersten Mal verliehen wurde. Ihr Projekt "Look and Listen Map" ist ein barrierefreies Onlineportal für Karten- und Routing-Services, das auf vorhandene, frei nutzbare Geodaten zurückgreift und für sehbehinderte, sehende und blinde Menschen gleichermaßen nutzbar ist. Platz zwei belegte Dr. Jürgen Trinkus mit dem Hörstift "Andersicht für Gastronomie und Museumswesen". Der Hörstift erlaubt es, Textinhalte und -tafeln akustisch abzurufen. Dritter Gewinner ist Thomas Kiesl. Die von ihm entwickelte App "Guide Me" unterstützt bei der Orientierung, wenn man zu Fuß unterwegs ist.

In Erinnerung an Torsten Brand, den genialen Hauptentwickler von TALKS, einer Sprachausgabe- und Bildauslese-Software für Mobiltelefone, werden Projekte gefördert, die den Zugang zu Informationen und Kommunikation für Blinde und Sehbehinderte verbessern. Die Jury bestand aus Arnd Weil (Nuance Communications), Corinna Brand, Peter Brass (Interessengemeinschaft sehgeschädigter Computerbenutzer, ISCB), Wilhelm Gerike (Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf, DVBS), Rudi Ullrich (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband, DBSV und Deutsche Blindenstudienanstalt, blista) und der vierfachen Weltmeisterin Verena Bentele.


Behinderung: Neues Verständnis nach UN-BRK

Lange Zeit wurde Behinderung als Problem des bzw. der Einzelnen betrachtet. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) etabliert einen veränderten Blick auf Behinderung: Nicht die Menschen mit Beeinträchtigungen sind behindert, sie werden - durch Barrieren in der Umwelt - behindert. Die Monitoring-Stelle erläutert diesen neuen Behinderungsbegriff in der Ausgabe 4 ihrer Publikationsreihe "Positionen" und setzt ihn in Beziehung zur Definition von Behinderung im deutschen Sozialrecht und in der internationalen Behinderungsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation. Die Folgeausgabe trägt den Titel "Barrieren im Einzelfall überwinden: Angemessene Vorkehrungen gesetzlich verankern".

Informationen zu Bestellung und Download: www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/monitoring-stelle/publikationen.html.


Entwurf des Hessischen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-BRK vorgelegt

Die hessische Landesregierung hat am 1. Dezember ihren Entwurf eines Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) veröffentlicht. Interessierte sind zur Stellungnahme aufgefordert. Im Kapitel "Schule" finden sich auch Maßnahmen für Studieninteressierte bzw. Studierende mit Behinderung. Sie betreffen die Sicherung der Barrierefreiheit von Hochschulgebäuden sowie die Herstellung chancengleicher Bedingungen bei der Zulassung zu grundständigen oder Masterstudiengängen und bei der Studiengestaltung.

Den Entwurf zum Aktionsplan der Landesregierung Hessen finden Sie unter: www.behindertenrechtskonvention.hessen.de.


13. bis 15. April 2012: Workshop „Blindheit in den Medien“

Wie gehen Filme, Bücher und Zeitungen mit dem Thema Blindheit und Sehbehinderung um? Wie realistisch ist die Darstellung, und wie sollte sie sein? Diesen Fragen geht das Wochenend-Seminar mit vielen Beispielen und kompetenten Referenten nach. Es werden der Regisseur Bernd Sahling (Die Blindgänger), der Medienwissenschaftler Christian Ohrens und der Rundfunk-Journalist Jörn Straehler-Pohl Rede und Antwort stehen. Der Workshop wendet sich an Öffentlichkeitsarbeiter im Blinden- und Sehbehindertenwesen und an alle, die sich für das Thema interessieren. Er beginnt am Freitag mit dem Abendessen und endet Sonntagmittag. Leitung: Ulrike Backofen und Heiko Kunert (Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg). Die Teilnahme (inkl. Übernachtung und Verpflegung) kostet 185 €.

Anmeldung im Aura-Hotel Timmendorfer Strand, Strandallee 196, 23669 Timmendorfer Strand, Telefon 04503 600 20, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


ICC 2012

Dieses Jahr findet das 18. International Camp on Communication & Computers (ICC) für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler in Cluj-Napoca/Rumänien statt. Eine kleine Auswahl aus circa 40 angebotenen Workshops sind: Internet, Music and Computers, Office, Programming, Computer Games, Studying Abroad, ICC-Newspaper, Relaxation Techniques, Communication Skills und vieles mehr. Das ICC vermittelt einen praxisbezogenen Zugang zur Informations- und Kommunikationstechnologie unter Einsatz aktuellster Hilfsmitteltechnik für Sehgeschädigte und wird vom Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit der Universität Linz veranstaltet. Die Teilnehmer aus 15 Ländern verständigen sich in der "Campsprache" Englisch. Termine: 23. - 30. Juli 2012 für 15- bis 17-Jährige und 01. - 08. August 2012 für 18- bis 20-Jährige.

Infos und Anmeldung: Angelika Scherwitz-Gallegos, Tel.: 0721 608-44832, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Mehrkostenregelung bringt lang erwartete Verbesserung bei Kataraktoperationen

Seit 1. Januar 2012 erleichtert das Versorgungsstrukturgesetz GKV-Versicherten bei Kataraktoperationen die Entscheidung für eine Premiumlinse. Wünschen Versicherte eine Intraokularlinse mit Zusatznutzen, dürfen die gesetzlichen Krankenkassen jetzt den Anteil der Rechnung bezahlen, der bei Implantation einer Standardlinse entstanden wäre. Patientinnen und Patienten zahlen also nicht mehr wie früher den Gesamtbetrag, sondern - ähnlich wie beim Zahnersatz - nur noch die Mehrkosten (Quelle: Pressemitteilung des Bundesverbands Deutscher Ophthalmochirurgen e.V.).


LE MONDE diplomatique jetzt auch zum Hören!

Die größte Monatszeitung für internationale Politik erscheint weltweit in 61 Ausgaben. Insgesamt 1,5 Millionen Leserinnen und Leser erhalten die Zeitung in Deutsch, Arabisch oder Italienisch, andere lesen sie auf Japanisch, Serbisch oder Ungarisch. Via Internet kann man sie ab sofort nicht nur in den ePaper-Formaten EPUB, MOBI und PDF beziehen, sondern auch in den Audioformaten MP3 und DAISY (www.monde-diplomatique.de/pm/.ekiosk/ekiosk).


„Ein Herz für Tiere“ als Hörzeitschrift

Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) bietet eine neue Hörzeitschrift an: Europas größte Tierzeitschrift "Ein Herz für Tiere" ist jetzt im DAISY-Format im Jahresabonnement für 3 € monatlich erhältlich. Das Magazin berichtet aus der Tierwelt, macht Lust aufs Haustier, informiert über Neuestes aus der Wissenschaft und Tiermedizin und gibt Tipps zum Tierrecht. Auch Beobachtungen wild lebender Tiere, der Kampf um Tierschutz weltweit, Vorstellungen von Tierparks und Zoos thematisiert diese Zeitschrift. Wir senden Ihnen gern ein kostenloses Probeexemplar zu! Kontakt: Sylvia Thormann, Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB), Tel.: 0341 7113-120, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


... es geht doch!

Kreisstadt Hofheim bringt als erste Kommune in Hessen einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK auf den Weg

Das Wörtchen "doch" lässt darauf schließen, dass es Skeptiker gibt, die sich im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ein grenzenloses Miteinanderleben, also eine volle soziale Partizipation von Menschen mit Behinderung, in unserer Gesellschaft nicht vorstellen können oder dieses Ziel gar nicht anstreben, weil nach ihrer Meinung mit den bestehenden Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland die Ziele der UN-BRK bereits erfüllt seien. Wir dürfen also nicht blauäugig an die Umsetzung herangehen. Vielmehr muss die UN-BRK verstanden werden als ein menschenrechtliches und politisches Medium zum langfristigen Umbau unserer Gesellschaft, als deren Hauptmerkmale eine solidarische Kultur, die Wertschätzung eines jeden einzelnen Menschen in seinem individuellen "Sosein" und schließlich ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben für jeden Menschen in einer inklusiven Gesellschaft langfristig anzustreben sind. Dies wird sicherlich ein langer und steiniger Weg sein, dessen Beschwerlichkeit uns aber nicht entmutigen sollte. Schließlich hat Hannibal in vergangenen Zeiten mit seiner Elefantentruppe auch die Alpenpässe bezwungen, obwohl die Römer dies vorher auch für unmöglich gehalten hatten.

Der "Hofheimer Weg"

Im Jahr 2004 wurde der Kommunale Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderung der Kreisstadt Hofheim ins Leben gerufen. Er ist ein demokratisch gewähltes Gremium, dessen Status mit dem der Ortsbeiräte vergleichbar ist. Er besteht aus 11 Mitgliedern, die selbst alle von einem Schwerbehinderungsgrad von mindestens 50 % betroffen sind. Der Vorsitzende des Beirats ist gemäß Satzung gleichzeitig auch der ehrenamtliche Kommunale Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung in der Kreisstadt Hofheim.

Von Beginn an war es das erklärte Ziel des Beirates und auch der Bürgermeisterin Gisela Stang, eine größere gesellschaftliche Teilhabe und damit für alle ein Mehr an Lebensqualität zu schaffen. Dabei hat sich der Beirat zunächst der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrsraum und in öffentlichen Gebäuden gewidmet. Der Beirat erstellte ein Formular zur Auffindung und Meldung von Barrieren und holte die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot, indem es breit gestreut und an öffentlichen Stellen ausgelegt wurde. Aus Rückmeldungen und Erkenntnissen im Beirat wurde eine Prioritätenliste zusammengestellt und diese im nächsten Schritt mit den Planungen der Stadt abgeglichen. Der Magistrat stellte daraufhin in den ersten fünf Jahren jährlich einen Festbetrag von 15.000 Euro in den Haushalt ein und erhöhte ihn in den letzten drei Jahren auf 25.000 Euro.

Neben Bordsteinabsenkungen und Blindenleitsystemen an stark frequentierten Verkehrsstellen sowie der Nachrüstung und Neuinstallation von Verkehrslichtanlagen mit akustischen Signalen für blinde und sehbehinderte Bürger widmete sich die Kreisstadt Hofheim auch einigen Großprojekten. Unter dem Primat der barrierefreien Gestaltung wurden Bürgerhäuser saniert und neu gebaut, der Dorfmittelpunktplatz in Diedenbergen barrierefrei umgestaltet, ein Vereinshaus aus dem 17. Jahrhundert saniert, ein Einkaufszentrum gebaut, die Stadthalle umgebaut u.a.m. In allen Phasen der Planung und Durchführung dieser Projekte war der Beirat von Anfang an einbezogen, nahezu alle Aktivitäten des Beirats wurden zudem mit dem Seniorenbeirat der Kreisstadt angegangen.

Der Aktionsplan als Instrument zur Schaffung eines inklusiven Lebensumfeldes und einer solidarischen Kultur

Die UN-BRK ist verpflichtendes Recht für alle Ebenen eines Staates, also für Bund, Länder, Kreise und Kommunen. Um die Zielsetzungen planvoll und strukturiert umsetzen zu können, bedarf es für die jeweilige Ebene Aktionspläne. Dabei nimmt der Aktionsplan für eine Kommune eine besonders wichtige und, bezogen auf die alltäglichen Lebensrealitäten, ganz konkrete Rolle ein, da die Menschen ihren Lebensalltag hauptsächlich in der jeweiligen Kommune verbringen und damit in ihr die Keimzelle einer inklusiven Gesellschaft ruht.

Auf Basis dieser Erkenntnis hat sich der Kommunale Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderung der Kreisstadt Hofheim im Frühsommer 2011 dazu entschlossen, einen Aktionsplan vorzulegen. Dieser wurde vom Beirat nach ausführlicher Diskussion in öffentlicher Sitzung am 21.06.2011 einstimmig beschlossen und an den Magistrat weitergeleitet. Von den drei zuständigen städtischen Ausschüssen wurde er dann wiederum diskutiert und schließlich mit einstimmigem Beschluss aller Fraktionen an die Stadtverordnetenversammlung der Kreisstadt Hofheim weitergeleitet. Sie stimmte dem Aktionsplan am 02.11.11 einstimmig zu.

Der vorgelegte Aktionsplan ist ein "offener Arbeitsplan", d.h. die Umsetzung der Ziele folgt keiner fixen Prioritätenliste, die genannten Zeiträume sind als Empfehlungen zu verstehen. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage wird somit darauf verzichtet, pro Haushaltsjahr Finanzmittel in bestimmter Höhe festzusetzen. Vielmehr sollen alle an der Umsetzung politisch Beteiligten in der jeweiligen Lage entscheiden, welche Maßnahmen Priorität haben. Die Stadtverordnetenversammlung gründet zur Begleitung und Überprüfung einen Arbeitskreis Inklusion, der vom Magistrat begleitet wird.

Der Arbeitskreis soll sich aus je einem/einer Vertreter/in pro Fraktion und jeweils einer/einem festen Stellvertreter/in, sowie je einer Vertretung aus Ausländerbeirat, Seniorenbeirat und Kommunalem Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderung zusammensetzen und bei Bedarf um externe Berater ergänzt werden. Diese Arbeitsgruppe wird sich voraussichtlich im Januar 2012 konstituieren und ihre Arbeit aufnehmen.

Inklusion kann nicht verordnet werden und dadurch ihre Existenz begründen. Wir brauchen sicherlich bei der Umsetzung unserer Visionen viel Motivationskraft und Engagement, aber auch Langmut und einen festen Glauben an uns selbst und an die Zukunft, der sich in der Überzeugung widerspiegelt: "... es geht doch!".

Nachfolgend wird mit dem Teilbereich "Freizeit" ein Auszug aus dem Bereich "Kultur - Freizeit - Sport" vorgestellt. Die Lebensfelder Kultur, Freizeit und Sport sind wohl diejenigen, in denen auf der unmittelbaren zwischenmenschlichen Kommunikationsebene am ehesten Impulse, Kontakte und gemeinsame Aktionen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung entstehen können: auf freiwilliger Basis im zwischenmenschlichen Miteinander der Nachbarschaft und im Stadtteil. Der Beginn und die kontinuierliche Umsetzung dieses Prozesses bedarf weniger großer finanzieller Ressourcen als vielmehr einer engagierten und gesteuerten zwischenmenschlichen Kommunikations- und Begegnungsebene, die es schrittweise zu intensivieren gilt. Sie muss als Initiative von der eingesetzten Arbeitsgruppe ausgehen und von allen weiteren an diesem Prozess Beteiligten aufgegriffen und weiter ausgestaltet werden. So kann in diesem Rahmen schrittweise das Klima einer solidarischen Kultur entstehen.

Auszug: Bereich "Kultur - Freizeit - Sport"

Ziele zur Umsetzung der UN-BRK: In der Kreisstadt Hofheim am Taunus sind behinderte Menschen aktive Mitglieder in Vereinen, sie nehmen an kulturellen Veranstaltungen teil und nutzen Freizeit- sowie Sportangebote. Sie sind als Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens selbstverständlich einbezogen und respektiert. Das Ziel der Kreisstadt Hofheim am Taunus ist die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am kulturellen Leben, in den Bereichen Umwelt und Naturschutz, Tourismus und Sport.

Auszug aus dem Teilbereich "Freizeit": Mögliche Maßnahmen: (Zuständigkeit und mögliche Kooperationspartner, zeitlicher Vorschlag und ggf. Beispiele)

Erhebung, ob und wie viele Menschen mit Behinderung als aktive Mitglieder in den einzelnen Vereinen das Vereinsleben mitgestalten: Vereinsring, Kulturamt ab, 2012, dann kontinuierlich.

Überlegungen und Planungen, mit welchen Initiativen und Maßnahmen ein inklusives Miteinander im jeweiligen Verein besser als bisher ausgestaltet werden kann: Vereinsring, Kulturamt, ab 2012, dann kontinuierlich.

Planung und Umsetzung von inklusiven Ferienspielen für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung: Kulturamt in Abstimmung mit Amt für Soziales und Amt für Jugend, Schulen und Sport des MTK, Planung ab 2012, Umsetzung spätestens ab 2013.

Planung von inklusiven Tanzschulkursen für Jugendliche mit und ohne Behinderung ..., Planung und Umsetzung von inklusiven Jugendfreizeiten und -fahrten für Jugendliche mit und ohne Behinderung ... - der gleichnamige Vortrag des Autors enthält eine Vielzahl weiterer Beispiele, zudem finden Sie hier das zeitgleiche Statement des Autors.

Zum Autor

Prof. Dr. Kurt Jacobs ist der Vorsitzende des Kommunalen Beirats für die Belange von Menschen mit Behinderung der Kreisstadt Hofheim und damit gemäß Satzung gleichzeitig auch der ehrenamtliche Kommunale Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung in der Kreisstadt Hofheim (www.hofheim.de). Der Träger des Bundesverdienstkreuzes ist Mitglied des Landesbehindertenbeirats der Hessischen Landesregierung und Schulelternbeiratsvorsitzender der CSS.

Das Autorenfoto zeigt Prof. Dr. Kurt Jacobs, in Anzug und Krawatte sitzt er an einem Tisch, hält eine Pfeife in der Hand und schaut zu den Betrachtenden hin (Foto: privat).


Inklusion ist, was ihr daraus macht!

Das Konzept, die Vision, das Menschenrecht? Die Meinungen darüber, was Inklusion ist, gehen auseinander. Die Meinungen darüber, was Inklusion sein soll, gehen auseinander. Die Meinungen darüber, wie viel Inklusion sein soll, gehen auseinander. Ob man sich auf eine Erklärung einigen kann? Darum geht es in erster Linie nicht. Inklusion lässt sich wahrscheinlich nicht in eine Definition fassen. Inklusion ist Weg und Ziel, Methode und Konzept, Geisteshaltung und Menschenbild. Inklusion braucht Aktivität. So weit, so gut…bla…bla. Schöne Worte, was damit anfangen?

Inklusion ist auch in der blista Thema. Sie kam 2009 mit der Behindertenrechtskonvention (BRK) und lässt die blista seitdem nicht mehr recht los. Die Auseinandersetzung mit der BRK ist in vollem Gange. Die Mitarbeiter nähern sich dem Thema in Workshops und BRK-Sitzungen. Sie diskutieren Grundsatzfragen und sammeln praktische Vorschläge, wie man die großrahmigen Vorgaben der BRK auf die Praxis herunterbrechen kann. Inzwischen über 120 einzelne Ideen zu 8 Artikeln und der zentralen Querschnittsaufgabe Partizipation. Die Schülervertretung (SV) wird sich dieser Liste jetzt annehmen und sagen, was ihnen wichtig erscheint und was noch fehlt. Und sie wird, mit Unterstützung des BRK-Büros, Strategien entwickeln, wie alle Schüler am Umsetzungsprozess mitwirken können. Workshops mit Experten, Umfragen, BRK im Unterricht?… Möglichkeiten gibt es viele.

Die ganzen Ideen müssen aber auch irgendwie verwaltet, ausgewertet und natürlich umgesetzt werden. Einige der Ideen werden von den Mitarbeitern direkt aufgegriffen und angegangen. Die Abteilungen setzen um, was eigenverantwortlich möglich ist. Alles Weitere organisiert der Koordinierungsausschuss. Anfang November hat er zuletzt getagt. Schülervertretung, der Vorsitzende des Elternbeirats, ein Vertreter aus der Mitgliederversammlung, die Schwerbehindertenvertretung, die Ressortleitungen und der Vorstand haben lange diskutiert und sich schließlich geeinigt: Bei so vielen Ideen brauchen wir Schwerpunktsetzungen im nächsten Jahr! Für 2012 werden sich die Umsetzungsprojekte zur BRK hauptsächlich in folgenden Rahmen bewegen:

blistaner nach Marburg - Marburger in die blista

Abbau der Barrieren im Zugang zu Freizeit-, Kultur- und Sportangeboten in beide Richtungen: Intensivierung von Beratung, Begleitung und Öffentlichkeitsarbeit für allgemeine Anbieter, Öffnung der blista-Freizeitangebote der AGs für Marburger Kinder und Jugendliche. Ausweitung der schulischen Kooperationen.

Barrierefreie Kommunikation und Verwaltung

Schriftliche Information und Kommunikation, mit der alle was anfangen können, in allen Bereichen. Dazu werden auch entsprechende Leitfäden und Fortbildungen benötigt.

Carl-Strehl-Schule - Konzeptarbeit zu Inklusion

Beratungs- und Förderzentrum, welche Aufgaben und Bedarfe entstehen zukünftig und wie kann man diesen gerecht werden? Wie kann Inklusion auch im Unterricht mit blinden und sehbehinderten Schülern eine Rolle spielen? Ist die Aufnahme von sehenden Schülern reine Zukunftsmusik?

Bewusstseinsbildung für Mitarbeiter

Information und Fortbildung

Förderung der "Inklusionskompetenz"

Personalqualifizierung

Politisches Engagement

zur Erhaltung und zum Ausbau der Ausbildungsmöglichkeiten von "Blinden- und Sehbehindertenpädagogen" auf verschiedenen Ebenen.

Man sieht, auch ohne Definition von Inklusion kann die praktische Umsetzung der BRK Früchte tragen. Aber klar, auch im Ausschuss ging es mal wieder um Inklusion: Wie viel davon brauchen wir? Müssen Menschen mit und ohne Behinderungen unbedingt die gesamte schulische Ausbildung gemeinsam absolvieren? Die SV sagt dazu: "Nicht unbedingt, wichtiger ist es, dass es kooperative Projekte mit anderen Schulen gibt. Wir glauben nicht, dass wir an allen Schulen so gute Lernbedingungen haben könnten und das ist auch nicht schlimm. Es geht nicht um ganz oder gar nicht, es geht um Durchmischung der Möglichkeiten." In der Mitarbeiterschaft fragt man sich: Bedeutet Inklusion nur, die Umwelt anzupassen? Ist es nicht realistischer, unsere blistaner dazu zu befähigen, in immer andersartig gestalteten Umfeldern selbstständig zurechtzukommen?

Es gibt viele Fragen und viele Antworten. Inklusion fängt damit an, die Möglichkeiten gemeinsam zu diskutieren und Annäherung auf Augenhöhe zu schaffen. Inklusion ist, in der Vielfalt an Meinungen und Möglichkeiten Konsens herzustellen. Dabei bedeutet Konsens nicht nur, sich letztendlich auf einen Weg zu einigen, sondern vielen Möglichkeiten nebeneinander in gegenseitiger Wertschätzung ein Existenzrecht einzuräumen. Inklusion ist also auch freie Wahlmöglichkeit. Diesen Weg möchte auch die blista einschlagen, wenn es darum geht, die oben genannten Schwerpunkte mit Praxis zu füllen. Sie will die Meinungen von vielen hören und einbeziehen.

Zur Autorin

Amélie Schneider koordiniert seit August 2010 die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention an der blista. Davor absolvierte sie ihr Studium zur Diplom-Pädagogin in Marburg, arbeitete währenddessen als Persönliche Assistenz, Bürogehilfin und "Übersetzerin" für Leichte Sprache. Schon seit einigen Jahren engagiert sie sich freiberuflich in der Erwachsenenbildung für Menschen mit geistiger Behinderung. Ihre Freizeit verbringt sie vornehmlich in Soziologie-Veranstaltungen der Universität, im Kino, auf dem Tennisplatz und in der kalten Jahreszeit besonders gerne auf der Ski-Piste. Kontakt: blista-BRK-Büro, Tel.: 06421 606303, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.brk.blista.de.

Das Autorenfoto in der Schwarzschriftausgabe zeigt eine junge Frau. Ihr langes Haar ist zum Zopf gebunden, sie trägt eine Nickelbrille und schaut ernst und aufmerksam in Richtung der Betrachtenden (Foto: privat). Das zweite Foto wurde beim blista-Sommerfest 2011 gemacht. Die Besucherinnen und Besucher konnten am BRK-Stand drei große Schaumstoffwürfel werfen, die jeweils die drei Buchstaben B, R und K trugen. Auf alle, denen der Wurf B-R-K gelang, wartete ein Gewinn. Ein "fast erfolgreicher" Junge wartete mit dem Ergebnis R-B-K auf. Das Foto zeigt ihn, wie er versucht, die gestapelten Würfel zu tragen. Sie erreichen fast seine Größe, er lacht, Thorsten Büchner und Isabella Brawata verfolgen das Geschehen amüsiert im Hintergrund (Foto: itrol).


Keine generelle Befreiung mehr von der Rundfunkgebühr für Sehbehinderte und Blinde ab 2013

Im Dezember 2010 haben die Ministerpräsidenten der Bundesländer den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterschrieben. Mit diesem wird nicht nur das Gebührensystem der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) vollständig geändert. Auch für Blinde und Sehbehinderte bringt dieser Änderungsvertrag gravierende Neuerungen. Der Beitrag befasst sich ausschließlich mit den Änderungen im privaten Bereich.

Derzeit richten sich die an die GEZ zu zahlenden Rundfunkgebühren nach den im Haushalt vorhandenen Empfangsgeräten. Für die Nutzung eines Radios ist ein monatlicher Betrag von 5,76 Euro fällig. Dieser Betrag fällt seit einigen Jahren auch für die Nutzung eines internetfähigen Computers bzw. Handys an, mittels dessen ebenso Radioprogramme via Internet empfangen werden können. Für die Nutzung eines Fernsehgerätes ist aktuell ein Betrag von 17,98 Euro pro Monat zu entrichten. In diesem sind die Nutzung eines Radios und Computers enthalten.

Blinden und sehbehinderten Personen, denen vom Versorgungsamt das Merkzeichen "RF" zuerkannt wurde, können sich auf Antrag von der Pflicht zur Zahlung der Rundfunkgebühr vollständig befreien lassen. Voraussetzung für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ist ein Grad der Behinderung von 60 allein auf Grund der Seheinschränkung.

Allgemeine Änderungen zum 01.01.2013

Mit dem Inkrafttreten des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (RÄndStV) zum 1. Januar 2013 wird die Gebühr nicht mehr anhand der vorhandenen Rundfunkgeräte ermittelt, sondern pauschal pro Haushalt fällig. In § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (Artikel 1 15. RÄndStV) heißt es: "Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.", d. h., da in keiner Weise mehr auf zur Verfügung gestellte Empfangsgeräte abgestellt wird, sondern der Beitrag pro Wohnung (Haushalt) zu entrichten ist, werden zukünftig auch diejenigen Rundfunkgebühren zahlen müssen, die weder über ein Radio noch ein Fernsehgerät oder einen internetfähigen Computer verfügen.

An sich wird das System damit einfacher bzw. durchschaubarer; denn mit der Gebühr werden in Zukunft sämtliche im Haushalt befindlichen Geräte abgegolten, also auch die von Kindern mit eigenem Einkommen, die bei ihren Eltern wohnen. Bislang müssen diese ihre Geräte separat anmelden.

Änderungen bei den Auswirkungen des Merkzeichens "RF"

Die Einschränkung der Sehfähigkeit befreit nicht mehr generell von der Gebührenpflicht. Mit den beschlossenen Änderungen bekommt das Merkzeichen "RF" eine neue Bedeutung: Blinden und Sehbehinderten mit einem Grad der Behinderung von mindestens 60 allein auf Grund der Seheinschränkung wird künftig auf Antrag der Rundfunkbeitrag nur noch auf ein Drittel ermäßigt (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag).

Eine generelle Befreiung von der Zahlung des geminderten Rundfunkbeitrages - allein auf Grund der Schwerbehinderung - besteht nach der Neuregelung nur noch für taubblinde Personen. Darüber hinaus ist eine vollständige Befreiung von der Beitragszahlung möglich, wenn man zu den nachfolgend beispielhaft genannten einkommensschwachen Personengruppen gehört (§ 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag):

  • Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe nach dem SGB XII),
  • Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII,
  • Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II,
  • Empfänger von Pflegeleistungen nach dem siebten Kapitel des SGB XII,
  • Blinde, die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII beziehen.

Die Befreiung ist schriftlich unter Vorlage des entsprechenden Nachweises zu beantragen. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang die in § 14 Abs. 4 S. 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag enthaltene Übergangsvorschrift: "Soweit der Beitragsschuldner bisher aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages von der Rundfunkgebührenpflicht befreit war, wird vermutet, dass er mit Inkrafttreten dieses Staatsvertrages gem. § 4 Abs. 2 ein Drittel des Rundfunkbeitrags zu zahlen hat."

Für Blinde und Sehbehinderte, die nicht den oben genannten Personengruppen zuzuordnen sind, besteht kein Anlass gegenüber der zuständigen Landesrundfunkanstalt, Änderungen mitzuteilen. Sie werden aufgefordert werden, den ermäßigten Beitrag fristgerecht zu zahlen.

Wer jedoch zu den oben genannten Personengruppen gehört und damit Anspruch auf eine generelle Befreiung von den Rundfunkgebühren hat, sollte, wenn die Befreiung bisher ausschließlich mit dem Schwerbehindertenausweis (Merkzeichen "RF") nachgewiesen wurde, umgehend bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt den Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht stellen, damit ab dem 01.01.2013 keine Aufforderung zur Beitragszahlung erfolgt.

Zukünftig sind monatlich 6 Euro fällig

Der monatlich zu entrichtende Rundfunkbeitrag wird vorbehaltlich einer Neufestsetzung durch Artikel 6 des 15. RÄndStV im Rahmen der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages in § 8 auf 17,98 Euro festgesetzt.

Blinde und Sehbehinderte, die nicht zu den in § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag genannten Personengruppen gehören, haben dementsprechend ab dem 01.01.2013 monatlich einen Rundfunkbeitrag von 6 Euro zu entrichten. Der Beitrag wird für drei Monate gezahlt und in der Mitte dieses Zeitraums fällig, d. h. für den Dreimonatszeitraum von April bis Juni ist der Beitrag für diese drei Monate in Höhe von 18 Euro am 15. Mai zu zahlen.

Rechtfertigung der Beitragspflicht

Zum Wegfall der generellen Befreiung von der Gebührenpflicht heißt es in der Begründung zum 15. RÄndStV lediglich: "Ziel ist, das barrierefreie Angebot der in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) und des Deutschlandradios zu verbessern."

Der Hintergedanke der Beitragspflicht von Schwerbehinderten knüpft sicherlich an die Ausweitung des barrierefreien Angebotes von Rundfunkbeiträgen an. Jedoch hätte man nach meiner Auffassung einen Mindestrahmen für das barrierefreie Angebot festlegen sollen. Allein mit der Zielsetzung bleibt nur zu hoffen, dass die Gelder auch zweckentsprechend eingesetzt werden und wir uns bald über ein größeres Angebot an Sendungen mit Audiodeskription freuen können.

Zum Autor

Rechtsassessor Markus Brinker (34) ist hochgradig sehbehindert und seit Januar 2010 bei der rbm gemeinnützige GmbH - Rechte behinderter Menschen beschäftigt. Seit April 2010 ist der Volljurist in der rbm-Niederlassung Berlin tätig. Zu seinen Aufgaben gehören insbesondere die rentenrechtlichen Angelegenheiten und die Verfahren der Hörgeräteversorgung. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.rbm-rechtsberatung.de.

Das Autorenfoto zeigt Markus Brinker am rbm-Stand auf der SightCity 2010. Das Haar ist kurz geschnitten, er trägt ein weißes Hemd und ein dunkles Jackett. Sein Namensschild weist ihn als rbm-Mitarbeiter aus (Foto: DVBS itrol).


„Bewährtes bewahren – Neues wagen“

Ein Ehrenamtlerseminar und eine Arbeitsausschusssitzung

Seit langem ist es Brauch, dass der DVBS im Zweijahresabstand ehrenamtlich tätige Vereinsmitglieder zu einem Wochenendseminar einlädt, in das dann die jährlich vorgeschriebene Arbeitsausschusssitzung eingebettet ist. So auch vom 11. bis 13. November 2011 im Aura-Zentrum Horn-Bad Meinberg. Eingeladen waren je zwei Vertreter/innen der Leitungsteams der Bezirks- und Fachgruppen, die vom Vorstand mit bestimmten Aufgaben Beauftragten sowie die Vereinsmitglieder, die für den DVBS in verbandsübergreifenden Gremien mitarbeiten.

Neben den satzungsmäßig zu erfüllenden Aufgaben war diesmal unter dem Motto "Bewährtes bewahren - Neues wagen" inhaltlicher Schwerpunkt der Weiterbildungsveranstaltung das vielfältige Thema "Was erwarten die Mitglieder heute und morgen vom DVBS als ihrer Selbsthilfeeinrichtung - Beratung? Interessenvertretung? Dienstleistung? Fort- und Weiterbildung? Ermutigung und Geborgenheit im Miteinander?" Zur Erörterung dieser Thematik bildeten sich drei Arbeitsgruppen:

  1. ehrenamtlich arbeiten im DVBS - qualifizieren, motivieren, zertifizieren,
  2. der Umgang mit Mitgliederdaten im DVBS - müssen, dürfen, unterlassen,
  3. der Medienmix des DVBS - hören, fühlen, schauen.

Die Arbeitsgruppe 1 hatte sich mit zwei Themenbereichen auseinander zu setzen, nämlich der Frage, ob auch der DVBS ähnlich wie der DBSV künftig seinen ehrenamtlichen Funktionsträgern eine weiterbildende Schulung anbieten soll, und mit der Überlegung, ob der Verein sein Instrumentarium für die ehrende Anerkennung von Mitgliedern differenzieren und weiterentwickeln sollte.

Im Unterschied zum DBSV ist die Beratung für Mitglieder und Ratsuchende stärker hauptamtlich und zentriert bei der Marburger Geschäftsstelle angesiedelt und bezieht sich vor allem spezifisch auf das berufliche Umfeld. Darüber hinaus leisten aber auch die Bezirks- und Fachgruppen reichlich Beratung auf den verschiedensten Gebieten. Insoweit erkannten die Teilnehmer/innen einen Schulungsbedarf für ehrenamtlich Tätige an. Der Geschäftsführer sagte zu, in Kürze einen "Ehrenamtlerleitfaden" herauszubringen und im Inter-/Intranet zu veröffentlichen oder gar als Loseblattsammlung zu drucken.

Bisher werden Ehrungen für verdiente Personen vorgenommen durch die Verleihung der Carl-Strehl-Plakette (gemeinsam mit der blista), die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft und Glückwunschkarten des Vorstands an zu ehrende Mitglieder.

Die AG spricht sich gegen ein formalisiertes Vorgehen bei der Ehrung von Vereinsmitgliedern und deren Helfern sowie die Ziele des Vereins unterstützende Nichtmitglieder aus. Vielmehr sollten Glückwunsch- und Anerkennungsschreiben persönlicher als bisher gestaltet werden.

Der zweite Workshop befasste sich mit dem Datenschutz im DVBS. Zweifelsohne erfasst und verwaltet die Geschäftsstelle personenbezogene Daten der Mitglieder. An den Vorstand erging der Auftrag, die Rechtmäßigkeit im Umgang mit Mitgliederdaten prüfen zu lassen. Zur Erfüllung der von den Ehrenamtlern übernommenen Aufgaben wurde es aber auch als notwendig angesehen, von Kommunikationsdaten nach außen hin Gebrauch zu machen (z. B. die Bekanntgabe von Telefonnummern und E-Mailadressen); denn wie soll Selbsthilfe praktiziert werden, wenn die Interessierten und Betroffenen nicht miteinander in Kontakt treten können?! Einstimmig wurde gewünscht, im "horus" künftig wieder Mitteilungen über berufliche Erfolge, abgelegte Examina usw. von Mitgliedern zu veröffentlichen.

Die dritte Arbeitsgruppe schließlich befasste sich mit dem Medienmix im DVBS. Es herrschte hier die Meinung vor, der Verein kommuniziere im Inneren gut, weise aber Schwächen in der Außenkommunikation auf. In der vereinsinternen Kommunikation werde sogar mit Blick auf die Vereinsgröße sowie seine personellen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu viel getan. Anerkennend wurde festgestellt, dass die Medien des DVBS allen Altersgruppen etwas zu bieten haben.

Für die Vorstandswahl im Jahr 2012 benennt der Arbeitsausschuss in der Reihenfolge der abgegebenen Stimmen folgende Personen:

  • erster Vorsitzender: Uwe Boysen
  • zweiter Vorsitzender: Dr. Heinz Willi Bach und Uwe Bruchmüller
  • Beisitzer: Dr. Heinz Willi Bach, Andrea Katemann, Uwe Bruchmüller, Ursula Weber, Werner Gläser, Reiner Spring.

Der Jahresabschluss für 2010 wurde von der Wirtschaftsprüfung testiert und belief sich in Einnahmen und Ausgaben auf 770.795,41 €. Der Haushaltsplan für das Jahr 2012 kalkuliert mit einem Umsatz von 763.500,00 €. Ein ausgeglichener Haushalt wird nur umständehalber knapp verfehlt. Das Kapital der Gemeinschaftsstiftung für Blinde und Sehbehinderte in Studium und Beruf hat inzwischen die Höhe von 1,4 Mio. Euro erreicht.

Der DVBS tritt mit einem Jahresbeitrag von 250 € dem Trägerverein des Berliner Blindenmuseums bei. Im Freistaat Thüringen soll eine eigene Bezirksgruppe gegründet werden. Es wird eine Kommission des Arbeitsausschusses zur Überprüfung der regionalen Vereinsstruktur ins Leben gerufen. Die nächste Arbeitsausschusssitzung findet am 24.11.2012 in Marburg statt. Für das im Jahr 2016 eintretende 100-Jahr-Jubiläum des DVBS ist eine Ideen- und Vorschlagsbörse eröffnet.


Aus alt mach’ neu: DVBS-Bezirksgruppe „Thüringen“ konstituiert

In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts schlossen sich die DVBS-Bezirksgruppen "Hessen" und "Thüringen" zusammen. Im Freistaat konnten damals nur wenige Blinde und Sehbehinderte mit den Zielsetzungen des DVBS etwas anfangen. "Das scheint sich jetzt zu ändern", stellt DVBS-Geschäftsführer Michael Herbst fest. Um Reiner Spring sammelte sich binnen Monaten eine Gruppe von knapp 20 Gleichgesinnten. Der Arbeitsausschuss, sonst, wie sein Leiter Klaus Sommer in Erfurt betonte, eher bestrebt, die Zahl der Vereinsgliederungen zu reduzieren, gab im November grünes Licht und am 14.1.2012 traf man sich zur konstituierenden Bezirksgruppensitzung.

Reiner Spring wurde zum Bezirksgruppenleiter gewählt. Ihm zur Seite stehen im Leitungsteam für die nächsten drei Jahre Elisabeth Michels, Steffen Humenda und Johannes Pohl. Um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Unterstützung blinder und sehbehinderter junger Menschen will man sich u.a. kümmern und dem Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringens die Hand zur Zusammenarbeit reichen.


Lyrik! Blindheit und Alter im Gedicht

Professorin Inge Mager hat die beiden Themen "Blindheit" und "Alter" in der Lyrik vom 17. Jahrhundert bis in unsere Zeit verfolgt. Spannend ist, dass heute der gesellschaftliche Belang von "Blindheit" und "Alter" ein anderer als im 17. Jahrhundert ist: "Man könnte geradezu von einer Neudefinition des Alters sprechen. Auch der eigene und der gesellschaftliche Umgang mit Blindsein - wie mit anderen Behinderungen - ist in unserer Zeit gänzlich anders als früher", sagt die emeritierte Professorin für Kirchengeschichte. Die DAISY-CD gibt den Vortrag wieder, den Prof. Dr. Inge Mager auf Einladung der DVBS-Gruppe Ruhestand im Oktober 2011 gehalten hat. Die Zuhörenden ließen sich von den Ausführungen und der Lyrikauswahl berühren und waren begeistert.

Für die DAISY-CD wurden Vortrag und Gedichte von unterschiedlichen Sprecherinnen und Sprechern gestaltet. Bestellnummer 16746, 1:40 Stunden, 12,50 €. Bestelladresse: DVBS-Textservice, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Terminvorschau

  • 09. bis 10. März 2012 - "Blinde und sehbehinderte Lehrkräfte unterrichten in der Schule" Fortbildungsseminar der Fachgruppe Erziehung und Wissenschaft in Berlin
  • 20. bis 24. März 2012 - "Augenheilkunde interdisziplinär" AAD 2012 Augenärztliche Akademie Deutschland, Düsseldorf mit Gemeinschaftsstand der Sehbehindertenselbsthilfe
  • 24.03.2012 - DVBS-Vorstandssitzung in Marburg
  • 27.03.2012 - 10. Deutscher Hörfilmpreis Preisverleihung und Jubiläumsgala, Berlin
  • 03. bis 05.05.2012 - 10. Deutscher Seniorentag in Hamburg mit Infostand des DVBS und einem gemeinsam mit dem DBSV gestalteten Workshop (www.deutscher-seniorentag.de)
  • 10. bis 13.05.2012 - "Selbstsicherheit in Arbeit und Beruf" Fortbildungsseminar der Fachgruppe Wirtschaft in Herrenberg
  • 17. bis 19.05.2012 - DVBS-Selbsthilfetage mit Mitgliederversammlung in Marburg
  • 23. bis 25.05.2012 - SightCity 2012 Messe für Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte, Frankfurt/Main mit Gemeinschaftsstand von blista und DVBS
  • 01. bis 03.06.2012 - Louis Braille-Festival der Begegnung 100 Jahre DBSV, Jubiläumsfeier in Berlin mit Gemeinschaftsstand von blista und DVBS (in Planung)
  • 15. bis 17.06.2012 - "Qi Gong und die Selbstverteidigung mit dem weißen Stock" Seminar in Marburg
  • 30.07. bis 03.08.2012 - VBS-Kongress Organisiert durch den Verband der Sehbehindertenpädagogik in Chemnitz
  • 31.08. bis 2.09.2012 - "Singen für die Seele" Seminar für Blinde, Sehbehinderte und Sehende mit Petti West in Werningerode
  • 28. bis 30.09.2012 - Bundesweites Treffen blinder und sehbehinderter Studierender in Hannover
  • 6. bis 13.10.2012 - "Altern und Blindheit" Seminar der Gruppe Ruhestand in Bad Meinberg
  • 18. bis 21.10.2012 - "Präsentieren vor größeren und kleineren Gruppen" Fortbildungsseminar der Fachgruppe Wirtschaft in Herrenberg
  • 24.11.2012 DVBS-Arbeitsausschuss in Marburg

Weitere Informationen zu den Terminen finden Sie unter www.dvbs-online.de/php/aktuell.php


Kletterunterricht am Freitagnachmittag - echt cool!

In der großen Turnhalle sind zwei Bänke aufgestellt, im spitzen Winkel laufen sie aufeinander zu und bilden ein offenes Dreieck: Zur offenen Seite rollt Co-Lehrer Sebastian Weigand den Ausrüstungscontainer hinein, bestückt mit Gurten, bunten Seilen und stählernen Karabinern. "Schön, dass ihr hier seid", begrüßt Sportlehrer Martin Giese das runde Dutzend Schülerinnen und Schüler. Dann steht das Kennenlernen auf dem Plan. Die Vorstellungsrunde bringt Unterschiede und Gemeinsamkeiten an den Tag: Die Jungs mögen Sport grundsätzlich und in allen Varianten, schließen jedoch das Tanzen aus. Die Mädchen haben klare Vorlieben wie Schwimmen, Klettern, Reiten, Tanzen und Boxen. Auf der linken Bank kommt man aus Pforzheim, aus Bayern, Berlin und Bonn, aus dem Frankenland und aus der Schweiz. Rechts findet der Heimatort keine Erwähnung.

Kein Wort über Inklusion

Das gemeinsame Angebot für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 12 und 13 entstand im freundschaftlichen Ideenaustausch zweier engagierter Sportlehrer. Dr. Martin Giese unterrichtet an der Carl-Strehl-Schule der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V., kurz blista, die Fächer Sport und Deutsch. Daniel Grotehans ist an der Marburger Martin-Luther-Schule, kurz MLS, als Lehrer für Sport und Englisch tätig. Giese wird von Co-Lehrer Weigand unterstützt, Grotehans hat Referendar Roman Krawczyk mitgebracht. Wer von den Schülern auf der rechten Bank Platz genommen hat, besucht das Gymnasium MLS. Dass Schulstand und Heimatort identisch sind, bedarf hier keiner Erwähnung. Man interessiert sich vielmehr für die blista, fragt nach, staunt über die Einmaligkeit des gymnasialen Angebots für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler im deutschsprachigen Raum, moniert den altbackenen Begriff der "Anstalt". Zum Kennenlernen gehören natürlich auch mögliche Handicaps für das Hier und Jetzt im Unterricht: Auf der rechten Seite darf einer seinen Fuß nur mit Vorsicht belasten, ein anderer leidet unter Höhenangst. Auf der linken Seite hören zwei der Jungs schwer. Nun werden Vorerfahrungen zum Thema gemacht: "Wer kennt sich aus mit Handgriffen, Knoten, dem Klettern und Sichern?" Links können alle auf Grundkenntnis verweisen, denn sie haben den "Oberstufenkurs Klettern" zu Schuljahresbeginn gewählt. Rechts ist es nur eine. Schließlich geht es um Klettertheorie: "Was ist der Vorteil der Top-Rope-Sicherung und wie viele Personen braucht ein Team?". Links bekommt Vortritt und verblüfft mit kluger Logik. Rechts ergänzt versiert die notwendigen Insider-Details.

Für eine Seilschaft braucht es drei

Und dann geht es los. Ob Insider oder Neuling, Rechts oder Links, Junge oder Mädchen, die Kletter-Teams sind durchweg gemischt. Jetzt heißt es erst Gurte anziehen, anpassen und untereinander gegenchecken, dann Knotenkunde lernen, bis bei allen der "Achter" und der "Sicherungsknoten" perfekt sitzen. Sicherheit, so das Übungsleiter-Team, sei oberstes Gebot. Um eine Seilschaft zu bilden, braucht es drei: Eine Person, die klettert, eine Person, die sichert, eine Person, die "hintersichert" und darauf achtet, dass sich das lange Ende des Kletterseils nicht verknotet. An der Wand erproben sich die Seilschaften zunächst in der Horizontalen. "Zu" und "Ab" - konzentriert schallen die fachgerechten Zurufe hin und her. Schnell sind die jeweiligen Aufgaben klar und alle möglichen Rollenverteilungen im Team erprobt. Als die ersten nach oben klettern, sind neben den fachgerechten noch allerlei unkonventionelle Zurufe zu vernehmen: "Also, ich bin bereit.", "Ich hab dich!", "Sicher?", "Ich verlass mich auf euch!!", "Alles OK bei dir ...?". Bei den Abstiegen wird die Geräuschkulisse schließlich gänzlich bunt und gefühlsdurchmischt: "Kann ich loslassen?", "Ich hab Angst", "Passiert doch nix!", "Ab! - Hast du das gehört?", "Ja, alles klar!", "Genieß es doch, ich halt dich fest!", "Cooool, ich hab"s geschafft!!".

Zunehmend eingespielter agieren die Teams

An der Kletterwand wird inzwischen auch gelacht, gescherzt, gekichert, Ambition erwacht: "Da oben klebt jetzt mein Namensschild. Wer schafft es, das wieder runterzuholen?". Und: "Lass uns mal nur die roten Tritte benutzen, oder welche der Farben kannst du gut erkennen?". Die Übungsleiter ergänzen mit Fachkenntnis, kreativen Anreizen und neuem Equipment. Ob rot oder blau, ob mit eingefordertem Feedback: "Hast du mich gehört?" und Bestätigung im schweizer Sprachklang, ob an der schwierigen linken Seite der Kletterwand oder an der rechten, man tauscht sich aus und mischt sich interessenhalber. Wer dabei mal an den Rand gerät, bringt sich selbstbewusst wieder ein: "Hey, was geht denn hier gerade ab? Kann mir das mal einer erklären?!" In der Tat sind die Strategien recht verschieden, denn mal gibt es nur einen belastbaren Fuß, mal arbeitet sich einer kraftvoll über die Schrägen nach oben, während die dritte ihren Aufstieg höchst vergnüglich kommentiert. Man feuert sich an und belohnt Erfolge, feilt gemeinsam an der Technik.

Der Kletterunterricht am Freitagnachmittag endet mit einer Blitzlichtrunde: "Wie war"s? Hat es euch gefallen oder nicht?", fragt Sportlehrer Giese. "Es war schön, mal Gas zu geben", "Es war einfach cool, witzig und hat Spaß gemacht", "Alle sind gut wieder runtergekommen". Die Betonung wird mal auf das eine, mal auf das andere gelegt. Ausnahmslos ist sich die Gruppe einig: Es war ein guter Nachmittag. Auch individuelle Anmerkungen zeugen vom gelungenen Engagement der vier Pädagogen: "Es war witzig mit den Leuten und ich bin heute zum ersten Mal ganz hochgekommen", "Ich war erst skeptisch wegen der Höhenangst und habe es dennoch geschafft, so ein Erfolg ist cool". "Ihr habt die Technik gut angewandt, wart offen und ernsthaft bei der Sache. Wir halten Euch auf dem Laufenden, im nächsten Monat gibt es die geplante Wiederholung", schließt Daniel Grotehans. Und so bleibt sie offen, die Frage, warum Inklusion mancherorts am Freitagnachmittag auf bemerkenswerte Weise gelingt, obgleich man kein Wort drüber verliert.

Kontakt

Dr. Martin Giese, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Daniel Grotehans, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In der Schwarzschriftausgabe sind zwei Fotos beigefügt. Das erste zeigt die Schülerinnen und Schüler während der Vorstellungsrunde. Sie tragen T-Shirts und kurze Sport- oder lange Jogginghosen, der eine oder die andere hat aus dem Materialpool schon mal ein Kletterseil in die Hand genommen. Auf dem zweiten Foto stehen zwei Jungs vor der Kletterwand. Der eine macht sich zum Aufstieg bereit, vorab wird noch dies und das besprochen. Die Zwei sind einander zugewandt, der Austausch wirkt freundlich (Fotos: itrol).


14 neue Spezialistinnen für ­vergrößernde Sehhilfen und Low Vision Beratung

Seit 2008 bietet der Berufsverband der Orthoptistinnen Deutschland e.V. und die Rehabilitationseinrichtung der blista gemeinsam eine berufsbegleitende Weiterbildung für Orthoptistinnen an.

Nach fünf jeweils zweitägigen Modulen stellten die Absolventen im Rahmen eines Abschlusskolloquiums ihr neu erworbenes Wissen und Können unter Beweis. Am 24. September war es wieder so weit: 14 erfolgreiche Absolventinnen können künftig in der Augenarztpraxis oder in der Klinik sehbehinderten Menschen nicht nur bei der Anpassung vergrößernder Sehhilfen qualifiziert zur Seite stehen, sondern auch mit fundierten Informationen zu den Aspekten Frühförderung, Schule, Rehabilitation, Selbsthilfe und vieles mehr aufwarten. Hierdurch können sich die betroffenen sehbehinderten Menschen gezielt Hilfe und Unterstützung bei den Experten in ihrer Region holen.

Mit Abschluss des nunmehr dritten Kurses haben insgesamt 35 Personen die vom DBSV und DVBS geschätzte und anerkannte Weiterbildung erfolgreich absolviert. Für das Jahr 2012 ist der Beginn des nächsten Weiterbildungszyklus geplant. Wir hoffen, auch dann wieder eine interessierte Gruppe von Orthoptistinnen auf diesem wichtigen Gebiet qualifizieren zu können, damit Menschen mit einer Sehbehinderung perspektivisch ein flächendeckendes Netz von Ansprechpartnern für vergrößernde Sehhilfen zur Verfügung steht, die neben der Hilfsmittelversorgung auch die Fragen zur weiterleitenden Beratung zufriedenstellend beantworten können.

Die neuen Spezialisten

  • Praxis Dr. Noack, Bahnhofstr. 27, 06749 Bitterfeld
  • Praxis J.P. Hinz / M. Opitz, Markt 9, 25746 Heide
  • Augentagesklinik Leer, Ledastr./ Ecke Ostersteg 1, 26789 Leer
  • Augenärzte am Posthof, Dres. Lück & Partner, Am Posthof 5, 31785 Hameln
  • Kerstin Wartini, Brückenborn 8, 35578 Wetzlar
  • Dres. Schröder & Partner, Theaterplatz 7, 37073 Göttingen
  • Praxis Dr. R. Baumann, Hoelemannpromenade 5, 37520 Osterode
  • Marienhospital Osnabrück, Augenklinik, Bischofsstr. 1, 49074 Osnabrück
  • Uniklinikum Köln, Augenklinik, Joseph-Stelzmann-Str. 9, 50924 Köln
  • Augenforum Dr. Heußen, Liecker Str. 22, 52525 Heinsberg
  • HSK Wilhelm Fresenius Klinik, Augenklinik, Aukammallee 39, 65191 Wiesbaden
  • Universitätsklinikum des Saarlandes, Augenklinik, Gebäude 22, Kirberger Str. 1, 66421 Homburg/Saar
  • Praxis Dr. Beck, Hauptstr. 13, 86356 Neusäß
  • Optik Augenblick, Hindenburgstr. 14, 86609 Donauwörth
  • Praxis Dr. Lorger, Bahnhofstr. 14, 86609 Donauwörth

In der Schwarzschriftausgabe ist ein Foto beigefügt, das die 14 erfolgreichen Absolventinnen zeigt: Stehend in der hinteren Reihe neun, in der vorderen auf Stühlen sitzend sechs. Alle schauen vergnügt, jede hat eine Rose in der einen Hand und viele die Zertifikatmappe in der anderen. Eine hält ihr Baby im Schoß (Foto: Jürgen Nagel).


Impressum

Herausgeber: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion: DVBS (Uwe Boysen, Michael Herbst, Andrea Katemann und Dr. Imke Troltenier) und blista (Isabella Brawata, Thorsten Büchner, Rudi Ullrich und Marika Winkel)

Koordination: Dr. Imke Troltenier, Geschäftsstelle des DVBS, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Telefon: 06421 94888-13, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.): Michael Herbst (DVBS) und Rudi Ullrich (blista)

Erscheinungsweise: Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und auf einer CD-ROM, die die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version und die Braille-, RTF- und PDF-Dateien enthält.

Jahresbezugspreis: 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe, 35 Euro für alle übrigen Ausgaben. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonten des DVBS: Sparkasse Marburg-Biedenkopf (BLZ 533 500 00), Konto 280 - Commerzbank AG Marburg (BLZ 533 400 24), Konto 3 922 945 - Postbank Frankfurt (BLZ 500 100 60), Konto 149 949 607

Verlag: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389, Jahrgang 74

Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg

Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg

Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen

Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.

Titelbild: Aktives Altern, Foto: Simone Rößer

Nächste Ausgabe (horus 2/2012): Schwerpunktthema: Globalisierte Blindenwelt: Erscheinungstermin: 24. Juni 2012, Anzeigenannahmeschluss: 04. Mai 2012, Redaktionsschluss: 12. April 2012


Kompetent und aktiv bis ins hohe Alter (Originalbeitrag mit weiterführenden Quellen)

Lange Zeit wurde im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts der demographische Wandel der Gesellschaft in Politik und Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, ignoriert oder bestenfalls die negativen Folgen dieses Wandels betrachtet. Das hat sich im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts spürbar geändert. In Deutschland hat insbesondere das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zahlreiche Initiativen auf den Weg gebracht, Modellprojekte und -programme gefördert und wissenschaftliche Untersuchungen und Auseinandersetzungen initiiert. Höhepunkte dieser Aktivitäten waren der 5. und 6. Altenbericht "Kompetenzen und Potentiale des Alters" (2005) und "Bilder des Alters" (2010) sowie der europäische Kongress "Demografischer Wandel als Chance: Wirtschaftliche Potenziale der Älteren", 2007. In ihrem Vorwort hob die damalige Bundesministerin U. von der Leyen hervor, dass mit diesem, gemeinsam mit der EU-Kommission veranstalteten Kongress "erstmals gezielt den Blick auf die Kompetenzen und Potenziale älterer Menschen gelenkt" wurden. "Denn sie werden in unserer Gesellschaft gebraucht - für ein besseres Miteinander der Generationen und auch für mehr wirtschaftliches Wachstum".1

Nachfolgend sollen Aspekte und Empfehlungen des fünften Altenberichts sowie von wissenschaftlichen Untersuchungen im Umfeld dieses Berichts skizziert werden. "Unter Potenzialen des Alters sind sowohl vom Individuum oder der Gesellschaft präferierte Lebensentwürfe und Lebensformen, die zur Wirklichkeit werden können, als auch die den älteren Menschen für die Verwirklichung von Lebensentwürfen und Lebensformen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu verstehen. Dabei kann zwischen einer stärker individuellen und einer stärker gesellschaftlichen Perspektive differenziert werden. Während aus einer stärker individuellen Perspektive die Verwirklichung persönlicher Ziel- und Wertvorstellungen im Vordergrund steht, ist aus gesellschaftlicher Perspektive vor allem von Interesse, inwieweit ältere Menschen zum einen auf Leistungen der Solidargemeinschaft angewiesen und zum anderen in der Lage sind, einen Beitrag zum Wohl der Solidargemeinschaft zu leisten."2

Die Kompetenzen des Alters definierten Kruse und Lehr 1999 als "alle Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen zur Aufrechterhaltung eines selbstständigen, selbstverantwortlichen und persönlich zufrieden stellenden Lebens in seiner räumlichen, sozialen und institutionellen Umwelt"3. Beeinflusst vom raschen technologischen, ökonomischen und ökologischen Wandel der Gesellschaft hatte sich auch das Verständnis von Bildung verändert. Bildung wurde nicht mehr als Aneignung eines bestimmten Wissenskanons verstanden, sondern als ein lebenslanger, lebensbegleitender Prozess. Entsprechend den verschiedenen Lebensphasen ändern sich die Bildungsinhalte und -schwerpunkte, aber dennoch bilden sie ein Kontinuum, das fortlaufend auf der vorangegangenen aufbaut. Die - vornehmlich in Deutschland - vermeintlich sichere Bindung einer bestimmten beruflichen und berufsvorbereitenden Bildung an eine entsprechende Berufskarriere ist längst der Forderung und Erwartung nach permanenter Anpassung und Flexibilität gewichen. Nur fortwährende Weiterbildung schafft die Voraussetzung, den wachsenden und wechselnden Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Lernen geschieht deshalb schon längst nicht mehr nur in vorgegebenen formalen und strukturierten Lernformen, vielmehr nimmt das informelle, selbstbestimmte und selbstorganisierte Lernen eine wesentliche Rolle. Zugleich aber schafft diese Lernform eine wichtige Voraussetzung für ein aktives Alter und Altern.

Der Fünfte Altenbericht der Bundesregierung "Kompetenzen und Potenziale des Alters" setzt daher auch ein bei der Erwerbsarbeit, reflektiert sodann über Bildung und Weiterbildung und analysiert schließlich in einem dritten Schritt die Einkommensverhältnisse älterer Arbeitnehmer sowie die künftige Entwicklung der Einkommensverhältnisse. Daran knüpfen Analysen der Seniorenwirtschaft an, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie das Verbraucherverhalten Älterer. Anhand des Konsumverhaltens Älterer werden die besonderen Schwerpunkte der Seniorenwirtschaft herausgearbeitet, die angesichts des demographischen Wandels in Zukunft eine besondere Bedeutung zukommt: Wohnen, Reisen und Tourismus, Kommunikation und Neue Medien, Gesundheit und Pflege, Freizeit, Mobilität.

Auf diesem Hintergrund werden dann die Potenziale des Alters in familialen und privaten Netzwerken sowie das Engagement und die Teilhabe Älterer am Leben der Gesellschaft betrachtet. Ein letztes Kapitel widmet sich der besonderen Situation älterer Menschen mit Migrationshintergrund. Und die älteren Menschen mit Behinderungen? Sieht man einmal vom Kapitel 2 Erwerbsarbeit ab, in dem im Unterkapitel 2.2.4 die "Situation schwerbehinderter Menschen in der Arbeitswelt und auf dem Arbeitsmarkt"5, kommen älteren Menschen mit Behinderungen außer im Kontext von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit in dem Bericht nicht vor. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass mit steigender Lebenserwartungen die Zahl der älteren Menschen mit Behinderungen stetig steigt. Sind diese Menschen wegen ihrer Behinderung nur noch hilfs- und pflegebedürftig?

Aus individueller Lebensperspektive können die Aktivitäten Älterer unter dem Stichwort intergenerationeller Solidarität subsumiert werden. Großeltern fördern und unterstützen ihre Kinder und Enkel nicht nur durch finanzielle, materielle Transferleistungen, sie leisten nicht selten praktische Hilfe und Unterstützung ihrer Kinder durch Betreuung von Kleinkindern, Beaufsichtigung bei Schulaufgaben oder sie übernehmen Aufgaben bei der Pflege und Betreuung dementiell Erkrankter innerhalb ihrer Familie. Sie stellen ihre Kompetenzen, Erfahrungen und ihr Wissen beratend und helfend in privaten Netzwerken - das sind vornehmlich Freunde, Bekannte und Nachbarn - zur Verfügung und tragen bereitwillig Verantwortung bei der Unterstützung und Betreuung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Allerdings wird es angesichts des demographischen Wandels und des Wandels familialer Strukturen notwendig sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es älteren Menschen ermöglicht, so lange wie möglich in solchen Netzwerken ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können.6

Aus gesellschaftlicher Perspektive rücken die Potenziale des Alters im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements in den Mittelpunkt der Betrachtung. Hier zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede in Hinblick auf die Bildungsherkunft und der sozialen Schichtzugehörigkeit und des Geschlechts.7 Die aktive Teilhabe und das freiwillige und ehrenamtliche Engagement Älterer stehen schon seit geraumer Zeit auf der zivilgesellschaftlichen und politischen Agenda. Neben den "Berichten der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation in Deutschland", die seit den 90er Jahren des letzten Jhds in jeder Legislaturperiode erstellt werden müssen, wurde die Diskussion über das freiwillige, ehrenamtliche Engagement durch zwei Enquete-Kommissionen des Bundestages zum "Demographischen Wandel"8 und zur "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagement"9 weiter vorangetrieben. Daneben hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zahlreiche wissenschaftliche Studien und Expertisen zum freiwilligen ehrenamtlichen Engagement älterer Menschen erstellen lassen. Dabei wurden Daten zur Lebensgestaltung und zum ehrenamtlichen Engagement älterer Menschen gesammelt. Der "ALterssurvey" wurde erstmals 1996 gestartet und in den Jahren 2002 und 200810 wiederholt, der Freiwilligensurvey wurde erstmals 1999 mit 15000 Telefoninterviews durchgeführt und 2004 und 2009 wiederholt11. Es zeigt sich, dass sich von den 60-69-Jährigen etwa jeder 3. und von den 70-79-Jährigen sich etwa jeder 5. freiwillig bürgerschaftlich engagiert. Selbst bei den über 80-Jährigen findet sich noch eine stattliche Anzahl ehrenamtlich Engagierter. "Stand lange Zeit die Sorge um die mangelnde soziale Einbettung von Menschen im Alter bzw. besonderer Risikogruppen innerhalb der älteren Bevölkerung im Mittelpunkt des Interesses, so richtet sich die Aufmerksamkeit heute stärker darauf, wie die Leistungspotenziale älterer Menschen von der Gesellschaft nachgefragt werden können".12

Während sich die ehrenamtlichen Aktivitäten älterer Männer stärker auf die prestigeträchtigen Bereiche und Tätigkeiten des politischen Ehrenamtes konzentrieren, finden sich die engagementbereiten älteren Frauen vornehmlich in den eher unscheinbaren Bereichen des "sozialen Ehrenamtes". Als besondere Engagementschwerpunkte haben sich herauskristallisiert Gesundheit und Pflege, Kindergarten und Schule, Religion und Kirche, Gesellschaft und Kultur, Freizeit. Weniger aktiv sind engagierte Ältere dagegen in Bereichen wie Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste, außerschulische Jungend- und Bildungsarbeit, Umweltschutz und Tierschutz. Am Ende dieser Skala rangieren das politische Engagement auf lokaler Ebene in Interessenvertretungen, Vereinen und Verbänden, Beiräten für Senioren, Behinderte, Agenda21-Prozesse u.ä.

Die erwähnten Untersuchungen zeigen auch sehr deutlich, dass Aktivitäten und bürgerschaftliches Engagement eng verknüpft ist mit dem Bildungsstand und den ökonomischen Verhältnissen im Alter. Je höher der Grad der Bildung, umso größer das Engagement und umgekehrt. Hier erweist sich aber auch, dass lebenslanges Lernen eine wesentliche Voraussetzung für das Interesse und die Partizipation am bürgerschaftlichen Engagement im Alter ist und das Lernen im Alter wiederum abhängig ist von der Teilhabe an Weiterbildungsmöglichkeiten in der späten Phase der Berufstätigkeit. Aus Studien bekannt ist, dass von solchen Weiterbildungsmaßnahmen insbesondere sozial Schwächere, Bildungsbenachteiligte, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und last, but not least, Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen sind und werden.

Zwar werden die wachsenden Risiken und Probleme des Alters und Alterns auf dem Hintergrund eines seit Jahren speziell für ältere Arbeitnehmer prekären Arbeitsmarktes von Analysten Und Interpreten der "Kompetenzen und Potenziale des Alters" keineswegs ignoriert oder verkannt, aber es geht ihnen vorrangig um die sinnvolle Nutzung des "Sozialkapitals"13, das sich aufgrund des demographischen und sozialen Strukturwandels gebildet hat und stetig wächst. Neben der individuellen Nutzung für die Verbesserung der persönlichen Lebensqualität wird diese Ressource als Chance und Möglichkeit zur sozialen Vernetzung zum Nutzen der Gesellschaft insgesamt, als Beitrag zur Lösung ihrer Probleme betrachtet. Dabei wird aber auch immer betont, dass diese Potenziale nicht als "Lückenbüßer"14 für sozialstaatliche Defizite instrumentalisiert und - möglichst bis zur vollständigen Ausschöpfung - missbraucht werden dürfen. Ein negatives Beispiel in diesem Sinne stellen die Konditionen des Bundesfreiwilligendienstes (BUFDI) für ältere Menschen dar. Davon ausgehend, dass die heutige Generation der Älteren eine höhere und weiterhin steigende Lebenserwartung hat, besser gebildet, gesundheitlich fitter und finanziell und materiell besser ausgestattet ist, werden an das freiwillige ehrenamtliche und unentgeltliche Engagement der Älteren Erwartungen geknüpft, die nicht allein auf eine finanzielle Entlastung der sozialen Sicherungssysteme zielt, sondern über eine größere Zielgenauigkeit der öffentlichen Leistungen bis hin zu einer größeren Effektivität und Leistungsqualität solcher Einrichtungen und Dienstleistungen reicht, z.B. Einrichtungen der Altenhilfe und -pflege, Beratungsdienste, Kommunikations- und Informationsangebote etc15. Hier sind neue Formen des Engagements denkbar und möglich, in denen professionelle Dienstleister, ehrenamtlich Engagierte und Betroffene sowie Angehörige, wenn es um familiale Hilfe und Pflege geht, zusammenwirken.

An dieser Stelle können auch ältere Menschen mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung ihre Kompetenzen und Potenziale nutzbringend nicht nur für ihresgleichen, sondern für die Gesellschaft insgesamt einbringen, auch wenn sie in den erwähnten Berichten, Studien und Untersuchungen keine Erwähnung finden bzw. allenfalls als Hilfs- und Pflegebedürftige. Könnte nicht über einem solchen Engagement das Motto des internationalen Jahres der Freiwilligen 2001 (IYV = international Year of Volunteers) stehen: "Was ich kann, ist unbezahlbar und ich kann tun, was ich will und nicht, was ich muss"? Es gibt schon heute zahlreiche Beispiele älterer blinder und sehbehinderter Menschen, die sich freiwillig ehrenamtlich, sei es in familialen, privaten Netzwerken, sei es in öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen engagieren, z.B. als Behinderten- oder Seniorenbeauftragte bzw. entsprechenden Beiräten in ihren Heimatkommunen. Sieht man einmal von potenziellen Engagementbereichen ab, in denen eine unmittelbare visuelle Wahrnehmung und Beobachtung unerlässlich ist, können sie gerade ihre spezifischen Kompetenzen und Potenziale in nahezu allen Engagementbereichen einbringen und vermitteln. Beratung, Unterstützung, Kommunikation, Information in direkten Kontakten, aber auch in telefonischer Nothilfe, Organisations- und Öffentlichkeitsarbeit in Vereinen, Verbänden, bürgerschaftlichen Initiativen auf kommunaler und regionaler Ebene, in kommunalen Beiräten, in Beiräten sozialer Einrichtungen sowie Einrichtungen der Altenhilfe und -pflege, aber auch in Nachbarschafshilfen und Besuchsdiensten bieten sich hinlänglich Möglichkeiten eines persönlichen Engagements älterer blinder und sehbehinderter Menschen. Eine besondere Aufgabe haben auch blinde und sehbehinderte ältere Menschen für ihr ehrenamtliches Engagement gefunden, die Begleitung älterer Menschen am Ende ihres Lebens. Die Chancen und Möglichkeiten für ein aktives Alter und Altern sind auch für Menschen mit Behinderungen breit und vielfältig. Sie liegen vor allem außerhalb ihrer Selbsthilfeorganisation. Um die Vision der UN-Konvention Rechte von Menschen mit Behinderungen von der einen Gesellschaft mit Leben zu erfüllen, müssen sich auch ältere Menschen mit Behinderungen aktiv in diese Gesellschaft einbringen und an ihrer Gestaltung mitwirken.

Anmerkungen

  1. Demographischer Wandel Chance: wirtschaftliche Potenziale Älterer. Dokumentation des europäischen Kongresses vom 17./18.04.2007, S.6
  2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jigend (hrsg.) 2005: 5. Altenbericht "Kompetenzen und Potenziale des Alters", S.21-23
  3. Kruse, A. & Lehr, U. (1999): Reife Leistung. Psychologische Aspekte des Alterns. In: N iederfranke, A., Naegele, G. & Frahm, E. (Hrsg.): Funkkolleg Altern 1. Die vielen Gesichter des Alterns. Opladen, Wiesbaden, S. 187ff. Zitiert bei: Klaus-Peter Schwitzer: Weisheit versus Mut? Was sind spezifische Kompetenzen von Älteren und was sind sie wert?
  4. Bund-Länder-Kommisssion für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), Strategie für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland, Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, Bonn 2004
  5. 5. Altenbericht, S. 61-63
  6. 5. Altenbericht, S.29 ff
  7. 5. Altenbericht, Freiwilligensurvey u.a.
  8. Deutscher her Bundestag (2002): Enquete-Kommission "Demographischer Wandel" - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik. Abschlussbericht.
  9. Deutscher Bundestag (2002): Enquete-Kommission "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements" Endbericht
  10. Alterssurvey 1996, 2002, 2008: Tesch-Römer, C. (2004b): Sozialer Wandel und individuelle Entwicklung in der zweiten Lebenshälfte. Ergebnisse des Alterssurveys. Abschlussbericht. Berlin, Deutsches Zentrum für Altersforschung
  11. Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2009. Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engegement (unveröff. Manuskript). München: TNS Infratest Sozialforschung.
  12. 5. Altenbericht, S.338 ff
  13. 5. Altenbericht, S.370
  14. 5. Altenbericht, S.372
  15. 5. Altenbericht, S.338

Weitere Literatur

  • Bertelsmann Stiftung: Das vielfältige Engagement älterer Menschen als gesellschaftliche Ressource erkennen. Empfehlungen der Expertenkommission "Ziele in der Altenpolitik". 2007
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO): Memorandum "Mitgestalten und Mitentscheiden - Ältere Menschen in Kommunen "Leitlinie für das Programm "Aktiv im Alter 2009
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Hrsg. 2009, Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

Für weitere Informationen und Anregungen sei u.a. auf folgende Websites hingewiesen

  • www.BAGSO.de
  • www.BMFSFJ.de
  • www.engagement-macht-stark.de
  • www.for-be.de (Forschungszentrum für bürgerliches Engagement HU Berlin)
  • www.freiwilligensurvey.de
  • www.buergergesellschaft.de
  • www.erfahrung-schafft-zukunft.de
  • www.freiwilligendienste-aller-generationen.de
  • www.webarchiv.bundstag.de
  • www.engagementwerkstatt-berlin.de
  • www.altern-in-deutschland.de/de/aktuelles/aktives-altern_2012.html
  • www.aktives-alter.de
  • www.ffg.tu-dortmund.de/cms/de/Projekte/...und.../index.html
  • www.ej2012.de
  • www.b-b-e.de (Bundesnetz Bürgerschaftliches Engagement)

Erweiterung der aktuellen Blindenschriftsystematik 2011

Das Brailleschriftkomitee der Deutschsprachigen Länder (BSKDL) hat seit seiner Rekonstituierung 2009 drei mehrtägige Sitzungen in Marburg, Zürich und Bad Meinberg durchgeführt. Die Überarbeitung/Anpassung der aktuell gültigen Blindenschriftsystematik von 1998 bildete jeweils eines der zentralen Schwerpunktthemen dieser Tagungen.

Mit der Verbreitung von Computer-Tastaturen vergrößerte sich die Vielfalt von Klammersymbolen in gedruckten Texten. Die mechanische Schreibmaschinentastatur kannte als Klammerungsart nur runde Klammern, u.zw. öffnende und schließende. Jede PC-Tastatur stellt heute vier Klammerarten zur Verfügung: runde, eckige, geschweifte und spitze Klammern. Da neue Klammern angeboten werden, werden sie auch genutzt. Das Brailleschriftkomitee musste die Frage beantworten, wie diese Klammern in Blindenschrift darzustellen sind.

Bei der Übertragung von Texten in Blindenschrift gab es im deutschsprachigen Raum bislang keine einheitliche Regelung für die Kennzeichnung von Anmerkungen, die der Übertrager (die Übertragerin) hinzufügt, Textteile in der Punktschriftfassung, die in der Schwarzschriftvorlage gar nicht enthalten sind. Das Brailleschriftkomitee hat auch diese Frage inzwischen geregelt.

Wer wissen wollte, wie das Nummernzeichen oder der Doppelpfeil bei Punktschriftübertragungen in der deutschsprachigen Schweiz, in Österreich und in Deutschland wiederzugeben sind, suchte in der bisherigen Systematik vergebens nach einer eindeutigen Antwort. Auch diese Fragen mussten geklärt werden.

Die typographische Gestaltungsvielfalt von Texten in Schwarzschriftvorlagen hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Um die Wiedergabemöglichkeiten in der Punktschrift im deutschsprachigen Raum in dieser Frage in einheitliche Bahnen zu lenken, hat das Brailleschriftkomitee für eine zweite Hervorhebungsform Wiedergabetechniken festgelegt. Im Hinblick auf den Umgang mit Hervorhebungen wurde außerdem entschieden, dass bei zwei oder drei hervorgehobenen Wörtern in Folge jedes Wort einzeln angekündigt werden kann, weil dadurch Platz eingespart wird. Das Zeichen für die Darstellung des senkrechten Striches wurde geändert und in seiner Bedeutung erweitert. Achtung: Das bisher für den senkrechten Strich verwendete zweiformige Zeichen (Punkte 4,5,6;1,2,3) wird gestrichen!

Da die geplante Revision der Blindenschriftsystematik von 1998 vermutlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, wurde ich als Vorsitzender des Komitees gebeten, zentrale Beschlüsse zur Ergänzung der Blindenschriftsystematik vorab bekannt zu geben. Dieser Bitte komme ich gern nach.

Die Liste der mehrformigen Zeichen im Kapitel 2.2 des "Systems der Deutschen Blindenschrift" von 1998 ("Interpunktions- und Sonderzeichen") und die Ausführungen zum Kapitel 2.7 ("Hervorhebungen") werden geändert bzw. ergänzt. Die Liste kann als HBS-Datei heruntergeladen oder bei der horus-Redaktion angefordert werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!(Die Vollzeichen in der linken Spalte der Tabelle sind nicht als Bestandteil des Punktemusters zu lesen, sondern dienen ausschließlich der leichteren Erkennbarkeit der gemeinten Punktschriftsymbole).

Zum Autor

Richard Heuer gen. Hallmann, Jahrgang 1955, ist Diplompolitologe und Diplompädagoge. Seit 1984 arbeitet er an der FernUniversität in Hagen und leitet dort den Arbeitsbereich "Audiotaktile Medien" im Zentrum für Medien und IT (ZMI).

Seit 1998 ist Richard Heuer zugleich Vorsitzender des Brailleschriftkomitees der Deutschsprachigen Länder, in dem die Blindenselbsthilfe Österreichs, der Schweiz und Deutschlands sowie der VBS und MEDIBRAILLE vertreten sind.

Insidern ist Richard Heuer auch unter dem Spitznamen "Genannt" bekannt. In der Tat verbirgt sich hinter der ungewöhnlichen - geburtsurkundlich dokumentierten und insoweit rechtlich unumstrittenen - Form seines Doppelnamens eine originelle Familiengeschichte, deren Tradition man daher auch für die nachfolgende Generation bewahrt hat.

Kontakt: FernUniversität in Hagen, Zentrum für Medien und IT (ZMI), Arbeitsbereich Audiotaktile Medien, Feithstr. 150 b, 58084 Hagen, Tel.: +49-2331-9874218, Fax: +49-2331-9872720, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.fernuni-hagen.de/zmi/at-medien/start.html

Das Foto in der Schwarzschriftausgabe zeigt Richard Heuer gen. Hallmann während einer Podiumsdiskussion beim Weltkongress Braille 21. Foto: DVBS (itrol)


Abitur: Was nun?

Die bundesweite Orientierungsveranstaltung für blinde und sehbehinderte Studieninteressierte Karlsruher Institut für Technologie (KIT) findet in diesem Jahr vom 14. - 16. Mai 2012 statt. Über drei Tage können Fragen zu Universitäten und Hochschulen, Studienfächern und -abschlüssen, fachlichen Anforderungen, einzelnen Studienorten, studentischem Wohnen, Orientierung und Mobilität und vor allem zu spezifischen pädagogischen und technischen Unterstützungen im Studium diskutiert werden. Dazu stehen Experten der jeweiligen Themenkomplexe, studentische Vertreter und ältere sehgeschädigte Studierende zur Verfügung. Für interessierte Eltern, die ihre Tochter/ ihren Sohn begleiten möchten, wird ein gesondertes Programm angeboten.

Anmeldeschluss ist der 17. April 2012. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei; Anfahrt und Unterkunft müssen von den Teilnehmenden selbst getragen werden. Detaillierte Informationen, einschließlich Programm und Anmeldung, können online oder telefonisch abgerufen werden.

Kontakt: Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS), Susanne Schneider, Engesserstr. 4 (Campus Süd), 76128 Karlsruhe, Tel.: 0721 608-41937, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.szs.kit.edu.