Schriftenreihe Rechtsberatung für blinde und sehbehinderte Menschen

Heft 05 der Schriftenreihe:
Teilhabe am Berufsleben

von Dr. Herbert Demmel, Christiane Möller und Karl Thomas Drerup

Stand: Januar 2016

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Die Teilhabe am Berufsleben ist von besonders großer Bedeutung für ein selbst bestimmtes Leben behinderter Menschen. Vor allem das Sozialgesetzbuch soll helfen, die Teilhabe am Berufsleben zu realisieren. Soweit die berufliche Eingliederung nicht innerhalb des Bereiches der Sozialversicherungen oder des Entschädigungsrechts erfolgt, ist sie nach dem System des Sozialrechts dem Bereich der sozialen Förderung zuzurechnen. Zu diesem Bereich gehört auch das SGB IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen".

Zur Teilhabe am Berufsleben sind die Berufsausbildung und die Ermöglichung der beruflichen Tätigkeit notwendig. Nach § 1 Abs. 1 SGB I ist es u. a. ein Ziel des Sozialgesetzbuches, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen. Dieses Heft befasst sich dementsprechend mit der beruflichen Ausbildung und den Hilfen zur Berufsausübung. Vorrangiges Ziel ist die Eingliederung in das Berufsleben auf dem ersten Arbeitsmarkt. Dem dienen vielfältige Förderinstrumente bis hin zur „unterstützten Beschäftigung“ nach § 38a SGB IX. Wo dies wegen der Schwere einer Behinderung nicht möglich ist, muss die Teilhabe über den zweiten Arbeitsmarkt, also Integrationsprojekte, Behindertenwerkstätten oder Blindenwerkstätten, ermöglicht werden.

Die Verpflichtung des Staates, die berufliche Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern und zu sichern ergibt sich auch aus Art. 27 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).

Weil das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) und das SGB III (Arbeitsförderung) von besonderer Bedeutung für die berufliche Eingliederung behinderter Menschen sind, wird über diese beiden Gesetze unter 2.2 bzw. 2.3 ein Überblick gegeben. Der beruflichen Eingliederung dient aber auch das SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende -, auf welches im Abschnitt 6 „Förderung der beruflichen Eingliederung nach dem SGB II“ mit Unterpunkten dieser Schriftenreihe näher eingegangen wird.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


2. Rechtsquellen

Hier wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Rechtsquellen und ihrem systematischen Zusammenhang zum Thema dieses Heftes gegeben. Er dient einer ersten Orientierung.

Die Rechtsgrundlagen enthalten das SGB I (Allgemeiner Teil), das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) und zahlreiche Spezialgesetze, insbesondere das SGB III (Arbeitsförderung) und das SGB II (Grundsicherung für Arbeit Suchende). Wegen der besonderen Bedeutung des SGB IX und des SGB III wird im Anschluss an die in 2.1 enthaltenen grundsätzlichen Ausführungen unter 2.2 ein Überblick über diese beiden Gesetze gegeben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1. Regelungsinhalte und systematischer Zusammenhang

In den genannten Gesetzen ist insbesondere die Förderung der Teilhabe am Berufsleben geregelt. Das reicht von der Beratung über die Förderung der Ausbildung, die Hilfe bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes, die Förderung der beruflichen Weiterbildung (Fortbildung und Umschulung), begleitende Hilfen im Arbeitsleben bis zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.1 Soziale Rechte nach dem SGB I

Das SGB I enthält im ersten Abschnitt Aussagen über Aufgaben des Sozialgesetzbuches und soziale Rechte und in seinem zweiten Abschnitt (Einweisungsvorschriften) im zweiten Titel über einzelne Sozialleistungen und zuständige Leistungsträger.

In § 3 SGB I mit der Überschrift „Bildungs- und Arbeitsförderung“ heißt es:

„(1) Wer an einer Ausbildung teilnimmt, die seiner Neigung, Eignung und Leistung entspricht, hat ein Recht auf individuelle Förderung seiner Ausbildung, wenn ihm die hierfür erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen.

(2) Wer am Arbeitsleben teilnimmt oder teilnehmen will, hat ein Recht auf

1. Beratung bei der Wahl des Bildungswegs und des Berufs

2. individuelle Förderung seiner beruflichen Weiterbildung

3. Hilfe zur Erlangung und Erhaltung eines angemessenen Arbeitsplatzes und

4. wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit und bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.“

Einzelheiten zu den Leistungen und Zuständigkeiten enthalten die Einweisungsbestimmungen der § 18 SGB I für die Ausbildungsförderung und §§ 19 ff. SGB I für die Teilhabe am Arbeitsleben.

All das gilt selbstverständlich auch für behinderte Menschen. Nach § 10 Nr. 3 SGB I haben Menschen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert sind oder denen eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache der Behinderung zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe, ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um „ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern“. Gleich lautend wird auch in § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX formuliert.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf § 33c SGB I, der den verfassungsrechtlichen Bezug des Sozialrechts zum Benachteiligungsverbot in Art. 3 Abs. 3 GG herstellt. § 33c SGB I gilt für das gesamte SGB. Er lautet:

§ 33c Benachteiligungsverbot

Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung benachteiligt werden. Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind.“

Das Benachteiligungsverbot ist in diesem Zusammenhang auf die Inanspruchnahme von sozialen Rechten bezogen und darauf begrenzt. Zu den sozialen Rechten, die in Anspruch genommen werden können, gehören die in § 11 SGB I genannten Dienst-, Sach- und Geldleistungen nach den besonderen Sozialgesetzbüchern, auf die die §§ 18 bis 29 SGB I zur Konkretisierung verweisen (Haufe, Onlinekommentar RZ. 6 zu § 33c SGB I).

Die Einweisungsvorschrift des § 29 SGB I bestimmt die Leistungen sowie
die organisatorisch zuständigen Stellen. Als Leistungen zur Eingliederung Behinderter können gemäß § 29 Abs. 1 SGB I nach Maßgabe der einschlägigen sozialrechtlichen Spezialvorschriften medizinische Leistungen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen (wie Übergangs- oder Krankengeld) sowie besondere Leistungen und Hilfen zur Teilhabe in Gesellschaft und Arbeitsleben in Anspruch genommen werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2 Der Zusammenhang zwischen dem SGB IX und den Spezialgesetzen

Der Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft dient insbesondere das SGB IX, das die Überschrift trägt: „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“. In § 1 heißt es dazu: „Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.“

Die Leistungen werden zur Erreichung dieser Ziele gemäß § 4 Abs. 2 SGB IX nach Maßgabe des SGB IX und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Das bedeutet, dass neben den Bestimmungen im SGB IX stets die für die Leistungsträger geltenden Spezialgesetze beachtet werden müssen. In § 7 SGB IX heißt es: „Die Vorschriften dieses Buches (des SGB IX) gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt.“ Nach diesen richten sich besonders die Voraussetzungen, die Art und der Umfang der Leistungen. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass die Regelungen im SGB IX völlig verdrängt würden. Wo es möglich ist, Leistungsgesetze in Konkordanz mit dem SGB IX auszulegen, muss dies erfolgen (Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, RN 9 zu § 7).

Solche Spezialgesetze sind z. B. das SGB III (Arbeitsförderung), das SGB II (Grundsicherung für Arbeit Suchende), das SGB VII (gesetzliche Unfallversicherung), das BVG (Bundesversorgungsgesetz für das Entschädigungsrecht) und das SGB XII (Sozialhilfe).

Das SGB IX dient im Zusammenhang mit den Spezialgesetzen insbesondere dem Zweck,

  • das Rehabilitationsrecht zu vereinheitlichen und übersichtlicher zu gestalten, den Zugang zu den Leistungen durch mehr Transparenz und Bürgernä­he zu erleichtern, die Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger und eine Koordination der Leistungen zu verbessern;
  • das Selbstbestimmungsrecht behinderter Men­schen zu verstärken durch
  • allgemeine Servicestellen zur Beratung und Unterstützung (§§ 22 ff. SGB IX);
  • ein erweitertes Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 SGB IX) und persönliche Budgets (§ 17 Abs. 2 SGB IX)

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.1 Zuständigkeit

Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Das bedeutet aber auch, dass stets beachtet werden muss, in welchem Rangverhältnis zueinander die Leistungsträger stehen. So sind Leistungen nach dem Entschädigungsrecht und nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung stets vorrangig gegenüber Leistungen anderer Leistungsträger.

Wer als Leistungsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2 SGB IX) in Frage kommt, ist § 6 Abs. 1 SGB IX und für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des 2.

  • Buches 6a SGB IX zu entnehmen. Das sind mit Ausnahme der gesetzlichen Krankenversicherung alle in § 6 Abs. 1 aufgeführten Rehabilitationsträger, also
    die Bundesagentur für Arbeit, Spezialgesetze sind das SGB III und für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Langzeitarbeitslose) das SGB II,
  • die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, also die Berufsgenossenschaften usw. , Spezialgesetz: SGB VII (§§ 26 und 35),
  • die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, Spezialgesetz: SGB VI (zu den Voraussetzungen vgl. §§ 9 ff. SGB VI und § 16 SGB VI),
  • die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden, Spezialgesetz: Bundesversorgungsgesetz (§§ 25b, 26 und 26a),
  • die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Spezialgesetz: SGB VIII (§ 13 sowie §§ 35a und 36),
  • die Träger der Sozialhilfe soweit kein anderer Leistungsträger vorhanden ist,
    Spezialgesetz: SGB XII (§§ 53 und 54 mit Verweisung auf § 33 SGB IX sowie § 58 SGB XII).

Träger für die meisten Maßnahmen ist die Bundesagentur für Arbeit. Das ergibt sich daraus, dass die gem. § 22 SGB III zwar vorrangig zuständigen Rehabilitationsträger nur leistungspflichtig sind, wenn die in den Spezialgesetzen geforderten Voraussetzungen gegeben sind.

Für Leistungen an Versicherte im Rahmen der Sozialversicherungsgesetze müssen z. B. neben den persönlichen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Anspruchsberechtigten müssen zum versicherten Personenkreis gehören. Ferner muss ein Versicherungsfall vorliegen.

Im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung erbringt der Versicherungsträger zur Vermeidung bzw. nach Eintritt des Versicherungsfalls Erwerbsminderung gemäß § 9 Abs. 1 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation. Die Rentenversicherung ist hinsichtlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur für Personen zuständig, die bei Antragstellung

  • die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben (Wartezeit ist im Wesentlichen die Zeit, in der Beiträge gezahlt wurden, vgl. § 51 SGB VI) oder
  • die eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.

Die Rentenversicherung ist ferner zuständig, wenn

  • ohne die berufsfördernde Maßnahme Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre (d.h. wenn die Berentung unmittelbar droht und durch die berufliche Rehabilitation voraussichtlich abgewendet oder hinausgeschoben werden kann), oder
  • wenn die Berufsförderung für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an medizinische Leistungen der Rentenversicherung erforderlich ist (zum Ganzen: § 11 Abs. 1 und 2 a SGB VI).

Für Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung muss der Anspruchsberechtigte zum geschützten Personenkreis gehören und ein Versicherungsfall muss vorliegen, d. h. bei einer geschützten Tätigkeit muss ein schädigendes Ereignis eingetreten sein, welches für den Schaden und sein Ausmaß die wesentliche Ursache ist. Solche schädigende Ereignisse sind Arbeitsunfälle einschließlich Wegeunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 ff. SGB VII).

Das BVG und die Gesetze, auf welches das BVG anwendbar ist, wie z. B. das Soldatenentschädigungsgesetz und das Zivildienstgesetz, das Opferentschädigungsgesetz und das Infektionsschutzgesetz setzen ebenfalls ein vom Schutz dieser Gesetze erfasstes Ereignis, einen Schadensfall, voraus. Dieses Ereignis muss für den Eintritt des Schadens und für sein Ausmaß die wesentliche Ursache sein.

Das SGB III kennt Leistungen, für welche es auf das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses und weitere Leistungsvoraussetzungen, wie z.B. die Erfüllung einer Anwartschaftszeit, ankommt, damit im Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit Ansprüche, wie z.B. auf das Arbeitslosengeld, entstehen. Für andere Leistungen, wie z.B. Berufsberatung, kommt es auf solche Voraussetzungen nicht an.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.2 Zusammenarbeit der Leistungsträger – Zuständigkeitsklärung
2.1.2.2.1 Zusammenarbeit der Leistungsträger

Für eine rasche und effiziente Leistungserbringung ist eine Regelung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger und eine Klärung der Zuständigkeit unerlässlich. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Leistungen „wie aus einer Hand“ erbracht werden.

Der Koordination zwischen den Leistungsträgern dienen die Vorschriften über ihre Zusammenarbeit (§§ 10 bis 13 SGB IX). Wenn Leistungen unterschiedlicher Leistungsgruppen (§ 5 SGB IX), z.B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder verschiedener Leistungsträger notwendig werden, müssen die Maßnahmen unterein­ander abgestimmt werden. Um das zu erreichen „ist der nach § 14 (SGB IX) leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen (§ 10 Abs. 1 SGB IX).„

Der Sicherung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger dienen die nach § 13 SGB zu vereinbarenden „gemeinsamen Empfehlungen". Nach § 13 Abs. 6 SGB IX werden „die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder."

Für die Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) ist ferner auf die „Verwaltungsabsprache über die Erbringung von Leistungen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach dem SGB IX Teil 2 im Verhältnis zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß Teil 1 des SGB IX“ (Stand 01.03.2015) hinzuweisen. Zur Zielsetzung wird einleitend ausgeführt:

„Im Wirkungs- und Handlungsbereich der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben nach § 102 Abs.1 Nr. 3 SGB IX durch die Integrationsämter einerseits und den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX durch die Rehabilitationsträger andererseits ergibt sich die Schnittfläche gleichartiger Leistungsbereiche. Hierbei handelt es sich in aller Regel um Leistungen für arbeitsplatzausgestaltende Maßnahmen (Arbeitsausrüstung, Hilfsmittel zur Berufsausübung oder technische Arbeitshilfen). Die Inhalte dieser Verwaltungsabsprache sollen die jeweiligen Aufgabengebiete und vorhandenen Zuständigkeiten deutlich machen, die Zuordnung der Leistungsbegehren erleichtern sowie Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Die Verwaltungsabsprache soll gleichfalls bewirken, dass die Leistungen vom zuständigen Leistungsträger im Rahmen seiner Aufgabenstellung entsprechend § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX vollständig, umfassend und in gleicher Qualität erbracht werden, sodass Leistungen des anderen Leistungsträgers nicht erforderlich werden.“

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.2.2 Zuständigkeitsklärung

14 SGB IX mit der Überschrift „Zuständigkeitsklärung " soll einen möglichst raschen Zugang zu den Leistungen zur Teilhabe sicherstellen. Das gilt vor allem auch, wenn unklar ist, welcher Rehabilitationsträger für eine beantragte Leistung zuständig ist. Zweck ist, das Verfahren zu beschleunigen und Zuständigkeitskonflikte auszuschalten. „Kerngehalt ist, dass ein Rehabilitationsantrag zwischen den Rehabilitationsträgern grundsätzlich nur einmal weitergeleitet werden kann und dies nur binnen 14 Tagen nach Antragseingang (Vorwort der Gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung der Bundesvereinigung für Rehabilitation gem § 13 Abs. 2 Nr. 3 3 SGB IX).“

Zwei Fälle sind zu unterscheiden:

  1. Der Rehabilitationsträger, bei welchem eine Leistung beantragt wurde, hat die Entscheidung zu treffen und
  2. der Antrag wird an einen anderen Rehabilitationsträger zur Entscheidung weitergeleitet, weil der erstangegangene Rehabilitationsträger diesen für zuständig hält.

1. Entscheidung durch den erstangegangenen Rehabilitationsträger. Wenn Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden, stellt dieser „innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist" (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Ist der Rehabilitationsträger zuständig, hat er über die Leistung innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs kein Gutachten erforderlich ist. Wird der Antrag innerhalb der Frist von zwei Wochen nicht weitergeleitet, wird der Rehabilitationsträger, bei welchem der Antrag gestellt worden ist, selbst dann für die Entscheidung über die Leistung zuständig, wenn nicht er, sondern ein anderer Rehabilitationsträger zuständig wäre (vgl. zur Zuständigkeitsklärung und den Grenzen der Weiterleitung BSG 7. Senat Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: B 7 AL 16/04 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 1).

Wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich ist, „wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen (§ 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX). Das Gutachten selbst soll ebenfalls innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung erstellt werden. Zur Begutachtung heißt es in § 14 Abs. 5 SGB IX:

„(5) Der Rehabilitationsträger stellt sicher, dass er Sachverständige beauftragen kann, bei denen Zugangs- und Kommunikationsbarrieren nicht bestehen. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen. Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter bleiben unberührt."

Entscheidung durch den zweitangegangenen Rehabilitationsträger.Stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger, bei welchem der Antrag gestellt worden ist bei der Zuständigkeitsprüfung fest, dass er nach seiner Auffassung für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist von zwei Wochen nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt (§ 14 Abs. 1 SGB IX). Beispiel: Der Antragsteller hat durch einen Unfall eine Behinderung erlitten. Er begehrt bei der Berufsgenossenschaft Leistungen zur beruflichen Eingliederung. Es steht nicht fest, ob ein Arbeitsunfall vorliegt und somit die Berufsgenossenschaft nach dem SGB VII zuständig wäre. Das läßt sich auch innerhalb der Frist von zwei Wochen nicht klären. Ohne Rücksicht auf die Ursache wäre für Leistungen zur Teilhabe am Berufsleben nach dem SGB III die Bundesagentur für Arbeit zuständig. Deshalb muss der Antrag an diese weitergeleitet werden.

Leitet der zuerst angegangene Rehabilitationsträger den Antrag an einen anderen Träger weiter, so muss dieser über den Antrag entscheiden, selbst wenn er für die beantragte Leistung nicht zuständig ist. Der zweitbefasste Rehabilitationsträger kann ihn nicht mehr weiterleiten. Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 SGB IX sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach § 14 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB IX entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs kein Gutachten erforderlich ist, muss der zweitangegangene Rehabilitationsträger innerhalb von 3 Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm entscheiden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich ist, gilt das oben unter 1. Gesagte (§ 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX).

Wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger, welcher nach den oben dargestellten Regelungen gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX leisten musste, festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (§ 14 Abs. 4 SGB IX).

Wenn ein Rehabilitationsträger, welcher Leistungen erbringt, weitere Leistungen zur Teilhabe für erforderlich hält, für welche er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 SGB IX sein kann, schaltet er unverzüglich den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger ein. Die Leistungsberechtigten müssen darüber unterrichtet werden. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 6 SGB IX.

Wenn Leistungen nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen erbracht werden, gelten für die vom Rehabilitationsträger einzuhaltenden Fristen die selben Regelungen wie bei Leistungen auf Antrag, nur dass an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs tritt (§ 14 Abs. 3 SGB IX). Vgl. dazu § 1 Abs. 2 der „Gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung der BAR:

„In der Unfallversicherung entspricht dem Tag des Eingangs des Antrages der Tag, an dem der Träger der Unfallversicherung Kenntnis von einem voraussichtlichen Rehabilitationsbedarf erlangt. Gleiches gilt für die Sozialhilfe, die öffentliche Jugendhilfe und die Kriegsopferfürsorge."

Wenn die in § 14 SGB IX gesetzten Fristen nicht eingehalten werden, kann die begehrte Leistung unter den Voraussetzungen von § 15 SGB IX selbst beschafft und vom Rehabilitationsträger Kostenerstattung verlangt werden. Dazu vgl. 2.1.2.3 Erstattungsanspruch für eine selbst beschaffte Leistung.

Der Koordination zwischen den Leistungsträgern dienen die Vorschriften über ihre Zusammenarbeit (§§ 10 bis 13 SGB IX). Wenn Leistungen unterschiedlicher Leistungsgruppen (§ 5 SGB IX), z.B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder verschiedener Leistungsträger notwendig werden, müssen die Maßnahmen unterein­ander abgestimmt werden. Dazu „ist der nach § 14 (SGB IX) leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen (§ 10 Abs. 1 SGB IX).

Der Sicherung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger dienen die nach § 13 SGB zu vereinbarenden „gemeinsamen Empfehlungen“. Nach § 13 Abs. 6 SGB IX werden „die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.“

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.2.2 Zuständigkeitsklärung

Bei Unklarheiten, welcher Träger zuständig ist, bestimmt § 14 SGB IX das Verfahren. § 14 SGB IX soll einen möglichst raschen Zugang zu den Leistungen zur Teilhabe sicherstellen. Die Absicht ist, das Verfahren zu beschleunigen und Zuständigkeitskonflikte auszuschalten. Wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, stellt der Rehabilitationsträger, bei welchem ein Antrag gestellt worden ist, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist von zwei Wochen nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt. Das wäre z. B. der Fall, wenn nicht fest steht, ob eine Behinderung durch einen Arbeitsunfall verursacht worden ist und deshalb die Berufsgenossenschaft nach dem SGB VII leisten müsste. Ohne Rücksicht auf die Ursache wäre für Leistungen zur Teilhabe am Berufsleben die Bundesagentur für Arbeit zuständig.

Wird der Antrag innerhalb der Frist von zwei Wochen nicht weitergeleitet, wird der Rehabilitationsträger, bei welchem der Antrag gestellt worden ist, selbst dann für die Leistung zuständig, wenn ein anderer Rehabilitationsträger zuständig wäre (vgl. zur Zuständigkeitsklärung und den Grenzen der Weiterleitung BSG 7. Senat Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: B 7 AL 16/04 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 1). Der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger stellt den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Er entscheidet innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang, wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs kein Gutachten erforderlich ist. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten diese Fristen für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend. Die Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung von dem dazu verpflichteten Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger, welcher nach den oben dargestellten Regelungen gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX leisten musste, festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (§ 14 Abs. 4 SGB IX).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.3 Erstattungsanspruch für eine selbst beschaffte Leistung

Der Beschleunigung des Rehabilitationsverfahrens dient auch der Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen nach § 15 Abs. 1 SGB IX. Dieser lautet:

„(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.“

Zu unterscheiden sind die Fälle des § 15 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB IX von den Fällen des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Nach § 15 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten nämlich die in § 15 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB IX enthaltenen Regelungen nicht gegenüber dem Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge. Für die Sozialhilfe gilt § 18 SGB XII. Danach ist der Träger der Sozialhilfe auch ohne Antrag bereits mit Kenntnis der Hilfesituation des betroffenen Menschen verpflichtet, die notwendigen Leistungen/Maßnahmen sofort einzuleiten.

Für Erstattungsansprüche gegenüber gesetzlichen Krankenkassen ist § 13 SGB V. zu beachten. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wird in § 13 Abs. 3 SGB V auf § 15 SGB IX verwiesen. § 13 Abs. 3 SGB V lautet:

„(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 15 des Neunten Buches erstattet.“

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.3.1 Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB IX

In der Praxis können häufig die sich aus § 14 Abs. 2 SGB IX für die Entscheidung über Teilhabeleistungen gesetzten Fristen nicht eingehalten werden. Aus § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ergibt sich für den Rehabilitationsträger die Pflicht, dies und die Gründe dafür den Leistungsberechtigten rechtzeitig mitzuteilen. Wenn dies nicht geschieht, ergeben sich die Konsequenzen dieser Pflichtverletzung aus § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX sind zwei Fälle zu unterscheiden:

1. Es erfolgt innerhalb der Fristen von § 14 Abs. 2 SGB IX überhaupt keine Mitteilung, warum eine fristgerechte Entscheidung nicht möglich ist oder 2. es erfolgt zwar eine Mitteilung darüber, diese ist aber unzureichend. In beiden Fällen können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist zur Entscheidung über die begehrte Leistung setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Erstattung der ihnen dadurch entstehenden Aufwendungen verlangen werden.

Die Setzung der Nachfrist ist erforderlich, weil das Nichthandeln innerhalb der Fristen von § 14 Abs. 2 SGB IX bzw. zwischen der unzureichenden Begründung und dem Recht zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs Kausalität bestehen muss. Die Kausalität ist nur gegeben, wenn der Rehabilitationsträger Gelegenheit zur Überprüfung hatte.

Zu empfehlen ist, nach Ablauf der Fristen des § 14 Abs. 2 SGB IX mindestens 8 Tage zu warten, bis eine angemessene Nachfrist gesetzt wird, in welcher erklärt wird, dass nach Ablauf dieser Nachfrist die begehrte Leistung, z.B. ein Hilfsmittel, selbst beschafft wird. „Durch die Setzung der Nachfrist hat der Rehabilitationsträger noch einmal die Gelegenheit, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens bis hin zur Bescheiderteilung zu prüfen. Die Nachfrist setzt den Rehabilitationsträger auch in die Lage, den Antragsteller zu informieren, warum die Leistungsvoraussetzungen (noch) nicht erfüllt sind oder welche Gründe die Bescheid­erteilung verhindern. Dabei müssen die Informationen umfassend sein, um das Kostenrisiko des Antragstellers gering zu halten, wenn sich dieser dazu entschließt, sich die Leistung selbst zu beschaffen (Schell RN. 11 zu § 15 SGB IX in Hauffe Kommentar zu SGB IX).

Ein hinreichender Grund dafür, dass die Fristen von § 14 Abs. 2 SGB IX nicht eingehalten werden können kann sich daraus ergeben, dass in der Praxis eine rechtzeitige Leistungsgewährung oft daran scheitert, „dass für die Beurteilung des Umfangs sowie der Art, Weise und Dauer der beantragten Leistung vom Arzt oder der Rehabilitationseinrichtung Anfragen über den medizinischen Zustand des Leistungsberechtigten nicht zeitnah beantwortet bzw. Entlassungsberichte nicht rechtzeitig erstellt und zugesandt werden. In diesen Fällen läuft die Frist des § 14 Abs. 2 SGB IX nicht ab; gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX braucht der Rehabilitationsträger erst 2 Wochen nach Eingang des Gutachtens – und als solche sind Arztanfragen und Entlassungsberichte zu werten – über den Leistungsantrag zu entscheiden (Schell aaO. RN. 12).“

Wenn dies dem Antragsteller mitgeteilt wird, liegt ein „hinreichender Grund“ für die Nichteinhaltung der Fristen des § 14 Abs. 2 SGB IX vor, so dass keine wirksame Nachfrist gesetzt werden kann.

„Arbeitsrückstände, länger andauernde Erkrankung des den Antrag bearbeitenden Sachbearbeiters oder sonstige Umstände, die im Verantwortungsbereich des Rehabilitationsträgers liegen, sind dagegen ein unzureichender Grund für eine verspätete Leistungsgewährung. In diesem Fall hat der Leistungsberechtigte die Möglichkeit, dem Rehabilitationsträger eine angemessene Nachfrist zu setzen, um nach Nichteinhaltung dieser Nachfrist von dem Recht der Selbstbeschaffung der Leistung und einen späteren Erstattungsanspruch Gebrauch zu machen (Schell in Hauffe aaO RN. 13).“

Was eine „angemessene Frist“ ist, ist insofern nicht einfach zu beurteilen, als es sich bei der „Angemessenheit“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Es kommt deshalb auf den Einzelfall an. Die zu setzende Nachfrist muss jedenfalls so bemessen sein, dass der Träger unter Berücksichtigung der Postwege und der erforderlichen Bearbeitungszeit objektiv in die Lage versetzt wird, innerhalb der Frist über den Leistungsantrag entscheiden zu können. Als Richtgröße ist jedoch analog § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 SGB IX eine Frist von mindestens zwei Wochen anzusetzen (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 7. August 2013 – L 2 R 173/11 –, juris).

Grenzen für den Erstattungsanspruch ergeben sich aus § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX, wonach der zuständige Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet ist, wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der gesetzten Nachfrist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschafft sich ein Leistungsberechtigter eine Leistung, bei der diese Grenzen überschritten werden, z.B. ein kostspieligeres Hilfsmittel, muss er die Mehrkosten selbst tragen. Der Leistungsberechtigte ist aber nicht auf die Höhe der vom Rehabilitationsträger mit Leistungserbringern ausgehandelten Vertragssätze beschränkt. Wenn der Leistungsberechtigte z.B. für ein Hilfsmittel 2.500 Euro aufwenden muss, während es der Rehabilitationsträger vom Leistungserbringer auf Grund der mit diesem getoffenen Vereinbarung für 2.000 Euro erhielte, beträgt der Erstattungsanspruch 2.500 Euro.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.3.2 Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX

Die Fälle des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX gelten für alle Rehabilitationsträger, also auch für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.

Die Erstattungspflicht für eine selbstbeschaffte Leistung besteht gem. § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

Eine unaufschiebbare Leistung ist gegeben, wenn z.B.

  • der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder aus anderen medizinischen Gründen – z.B. wegen der Intensität der Schmerzen – ein auch nur vorübergehendes weiteres Abwarten nicht mehr zumutbar ist (BSG, Urteil v. 6.3.2012, B 1 KR 17/11 R),
  • eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung des Versicherungsträgers mehr besteht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.8.2012, L 11 R 5319/11) oder

Notfälle und andere dringliche Bedarfslagen vorliegen, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.3.2009, L 10 R 2684/07).

Der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 erste Alternative SGB V kann nur dann mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung begründet werden, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten (vgl BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R)

„Eine unaufschiebbare Leistung kann (nach Auffassung von Schell RN 22 zu § 15 SGB IX in Haufe Kommentar zum SGB IX) auch dann vorliegen, wenn sonst der Leistungsberechtigte ohne die Leistung in seiner Lebensqualität unvertretbar stark eingeschränkt ist, also wenn der Verzicht auf die Teilhabeleistung für den Leistungsberechtigten durch einen nicht zu vertretenden unzumutbaren Nachteil erkauft werden muss. Das ist z.B. der Fall, wenn eine Krankenhausentlassung des Antragstellers nur vorgenommen werden kann, wenn der Antragsteller mit einem bestimmten Hilfsmittel ausgestattet ist. Gleiches gilt, wenn er z.B. nicht nur vorübergehend ohne Hilfsmittel (Treppenlift) seine Wohnung nicht erreichen oder Grundbedürfnisse des täglichen Lebens (Baden, Toilettengang, Nahrungsaufnahme usw.) nicht erledigen kann. Hierbei ist die individuelle Lebenssituation des Leistungsberechtigten als auch dessen gesamter Lebenshintergrund (Kontextfaktoren) zu betrachten.“

Ein Verschulden des Rehabilitationsträgers spielt keine Rolle.

Ein Erstattungsanspruch für eine selbstbeschaffte Leistung besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX (zweite Alternative) auch dann, wenn eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden ist. Das ist der Fall, wenn auf die begehrte Leistung ein Rechtsanspruch besteht, der zuständige Rehabilitationsträger aber einen ablehnenden Bescheid erlassen hat. In diesem Fall kann gegen den ablehnenden Bescheid zwar Widerspruch eingelegt und nach einem ablehnenden Bescheid auch Klage erhoben werden. Das Widerspruchsverfahren und das Gerichtsverfahren nehmen aber eine mit unter sehr lange Zeit in Anspruch. Der Betroffene kann sich deshalb nachdem der ablehnende Bescheid ergangen ist die begehrte Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung geltend machen. Er muss den Ausgang des Widerspruchverfahrens nicht abwarten. Allerdings trägt er das volle Kostenrisiko, wenn sich im Rechtsstreit ergibt, dass die Ablehnung zurecht erfolgt war.

15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bzw. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, jeweils zweite Variante, setzt das Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs)anspruches des Versicherten, dessen rechtswidrige Nichterfüllung und Ablehnung durch den Versicherungsträger, die Selbstbeschaffung der Leistung durch den Versicherten, einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, die Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und eine rechtlich wirksame Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung voraus (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R).

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn dem Rehabilitationsträger für seine Entscheidung ein Ermessen zusteht. Vgl. dazu Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 21. Januar 2015 – L 2 AL 37/12 –, juris Rn. 25 In diesem Fall müssen nicht nur alle Tatbestandsmerkmale für den Erstattungsanspruch gegeben sein, sondern es muss trotz des dem Rehabilitationsträger zustehenden Ermessens jede andere Entscheidung als die begehrte Leistung falsch sein. Das ist der Fall, wenn das Ermessen auf null reduziert ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2014 - L 11 R 2652/13, juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. Februar 2014 - L 7 AS 86/14 B ER, juris). Eine Ermessensreduzierung auf Null setzt nach allgemeinen Kriterien voraus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt das Vorliegen von Umständen ausgeschlossen ist, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei zulassen (BSG, Urteil vom 4. Februar 1988 - 11 RAr 26/87, SozR 1300 § 45 Nr. 34).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.1.2.4 Wunsch- und Wahlrecht

9 SGB IX räumt ein erweitertes Wunsch- und Wahlrecht ein. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Die gegen­über dem bisherigen Recht, insbesondere gegenüber § 33 SGB I, in § 9 SGB IX erweiterten Wunsch- und Wahl­rechte sind Ausdruck des allgemeinen Gesetzesziels, den behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen bei der Ausführung von Leistungen zur Teil­habe einen möglichst weitgehenden Raum zur Mitge­staltung und Mitwirkung zu lassen“ (BT-Drucks. 14/5074, Abschn. A 114 S. 95; Abschn. B S. 98 zu § 1).

33 SGB I, welcher generell für das Sozialrecht gilt, lautet:

Ausgestaltung von Rechten und Pflichten

Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.“

Demgegenüber lautet § 9 SGB IX:

Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten

  • Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; im Übrigen gilt § 33 des Ersten Buches. Den besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonderen Bedürfnissen behinderter Kinder wird Rechnung getragen.
  • Sachleistungen zur Teilhabe, die nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind, können auf Antrag der Leistungsberechtigten als Geldleistungen erbracht werden, wenn die Leistungen hierdurch voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest gleichwertig ausgeführt werden können. Für die Beurteilung der Wirksamkeit stellen die Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger geeignete Unterlagen zur Verfügung. Der Rehabilitationsträger begründet durch Bescheid, wenn er den Wünschen des Leistungsberechtigten nach den Absätzen 1 und 2 nicht entspricht.
  • Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung.
  • Die Leistungen zur Teilhabe bedürfen der Zustimmung der Leistungsberechtigten.“

Zu beachten ist, dass Wünsche, die sich auf die Aus­wahl der Reha-Dienste oder Reha-Einrichtungen oder den Leistungsort erstrecken, nur berechtigt sind, wenn sie sich im Rahmen des Leistungsrechts und der Reha­bilitationsziele halten. Es muss also eine Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung vorhanden sein. Ferner muss zwischen dem Rehabilitationsträger und der vom Leis­tungsberechtigten ausgewählten Einrichtung ein Vertrag nach § 21 SGB IX abgeschlossen sein.

Da nach § 9 Abs. 2 SGB IX auf Antrag der Berechtigten an Stelle von Sachleistungen, welche nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind, Geldleistungen erbracht werden können, ist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Gewährung eines persönlichen Budgets nach § 17 Abs. 2 - 6 SGB IX hinzuweisen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2. Vorbemerkung und Überblick über das SGB IX und das SGB III

Im Folgenden werden der Gesetzesaufbau und Grundsätze des SGB IX und des SGB III, welche für die berufliche Teilhabe behinderter Menschen eine große Rolle spielen, kurz vorgestellt. Das SGB IX ist stets insoweit zu beachten, als in vorrangigen Gesetzen keine Spezialregelungen enthalten sind und alle Leistungsträger zur Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit verpflichtet sind (vgl. §§ 7, 11, 38 SGB IX). Im Zusammenhang mit Umfang und Inhalt der Leistungspflicht der Rehabilitationsträger ist hier besonders auf § 33 SGB IX „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ hinzuweisen.

Damit die berufliche Teilhabe behinderter Menschen gelingt, ist sowohl für sie als auch für in Frage kommende Arbeitgeber eine zielgerichtete Beratung erforderlich. Im Bereich der Berufsberatung kommt der Bundesagentur für Arbeit schon aufgrund der bei ihr vorhandenen Informationen, Fachdienste und Instrumente eine Schlüsselstellung zu. Das gilt auch in der Zusammenarbeit mit anderen Rehabilitationsträgern.

Die Aufgaben der Bundesagentur bei der Förderung der beruflichen Teilhabe behinderter Menschen werden in § 104 SGB IX besonders hervorgehoben. Dazu gehören nach Abs. 1 auch die Berufsberatung behinderter Menschen und die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen.

Auf die Beratungs- und Vermittlungstätigkeit der Agentur für Arbeit besteht ein Rechtsanspruch der Berechtigten. Sie erfolgt für behinderte Menschen stets und für Arbeitgeber grundsätzlich unentgeltlich (§ 42 SGB III). Vgl. zur Beratung näher Abschnitt 3 mit Unterpunkten dieses Heftes.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.1 Das SGB IX

Das SGB IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ vom 19. Juni 2001 (BGBl I 2001, S. 1046, 1047) ist in zwei Teile aufgeteilt.

Das SGB IX fasst in seinem Ersten Teil bisher im Sozialrecht verstreute allgemeine „Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen" zu Rehabilitationsleistungen unter dem neuen Begriff der Teilhabe zusammen (§§ 1 - 67 SGB IX) und kodifiziert in seinem Zweiten Teil das Schwerbehindertenrecht (§§ 68 - 160 SGB IX).

Die medizinischen, beruflichen, ergänzenden und sozialen Leistungen sind einzeln und in ihrer Gesamt­heit darauf gerichtet, schnell, wirkungsvoll, wirtschaftlich und auf Dauer die Teilhabe der behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen an der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsleben, zu erreichen. Ihrem Ziel entsprechend sind die Leistungen unter dem Begriff „Leistungen zur Teilhabe" zusammengefasst (BT Drucks. 14/5074, Abschn. A I und 11 1). Der Gesetzgeber hat weitgehend den seit vielen Jahrzehnten gebräuchlichen Begriff „Rehabilitation" in vielen Vor­schriften und den der „Eingliederung Behinderter" (§ 10 SGB I) vollständig durch den Sammel­begriff „Teilhabe" ersetzt. So werden z. B. die „Berufsfördernden Leistungen" des bisherigen Rechts nunmehr als „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" bezeich­net. Der Begriff der Teilhabe, der an die Stelle des passiv geprägten Begriffes der „Eingliederung“ getreten ist, betont demgegenüber aktives Han­deln, Selbstbestimmung und Mitwirkung.

Teil 1 „Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen“ (§§ 1 - 67) enthält Zielsetzungen, Begriffsbestimmungen, z. B. Behinderung, Regelungen zu Zuständigkeiten und zum Rehabilitationsverfahren sowie zur Harmonisierung des Rehabilitationsrechts.

Es enthält folgende Kapitel:

  • Kapitel 1 Allgemeine Regelungen (§§ 1 ff.) mit den Bestimmungen über die Zielsetzung, Begriffe und Grundsätze, Leistungsarten, Rehabilitationsträger und ihre Zuständigkeit und Zusammenarbeit,
  • Kapitel 2 Ausführung von Leistungen zur Teilhabe (§§ 17 ff.),
  • Kapitel 3 Gemeinsame Servicestellen (§§ 22 ff.),
  • Kapitel 4 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§§ 26 ff.),
  • Kapitel 5 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 ff.),
  • Kapitel 6 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§§ 44 ff.),
  • Kapitel 7 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 55 ff.),
  • Kapitel 8 Sicherung und Koordinierung der Teilhabe (§§ 60 ff.).

Teil 2 „Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen“ §§ 68 - 160) enthält die früher im Schwerbehindertengesetz enthaltenen Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts. Die Regelungen des Teiles 2 gelten unmittelbar. Sie wirken sich weitgehend auf das Arbeitsrecht aus, befinden sich also im Überschneidungsbereich von Arbeitsrecht und Sozialrecht.

Teil 2 enthält folgende Kapitel:

  • Kapitel 1 Geschützter Personenkreis (§§ 68 ff. mit Bestimmungen über den Geltungsbereich, die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und die Erteilung von Ausweisen),
  • Kapitel 2 Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber (§§ 71 ff.),
  • Kapitel 3 Sonstige Pflichten der Arbeitgeber; Rechte der schwerbehinderten Menschen (§§ 80 ff.),
  • Kapitel 4 Kündigungsschutz (§§ 85 ff.),
  • Kapitel 5 Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, Schwerbehindertenvertretung, Beauftragter des Arbeitgebers (§§ 93 ff.),
  • Kapitel 6 Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (§§ 101 ff. mit Bestimmungen über die Aufgaben und die Zusammenarbeit der Integrationsämter (früher Hauptfürsorgestellen genannt) und der Bundesagentur),
  • Kapitel 7 Integrationsfachdienste (§§ 109 ff.),
  • Kapitel 8 Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter und gleichgestellter behinderter Menschen (§§ 116 ff.),
  • Kapitel 9 Widerspruchsverfahren (§§ 118 ff.),
  • Kapitel 10 Sonstige Vorschriften (§§ 122 ff. mit Bestimmungen z. B. über den Zusatzurlaub und sonstige Nachteilsausgleiche),
  • Kapitel 11 Integrationsprojekte (§§ 132 ff.),
  • Kapitel 12 Werkstätten für behinderte Menschen (§§ 136 ff., wobei sich § 143 auf Blindenwerkstätten bezieht),
  • Kapitel 13 Unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr (§§ 145 ff.),
  • Kapitel 14 Straf-, Bußgeld- und Schlussvorschriften (§§ 155 ff.).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.2 Das SGB III

Das Recht der Arbeitsförderung ist im SGB III vom 24. März 1997, gültig ab 1. Januar 1998, geregelt. Das SGB III ist das Spezialgesetz für die Aufgaben und Tätigkeiten der Bundesagentur für Arbeit. Bei der Rechtsanwendung muss das Zusammenspiel mit dem SGB IX beachtet werden. Die Bundesagentur für Arbeit ist Gem. § 6 SGB IX Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 bis 43 SGB IX) sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§§ 44 bis 54 SGB IX). Diese Vorschriften des SGB IX gelten gem. § 7 Satz 1 SGB IX für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus dem SGB III nichts Abweichendes ergibt.

Die Ziele der Arbeitsförderung sind in § 1 Abs. 1 und 2 SGB III wie folgt beschrieben:

„(1) Die Arbeitsförderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Dabei ist insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Die Arbeitsförderung soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie ist so auszurichten, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entspricht.

(2) Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen insbesondere

  1. die Transparenz auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erhöhen, die berufliche und regionale Mobilität unterstützen und die zügige Besetzung offener Stellen ermöglichen,
  2. die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten fördern,
  3. unterwertiger Beschäftigung entgegenwirken und
  4. die berufliche Situation von Frauen verbessern, indem sie auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung eines geschlechtsspezifisch geprägten Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinwirken und Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gefördert werden.“

Die Bundesagentur für Arbeit ist gem. § 6a Satz 1 SGB IX auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinn des SGB II, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Dazu vgl. Abschnitt 6 „Förderung der beruflichen Eingliederung nach dem SGB II“ mit Unterpunkten.

Eine weitere wichtige Aufgabe weist § 38 SGB IX der Bundesagentur für Arbeit in der Zusammenarbeit mit anderen Rehabilitationsträgern zu. Danach nimmt die Bundesagentur für Arbeit auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung. Dies gilt auch, wenn sich die Leistungsberechtigten in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der medizinischen oder der medizinisch-beruflichen Rehabilitation aufhalten.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.2.1 Aufbau des SGB III

Das SGB III ist in 13 Kapitel eingeteilt. Die speziellen Regelungen für die Teilhabe behinderter Menschen befinden sich im Dritten Kapitel, dort im Siebten Abschnitt (§§ 112 bis 129). Diese werden hier im Abschnitt 2.2.2.2 behandelt. Nun sind aber auch in den anderen Kapiteln Regelungen mit Bezug auf Behinderungen enthalten. Diese werden in der nachfolgenden Übersicht über die 13 Kapitel des SGB III vorgestellt.

Erstes Kapitel Allgemeine Vorschriften (§§ 1 ff.).

Es enthält im ersten Abschnitt die maßgebenden Grundsätze, wie z.B. die Ziele der Arbeitsförderung (§ 1), den Vorrang der Vermittlung (§ 4) und der aktiven Arbeitsförderung (§ 5), die Auswahl von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (§ 7), die Zusammenarbeit mit den für die Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchenden zuständigen gemeinsamen Einrichtungen und zugelassenen kommunalen Trägern (§ 9a).

Im zweiten Abschnitt (§§ 12 ff.) wird geregelt, wer Berechtigt ist, z.B. Arbeitslose (§ 16), von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen (§ 17) und Langzeitarbeitslose (§ 18).

§ 19 „Behinderte Menschen“ sind nicht nur Personen mit einer Behinderung im Sinn von § 2 SGB IX, sondern darüber hinaus auch lernbehinderte Menschen entsprechend den Regelungen für behinderte Menschen im SGB III berechtigt. § 19 SGB III lautet:

„(1) Behindert im Sinne dieses Buches sind Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buches nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen. (2) Behinderten Menschen stehen Menschen gleich, denen eine Behinderung mit den in Absatz 1 genannten Folgen droht.“

Im dritten Abschnitt ist das Verhältnis der Leistungen aktiver Arbeitsförderung zu anderen Leistungen geregelt. Nach § 22 Abs. 1 SGB III dürfen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nur erbracht werden, wenn nicht andere Leistungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind. Nach § 23 SGB III ist die Arbeitsverwaltung aber zur Vorleistung verpflichtet “solange und soweit eine vorrangige Stelle Leistungen nicht gewährt“.

Zweites Kapitel Versicherungspflicht (§§ 24 ff.).

Drittes Kapitel Aktive Arbeitsförderung (§§ 29 ff.)

In diesem umfangreichen Kapitel wird die Situation behinderter Menschen in folgenden §§ berücksichtigt:

37 Potenzialanalyse und Eingliederungsvereinbarung. Bei der nach § 37 Abs. 2 abzuschließenden Eingliederungsvereinbarung sollen die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen „angemessen berücksichtigt werden.

§ 45 Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.

§ 46 Probebeschäftigung und Arbeitshilfe für behinderte Menschen. Nach Abs. 1 können Arbeitgebern die Kosten für eine befristete Probebeschäftigung behinderter, schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen im Sinne des § 2 des Neunten Buches bis zu einer Dauer von drei Monaten erstattet werden, wenn dadurch die Möglichkeit einer Teilhabe am Arbeitsleben verbessert wird oder eine vollständige und dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen ist.

§ 48 Berufsorientierungsmaßnahmen. Nach Abs. 2 sollen die besonderen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und von schwerbehinderten Schülerinnen und Schülern bei der Ausgestaltung der Maßnahmen zur vertieften Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung berücksichtigt werden.

§ 73 Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung behinderter und schwerbehinderter Menschen. Dazu vgl. näher Abschnitt 2.2.3. „Ergänzende Hinweise auf Leistungen an Arbeitgeber zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“

§ 90 Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Menschen. Dazu vgl. näher Abschnitt 2.2.3. „Ergänzende Hinweise auf Leistungen an Arbeitgeber zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“

Für die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben sind insbesondere die Regelungen im siebten Abschnitt des dritten Kapitels mit der Überschrift „Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“ mit den §§ 112 bis 129 von Bedeutung. Auf diese wird im Abschnitt 2.2.2.2 dieses Heftes besonders eingegangen.

Viertes Kapitel Arbeitslosengeld und Insolvenzgeld (§§ 136 ff).

Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 SGB III wird das Arbeitslosengeld weiterbezahlt, wenn durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird dass infolge einer Behinderung eines Kindes eine Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege erforderlich ist und eine andere im Haushalt lebende Person diese Aufgabe nicht übernehmen kann. Das Arbeitslosengeld wird jedoch für nicht mehr als 25 Tage, für Alleinerziehende 50 Tage pro Kalenderjahr fortgezahlt.

  • Fünftes Kapitel Zulassung von Trägern und Maßnahmen (§§ 176 ff.).
  • Sechstes Kapitel Leistungen an Träger (weggefallen)
  • Siebtes Kapitel Weitere Aufgaben der Bundesagentur (§§ 280 ff.)
  • Achtes Kapitel Pflichten (§§ 309 ff.)
  • Neuntes Kapitel Gemeinsame Vorschriften für Leistungen (§§ 323 ff.).
  • Zehntes Kapitel Finanzierung (§§ 340 ff.)

Nach § 344 Abs. 3 SGB III ist für behinderte Menschen, die in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder Blindenwerkstätte (§ 143 SGB IX) beschäftigt sind, als beitragspflichtige Einnahme das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe von 20 Prozent der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen. Nach § 346 Abs. 2 SGB III trägt der Arbeitgeber die Beiträge allein, wenn das monatliche Bruttoarbeitsentgelt ein Fünftel der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt.

  • Elftes Kapitel Organisation und Datenschutz (§§ 367 ff.).
  • Zwölftes Kapitel Bußgeldvorschriften (§§ 404 ff.)
  • Dreizehntes Kapitel Sonderregelungen (§§ 408 ff.).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.2.2 Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben

Für die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben sind die speziellen Regelungen im siebenten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB III (§§ 112 bis 129) zusammengefasst. Von wesentlicher Bedeutung im Hinblick auf die Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben sind zudem die für alle Reha-Träger gleichermaßen verbindlichen Regelungen des SGB IX. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf die §§ 33 bis 43 SGB IX über die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und §§ 44 bis 54 SGB IX über unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.2.2.1 Grundsätze

Der siebte Abschnitt des dritten Kapitels enthält im ersten Unterabschnitt (§§ 112 bis 114) die zu beachtenden Grundsätze.

Behinderten Menschen können nach § 112 Abs. 1 SGB III Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Die Formulierung in § 112 Abs. 1 SGB III stimmt mit § 33 Abs. 1 SGB IX wortgleich überein.

Bei der Auswahl der Leistungen sind nach § 112 Abs. 2 Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine „Abklärung der beruflichen Eignung“ (früher als Berufsfindungsmaßnahme bezeichnet) oder eine Arbeitserprobung ein (so auch § 33 Abs. 4 SGB IX).

Bei Teilnahme an einer Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung oder an einer Arbeitserprobung werden alle weiteren in Zusammenhang mit der Teilnahme stehenden Kosten (z.B. Lehrgangsgebühren, Reisekosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Haushaltshilfe/Kinderbetreuung) erstattet (§ 33 Abs. 4 SGB IX).

Voraussetzung für die Leistungen ist, dass eine Erfolg versprechende Prognose vorliegt, aus der u.a. hervorgeht, dass der behinderte Mensch das Ziel der Maßnahme mit einiger Wahrscheinlichkeit erreichen wird und innerhalb angemessener Zeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in eine Werkstatt für behinderte Menschen vermittelt werden kann. Der Gesetzgeber verlangt in § 112 Abs. 1 SGB III ausdrücklich, dass nur die Leistungen erbracht werden, die wegen Art und Schwere der Behinderung auch erforderlich sind. Die Vorschrift folgt damit zum einem dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zum anderen muss den behinderungsbedingten Notwendigkeiten entsprochen werden.

Als Leistungen zur Teilhabe können für behinderte Menschen nach § 113 Abs. 1 SGB III allgemeine Leistungen, wie sie auch nichtbehinderten Menschen gewährt werden, sowie besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen erbracht werden. Besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden nach § 113 Abs. 2 SGB III nur erbracht, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann.

Nach § 114 SGB III richten sich die allgemeinen und besonderen Leistungen nach den Bestimmungen im zweiten bis fünften Abschnitt des dritten Kapitels des SGB III, soweit in den §§ 115 ff. SGB III nichts abweichendes bestimmt ist.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.2.2.2 allgemeine Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben

Der Zweite Unterabschnitt (§§ 115 und 116) regelt die allgemeinen Leistungen. Sie umfassen nach § 115 Abs. 3 SGB III

  1. Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (dazu drittes Kapitel zweiter Abschnitt §§ 44 ff. SGB III),
  2. Leistungen zur Förderung der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung einschließlich der Berufsausbildungsbeihilfe und der assistierten Ausbildung (dazu drittes Kapitel dritter Abschnitt §§ 51 ff. SGB III),
  3. Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (dazu drittes Kapitel vierter Abschnitt §§ 81 ff. SGB III),
  4. Leistungen zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (dazu drittes Kapitel fünfter Abschnitt, zweiter Unterabschnitt §§ 93 f. SGB III).

Besonderheiten, welche für behinderte Menschen bei den „allgemeinen Leistungen“ gelten, enthält § 116 SGB III. Dieser lautet:

„(1) Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§§ 44 ff. SGB III) können auch erbracht werden, wenn behinderte Menschen nicht arbeitslos sind und durch diese Leistungen eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann.

(2) Förderungsfähig sind auch berufliche Aus- und Weiterbildungen, die im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung abweichend von den Ausbildungsordnungen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe oder in Sonderformen für behinderte Menschen durchgeführt werden (dazu vgl. Abschnitt 4.2.1 dieses Heftes).

(3) Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 56 ff. SGB III) besteht auch, wenn der behinderte Mensch während der Berufsausbildung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt. In diesen Fällen beträgt der allgemeine Bedarf 316 Euro monatlich. Er beträgt 397 Euro, wenn der behinderte Mensch verheiratet ist, eine Lebenspartnerschaft führt oder das 21. Lebensjahr vollendet hat.

(4) Eine Verlängerung der Ausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus, eine Wiederholung der Ausbildung ganz oder in Teilen oder eine erneute Berufsausbildung wird gefördert, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann.

(5) Berufliche Weiterbildung (§§ 81 ff. SGB III) kann auch gefördert werden, wenn behinderte Menschen

  1. nicht arbeitslos sind,
  2. als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind oder
  3. einer längeren Förderung als nichtbehinderte Menschen oder einer erneuten Förderung bedürfen, um am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben.

Förderungsfähig sind auch schulische Ausbildungen, deren Abschluss für die Weiterbildung erforderlich ist.“

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.2.2.3 besondere Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben

Der Dritte Unterabschnitt zu den „besonderen Leistungen“ beginnt mit dem in § 117 geregelten „Grundsatz“. Danach sind die „besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen, insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen,

  1. wenn Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme
    a) an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder
    b) einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichtete Maßnahme unerlässlich machen oder
  2. die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.

In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden.

Solche besonderen Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen sind z. B. Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke sowie Werkstätten für behinderte Menschen. Vgl. dazu §§ 35 bis 38 SGB IX.

Nach § 117 Abs. 2 SGB III werden Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen (§ 136 SGB IX) nach § 40 des SGB IX erbracht. Dieser lautet:

§ 40 Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich

Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten behinderte Menschen

  1. im Eingangsverfahren zur Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen, und um einen Eingliederungsplan zu erstellen,
  2. im Berufsbildungsbereich, wenn die Leistungen erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136 zu erbringen.

(2) Die Leistungen im Eingangsverfahren werden für drei Monate erbracht. Die Leistungsdauer kann auf bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn während des Eingangsverfahrens im Einzelfall festgestellt wird, dass eine kürzere Leistungsdauer ausreichend ist.

(3) Die Leistungen im Berufsbildungsbereich werden für zwei Jahre erbracht. Sie werden in der Regel für ein Jahr bewilligt. Sie werden für ein weiteres Jahr bewilligt, wenn auf Grund einer rechtzeitig vor Ablauf des Förderzeitraums nach Satz 2 abzugebenden fachlichen Stellungnahme die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen weiterentwickelt oder wiedergewonnen werden kann.

(4) Zeiten der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung nach § 38a werden zur Hälfte auf die Dauer des Berufsbildungsbereichs angerechnet. Allerdings dürfen die Zeiten individueller betrieblicher Qualifizierung und des Berufsbildungsbereichs insgesamt nicht mehr als 36 Monate betragen.“

Die besonderen Leistungen umfassen nach § 118 Satz 1 SGB III:

  1. das Übergangsgeld,
  2. das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann,
  3. die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Die Leistungen können nach § 118 Satz 2 SGB III auf Antrag auch als Teil eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets erbracht werden; § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 SGB IX finden Anwendung.

Spezielle Regelungen für die besonderen Leistungen finden sich:

  • Im zweiten Titel zum Übergangs- und Ausbildungsgeld (§§ 119 bis § 126),
  • Im dritten Titel zu den Teilnahmekosten für Maßnahmen (§§ 127 und 128).

Nach § 119 SGB III haben behinderte Menschen Anspruch auf Übergangsgeld, wenn die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a SGB IX oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden. Im Übrigen gelten die Vorschriften des SGB IX, 1. Teil Kapitels 6, soweit im SGB III nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 120 SGB III ist die Vorbeschäftigungszeit, welche für das Übergangsgeld bestehen muss erfüllt, wenn der behinderte Mensch innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Teilnahme mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind und er Leistungen beantragt hat. Nach § 121 SGB III kann ein behinderter Mensch auch dann Übergangsgeld erhalten, wenn zwar die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit nach § 120 SGB III nicht erfüllt ist, jedoch innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Teilnahme an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a SGB IX oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung durch den behinderten Menschen ein Berufsausbildungsabschluss auf Grund einer Zulassung zur Prüfung nach § 43 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes oder sein Prüfungszeugnis auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 50 Absatz 1 des Berufsbildungsgesetzes oder § 40 Absatz 1 der Handwerksordnung dem Zeugnis über das Bestehen der Abschlussprüfung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung anerkannten Ausbildungsberuf gleichgestellt worden ist. Der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Zeiten, in denen der behinderte Mensch nach dem Erwerb des Prüfungszeugnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet war.

Wenn Übergangsgeld nach den §§ 120 oder 121 SGB III nicht gezahlt werden kann, haben Behinderte Menschen nach § 122 Abs. 1 SGB III Anspruch auf Ausbildungsgeld während

  1. einer Berufsausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,
  2. einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a des SGB IX und
  3. einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Für das Ausbildungsgeld gelten gem. § 122 Abs. 2 SGB III die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

Der bei der Ermittlung des Leistungsumfanges anzusetzende Bedarf ergibt sich bei der Berufsausbildung aus § 123 SGB III, bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, bei Unterstützter Beschäftigung und bei Grundausbildung aus § 124 SGB III und bei Maßnahmen in Werkstätten für behinderte Menschen aus § 125 SGB III.

Welches Einkommen auf den den §§ 123, 124 und 125 SGB III zu entnehmenden Bedarf angerechnet wird bzw. anrechnungsfrei bleibt, ergibt sich aus § 126 SGB III. Dieser lautet:

§ 126 Einkommensanrechnung

(1) Das Einkommen, das ein behinderter Mensch während einer Maßnahme in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erzielt, wird nicht auf den Bedarf angerechnet.

(2) Anrechnungsfrei bei der Einkommensanrechnung bleibt im Übrigen das Einkommen

  1. des behinderten Menschen aus Waisenrenten, Waisengeld oder aus Unterhaltsleistungen bis zu 242 Euro monatlich
  2. der Eltern bis zu 2 909 Euro monatlich, des verwitweten Elternteils oder, bei getrennt lebenden Eltern, das Einkommen des Elternteils, bei dem der behinderte Mensch lebt, ohne Anrechnung des Einkommens des anderen Elternteils, bis zu 1 813 Euro monatlich und
  3. der Ehegattin oder des Ehegatten oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners bis zu 1 813 Euro monatlich."

Die Teilnahmekosten für die erforderlichen Maßnahmen bestimmen sich gem. § 127 Abs.1 SGB III nach den §§ 33 „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“, 44 „ergänzende Leistungen“, 53 „Reisekosten“ und 54 „Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten“ SGB IX. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Sonderfälle der Unterkunft und Verpflegung. Die Teilnahmekosten können ferner Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während der und im Anschluss an die Maßnahme einschließen (§ 127 Abs. 2 SGB III).

Wenn behinderte Menschen während einer Maßnahme auswärtig untergebracht werden, aber nicht in einem Wohnheim, Internat, einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder bei der oder dem Ausbildenden mit voller Verpflegung, so wird ein Betrag in Höhe von 269 Euro monatlich zuzüglich der nachgewiesenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen erbracht (§ 128 SGB III).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

2.2.3 Ergänzende Hinweise auf Leistungen an Arbeitgeber

Die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben wird nicht nur durch die ihnen zu gewährenden Leistungen nach den §§ 33 ff. des SGB IX sowie den Regelungen in den Spezialgesetzen, z.B. nach den §§ 112 bis 128 SGB III, sondern auch durch Leistungen an Arbeitgeber gefördert.

Alle Rehabilitationsträger sowie die Integrationsämter beraten Arbeitgeber grundsätzlich unentgeltlich über die für sie möglichen Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Für die Beratung zur behinderungsgerechten Ausstattung neuer oder vorhandener Arbeitsplätze stehen Technische Beratungsdienste der Rehabilitationsträger zur Verfügung.

Die Infobroschüre Behinderte Menschen im Beruf - Leistungen an Arbeitgeber der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) bietet einen Überblick über die Leistungen, die Voraussetzungen und die zuständige Bewilligungsstelle.

Welche Leistungen an Arbeitgeber insbesondere in Frage kommen, ist § 34 SGB IX zu entnehmen. Dieser lautet:

§ 34 Leistungen an Arbeitgeber

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 (SGB IX) können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als

  1. Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,
  2. Eingliederungszuschüsse,
  3. Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb,
  4. teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.

Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden.

(2) Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden und sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr zu zahlenden monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen.

(3) Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 betragen höchstens 50 vom Hundert der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen; die Leistungen sollen im Regelfall für nicht mehr als ein Jahr geleistet werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Leistungen um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren erbracht werden. Werden sie für mehr als ein Jahr geleistet, sind sie entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe, mindestens um zehn Prozentpunkte, zu vermindern. Bei der Berechnung nach Satz 1 wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Eingliederungszuschüsse werden zurückgezahlt, wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden; dies gilt nicht, wenn

  1. die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder
  2. die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen.

Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; ungeförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt.“

Welche Leistungen die Integrationsämter an Arbeitgeber erbringen können, ergibt sich aus § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX. Es kann im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an Arbeitgeber auch Geldleistungen erbringen, insbesondere

  1. zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen,
  2. für Zuschüsse zu Gebühren, insbesondere Prüfungsgebühren, bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener,
  3. für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, die für die Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 68 Abs. 4 SGB IX gleichgestellt worden sind,
  4. für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements und
  5. für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d SGB IX sowie von schwerbehinderten Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder im Sinne des § 75 Abs. 2 SGB IX verbunden sind, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde.

Leistungen an Arbeitgeber enthält auch das dritte Kapitel des SGB III.

§ 46 SGB III Probebeschäftigung und Arbeitshilfe für behinderte Menschen lautet:

„(1) Arbeitgebern können die Kosten für eine befristete Probebeschäftigung behinderter, schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen im Sinne des § 2 des Neunten Buches bis zu einer Dauer von drei Monaten erstattet werden, wenn dadurch die Möglichkeit einer Teilhabe am Arbeitsleben verbessert wird oder eine vollständige und dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen ist.

(2) Arbeitgeber können Zuschüsse für eine behindertengerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen erhalten, soweit dies erforderlich ist, um die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen oder zu sichern und eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers nach dem Teil 2 des Neunten Buches nicht besteht.“

Zuschüsse sind zur Ausbildungsvergütung behinderter und schwerbehinderter Menschen möglich.

Nach § 73 Abs. 1 SGB III können Arbeitgeber für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung behinderter und schwerbehinderter Menschen im Sinn von § 104 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe e des SGB IX, d.h. wenn diese zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden, durch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder einer vergleichbaren Vergütung gefördert werden, wenn die Aus- oder Weiterbildung sonst nicht zu erreichen ist.Die monatlichen Zuschüsse sollen gem. § 73 Abs. 2 SGB III regelmäßig 60 Prozent, bei schwerbehinderten Menschen 80 Prozent der monatlichen Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr oder der vergleichbaren Vergütung einschließlich des darauf entfallenden pauschalierten Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht übersteigen. In begründeten Ausnahmefällen können Zuschüsse jeweils bis zur Höhe der Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr erbracht werden.

Nach § 73 Abs. 3 SGB III kann ein Eingliederungszuschuss in Höhe von bis zu 70 % des nach § 91 SGB III zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts für die Dauer eines Jahres gewährt werden, wenn schwerbehinderte Menschen im Anschluss an eine abgeschlossene Aus- oder Weiterbildung vom ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden, sofern während der Aus- oder Weiterbildung Zuschüsse erbracht wurden.

Die Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben kann durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses gefördert werden. Nach § 88 SGB III können Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen sogenannten „Eingliederungszuschuss“ zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten. Für behinderte und schwerbehinderte Menschen kann der Eingliederungszuschuss gem. § 90 Abs. 1 SGB III bis zu 70 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu 24 Monate betragen. Für schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 104 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a bis d des SGB IX und ihnen nach § 2 Abs. 3 des SGB IX von den Agenturen für Arbeit gleichgestellte behinderte Menschen, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist (besonders betroffene schwerbehinderte Menschen), kann der Eingliederungszuschuss bis zu 70 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu 60 Monate, Bei besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, sogar bis zu 96 Monate betragen (§ 90 Abs. 2 SGB IX). Bei der Entscheidung über Höhe und Dauer der Förderung von schwerbehinderten und besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen ist gem. § 90 Abs. 3 SGB III zu berücksichtigen, ob der schwerbehinderte Mensch ohne gesetzliche Verpflichtung oder über die Beschäftigungspflicht nach dem Teil 2 des SGB IX hinaus eingestellt und beschäftigt wird. Nach Ablauf von zwölf Monaten ist die Höhe des Eingliederungszuschusses um zehn Prozentpunkte jährlich zu vermindern. Sie darf 30 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts nicht unterschreiten.

Der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen ist erst nach Ablauf von 24 Monaten zu vermindern (§ 90 Abs. 4 SGB III).

Besonders betroffene schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 104 Absatz 1Nummer 3 Buchstabe a bis d des SGB IX sind schwerbehinderte Menschen,

  1. die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im Arbeitsleben besonders betroffen sind (§ 72 Abs. 1 SGB IX),
  2. die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des SGB III, also ein Jahr und länger arbeitslos sind,
  3. die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder einem Integrationsprojekt eingestellt werden,
  4. die als Teilzeitbeschäftigte eingestellt werden

Für den Eingliederungszuschuss ist gem. § 91 SGB III das vom Arbeitgeber regelmäßig bezahlte Arbeitsentgelt, soweit es das tarifliche Arbeitsentgelt oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, das für vergleichbare Tätigkeiten ortsübliche Arbeitsentgelt und soweit es die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht überschreitet sowie der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu berücksichtigen. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wird nicht berücksichtigt. Der Eingliederungszuschuss wird zu Beginn der Maßnahme in monatlichen Festbeträgen für die Förderdauer festgelegt. § 92 SGB III bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Förderung ausgeschlossen ist oder der Eingliederungszuschuss ganz oder teilweise zurückbezahlt werden muss.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


3. Beratung zur Teilhabe am Berufsleben - Hinweise auf weitere Leistungen

Zu Beginn einer Berufslaufbahn, aber auch für die berufliche Weiterentwicklung oder Neuorientierung ist eine umfassende Beratung sowohl hinsichtlich der gegebenen Möglichkeiten als auch der im Sozialrecht zur Verfügung stehenden Förderung unverzichtbar. Nach § 14 SGB I besteht gegenüber dem jeweils zuständigen Leistungsträger ein Anspruch auf Beratung. Leistungsträger, und damit zur Beratung verpflichtet, sind nach § 6 SGB IX für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die Träger der Sozialhilfe.

Im Bereich der Berufsberatung kommt der Bundesagentur für Arbeit schon aufgrund der bei ihr vorhandenen Informationen, Fachdienste und Instrumente eine Schlüsselstellung zu. Das gilt auch in der Zusammenarbeit mit anderen Rehabilitationsträgern. Die Bundesagentur für Arbeit gliedert sich in drei Ebenen:

  • die Zentrale in Nürnberg auf der oberen Verwaltungsebene,
  • die Regionaldirektionen auf der regionalen (mittleren) Verwaltungsebene,
  • die Agenturen für Arbeit mit ihren Geschäftsstellen auf der örtlichen Ebene.

Die Agentur für Arbeit nimmt nach § 38 SGB IX auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung ihrer sich aus der Situation auf dem Arbeitsmarkt ergebenden Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung. Dies gilt auch, wenn sich die Leistungsberechtigten in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der medizinischen oder der medizinisch-beruflichen Rehabilitation aufhalten. Vgl. dazu auch die §§ 11 und 12 SGB IX.

Die Aufgaben der Bundesagentur bei der Förderung der beruflichen Teilhabe behinderter Menschen wird in § 104 SGB IX besonders hervorgehoben. Dazu gehören nach Abs. 1 auch die Berufsberatung behinderter Menschen und die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen. Im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber nach § 104 Abs. 1 Nr. 2 hat die Bundesagentur für Arbeit gemäß Abs. 5 dem Arbeitgeber zur Besetzung von Arbeitsplätzen geeignete arbeitslose oder Arbeit suchende schwerbehinderte Menschen unter Darlegung der Leistungsfähigkeit und der Auswirkungen der jeweiligen Behinderung auf die angebotene Stelle vorzuschlagen, ihre Fördermöglichkeiten aufzuzeigen. So weit wie möglich und erforderlich, hat sie auch auf die entsprechenden Hilfen der Rehabilitationsträger und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter hinzuweisen. Zur Durchführung der ihr im zweiten Teil des SGB IX und der ihr im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben richtet die Bundesagentur für Arbeit in allen Agenturen für Arbeit besondere Stellen ein (§ 104 Abs. 4 SGB IX).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

3.1 Berücksichtigung der Regelungen im SGB IX

Bei der Beratung behinderter Menschen sind die Bestimmungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (SGB IX §§ 33 bis 43 SGB IX) zu beachten. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsle­ben haben das Ziel, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähig­keit zu erhalten, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX).

Die Prognose, dass dieses Ziel im konkreten Fall erreichbar ist, gehört zu den Voraussetzungen, unter denen die Rehabilitationsträger eine individuell abgestimmte berufliche Hilfe leisten (BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr. 1 S. 5). § 33 Abs. 3 und 7 SGB IX enthalten eine nicht abschließende Liste gesetzlich vorgesehener Leistungen. Bei der Auswahl im Einzelfall werden Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemes­sen berücksichtigt; soweit erforderlich wird dabei „die berufliche Eignung abgeklärt" oder eine Arbeits­erprobung durchgeführt.

33 Abs. 3 enthält folgende Leistungen:

  1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen,
  2. Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,
    1. individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen unterstützter Beschäftigung,
  1. berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen,
  2. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,
  3. Gründungszuschuss entsprechend § 57 des Dritten Buches durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5,
  4. sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.

Nach § 33 Abs. 6 werden ebenso wie im Bereich der medizinischen Rehabili­tation nach § 26 SGB IX die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen medizinischen, psy­chologischen und pädagogischen Hilfen in einem gleich lautenden Katalog aufgeführt, nämlich:

  1. Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,
  2. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
  3. mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen,
  4. Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
  5. Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen,
  6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten.

Diese Aufzählung wird vervollständigt durch:

  1. Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
  2. Beteiligung von Integrationsfachdiensten im Rah­men ihrer Aufgabenstellung (§ 110 SGB IX).

All diese Maßnahmen müssen erforderlich sein, um die Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen oder zu sichern.

Nach § 33 Abs. 8 SGB IX, welcher auf Abs. 3 Nrn. 1 und 6 verweist, sind außerdem Hilfen zu dem Zweck vorgesehen, behinderten Menschen einen Arbeitsplatz, eine sonsti­ge Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu verschaffen oder zu erhalten, und zwar:

  1. Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung,
  2. den Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls des behinderten Menschen oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, einem Träger oder einer Einrichtung für behinderte Menschen durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5,
  3. die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes,
  4. Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können,
  5. Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und
  6. Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.

In § 34 SGB IX sind Leistungen geregelt, die an Arbeitgeber erbracht werden können. Auch diese Leistungen sind bei der Beurteilung der Berufschancen behinderter Menschen zu berücksichtigen.

34 Abs.1 SGB IX bestimmt:

„(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 (SGB IX) können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als

  1. Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,
  2. Eingliederungszuschüsse,
  3. Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb,
  4. teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.

Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden.“

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

3.2 Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB III haben die Arbeitsagenturen die Aufgabe, Arbeitnehmer zur Vorbereitung der Berufswahl und zur Erschließung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu beraten, Vermittlungsangebote zur Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme entsprechend ihren Fähigkeiten zu unterbreiten sowie sonstige Leistungen der Arbeitsförderung zu erbringen. Dabei handelt es sich um Leistungen der Arbeitsagenturen zur Berufsförderung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Auf die Beratungs- und Vermittlungstätigkeit besteht ein Rechtsanspruch der Berechtigten. Sie erfolgt grundsätzlich unentgeltlich (§ 42 SGB III).

Zu den in diesem Zusammenhang wichtigen Leistungen gehören ferner Maßnahmen der Eignungsfeststellung nach § 32 SGB III und Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten.

Solche auf die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen abgestellte Maßnahmen bieten die speziellen Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke an.

Die Einzelheiten zur Beratung sind im Dritten Kapitel, erster Abschnitt SGB III geregelt.

Nach § 29 Abs. 1 SGB III hat die Agentur für Arbeit Jugendlichen und Erwachsenen, die am Arbeitsleben teilnehmen oder teilnehmen wollen, Berufsberatung und Arbeitgebern Arbeitsmarktberatung anzubieten. Die Berufsberatung setzt kein Versicherungsverhältnis voraus. Nach § 30 SGB III umfasst die Berufsberatung die Erteilung von Auskunft und Rat

  1. zur Berufswahl, beruflichen Entwicklung und zum Berufswechsel,
  2. zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe,
  3. zu den Möglichkeiten der beruflichen Bildung,
  4. zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche und
  5. zu Leistungen der Arbeitsförderung.

Die Berufsberatung erstreckt sich auch auf die Erteilung von Auskunft und Rat zu Fragen der Ausbildungsförderung und der schulischen Bildung, soweit sie für die Berufswahl und die berufliche Bildung von Bedeutung sind. Bei der Berufsberatung sind Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Rat Suchenden sowie die Beschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Soweit dies für die Feststellung der Berufseignung oder Vermittlungsfähigkeit erforderlich ist, soll die Agentur für Arbeit Rat suchende Jugendliche und Erwachsene mit ihrem Einverständnis ärztlich und psychologisch untersuchen und begutachten (§ 32 SGB III). Bei Blinden und Sehbehinderten muss dabei unbedingt darauf geachtet werden, dass begutachtende Psychologen Erfahrungen mit diesem Personenkreis haben. Die üblicherweise angewandten Tests dürften häufig ungeeignet sein. Bei den speziellen Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken bestehen psychologische Dienste.

Die Arbeitsagenturen verfügen über spezielles Informationsmaterial, welches über für Blinde und Sehbehinderte erfahrungsgemäß geeignete Berufe informiert. Zu nennen sind, herausgegeben von der Bundesagentur für Arbeit:

  • Handbuch „Behinderte Jugendliche vor der Berufswahl" und
  • Wege zum Beruf. Medienpaket für Blinde. Lese-­ und Arbeitsheft in Punkt- und Schwarzschrift, Hör­kassette mit Berufsbildern, interaktives Computer­programm zur Berufswahl (auf Diskette, für PC mit Braillezeile),

erhältlich bei der Berufsberatung der Agenturen für Arbeit.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

3.3 Weitere Beratungs- und Informationsmöglichkeiten

Beratung zu Berufsfragen bieten auch die Blindenselbsthilfeorganisationen (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. und Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. mit ihren Berufsfachgruppen, die Deutsche Blindenstudienanstalt in Marburg sowie die Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke für Blinde und Sehbehinderte) an.

Zur Information ist ferner hinzuweisen auf die Datenbanken REHA­DAT - Informationssystem zur beruflichen Rehabilita­tion - ausführliche Informationen (Homepage im Inter­net: www.rehadat.de). Sie enthalten Informationen in der Datenbank „Einrichtungen" u. a. über Rehabilitationsleistungen und Ausbildungs­programme von Berufsbildungs- und Berufsförderungs­werken und von Einrichtungen der medizinisch-beruf­lichen Rehabilitation, über die von den ausbildenden Einrichtungen angebotenen Berufsbilder, über Art, Dauer und den Abschluss der Ausbildung und auch über Anmelde- und Aufnahmeverfahren.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


4. Regelung und Förderung der Berufsbildung

4.1 Rechtsquellen

Die Berufsbildung ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 23. März 2005 (BGBl I 2005, S. 931) und zusätzlich für das Handwerk in der Handwerksordnung (HWO) vom 17. September 1953 (BGBl I 1953, S. 1411), neu gefasst durch Bek. v. 24. 9.1998 (BGBl I S. 3074) geregelt.

Das Berufsbildungsgesetz gilt jedoch nicht für berufsbildende Schulen, Hochschulen und öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse (§ 3 Abs. 1 und 2 BBiG).

Für berufsqualifizierende Studiengänge an Hochschulen findet sich die Regelung im Hochschulrahmengesetz (HRG) vom 26. Januar 1976 (BGBl I 1976, S. 185), neu gefasst durch Bek. v. 19.1.1999 (BGBl I S. 18) und den Hochschulgesetzen der Länder.

Soweit eine Berufsbildung nach dem BBiG oder der HWO bzw. eine schulische Berufsbildung nicht möglich ist, kommt eine individuelle betriebliche Qualifizierung nach § 38a SGB IX oder eine Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen nach §§ 39 ff., 136 ff. SGB IX und der Werkstattverordnung in Frage.

Für die Förderung der Berufsbildung durch die Rehabilitationsträger im Sinn von § 6 SGB IX sind die Regelungen in Kapitel 5 „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (§§ 33 ff.) und Kapitel 6 „Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen“ (§§ 44 ff.) SGB IX zu beachten. Sie gelten nach § 7 SGB IX, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger einschlägigen speziellen Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt.

Die Förderung der Berufsbildung erfolgt, soweit nicht ein Rehabilitationsträger vorrangig zuständig ist:

  • für eine schulische oder hochschulmäßige Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vom 26. August 1971 (BGBl I 1971, S. 1409), neu gefasst durch Bek. v. 6. 6.1983 (BGBl I S. 645, 1680), vgl. 4.3.1,
  • für die betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung nach dem SGB III - Arbeitsförderung - vom 24. März 1997 (BGBl I S. 594),
  • für hilfebedürftige Erwerbsfähige nach dem SGB II - Grundsicherung für Arbeit Suchende - vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2003, S. 2955).

Vorrangige Regelungen enthalten:

  • für das Entschädigungsrecht die §§ 25b Abs. 1 Nr. 1 und 26 ff. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 1960, S. 453), neu gefasst durch Bek. v. 22.1.1982 (BGBl I S. 21),
  • für die soziale Rentenversicherung die §§ 9 ff. sowie § 16 SGB VI - gesetzliche Rentenversicherung - vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261, BGBl I 1990 S. 1337), neu gefasst durch Bek. v. 19. 2.2002 (BGBl I S. 754, 1404, 3384),
  • und für die gesetzliche Unfallversicherung die §§ 26 und 35 SGB VII - gesetzliche Unfallversicherung - vom 7. August 1996 (BGBl I S. 1254), zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 8. 9.2005 (BGBl I S. 2729),

wobei jeweils auf die §§ 33 - 38 SGB IX verwiesen wird.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.2 Regelungen der Berufsbildung

4.2.1 Berufsbildung nach dem BBiG und der HWO

Unter beruflicher Bildung nach dem BBiG ist die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung zu verstehen (§ 1 Abs. 1 BBiG).

Maßnahmen zur Berufsausbildungsvorbereitung dienen dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen (§ 1 Abs. 2 BBiG). Die Berufsausbildungsvorbereitung richtet sich nach § 68 Abs. 1 BBiG bzw. § 42o Abs. 1 HWO an lernbeeinträchtigte oder sozial benachteiligte Personen, deren Entwicklungsstand eine erfolgreiche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf noch nicht erwarten lässt. Sie muss nach Inhalt, Art, Ziel und Dauer den besonderen Erfordernissen dieses Personenkreises entsprechen und durch umfassende sozialpädagogische Betreuung und Unterstützung begleitet werden.

Aufgabe der Berufsausbildung ist es, die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (§ 1 Abs. 3 BBiG).

Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung haben das Ziel, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 4 BBiG). Sie bauen also auf dem ausgeübten Beruf auf.

Die berufliche Umschulung soll zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen (§ 1 Abs. 5 BBiG). Sie spielt bei der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen eine große Rolle. Es ist zwar das Ziel der beruflichen Rehabilitation, die weitere Tätigkeit im bisherigen Beruf durch Anpassungen und begleitende Hilfen oder auch durch Fortbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Häufig kann aber der bisherige Beruf infolge der eingetretenen Behinderung nicht mehr ausgeübt werden, so dass die Weichen neu gestellt werden müssen.

Die Berufsbildung nach dem BBiG wird in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und in Haushalten (betriebliche Berufsbildung), in berufsbildenden Schulen (schulische Berufsbildung) und in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung (außerbetriebliche Berufsbildung) durchgeführt (§ 2 Abs. 1 BBiG). Solche sonstigen Berufsbildungseinrichtungen sind z. B. die Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke, Reha- oder Ausbildungszentren für Blinde und Sehbehinderte (§ 35 SGB IX). Die Berufsbildungswerke dienen vorrangig der Erstausbildung, die Berufsförderungswerke der Umschulung.

Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nur in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden (§§ 4 Abs. 3 BBiG, 25 Abs. 3 HWO). Rechtsverbindliche Ausbildungsordnungen werden durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung und Forschung bzw. der zuständigen Fachministerien in Form einer Rechtsverordnung erlassen (§ 4 Abs. 1 BBiG, § 25 Abs. 1 HWO).

Auch als Grundlage für eine einheitliche berufliche Fortbildung und Umschulung können Rechtsverordnungen erlassen werden (§§ 53 und 58 BBiG, 42 und 42e HWO).

Für die Berufsbildung behinderter Menschen enthalten das BBiG in Kapitel 4 Abschnitt 1 §§ 64 ff. und die HWO im Zweiten Teil, Siebenter Abschnitt, §§ 42k - 42q wichtige Sonderregelungen:

  • Behinderte Menschen sollen nach § 64 BBiG, 42k HWO grundsätzlich in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden. Die für die Durchführung des Berufsbildungsgesetzes zuständigen Stellen (Kammern) sollen dabei die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigen (§ 65 Abs. 1 BBiG und § 42l HWO). Dies gilt insbesondere für die zeitliche und sachliche Gliederung der Ausbildung, die Dauer von Prüfungszeiten, die Zulassung von Hilfsmitteln und die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen Dritter, wie Gebärdensprachdolmetscher für hörgeschädigte Menschen.
  • Behinderte Menschen sind nach § 65 Abs. 2 BBiG bzw. § 42l Abs. 2 HWO zur Abschluss- bzw. Gesellenprüfung auch dann zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BBiG bzw. des § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HWO nicht vorliegen, d.h. wenn die Teilnahme an vorgeschriebenen Zwischenprüfungen oder die Führung vorgeschriebener schriftlicher Ausbildungsnachweise nicht erfolgt ist, oder wenn das Berufsausbildungsverhältnis in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bzw. in die Lehrlingsrolle nicht eingetragen ist.
  • Für behinderte Menschen, für die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht in Betracht kommt, treffen nach § 66 Abs. 1 BBiG die zuständigen Stellen bzw. nach § 42m Abs. 1 die Handwerkskammer auf Antrag der behinderten Menschen oder ihrer gesetzlichen Vertreter oder Vertreterinnen Ausbildungsregelungen entsprechend den Empfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung. Die Ausbildungsinhalte sollen unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des allgemeinen Arbeitsmarktes aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe entwickelt werden.

Für die berufliche Fortbildung bzw. Umschulung gelten diese Bestimmungen entsprechend (§ 67 BBiG, § 42n HWO).

Wenn besondere Hilfen und eine spezifische Betreuung notwendig sind, kann die Berufsbildung behinderter Menschen in beruflichen Rehabilitationseinrichtungen, z.B. einem Berufsbildungswerk, einem Berufsbildungszentrum oder einem Berufsförderungswerk, erfolgen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.2.2 Berufsbildung im Schul- und Hochschulbereich

Die berufliche Bildung im schulischen Bereich erfolgt nach den einschlägigen Landesgesetzen. Die berufliche Qualifizierung im Hochschulbereich ist im Hochschulrahmengesetz (HRG) und den Hochschulgesetzen der Länder geregelt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.2.2.1 Zugang zum Studium

Die Voraussetzungen für den Zugang zu einem Studium sind im Hochschulrahmengesetz (HRG) in den §§ 27 ff. geregelt. Hier ist anzumerken, dass seit langem geplant ist, das Hochschulrahmengesetz abzuschaffen. Sobald das geschehen sein wird, sind ausschließlich die Hochschulgesetze der Länder einschlägig.

Wertvolle Tipps enthält ein vom DVBS herausgegebenes Merkblatt für Abiturienten.

Die Studienplatzvergabe erfolgt jetzt vielfach auch durch die jeweilige Universität/Fachhochschule unmittelbar. Ein zentrales Studienplatzvergabeverfahren (ZVS) besteht daneben (§ 31 Hochschulrahmengesetz (HRG)). Etwaige Härtefallanträge müssen der Bewerbung, auch wenn diese unmittelbar an eine Hochschule gerichtet wird, beigefügt werden. Wichtig ist es, die jeweilige Bewerbungsfrist zu beachten. Es handelt sich um Ausschlussfristen. Ein Härtefallantrag kann generell, d. h. für jede Hochschule und für jedes Studienfach gestellt werden, es gibt durch die Dezentralisierung des Vergabeverfahrens jedoch nicht an jeder Universität/Fachhochschule spezielle Vordrucke oder Formulare für den Härtefallantrag. In diesem Fall muss ein formloser Antrag gestellt werden.

Ein Härtefallantrag sollte folgende Begründungen enthalten:

  1. Zur Wahl des Studienortes: Der Studienort ist notwendig,
    • weil Ortskenntnisse vorhanden sind und damit die notwendigen Wege selbstständig zurückgelegt werden können,
    • weil ein soziales Umfeld vorhanden ist (Freunde, Familie etc.) und somit auf behinderungsbedingte notwendige Hilfe zurückgegriffen werden kann,
    • weil eine besonders behinderungsgerechte Infrastruktur vorhanden ist (an der Universität oder am Ort), z. B. geeignete Arbeitsplätze in Bibliotheken, verfügbare Assistenzleistungen, Orientierungshilfen und Leitsysteme im Hochschulbereich.
  2. Zum Zeitpunkt des Studienbeginns:
    • eine Wartezeit ist nicht zumutbar, weil eine sinnvolle Überbrückung nicht möglich ist (z.B. weil keine Praktika oder Aushilfsarbeiten möglich sind etc.),
    • bereits ein Zeitverlust in der Schulzeit durch die Behinderung eingetreten ist,
    • voraussichtlich wegen der Behinderung eine längere Studienzeit benötigt wird.
  3. Zur Berücksichtigung in Numerus clausus-Fächern: Wenn die verfügbaren Studienplätze nicht für alle Bewerber ausreichen (Numerus clausus) findet gemäß § 31 Abs. 3 HRG unter den Bewerberinnen und Bewerbern ein Auswahlverfahren statt. Nach § 32 Abs. 2 HRG sind dabei drei Zehntel der Studienplätze für bestimmte Bewerbergruppen vorzubehalten. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 1 zählen dazu auch Bewerber, für die die Versagung der Zulassung eine außergewöhnliche, insbesondere soziale Härte bedeuten würde. Wer sich, z. B. weil die geforderte Abiturnote nicht erreicht worden ist, auf diese Bestimmung berufen will, muss das besonders sorgfältig begründen. Dazu kann auf die unter A. und B. genannten Gründe zurückgegriffen werden. Es können aber auch noch weitere Gründe angeführt werden, z. B.:
    • ein Nachteilsausgleich ist notwendig, weil die Behinderung erst im Alter von ... Jahren erworben wurde,
    • behinderungsbedingte Ausfallzeiten in der Schulzeit haben zu einem späteren Studienbeginn geführt,
    • eine Verzögerung ist eingetreten, weil Schulwechsel notwendig waren (Wechsel zwischen integrierter und segregierter Beschulung).

Dem Härtefallantrag muss eine Kopie des Schwerbehindertenausweises beigefügt werden. Die Probleme sollten möglichst nachvollziehbar geschildert und ggf. durch weitere persönliche Argumente ergänzt werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.2.3 Individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen einer unterstützten Beschäftigung

Zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gehört nach § 33 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX auch die individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen unterstützter Beschäftigung. Ziel einer unterstützten Beschäftigung ist es nach § 38a Abs. 1 S. 1 SGB IX behinderten Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Die unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung (§ 38a Abs. 1 S. 2 SGB IX). § 38a SGB IX eröffnet besonders betroffenen behinderten Menschen, insbesondere denjenigen die bislang typischerweise als werkstattbedürftig nach § 136 SGB IX eingestuft wurden, die Chance auf Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die Zielgruppe sind solche behinderten Menschen, die von einer Ausbildung nach dem BBiG oder der HWO überfordert, von der Beschäftigung in einer WfBM aber unterfordert sind. Mit § 38a SGB IX wurde eine Lücke in den Förderinstrumenten geschlossen.

Der Fördertatbestand unterstützte Beschäftigung ist von den Leistungen zur Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen nach den §§ 235b, 240ff. SGB III und Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungshemmnissen nach § 16a SGB II, zur Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen abzugrenzen. Gegenüber der unterstützten Beschäftigung zielen diese Leistungen auf andere Personengruppen. Das heißt: Unterstützte Beschäftigung zielt auf behinderte Menschen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, ohne Hilfe eine Beschäftigung aufzunehmen. Ihr ausschließliches Vermittlungshemmnis ist die Schwere der Behinderung. Daher erhalten sie im Gegensatz zu den neuen Instrumenten der Beschäftigungsförderung beim Erlernen aller einzelnen Arbeitsschritte die Hilfe eines externen Betreuers (Jobcoaching). Eine solche Unterstützung ist bei den genannten neuen Leistungen im SGB III so nicht vorgesehen (Wolfgang Rombach in SGb H. 02 2009 S. 61 ff).

Mit der Einführung der „unterstützten Beschäftigung“ entspricht der Gesetzgeber der Forderung aus Art. 27 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und dem darin enthaltenen Grundsatz der verstärkten Integration behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Wesentlich bei der unterstützten Beschäftigung ist der Grundsatz „erst platzieren, dann qualifizieren", d.h. die Qualifikation erfolgt direkt am Arbeitsplatz und nicht vorab in Sondereinrichtungen, wie z.B. Berufsbildungswerken oder Werkstätten für behinderte Menschen. Mit Hilfe der Qualifizierung im Rahmen einer geförderten Tätigkeit können sich durchaus neue Berufschancen für blinde und sehbehinderte Menschen ergeben, die früher als angelernte Kräfte in der Industrie oder im Blindenhandwerk tätig waren und die einer Qualifizierung nach dem BBiG oder der HWO nicht gewachsen sind, für die aber eine Werkstatt für behinderte Menschen nicht das richtige Angebot ist.

Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten nach § 38a Abs. 2 S. 1 SGB IX behinderte Menschen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Bei ihr wird der behinderte Mensch auf einem konkreten Arbeitsplatz eingearbeitet. Die Leistungen umfassen nach § 38a Abs. 2 S. 2 SGB IX auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der behinderten Menschen.

Auf die Maßnahmen der unterstützten Beschäftigung besteht ein Rechtsanspruch. Die Leistungen werden gem. § 38a Abs. 2 S. 3 SGB IX vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 SGB IX erbracht. Sie muss von allen Rehabilitationsträgern erbracht werden, deren Leistungsgesetze auf diese Vorschrift verweisen (§ 7 SGB IX). Die Bundesagentur für Arbeit erbringt nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 SGB III für behinderte Menschen allgemeine und erforderlichenfalls besondere Leistungen nach dem SGB III und dem SGB IX. Sie fördert die unterstützte Beschäftigung als besondere Maßnahme nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB III und erbringt Leistungen nach §§ 103 ff. SGB III (§§ 104 und 106 SGB II). Dies wird angesichts der Hauptzielgruppe (Schulabgänger) auch der Regelfall sein. Je nach Fallgestaltung kommen aber auch ein Rentenversicherungsträger (§ 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX), ein Unfallversicherungsträger (§ 35 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX) oder ein Träger der Versorgungsverwaltung (§ 26 Abs. 1 BVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX) in Betracht.

Die Maßnahmen der individuellen betrieblichen Qualifizierung werden für die Dauer von bis zu zwei Jahren erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn aufgrund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

Die Leistung der individuellen betrieblichen Qualifizierung kann - wie jede Teilhabeleistung - auch in der Form des persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX ausgeführt werden.

Leistungen der Berufsbegleitung erhalten behinderte Menschen nach § 38a Abs. 3 SGB IX insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die berufsbegleitenden Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 oder 5 SGB IX von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

Die unterstützte Beschäftigung und damit auch die Durchführung der Qualifikation ist beim zuständigen Rehabilitationsträger zu beantragen. Sie wird dann in dessen Auftrag durchgeführt (§ 38a Abs. 5 SGB IX). Eingeleitet werden die Maßnahmen durch eine Prognose nach § 33 Abs. 4 SGB IX. Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt. Beauftragt mit der Durchführung können Integrationsfachdienste oder andere geeignete Träger werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der behinderten Menschen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

  1. über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und ausreichend Berufserfahrung besitzen,
  2. in der Lage sein, den Teilnehmern geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
  3. über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen und
  4. ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB IX anwenden.

Der Arbeitgeber, bei dem der Rehabilitand unterstützt beschäftigt wird, erhält kein Entgelt, hat aber auch keine Aufwendungen. Der Dienstleister sucht für einen behinderten Menschen gezielt einen Arbeitsplatz in einem Unternehmen, der seinen Fähigkeiten entspricht und mit seiner Behinderung vereinbar ist. Aufgabe des Dienstleisters ist es, den behinderten Menschen in allen einzelnen Arbeitsschritten soweit anzuleiten und zu qualifizieren, bis er seine Tätigkeit ausüben kann. Ziel einer erfolgreichen Einarbeitung ist, dass ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsvertrag abgeschlossen wird.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3 Förderung der beruflichen Bildung

Unter beruflicher Bildung ist die Ausbildung und Weiterbildung (Fortbildung und Umschulung) zu verstehen. Wer an einer Ausbildung teilnimmt, die seiner Neigung, Eignung und Leistung entspricht, hat ein soziales Recht auf individuelle Förderung seiner Ausbildung, wenn ihm die hierfür erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen (§ 3 Abs. 1 SGB I). Die Einweisungsvorschrift des § 18 SGB I sieht als Leistungen Zuschüsse und Darlehen für den Lebensunterhalt und die Ausbildung vor. Nach der Einleitungsvorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 3 d. SGB I gehören zu den Leistungen der Arbeitsförderung solche zur Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.1 Förderung der beruflichen Ausbildung im Schul- und Hochschulbereich

4.3.1.1 Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)

Die Förderung erfolgt nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), soweit die individuelle Förderung nicht nach anderen Gesetzen vorrangig ist (§ 65 BAföG).

Eine solche vorrangige Leistung ist die Erzie­hungsbeihilfe des § 27 BVG. Sie wird Beschädigten, deren Kinder oder Waisen gewährt. Gefördert wird die berufliche und schulische Ausbildung einschließlich eines Hochschulstudiums. Vgl. §§ 12 und 18 bis 21 Kriegsopferfürsorgeverordnung. Diese Bestimmungen gelten auch für alle Fälle, auf die das BVG anzuwenden ist.

Für unfallverletzte Schüler oder Studenten erfolgt die Förderung nach § 35 SGB VII.

Nach § 1 BAföG besteht ein Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Dadurch sollen die Bildungschancen Minderbemittelter verbessert werden. Rechtssystematisch ist das Ausbildungsförderungsrecht dem Bereich der sozialen Förderung zuzurechnen. Von den auszubildenden Menschen werden keine überdurchschnittlichen Fähigkeiten und Leistungen gefordert. Die Ausbildung wird gefördert, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten lassen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreicht (§ 9 BAföG). Es handelt sich um kein „Begabtenförderungsgesetz" (M. Eylert, Lexikon des Rechts, Luchterhand-Verlag, Gruppe 11/70). Gefördert werden nach § 2 u. a. Schüler von Berufsfachschulen, Fach­schulen sonstiger Art, sowie Studierende an Universitäten, aller Arten von Hochschulen, höheren Fachschulen und Akademien.

Grundsätzlich wird Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 BAföG bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Durch § 7 Abs. 1a BAföG wird die Umstellung auf das Bachelor- und Masterstudium berücksichtigt. Dort heißt es:

„(1a) Für einen Master- oder Magisterstudiengang im Sinne des § 19 des Hochschulrahmengesetzes oder für einen postgradualen Diplomstudiengang im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 bis 3 des Hochschulrahmengesetzes sowie für vergleichbare Studiengänge in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz wird Ausbildungsförderung geleistet, wenn er auf einem Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang aufbaut oder im Rahmen einer Ausbildung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 erfolgt und auf einem noch nicht abgeschlossenen einstufigen Inlandsstudium aufbaut, das von der aufnehmenden Hochschule als einem Bachelorabschluss entsprechend anerkannt wird und der Auszubildende bislang ausschließlich einen Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang abgeschlossen oder im Sinne der Nummer 1 eine Anerkennung des bisherigen Studiums als einem solchen Abschluss entsprechend erreicht hat. ...“

5 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 beziehen sich auf ein Auslandsstudium.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 30.08.2005 - 2 K 5689/04 - entschieden, dass für einen Juristen der Bachelor kein berufsqualifizierender Abschluss sei; denn er „befähigt den Auszubildenden nicht zur Aufnahme eines juristischen Berufs im klassischen Sinne.“ Dafür sei in Deutschland regelmäßig nach wie vor das erste und zweite Staatsexamen erforderlich.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.1.1.1 Leistungen

Das BAföG hat den Zweck, jungen Menschen durch finanzielle Zuwendungen in Form von Zuschüs­sen und Darlehen den Lebens- und Ausbildungsbedarf sicherzustellen (§§ 11 und 17 BAföG). Die Anspruchsberechtigten erhalten als Schüler nicht rückzahlbare Zuschüsse, als Studie­rende - mit wenigen Ausnahmen - zur Hälfte aufgeteilt Zuschüsse und zinslose Darlehen (§ 17 BAföG). Das Darlehen muss nach Abschluss des Studiums an das Bundesverwaltungsamt zurückgezahlt werden.

Dem BAföG liegt das Prinzip der Bedürftigkeit zu Grunde. Der Bedarf wird anhand pauschalierter Sätze (§ 12 BAföG für Schüler, § 13 für Studenten und § 14 für Praktikanten) festgestellt. Diesem Bedarf wird das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gegenübergestellt. Die Leistungshöhe ergibt sich aus der daraus resultierenden Differenz. Die Förderung ist von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auszubilden­den, seines Ehegatten und seiner Eltern abhängig (§ 11 Abs. 2 BAföG). Zum zu berücksichtigenden Einkommen vgl. §§ 21 ff. BAföG.

Zweckbestimmte Sozialleistungen, wie z.B. das Blindengeld, zählen nicht zum Einkommen (§ 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG).

Steuerlich anerkannte außergewöhnliche Belastungen wirken sich einkommensmindernd aus (§§ 25, 29). Eine Behinderung wird bei der Berechnung des BAföG ferner insofern berücksichtigt, als zur Ermittlung des Einkommens ein zusätzlicher Härtefallbetrag angesetzt wird. Dabei spielt nicht nur die Behinderung des Geförderten selbst, sondern auch die eines Elternteils oder Ehegatten eine Rolle.

Zur Vermögensanrechnung vgl. §§ 26 ff. BAföG.

Für behinderungsbedingten Mehrbedarf, z.B. für technische Hilfen und weitere Arbeitshilfen, stellt das BAföG keine speziellen Leistungen zur Verfü­gung. Dafür kommen Leistungen des Sozialhilfeträgers im Wege der Eingliederungshilfe (SGB XII §§ 53 ff.) in Frage, wenn kein anderer Leistungsträger vorhanden ist (so schon das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 9. Oktober 1973, Az.: V C 15.73 = BVerwGE Bd. 44 S. 110 zur Eingliederungshilfe im BSHG). Allerdings ist nach dem BAföG eine Förderung über die regelmäßige Höchstdauer, wie sie in § 15a BAföG festgelegt ist, hinaus möglich, wenn für die längere Ausbildungszeit schwerwiegende Gründe bzw. eine Behinderung ursächlich sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 und 5 BAföG). Es muss begründet werden, warum z.B. die Blindheit oder Sehbehinderung ursächlich dafür ist, dass die Regelförderdauer überschritten werden muss. Die zusätzliche Förderung erfolgt als Zuschuss (§ 17 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BAföG). Es ist dringend zu empfehlen, die Verlängerung der Förderdauer frühzeitig zu beantragen. Bei in sich abgeschlossenen Studiengängen ist in diesen Fällen nach § 15 Abs. 3a eine weitere Förderung von höchstens 12 Monaten als „Abschlusshilfe“ möglich. Die Prüfungsstelle muss bescheinigen, dass der Studierende die Ausbildung innerhalb der Abschlusshilfedauer abschließen kann. Wenn eine Abschlussprüfung nicht vorgesehen ist, muss der Auszubildende eine Bestätigung der Ausbildungsstätte darüber vorlegen, dass er die Ausbildung innerhalb der Abschlusshilfedauer abschließen kann.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.1.1.2 Keine Leistungen für den Lebensunterhalt neben Leistungen zur Ausbildungsförderung

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB XII haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des SGB III (Arbeitsförderung) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Das Dritte Kapitel betrifft die Hilfe zum Lebensunterhalt, das Vierte Kapitel die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. In besonderen Härtefällen können gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB XII jedoch auch in diesen Fällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden.

Nach § 22 Abs. 2 SGB XII besteht allerdings, sofern die sozialhilferechtlichen Voraussetzungen vorliegen, in den dort genannten Fällen ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Durch § 22 SGB XII wird klargestellt, dass die Ausbildungsförderung nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist.

Seinem eindeutigen Wortlaut nach schließt § 22 SGB XII für den betroffenen Personenkreis nur die Hilfe zum Lebensunterhalt aus, nicht dagegen sonstige Hilfen, insbesondere z.B. Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten oder in anderen Lebenslagen (§§ 67 bis 74 SGB XII) (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 22 SGB XII). Ausgeschlossen wird durch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB XII auch nur die Hilfe zum Lebensunterhalt, soweit diese ausbildungsgeprägt ist. Deshalb ist der Anspruch auf solche Leistungen nicht ausgeschlossen, die zwar ihrer Zuordnung nach im Gesetz Hilfe zum Lebensunterhalt geworden sind, die aber einen Bedarf betreffen, der durch besondere, von der Ausbildung unabhängige, Umstände bedingt ist (BVerwG, Urteil v. 17.1.1985, 5 C 29/84, BVerwGE 71 S. 12; BVerwG, Beschluss v. 13.5.1993, 5 B 47/93). Dies kann insbesondere für die Mehrbedarfe angenommen werden, in Sonderheit für den schwangerschaftsbedingten Mehrbedarf i.S.v. § 30 Abs. 2 SGB XII, aber auch z.B. bei durch Diabetes bedingte kostenaufwändige Ernährung (Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 22 SGB XII).

22 Abs. 1 S. 2 SGB XII enthält eine Härtefallregelung. Mit dieser hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, ausnahmsweise abweichend von Abs. 1 S. 1 doch Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Als Ausnahmevorschrift ist Abs. 1 S. 2 restriktiv auszulegen. Ein besonderer Härtefall liegt vor, „wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses nach Abs. 1 Satz 1 über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist, und auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung frei zu halten, als übermäßig hart erscheint" (BVerwG, Urteil v. 14.10.1983, 5 C 16/91, BVerwGE 94 S. 224). Es muss sich danach um einen außergewöhnlichen, atypischen Sachverhalt handeln. Ob ein solcher atypischer Sachverhalt vorliegt, hängt danach entscheidend davon ab, aus welchem Grund der Hilfe Suchende keine Leistungen nach dem speziellen Förderungsgesetz erhält und ob der Anspruchsausschluss dem Regelfall des § 22 SGB XII Abs. 1 S. 1 entspricht (Haufe Onlinekommentar RZ. 24 zu § 22 SGB XII). Im Hinblick darauf ist zunächst zu ermitteln, ob sich die Situation des Auszubildenden so weitgehend von derjenigen anderer Auszubildender abhebt, dass sie sich bei wertender Betrachtung als außergewöhnlich und atypisch darstellt. Dabei kann sich die Atypik auch aus einem Zusammentreffen mehrerer ungewöhnlicher Einzelfallumstände ergeben (Haufe Onlinekommentar RZ. 25 zu § 22 SGB XII). Eine besondere Härte kann nicht darin gesehen werden, wenn die Pauschalleistung nach dem BAföG niedriger liegt, als die Hilfe zum Lebensunterhalt liegen würde. Der Hilfebedürftige kann in diesem Fall darauf verwiesen werden, die Differenz selbst zu verdienen. Eine besondere Härte kann aber dann vorliegen, wenn z.B. aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer Behinderung eine Nebentätigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 zu § 22 SGB XII).

Dasselbe, was oben zu § 22 SGB XII ausgeführt worden ist, gilt für Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende). Das ergibt sich aus § 7 Abs. 5 und 6 SGB II. Von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist danach grundsätzlich ausgeschlossen, wer eine nach dem BAföG dem Grunde nach objektiv förderungsfähige Ausbildung absolviert. Die Vorschrift des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II stellt ebenso wie § 22 Abs. 1 S. 1 SGB XII allein auf die Förderungsfähigkeit der Ausbildung ab. Ausgeschlossen sind nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und nicht Leistungen aufgrund eines sonstigen, nicht ausbildungsbedingten Bedarfs. Vgl. Urteil des BSG 14. Senat vom 6. September 2007, Az: B 14/7b AS 28/06 R.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.1.1.3 Leistungsträger und Verfahren

Leistungsträger sind die Ämter und Landesämter für Ausbildungsförderung, die von den Ländern für Landkreise und kreisfreie Städte eingerichtet werden; sie führen das BAföG im Auftrag des Bundes aus (§§ 39 ff. BAföG).

Die nach § 18 Abs. 1 geleisteten Darlehen werden durch das Bundesverwaltungsamt verwaltet und eingezogen (§ 39 Abs. 2 BAföG).

Das Verfahren ist im IX. Abschnitt §§ 45 ff. des BAföG geregelt. Die Leistungen werden auf Antrag gewährt (§ 46). Der Rechtsweg ist zu den Verwaltungsgerichten gegeben (§ 54).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.1.2 Promotions- und Begabtenförderung

Auf Möglichkeiten der Promotionsförderung und der Begabtenförderung kann hier nur hingewiesen werden. Die Begabtenförderung ist teilweise in Landesgesetzen geregelt. Sie erfolgt auch durch Stiftungen, z. B. die „Studienstiftung des Deutschen Volkes“, das „Cusanuswerk“ u. a.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2 Förderung der betrieblichen oder außerbetrieblichen Berufsausbildung

Die Förderung erfolgt nach dem SGB III (Arbeitsförderung) bzw. für hilfebedürftige Erwerbslose nach dem SGB II, soweit nicht vorrangig ein anderer Leistungsträger verpflichtet ist (§ 22 SGB III). Vorrangig verpflichtet können die Rentenversicherungsträger nach dem SGB VI, die Unfallversicherungsträger nach dem SGB VII oder die Träger der sozialen Entschädigung nach dem BVG bzw. nach Gesetzen, die auf das BVG verweisen, sein. Nach § 23 Abs. 1 SGB III besteht eine Vorleistungspflicht der Agentur für Arbeit. Soweit ein anderer Leistungsträger zuständig ist, hat die Agentur für Arbeit für die von ihr erbrachten Leistungen gemäß § 23 Abs. 2 einen Erstattungsanspruch.

Soweit es sich um die Ausbildung behinderter Menschen handelt, ist von allen Leistungsträgern das SGB IX, insbesondere Kapitel 5 „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (§§ 33 ff.) und Kapitel 6 „Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen“ (§§ 44 ff.) zu beachten.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.1 Begleitende Hilfen im Arbeitsleben

Ergänzend ist zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen auf die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben durch die Integrationsämter (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) hinzuweisen. Die möglichen Leistungen an schwerbehinderte Menschen bzw. Arbeitgeber sind § 102 Abs. 3 Nr. 1 und 2 zu entnehmen. Hilfreich ist ferner die Unterstützung durch die Integrationsfachdienste bzw. psychosozialen Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen. Sie beraten und helfen in Problemlagen vor Ort und werden im Auftrag der Rehabilitationsträger tätig (§§ 109 ff. SGB IX). Zu den Einzelheiten vgl. unten 5.3 Begleitende Hilfen im Arbeitsleben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2 Förderung der Berufsausbildung nach dem SGB III

Zuständig für die Förderung sind im Rahmen des SGB III die Arbeitsagenturen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2.1 Voraussetzungen der Förderung

Die Förderung der Berufsausbildung ist in den §§ 59 - 76 SGB III geregelt. Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben nach § 59 Abs. 1 SGB III Auszubildende während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn

  1. die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig ist,
  2. sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind und
  3. ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2.2 Förderungsfähige Maßnahmen

Die Förderungsfähigkeit ist nach § 60 Abs. 1 SGB III gegeben, wenn die Ausbildung in einem nach §§ 4f Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder §§ 26f Handwerksordnung staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt und der dafür vorgesehene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen wird.

Eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme ist nach § 61 Abs. 1 SGB III förderungsfähig, wenn sie auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereitet oder der beruflichen Eingliederung dient und nicht den Schulgesetzen der Länder unterliegt. Der Auszubildende wird gem. § 64 Abs. 2 SGB III bei einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nur gefördert, wenn er die Vollzeitschulpflicht nach den Gesetzen der Länder erfüllt hat und die Maßnahme zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung oder zur beruflichen Eingliederung erforderlich ist und seine Fähigkeiten erwarten lassen, dass er das Ziel der Maßnahme erreicht.

Für behinderte Menschen gilt nach § 101 Abs. 2 SGB III für die Berufsausbildung eine wichtige Besonderheit. Förderungsfähig sind danach auch berufliche Aus- und Weiterbildungen, die im Rahmen des Berufsausbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung abweichend von den Ausbildungsordnungen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe oder in Sonderformen für behinderte Menschen durchgeführt werden. Vgl. dazu die §§ 64 ff. BBiG, 42k ff., insbesondere 42m HWO.

Solche besonderen Ausbildungsgänge sind z.B.: Metallwerker, Korb- und Flechtwerker, Fachkraft für Telekommunikation, Büropraktiker und Fachkraft für Textverarbeitung.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2.3 Sonstige persönliche Voraussetzungen

Die Auszubildenden müssen zu dem nach § 63 SGB III förderungsfähigen Personenkreis gehören. Das sind Deutsche und Unionsbürger, die ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU besitzen, sowie andere Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und unter bestimmten Voraussetzungen weitere Ausländer.

Nach § 64 Abs. 1 wird der Auszubildende bei einer beruflichen Ausbildung nur gefördert, wenn er

  1. außerhalb des Haushaltes der Eltern oder eines Elternteils wohnt und
  2. die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen kann. D. h., wenn der Auszubildende außerhalb der Wohnung seiner Eltern wohnt, aber von der elterlichen Wohnung aus die Ausbildungsstätte in angemessener Zeit erreichen könnte, erfolgt keine Förderung. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Auszubildende das 18. Lebensjahr vollendet hat, verheiratet ist oder war, mit mindestens einem Kind zusammenlebt oder aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann.

Auch hier enthält § 101 SGB III für behinderte Menschen eine abweichende Regelung. Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht nach § 101 Abs. 3 SGB III auch, wenn der behinderte Mensch während der beruflichen Ausbildung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt. Dazu vgl. unter 4.2.2.2.6, Besonderheiten für behinderte Menschen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2.4 Bedürftigkeitsgrundsatz

Ebenso wie im BAföG erfolgt die Förderung nur, wenn Bedürftigkeit vorliegt. Für den in § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erläuterten Gesamtbedarf gelten wie im BAföG pauschal festgesetzte Bedarfssätze. Auf den Gesamtbedarf (Lebensunterhalt, Fahrtkosten, sonstige für die Ausbildung erforderliche Aufwendungen und Lehrgangskosten) werden das Einkommen der auszubil­denden Person, seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern angerechnet (§ 71 SGB III). Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen wird in § 71 Abs. 2 SGB III auf § 11 Abs. 4 sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen verwiesen. Die in § 71 Abs. 2 S. 2 und in den Abs. 3 und 4 enthaltenen Regelungen sind zu beachten. Sie enthalten weitere Freibeträge. Bei Teilnehmern an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen wird Einkommen nicht angerechnet (Abs. 4). Aus der Differenz zwischen Bedarf und anzurechnendem Einkommen ergibt sich die Förderhöhe.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2.5 Förderdauer

Nach § 73 Abs. 1 SGB III besteht Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die Dauer der beruflichen Ausbildung und der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Über den Anspruch wird in der Regel bei beruflicher Ausbildung für 18 Monate, im Übrigen für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden. Für behinderte Menschen bestimmt § 37 Abs. 1 SGB IX „Leistungen werden für die Zeit erbracht, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Teilhabeziel zu erreichen; eine Förderung kann darüber hinaus erfolgen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen“. § 101 Abs. 4 SGB III bestimmt, dass eine Verlängerung der Ausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus, eine Wiederholung der Ausbildung ganz oder in Teilen sowie eine erneute berufliche Ausbildung gefördert wird, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.2.6 Besonderheiten für behinderte Menschen

Für behinderte Menschen, und damit auch für Blinde und Sehbehinderte, enthält das SGB III in Kapitel III 7. Abschnitt „Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben„ (§§ 97 ff.) wichtige Besonderheiten. Auf einige wurde oben bereits hingewiesen.

Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Nach § 97 Abs. 2 sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. All diese Kriterien sind bei der Ausübung des Ermessens in die Entscheidungen einzubeziehen.

Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung oder eine Arbeitserprobung ein (§ 97 Abs. 2 S. 2 SGB III).

Als Leistungen können nach § 98 Abs. 1 SGB III erbracht werden:

  1. allgemeine Leistungen sowie
  2. besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 102 ff.) und diese ergänzende Leistungen.

Vorrangig stehen auch hier die allgemeinen Leistungen zur Verfügung. Nach § 98 Abs. 2 werden besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann.

Die allgemeinen Leistungen umfassen nach § 100 SGB III

  1. vermittlungsunterstützende Leistungen,
  2. Leistungen zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit,
  3. Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung,
  4. Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung.

§ 101 SGB III enthält Besonderheiten, die bei den allgemeinen Leistungen für behinderte Menschen gelten. So sind nach § 101 Abs. 2 SGB III auch berufliche Aus- und Weiterbildungen, die im Rahmen des Berufsausbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung abweichend von den Ausbildungsordnungen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe oder in Sonderformen für behinderte Menschen durchgeführt werden, förderungsfähig. Die Förderung kann bei Bedarf Aktivierungshilfen, ausbildungsbegleitende Hilfen, Beschäftigung begleitende Eingliederungshilfen und Übergangshilfen nach dem Ersten Abschnitt des Sechsten Kapitels des SGB III umfassen. Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht nach § 101 Abs. 3 SGB III auch, wenn der behinderte Mensch während der beruflichen Ausbildung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt. In diesen Fällen beträgt der allgemeine Bedarf 310,00 Euro monatlich. Er beträgt 389,00 Euro, wenn der behinderte Mensch verheiratet ist, eine Lebenspartnerschaft führt oder das 21. Lebensjahr vollendet hat. Eine Verlängerung der Ausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus, eine Wiederholung der Ausbildung ganz oder in Teilen sowie eine erneute berufliche Ausbildung wird nach § 101 Abs. 4 SGB III gefördert, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann (vgl. auch § 37 SGB IX).

Nach § 102 Abs. 1 sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen, wenn

  1. Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
    1. einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen
      oder
    2. einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichtete Maßnahme unerlässlich machen oder
  2. die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.

In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden (§ 102 Abs. 1 S. 2 SGB III).

Besondere Einrichtungen für behinderte Menschen sind nach § 35 Abs. 1 SGB IX Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation.

§ 35 Abs. 1 SGB IX bestimmt, dass Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen als „Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation“ nach Dauer, Inhalt und Gestaltung der Leistungen, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung der Leitung und der Lehrkräfte sowie der Ausgestaltung der Fachdienste eine erfolgreiche Ausführung der Leistung erwarten lassen müssen. Wenn Leistungen zur beruflichen Ausbildung in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt werden, sollen die Einrichtungen bei Eignung der behinderten Menschen darauf hinwirken, dass Teile dieser Ausbildung auch in Betrieben und Dienststellen durchgeführt werden. Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation haben dabei die Arbeitgeber bei der betrieblichen Ausbildung und bei der Betreuung der auszubildenden behinderten Jugendlichen zu unterstützen (§ 35 Abs. 2 SGB IX).

Es gibt spezielle Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke sowie Berufsbildungszentren für Blinde und Sehbehinderte. Bei Blinden und zumindest bei hochgradig Sehbehinderten liegen die Voraussetzungen von § 102 SGB III in aller Regel vor.

In den Berufsbildungswerken für Blinde und hochgradig Sehbehinderte werden z. B. angeboten:

  • Berufsvorbereitende Maßnahmen:
    Berufsfindungsmaßnahmen, Grundlehrgänge für Blinde und Grundlehrgänge für Sehbehinderte, Vorbereitungslehrgänge für physiotherapeutische Berufe,
  • Gewerblicher und handwerklicher Bereich:
    Industriefachwerker, Metallwerker, Zerspanungsmechaniker/Zerspanungsmechanikerin (Einsatzgebiet Drehmaschinensysteme oder Fräsmaschinen), CNC-Dreh- und Fräsmaschinenanwender, Werkzeugmaschinenspaner/Werkzeugmaschinenspanerin, Polsterer, Gärtner/Gärtnerin, Gartenbaufachwerker/Gartenbaufachwerkerin, Hauswirtschafterin, Korbmacher/Korbmacherin, Korb- und Flechtwerker/Korb- und Flechtwerkerin, Klavierstimmer/Klavierstimmerin, Beikoch, Fachwerker/Fachwerkerin für Gebäude- und Umwelt-Dienstleistungen,
  • Kaufmännischer Bereich:
    Fachlagerist/Fachlageristin, Fachkraft für Lagerlogistik, Telefonist, Fachkraft für Telekommunikation, Fachkraft für Telefonmarketing, Büropraktiker und Büropraktikerin, Fachkraft für Textverarbeitung, Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation, Verwaltungsfachangestellte, Informatikkauffrau/‑kaufmann, Kaufmann im Gesundheitswesen,

Bei einigen dieser Ausbildungen ist wenigstens ein geringes Sehvermögen nötig.

Die besonderen Leistungen nach § 103 SGB III umfassen:

  1. das Übergangsgeld nach den §§ 160 bis 162,
  2. das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann,
  3. die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Die Leistungen können nach § 103 S. 2 SGB III auf Antrag auch als Teil eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets erbracht werden; § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 des Neunten Buches finden Anwendung.

Das Übergangsgeld setzt nach § 160 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 161 SGB III eine Vorbeschäftigungszeit voraus. Diese ist nach § 161 Abs. 1 SGB III erfüllt, wenn der behinderte Mensch innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Teilnahme

  1. mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
  2. die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllt und Leistungen beantragt hat.

Bei einer beruflichen Erstausbildung dürften diese Voraussetzungen in aller Regel nicht vorliegen. In diesem Fall besteht Anspruch auf Ausbildungsgeld.

Der Anspruch auf Ausbildungsgeld besteht nach § 104 Abs. 1 SGB III während

  1. einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,
  2. einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der unterstützten Beschäftigung nach § 38a des Neunten Buches und
  3. einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann.

Für das Ausbildungsgeld gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Berufsausbildungsbeihilfe in den §§ 59 ff. SGB III, soweit nicht in den §§ 105 ff. SGB III etwas Abweichendes bestimmt ist (§ 104 Abs. 2 SGB III). So werden nach § 105 Abs. 1 als Bedarf bei der beruflichen Ausbildung zu Grunde gelegt:

  1. bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils 310,00 Euro monatlich, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist oder keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im übrigen 389,00 Euro monatlich,
  2. bei Unterbringung in einem Wohnheim, Internat, beim Ausbildenden oder in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen 102,00 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
  3. bei anderweitiger Unterbringung und Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung 225,00 Euro monatlich, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist oder keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im übrigen 236,00 Euro monatlich und
  4. bei anderweitiger Unterbringung ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung der jeweils nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nr. 2 sowie Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geltende Bedarf.

Nach § 105 Abs. 2 SGB III wird für einen behinderten Menschen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anstelle des Bedarfs nach Absatz 1 Nr. 4 ein Bedarf in Höhe von 310,00 Euro monatlich zu Grunde gelegt, wenn

  1. er die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit erreichen könnte oder
  2. Leistungen der Jugendhilfe nach dem Achten Buch gewährt werden, die mit einer anderweitigen Unterbringung verbunden sind.

Für den Bedarf bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, unterstützter Beschäftigung und bei Grundausbildung gilt nach § 106 SGB III folgendes:

Nach Abs. 1 werden bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, unterstützter Beschäftigung und bei Grundausbildung als Bedarf zu Grunde gelegt:

  1. bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geltende Bedarf,
  2. bei anderweitiger Unterbringung außerhalb eines Wohnheims oder Internats ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung der jeweils nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geltende Bedarf,
  3. bei anderweitiger Unterbringung außerhalb eines Wohnheims oder Internats und Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung 169,00 Euro monatlich.

Für einen behinderten Menschen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird nach § 106 Abs. 2 SGB III anstelle des Bedarfs nach Absatz 1 Nr. 2 ein Bedarf in Höhe von 200,00 Euro monatlich zu Grunde gelegt, wenn

  1. er die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit erreichen könnte oder
  2. für ihn Leistungen der Jugendhilfe nach dem Achten Buch gewährt werden, die die Kosten für die Unterkunft einschließen.

Bei Unterbringung in einem Wohnheim, Internat oder in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen ist nach § 106 Abs. 3 ein Bedarf wie bei einer beruflichen Ausbildung zu Grunde zu legen (vgl. oben).

Für den Bedarf bei Maßnahmen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen werden nach § 107 SGB III im ersten Jahr 62,00 Euro monatlich und danach 73,00 Euro monatlich zu Grunde gelegt.

Für die Anrechnung des Einkommens auf den Bedarf enthält § 108 besondere Regelungen.

Nach § 108 Abs. 1 SGB III wird auf den Bedarf bei Maßnahmen in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen Einkommen nicht angerechnet.

Nach § 108 Abs. 2 bleibt bei der Einkommensanrechnung bei den übrigen Maßnahmen das Einkommen

  1. des behinderten Menschen aus Waisenrenten, Waisengeld oder aus Unterhaltsleistungen bis 235,00 Euro monatlich,
  2. der Eltern bis 2.824,00 Euro monatlich, des verwitweten Elternteils oder bei getrennt lebenden Eltern, das Einkommen des Elternteils, bei dem der behinderte Mensch lebt, ohne Anrechnung des Einkommens des anderen Elternteils, bis 1.760,00 Euro monatlich und
  3. des Ehegatten oder Lebenspartners bis 1.760,00 Euro monatlich

anrechnungsfrei.

Zu den Teilnahmekosten verweist § 109 Abs. 1 S. 1 SGB III auf die §§ 33, 44, 53 und 54 des Neunten Buches. Sie beinhalten nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGB III auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Sonderfälle der Unterkunft und Verpflegung.

Die Teilnahmekosten nach § 109 Absatz 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während und im Anschluss an die Maßnahme einschließen (§ 109 Abs. 2 SGB III).

Wird der behinderte Mensch auswärtig, aber nicht in einem Wohnheim, Internat, einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder beim Ausbildenden mit voller Verpflegung untergebracht, so wird nach § 111 SGB III ein Betrag in Höhe von 269,00 Euro monatlich zuzüglich der nachgewiesenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen erbracht.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.2.3 Förderung durch Leistungen an Arbeitgeber oder Einrichtungen

Die Förderung der Berufsausbildung ist auch durch Leistungen der Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX an Arbeitgeber oder Einrichtungen möglich. Nach § 34 Abs. 1 SGB IX können u. a. erbracht werden: nach Nr. 1 Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen, nach Nr. 3 Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb. Die Konkretisierung erfolgt jeweils in den für die Rehabilitationsträger einschlägigen Spezialgesetzen.

Für die Bundesagentur für Arbeit gilt danach folgendes:

Nach § 235a Abs. 1 SGB III können Arbeitgeber für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung von schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 104 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe e des SGB IX durch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder vergleichbaren Vergütung gefördert werden, wenn die Aus- oder Weiterbildung sonst nicht zu erreichen ist. § 104 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe e des Neunten Buches bezieht sich auf schwerbehinderte Menschen, die zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden. Der Schwerbehindertenbegriff richtet sich nach § 2 Abs. 2 SGB IX. Es muss also ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegen. Blinde und sehbehinderte Menschen sind Schwerbehinderte nach dieser Bestimmung.

Bei der Ausbildung muss es sich nicht um anerkannte Ausbildungsberufe handeln. Die Finanzierung erfolgt aus der Ausgleichsabgabe (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 der SchwbAV). Die Zuschüsse sollen nach § 235a Abs. 2 regelmäßig 80 Prozent der monatlichen Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr oder der vergleichbaren Vergütung einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht übersteigen. In begründeten Ausnahmefällen können Zuschüsse bis zur Höhe der Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr erbracht werden.

Nach § 236 Abs. 1 SGB III können Arbeitgeber für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung von behinderten Menschen in Ausbildungsberufen durch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung gefördert werden, wenn die Aus- oder Weiterbildung sonst nicht zu erreichen ist. Von § 235a unterscheidet sich § 236 dadurch, dass der weitere Behindertenbegriff des § 19 Abs. 1 SGB III zu Grunde gelegt wird und dass es sich um einen anerkannten Ausbildungsberuf handeln muss. Der gegenüber § 2 Abs. 1 SGB IX erweiterte Behindertenbegriff ist auf die Besonderheiten des Arbeitsförderungsrechts abgestellt. § 19 Abs. 1 SGB III lautet:

„(1) Behindert im Sinne dieses Buches sind Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buches nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen.“

Nach § 19 Abs. 2 stehen behinderten Menschen diejenigen Menschen gleich, denen eine Behinderung mit den in Absatz 1 genannten Folgen droht.

Die Zuschüsse sollen nach Abs. 2 regelmäßig 60 Prozent der monatlichen Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr nicht übersteigen. In begründeten Ausnahmefällen können Zuschüsse bis zur Höhe der Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr erbracht werden. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der Arbeitsagentur.

Außerdem können nach § 237 SGB III Arbeitgebern Zuschüsse für eine behindertengerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen erbracht werden, soweit dies erforderlich ist, um die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen oder zu sichern und eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers nach Teil 2 des SGB IX nicht besteht. Eine solche Verpflichtung ergibt sich aus § 81 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SGB IX. Sie besteht nach § 81 Abs. 4 S. 3 nicht, wenn die Erfüllung des Anspruchs für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Träger von Maßnahmen der beruflichen Ausbildung können nach § 240 Nr. 1 SGB III gefördert werden, wenn sie durch zusätzliche Maßnahmen zur betrieblichen Ausbildung für förderungsbedürftige Auszubildende diesen eine berufliche Ausbildung ermöglichen und ihre Eingliederungsaussichten verbessern.

Es handelt sich dabei nach § 241 SGB III um Maßnahmen, die eine betriebliche Ausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz unterstützen und über betriebs- und ausbildungsübliche Inhalte hinausgehen (ausbildungsbegleitende Hilfen). Dazu gehören Maßnahmen zum Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten, zur Förderung der Fachpraxis und Fachtheorie und zur sozialpädagogischen Begleitung. Die Leistungen umfassen nach § 243 Abs. 1 SGB III Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung zuzüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und des Beitrags zur Unfallversicherung, die Maßnahmekosten und sonstige Kosten.

Wenn eine Ausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung durchgeführt wird, kann nach § 244 SGB III als Zuschuss zur Ausbildungsvergütung höchstens ein Betrag übernommen werden, der nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 SGB III dem Bedarf für den Lebensunterhalt eines unverheirateten Auszubildenden zu Grunde zu legen ist, wenn er das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und im Haushalt der Eltern untergebracht ist, zuzüglich fünf Prozent jährlich ab dem zweiten Ausbildungsjahr. Der Betrag erhöht sich um den vom Träger zu tragenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag und den Beitrag zur Unfallversicherung. Was als Maßnahmekosten oder sonstige Kosten übernommen werden kann, ist den §§ 245 und 246 SGB III zu entnehmen.

Träger von Einrichtungen der beruflichen Aus- oder Weiterbildung oder Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation können nach § 248 SGB III durch Darlehen und Zuschüsse gefördert werden, und zwar für den Aufbau, die Erweiterung und die Ausstattung der Einrichtungen sowie den der beruflichen Bildung behinderter Menschen dienenden begleitenden Dienste, Internate, Wohnheime und Nebeneinrichtungen und Maßnahmen zur Entwicklung oder Weiterentwicklung von Lehrgängen, Lehrprogrammen und Lehrmethoden zur beruflichen Bildung behinderter Menschen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3 Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung

4.3.3.1 Begriff und Zielsetzung

Die berufliche Weiterbildung umfasst die berufliche Fortbildung und Umschulung.

Nach § 1 Abs. 4 BBiG soll es die berufliche Fortbildung ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen. Sie findet also innerhalb des erlernten bzw. ausgeübten Berufes statt. Durch Rechtsverordnungen können Fortbildungsordnungen erlassen werden (§ 53 BBiG, § 42 HWO).

Die berufliche Fortbildung ist für behinderte Menschen auch dann von Bedeutung, wenn durch sie nach Eintritt einer Behinderung die weitere Tätigkeit im bisherigen Beruf möglich wird.

Die berufliche Umschulung soll nach § 1 Abs. 5 BBiG zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen. Sie ist für die berufliche Rehabilitation behinderter Menschen von besonderer Bedeutung; denn eine eintretende Behinderung zwingt zumal bei Blinden und Sehbehinderten häufig zu einem Berufswechsel. Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen werden von den Berufsförderungswerken für Blinde und Sehbehinderte angeboten (vgl.4.3.2).

Auch für die berufliche Umschulung können durch Rechtsverordnung Umschulungsordnungen erlassen werden (§ 58 BBiG, § 42e HWO). Nach § 65 BBiG i.V.m. § 67 BBiG, § 42n HWO i.V.m. § 42l HWO sollen in den Fortbildungs- und Umschulungsregelungen die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigt werden. Für behinderte Menschen können überdies, wenn es die Behinderung erfordert, abweichende Regelungen getroffen werden (§ 66 i.V.m. § 67 BBiG bzw. § 42n i.V.m. § 42m HWO).

Die Förderung der beruflichen Weiterbildung (Fortbildung und Umschulung) ist Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit, sofern nicht andere Rehabilitationsträger, wie z. B. Träger der Versorgungsverwaltung, Träger der Rentenversicherung oder der Unfallversicherung, zuständig sind (§ 22 SGB III). Vorrangige Regelungen enthalten für das Entschädigungsrecht die §§ 25b Abs. 1 Nr. 1 und 26f BVG, für die soziale Rentenversicherung die §§ 9 ff. sowie § 16 SGB VI und für die soziale Unfallversicherung §§ 26 und 35 SGB VII, wobei jeweils auf die §§ 33 - 38 SGB IX verwiesen wird.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3.2 Förderung durch den Rentenversicherungsträger nach dem SGB VI

Der Anspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger setzt nach § 9 Abs. 2 SGB VI voraus, dass die persönlichen und versicherungsmäßigen Voraussetzungen gegeben sind. Nach § 10 Abs. 1 SGB VI sind die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann bzw. bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann. Es genügt aber auch, dass bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen richten sich nach § 11 SGB VI. Nach Abs. 1 haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung

  1. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder
  2. eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.

Nach § 11 Abs. 2a sind die versicherungsmäßigen Voraussetzungen auch erfüllt

  1. wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder
  2. wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen haben nach § 11 Abs. 3 auch überlebende Ehegatten erfüllt, die Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit haben. Sie gelten in diesem Zusammenhang als Versicherte.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3.3 Förderung durch die Träger der Unfallversicherung nach dem SGB VII

Die Förderung nach dem SGB VII setzt voraus, dass der Anspruchsberechtigte zum versicherten Personenkreis nach den §§ 2 ff. SGB VII gehört und dass ein Versicherungsfall, also ein Arbeitsunfall einschließlich eines Wegeunfalls oder eine Berufskrankheit (§§ 7 ff. SGB VII) für den Schaden ursächlich ist. Es muss ein doppelter ursächlicher Zusammen­hang bestehen:

  • zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis (haftungsbegründende Kausalität),
  • zwischen der Auswirkung auf den Körperzustand und einem Gesundheitsschaden als Unfallfolge (haftungsausfüllende Kausalität).

Fragen des ursächlichen Zusammenhangs werden nach dem in allen Bereichen des Sozialrechts herrschenden Ursachenbegriff der wesentlichen Bedin­gung beantwortet, kurz gefasst:

Von einem Bündel mehrerer Mitursachen werden als ursächlich nur die Bedingungen anerkannt, die wesentlich zum Erfolg (z. B. zur Erblindung) mitgewirkt haben. Dabei sind die Mitursachen wertend gegenein­ander abzuwägen. Es reicht aus, dass der Arbeitsunfall neben anderen Bedingungen eine mindestens gleich­wertige Mitursache ist.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3.4 Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III

Die berufliche Weiterbildung wird nach § 77 SGB III nur gefördert, wenn sie notwendig ist, um Betroffene bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit etwa infolge einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses abzuwenden oder weil wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist. Die Förderung wegen eines fehlenden Berufsabschlusses ist nach § 77 Abs. 2 SGB III auch dann möglich, wenn jemand über einen Berufsabschluss verfügt, jedoch aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben kann. Weitere Voraussetzung ist, dass vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Weiterbildungskosten sind nach § 79 Abs. 1 SGB III die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Lehrgangskosten und Kosten für die Eignungsfeststellung, Fahrtkosten, Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung sowie Kosten für die Betreuung von Kindern.

Einzelheiten zu den Lehrgangskosten sind in § 80, zu den Fahrtkosten in § 81, für die Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung in § 82 und zu den Kinderbetreuungskosten in § 83 SGB III enthalten. Die Anforderungen an Träger sind in § 84, die Anforderungen an Maßnahmen in § 85 SGB III geregelt.

Für die Förderung bei behinderten Menschen sind die Regelungen in den §§ 97 ff. SGB III zu beachten. Auch für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen ist nach § 101 Abs. 2 die Förderung möglich, wenn sie in Sonderformen für behinderte Menschen durchgeführt werden. Die berufliche Weiterbildung kann nach § 101 Abs. 5 SGB III auch gefördert werden, wenn behinderte Menschen nicht arbeitslos sind, als Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind oder einer längeren Förderung als nicht behinderte Menschen oder einer erneuten Förderung bedürfen, um am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben. Wenn es behinderungsbedingt erforderlich ist, können nach § 102 Abs. 1 SGB III berufliche Weiterbildungsmaßnahmen auch gefördert werden, wenn die Durchführung in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder im Rahmen einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme unerlässlich ist.

Die besonderen Leistungen umfassen in diesem Fall nach § 103 SGB III das Übergangsgeld nach den §§ 160 bis 162 und die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme. Die Teilnahmekosten bestimmen sich gemäß § 109 SGB III nach den §§ 33 „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“, 44 „Ergänzende Leistungen“, 53 „Reisekosten“ und 54 „Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten“ SGB IX. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Sonderfälle der Unterkunft und Verpflegung.

Zur Dauer der Förderung bestimmt § 37 Abs. 2 SGB IX: „(2) Leistungen zur beruflichen Weiterbildung sollen in der Regel bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauern, es sei denn, dass das Teilhabeziel nur über eine länger dauernde Leistung erreicht werden kann oder die Eingliederungsaussichten nur durch eine länger dauernde Leistung wesentlich verbessert werden.“

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3.5 Förderung durch Leistungen an Arbeitgeber oder Einrichtungen

Für die Förderung durch Leistungen an Arbeitgeber oder Einrichtungen gelten die Ausführungen unter 4.3.2 entsprechend. Das ergibt sich aus den §§ 235a Abs. 1 und 236 Abs. 1 SGB III. Dort wird jeweils auch die berufliche „Weiterbildung“ genannt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3.6 Begleitende Hilfen im Arbeitsleben

Ergänzend ist zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen auf die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben durch die Integrationsämter (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) hinzuweisen. Die möglichen Leistungen an schwerbehinderte Menschen bzw. Arbeitgeber sind § 102 Abs. 3 Nr. 1 und 2 zu entnehmen. Hilfreich ist ferner die Unterstützung durch die Integrationsfachdienste bzw. psychosozialen Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen. Sie beraten und helfen in Problemlagen vor Ort und werden im Auftrag der Rehabilitationsträger tätig (§§ 109 ff. SGB IX). Zu den Einzelheiten vgl. unten 5.3 Begleitende Hilfen im Arbeitsleben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.3.7 Förderung des beruflichen Aufstiegs

Von der beruflichen Ausbildung und Weiterbildung im Rahmen des SGB III unterscheidet sich die gesetzlich anderweit geregelte Förderung des beruflichen Auf­stiegs bereits ausgebildeter Arbeitnehmer. Sie wird gemeinhin als „Meister-BAFöG“ bezeichnet. Die Förderung richtet sich nach dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung - Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) vom 23. April 1996 (BGBl I 1996, S. 623), neu gefasst durch Bek. v. 10.1.2002 (BGBl I S. 402), zuletzt geändert durch Art. 4 Nr. 1 G v. 23.3.2005 (BGBl I S. 931).

Ziel ist die auf einem Ausbildungsberuf aufbauende mit einer anerkannten Prüfung abschließende Fortbildung zu fördern, wenn eigene ausreichende Mittel nicht zur Verfügung stehen. Die Förderung ist weitgehend dem BAföG nachgebildet. Auf weitere Einzelheiten wird hier nicht eingegangen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.3.4 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Bundesagentur für Arbeit, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und der Träger der Kriegsopferversorgung und der Kriegsopferfürsorge werden nach § 44 Abs. 1 SGB IX ergänzt durch

  • Übergangsgeld, Ausbildungsgeld oder Unterhaltsbeihilfe,
  • Beiträge und Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung, zur gesetzlichen Unfallversicherung, zur Rentenversicherung, zur Bundesagentur für Arbeit und zur Pflegeversicherung jeweils nach Maßgabe der einschlägigen Sozialgesetzbücher,
  • Reisekosten und
  • Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten.

Wenn der Schutz behinderter Menschen bei Krankheit oder Pflege während der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht anderweitig sichergestellt ist, können die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld und zur Pflegeversicherung bei einem Träger der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung oder, wenn dort im Einzelfall ein Schutz nicht gewährleistet ist, die Beiträge zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erbracht werden (§ 44 Abs. 2 SGB IX).

Zur Sicherung des Lebensunterhalts leisten nach § 45 SGB IX während der Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben die jeweils zuständigen Rehabilitationsträger Übergangsgeld nach Maßgabe des SGB IX und den jeweils nach den einschlägigen Spezialgesetzen einschlägigen Bestimmungen. Das sind:

  • für die Träger der Unfallversicherung die §§ 49 bis 52 des Siebten Buches,
  • für die Träger der Rentenversicherung die §§ 20 und 21 des Sechsten Buches,
  • für die Bundesagentur für Arbeit die §§ 160 bis 162 des Dritten Buches und
  • für die Träger der Kriegsopferfürsorge § 26a des Bundesversorgungsgesetzes.

Der Anspruch auf Übergangsgeld besteht nach § 45 Abs. 3 SGB IX auch für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt wird (§ 33 Abs. 4 Satz 2), wenn die Teilnehmer an einer solchen Maßnahme wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen.

Wenn es sich um berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, um eine erstmalige berufliche Ausbildung oder um Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen unterstützter Beschäftigung (§ 33 Abs. 4 Nr. 2a SGB IX) sowie um Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen handelt, erhalten behinderte Menschen als Leistung von der Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld nach Maßgabe der §§ 104 bis 108 des Dritten Buches bzw. von den Trägern der Kriegsopferfürsorge Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes (§ 45 Abs. 5 SGB IX).

Die Höhe des Übergangsgeldes richtet sich nach § 46 ff. SGB IX. Darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden.

Wenn nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und diese aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden können, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zwischenzeit weitergezahlt, wenn die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder ihnen eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann (§ 51 Abs. 1 SGB IX). Solche Pausen können sich z. B. zwischen einer Berufsfindungsmaßnahme und der Aufnahme der blindentechnischen Grundausbildung oder auch zwischen dieser und der Aufnahme der Umschulung für einen Beruf ergeben. Für blinde oder sehbehinderte Menschen wird es häufig nicht möglich sein, für solche Zwischenzeiten eine zumutbare Beschäftigung zu vermitteln.

Häufig wird im Anschluss an eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben, also z.B. an eine Umschulung, nicht unmittelbar eine Berufstätigkeit aufgenommen werden können. Nach § 51 Abs. 4 SGB IX werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sich die Betroffenen bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und ihnen kein Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten zusteht. Die Höhe des Übergangsgeldes verringert sich allerdings etwas.

Weil es sich beim Übergangsgeld um eine Lohnersatzleistung handelt, werden auf dieses Arbeitseinkommen oder andere Lohnersatzleistungen nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 SGB IX angerechnet.

Zur Übernahme für Reisekosten, die im Zusammenhang mit Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben entstehen, bestimmt § 53 Abs. 1 SGB IX u.a., dass dazu auch die Kosten für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls zählen.

Während der Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die sich ja z. B. einschließlich einer blindentechnischen Grundausbildung auf bis zu 3 Jahre erstrecken können, werden nach § 53 Abs. 2 Reisekosten auch für im Regelfall zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

Damit eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht daran scheitern muss, dass der Leistungsberechtigte den Haushalt nicht mehr weiterführen kann, wird nach § 54 Abs. 1 Haushaltshilfe gewährt, wenn eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Nach § 54 Abs. 2 SGB IX werden anstelle der Haushaltshilfe auf Antrag die Kosten für die Mitnahme oder anderweitige Unterbringung des Kindes bis zur Höhe der Kosten der sonst zu erbringenden Haushaltshilfe übernommen, wenn die Unterbringung und Betreuung des Kindes in dieser Weise sichergestellt ist. Berufsförderungswerke ermöglichen erfahrungsgemäß die Mitnahme von Kindern. Nähere Auskünfte erteilen die Berufsförderungswerke.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

4.4 Prüfungen

Die in der beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung erforderlichen Prüfungen werfen für behinderte Menschen eine Reihe von Problemen auf. Die Ausgestaltung der Prüfungen muss es ermöglichen, die mit Nichtbehinderten vergleichbare Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Die mit einer Behinderung verbundenen Nachteile müssen ausgeglichen werden.

Für Blinde ist es z.B. erforderlich, schriftliche Aufgaben nach Möglichkeit in Blindenschrift oder in Form einer Datei auf einem Datenträger zur Verfügung zu stellen. Die Lösung ist mit Hilfe einer Schreibmaschine oder eines Computers niederzuschreiben oder einer Hilfskraft zu diktieren. Als technische Arbeitshilfe ist deshalb z. B. ein Notebook mit Braillezeile erforderlich. Wenn Unterlagen, z. B. Gesetzestexte oder Kommentare nachgeschlagen werden müssen, ist eine Hilfskraft erforderlich. Sowohl das Lesen der Aufgaben als auch das Nachschlagen, z.B. mit einer Hilfskraft, erfordert mehr Zeit. Deshalb muss eine angemessene Arbeitszeitverlängerung gewährt werden.

Für Sehbehinderte müssen die Aufgaben erforderlichenfalls in Großdruck zur Verfügung gestellt werden. Die Benutzung der von dem Prüfling verwendeten Sehhilfen, z.B. auch von Bildschirmlesegeräten, muss ermöglicht werden. Auch Sehbehinderte benötigen eine angemessene Verlängerung der Arbeitszeit.

Vielfach wird es nötig sein, die Prüfung in einem eigenen Raum abzulegen.

Nach § 65 Abs. 1 BBiG sollen in den nach § 47 zu erlassenden Prüfungsordnungen die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigt werden. Dies gilt nach dem Wortlaut von § 65 Abs. 1 insbesondere für die „Dauer von Prüfungszeiten, die Zulassung von Hilfsmitteln und die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen Dritter wie Gebärdensprachdolmetscher für hörbehinderte Menschen.“ Das gleiche muss deshalb für Vorlesekräfte für Blinde gelten.

Für die Handwerksordnung enthält § 42l Abs. 1 HWO entsprechende Bestimmungen.

Vom Bundesinstitut für Berufsbildung wurde die Schrift „Nachteilsausgleich für behinderte Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer - Handbuch mit Fallbeispielen und Erläuterungen für die Prüfungspraxis" herausgegeben. Sie ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 3-7639-1026-3).

Für Prüfungen an Hochschulen, also Diplom-, Magister- Bachelor- und Master-Prüfungen sind in den Prüfungsordnungen der Hochschulen nach § 16 Hochschulrahmengesetz (HRG) die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung der Chancengleichheit zu berücksichtigen. Maßgebend ist die Umsetzung dieser Rahmenregelung in dem jeweiligen Hochschulgesetz des Landes und der darauf beruhenden Prüfungsordnung. Die Regelungen sind im Allgemeinen sehr pauschal gehalten.

Für Studiengänge oder Ausbildungen, die mit einem Staatsexamen abschließen, wie z. B. die juristischen Staatsprüfungen oder die Staatsprüfungen für das Lehramt gelten die jeweiligen Prüfungsordnungen der Länder.

Eine Übersicht über einschlägige Regelungen in den Landeshochschulgesetzen und in den staatlichen Prüfungsordnungen ist bei der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks, Monbijouplatz 11, 10178 Berlin (www.studentenwerke.de) erhältlich.

Als Hilfen werden z. B. bei juristischen Staatsexamen zugelassen: die Verwendung eines Notebooks mit Braillezeile, die Verwendung von Gesetzessammlungen auf Datenträgern und die Hilfe durch eine fachlich nicht vorgebildete Vorlesekraft sowie eine Arbeitszeitverlängerung um 50 % bei Klausuren. Die Chancengleichheit erfordert es, dass die Aufgaben in Blindenschrift oder auf einem Datenträger zur Verfügung gestellt werden.

Auskünfte über Nachteilsausgleiche für blinde und sehbehinderte Menschen erteilen speziell der DVBS, Frauenbergstr. 8, 35039 Marburg und seine Fachgruppen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


5. Förderung der Berufsausübung

Die Berufsausübung wird auf vielfältige Weise gefördert. Aufgabe der Arbeitsagentur ist u. a. die Berufsberatung (s. o.) und die Arbeitsvermittlung. Behinderte Menschen erfahren dabei außerdem die Unterstützung durch die Integrationsämter, Integrationsfachdienste und Selbsthilfeorganisationen mit ihren Berufsfachgruppen.

Als Rechtsquellen sind insbesondere neben dem SGB III (Arbeitsförderung) das SGB IX, Kapitel 5 „Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben“ und das im SGB IX zweiter Teil enthaltene Schwerbehindertenrecht sowie die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV 1988) zu nennen. Zu beachten sind außerdem die für die einzelnen Rehabilitationsträger einschlägigen Spezialgesetze. Durch diese Rechtsgrundlagen sollen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen und die Berufsausübung behinderter Menschen gefördert werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.1 Arbeitsvermittlung

Zu den Leistungen der Agentur für Arbeit gehören nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB III die Arbeitsvermittlung sowie die diese unterstützenden Leistungen. Bei der Arbeitsvermittlung handelt es sich nach § 4 SGB III um eine vorrangige Leistung.

Die Vermittlung von Arbeit ist in Kapitel 3 2. Abschnitt mit den §§ 35 ff. des SGB III geregelt. Nach § 35 Abs. 1 SGB III ist es Aufgabe der Arbeitsagentur, Arbeit Suchenden und Arbeitgebern ihre Vermittlungsdienste anzubieten. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeit Suchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Die Agentur für Arbeit stellt sicher, dass Arbeitslose, deren berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert ist, eine verstärkte arbeitsvermittelnde Unterstützung erhalten.

Unverzüglich nach der Meldung als Arbeit suchend hat nach § 37 Abs. 1 SGB III die Agentur für Arbeit zusammen mit dem Arbeit Suchenden die für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale des Arbeit Suchenden, seine beruflichen Fähigkeiten und seine Eignung festzustellen (Potenzialanalyse). Die Feststellung hat sich auch darauf zu erstrecken, ob eine berufliche Eingliederung erschwert ist und welche Umstände sie erschweren.

Nach § 37 Abs. 2 SGB III werden in einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit dem Arbeitsuchenden trifft, für einen zu bestimmenden Zeitraum festgelegt

  1. das Eingliederungsziel,
  2. die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit,
  3. welche Eigenbemühungen zu seiner beruflichen Eingliederung der Arbeit Suchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er diese nachzuweisen hat,
  4. die vorgesehenen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung.

Die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen sollen angemessen berücksichtigt werden.

Dem trägt besonders § 104 SGB IX Rechnung. Bei jeder Agentur für Arbeit ist nach § 104 Abs. 4 SGB IX eine besondere Vermittlungsstelle für schwerbehinderte Menschen eingerichtet. Das Reha-Team der Arbeitsagentur hat u.a. die Aufgabe, schwerbehinderte Menschen einschließlich der Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln.

Die Arbeitsagentur hat nach § 104 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schwerbehinderte Menschen besonders zu fördern. Dem kommt gerade für blinde und sehbehinderte Menschen eine große praktische Bedeutung zu, weil vielen auf diesem Weg die Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnet wird.

Dem Abbau der Arbeitslosigkeit behinderter Menschen dienen auch befristete überregionale und regionale Arbeitsmarktprogramme, welche die Bundesagentur für Arbeit durchführt (§ 104 Abs. 3 SGB IX), wenn sie ihr durch Verwaltungsvereinbarung gemäß § 368 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches unter Zuweisung der entsprechenden Mittel übertragen werden. Die Regionaldirektionen können danach mit Zustimmung der Zentrale durch Verwaltungsvereinbarung auch die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme der Länder übernehmen.

Nach § 104 Abs. 4 SGB IX hat die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber, welche ihr nach Absatz 1 Nr. 2 obliegt,

  1. dem Arbeitgeber zur Besetzung von Arbeitsplätzen geeignete arbeitslose oder Arbeit suchende schwerbehinderte Menschen unter Darlegung der Leistungsfähigkeit und der Auswirkungen der jeweiligen Behinderung auf die angebotene Stelle vorzuschlagen,
  2. ihre Fördermöglichkeiten und, so weit wie möglich und erforderlich, auch die entsprechenden Hilfen der Rehabilitationsträger und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter aufzuzeigen.

Für die Suche und gezielte Vermittlung geeigneter Arbeitsplätze kann das Reha-Team auch einen Integrationsfachdienst beauftragen. Er unterstützt insbesondere schwerbehinderte und behinderte Menschen, die bei der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt einen besonderen Bedarf an arbeitsbegleitender Betreuung benötigen.

Dem Arbeit Suchenden ist eine Ausfertigung der Eingliederungsvereinbarung auszuhändigen (§ 37 Abs. 3 SGB III). Die Eingliederungsvereinbarung ist sich ändernden Verhältnissen anzupassen; sie ist fortzuschreiben, wenn in dem Zeitraum, für den sie zunächst galt, die Arbeitsuche nicht beendet wurde. Sie ist spätestens nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit zu überprüfen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die nach § 37 Absatz 2 S. 1 Nr. 3 SGB III erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden.

Für behinderte Menschen kommt im Zusammenhang mit der Arbeitsvermittlung den Integrationsfachdiensten eine besondere Bedeutung zu. Die Regelungen über die Integrationsfachdienste und ihre Aufgaben enthält Teil 2 Kapitel 7 des SGB IX. Sie werden nach § 111 Abs. 1 SGB IX im Auftrag der Integrationsämter oder der Rehabilitationsträger tätig. Diese bleiben jedoch für die Ausführung der Leistung verantwortlich. Integrationsfachdienste sind nach § 109 Abs. 1 SGB IX Dienste Dritter, die bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden. Für Blinde und Sehbehinderte gibt es an einigen Orten spezielle Integrationsfachdienste oder bei den allgemeinen Integrationsfachdiensten mit den Belangen blinder und sehbehinderter Menschen speziell vertraute Personen. Informationen erteilen hierüber die Selbsthilfeorganisationen für blinde und sehbehinderte Menschen.

Um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, sollen die Vermittlungsbemühungen möglichst früh einsetzen. Dem dient die Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III. Danach sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit Arbeit suchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht (Kündigungsschutzklage) oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird.

§ 38 Abs. 2 SGB III sieht spezielle Mitwirkungspflichten vor, wenn Dienste der Arbeitsagentur in Anspruch genommen werden. Die Arbeit Suchenden haben danach die für eine Vermittlung erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und den Abschluss eines Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses unter Benennung des Arbeitgebers und seines Sitzes unverzüglich mitzuteilen. Sie können die Weitergabe ihrer Unterlagen von ihrer Rückgabe an die Agentur für Arbeit abhängig machen oder ihre Weitergabe an namentlich benannte Arbeitgeber ausschließen. Die Anzeige- und Bescheinigungspflichten im Leistungsverfahren bei Arbeitsunfähigkeit nach § 311 gelten entsprechend.

Die Dauer, für welche die Arbeitsvermittlung durchzuführen ist, ist in § 38 Abs. 3 S. 1 SGB III geregelt. Danach ist die Arbeitsvermittlung durchzuführen

  1. solange der Arbeit Suchende Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit beansprucht,
  2. solange der Arbeit Suchende in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert wird oder
  3. bei Meldepflichtigen nach § 38 Abs. 1 bis zum angegebenen Beendigungszeitpunkt des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses.

Im Übrigen kann die Agentur für Arbeit nach § 38 Abs. 3 S. 2 SGB III die Vermittlung einstellen, wenn der Arbeit Suchende die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III oder der Eingliederungsvereinbarung (§ 37 Abs. 2 SGB III) oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 S. 4 SGB III obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Der Arbeit Suchende kann sie erneut nach Ablauf von zwölf Wochen in Anspruch nehmen.

Als Arbeit suchend kann man sich auch melden und die Dienste der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen, wenn keine Arbeitslosigkeit besteht oder droht. Die Meldung als Arbeit suchend ist von der Arbeitslosenmeldung zu unterscheiden. Hilfreich für die Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle sind die Informationsdienste der Agentur für Arbeit.

Der Arbeitsvermittlung dienen auch die vermittlungsunterstützenden Leistungen, die im ersten Abschnitt des Vierten Kapitels in den §§ 45 bis 47 SGB III geregelt sind.

Ausbildung Suchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeit Suchende und Arbeitslose können nach § 45 Abs. 1 SGB III aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Das Vermittlungsbudget soll die Grundlage für eine flexible bedarfsgerechte Förderung von Arbeit Suchenden sein. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. An die Stelle des bisherigen abschließenden Leistungskatalogs treten individuelle Leistungen, die sich an den Erfordernissen des Einzelfalls orientieren. Dieser bis 31.12.2008 gültige Katalog umfasste Leistungen:

  1. für die Erstellung und Versendung von Bewerbungsunterlagen (Bewerbungskosten),
  2. im Zusammenhang mit Fahrten zur Berufsberatung, Vermittlung, Eignungsfeststellung und zu Vorstellungsgesprächen (Reisekosten).

Das Vermittlungsbudget soll demgegenüber den Vermittlungsfachkräften ein flexibles, bedarfsgerechtes und unbürokratisches Instrument an die Hand geben, mit dem sie den Berechtigten einzelfallbezogene Hilfestellungen ermöglichen sollen. Die Leistungsgewährung erfordert jedoch nach ihrem Wortlaut unmissverständlich, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angestrebt wird. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis liegt nach den §§ 25 ff. SGB III vor, wenn Personen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind.

Nach § 45 Abs. 2 SGB III kann auch die Anbahnung oder Aufnahme einer Beschäftigung innerhalb der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz gefördert werden.

Die Entscheidung über den Umfang der Leistungen aus dem Vermittlungsbudget steht nach ausdrücklicher Regelung in § 45 Abs. 3 S. 1 HS. 1 SGB III im Ermessen des Trägers. Die Regelung ermächtigt nicht nur zu einer Teilförderung, sondern sie ermöglicht auch eine darlehensweise Gewährung von Leistungen. Eine darlehensweise Förderung kommt insbesondere in Betracht, wenn Leistungen lediglich bis zur ersten Lohnzahlung „vorgestreckt“ werden müssen. Im Übrigen eröffnet § 45 Abs. 3 S. 1 HS. 2 SGB III die Möglichkeit zur Festsetzung von Pauschalen durch den Träger vor Ort. Solche Pauschalen für typische und wiederkehrende Leistungen dienen der Gleichbehandlung der Leistungsberechtigten (Thomas Voelzke jurisPR-SozR 5/2009 Anm. 4). Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind nach § 45 Abs. 3 S. 2 SGB III ausgeschlossen. Die Förderung aus dem Vermittlungsbudget darf die anderen Leistungen nach dem SGB III gem. § 45 Abs. 3 S. 3 SGB III nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen.

Mit den Regelungen in § 46 SGB III wurde ab 01.01.2009 die Möglichkeit völlig neu gestaltet, Träger einzuschalten, um bei der Vermittlung und Betreuung von Ausbildung- und Arbeit Suchenden unterstützende Angebote zu unterbreiten. Genannt werden in § 46 Abs. 1 SGB III die Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (Nr. 1), die Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen (Nr. 2), die Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung (Nr. 3), die Heranführung an eine selbstständige Tätigkeit (Nr. 4) oder die Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme (Nr. 5). Die Aufzählung verdeutlicht die Spannbreite der denkbaren Maßnahmen, die nicht unmittelbar auf eine Vermittlungstätigkeit oder Beschäftigungsaufnahme gerichtet sein müssen, sondern auch Anstrengungen im Vorfeld umfassen. Andererseits enden - wie Nr. 5 verdeutlicht - die unterstützenden Maßnahmen nicht zwangsläufig mit der Beschäftigungsaufnahme, sondern es sind den Trägern i.S. nachhaltigen Handelns auch stabilisierende Förderungsmaßnahmen eröffnet (Thomas Voelzke jurisPR-SozR 5/2009 Anm. 4).

Für Blinde oder Sehbehinderte käme hier z.B. auch die zur Zurücklegung des Arbeitsweges erforderliche Mobilitätsschulung in Frage.

Arbeitslose können nach § 46 Abs. 3 SGB III von der Agentur für Arbeit die Zuweisung in eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung verlangen, wenn sie sechs Monate nach Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit noch arbeitslos sind.

Die Förderung umfasst nach § 46 Abs. 1 S. 3 SGB III die Übernahme der angemessenen Kosten für die Teilnahme, soweit dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Der Berechtigte hat in diesem Umfang einen individuellen Anspruch auf Erstattung der ihm entstehenden Kosten. Außerdem steht dem Träger oder Arbeitgeber für die Durchführung der Maßnahme ein Vergütungsanspruch zu.

Damit die Vermittlung schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt gelingen kann, enthält das SGB IX die in den folgenden Abschnitten behandelten Regelungen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2 Pflichten der Arbeitgeber und Rechte der schwerbehinderten Menschen

Damit behinderte Menschen eine Chance zur Teilhabe am Arbeitsleben haben, muss dafür gesorgt werden, dass ausreichend Arbeitsplätze, möglichst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, zur Verfügung stehen. Hier haben die Arbeitgeber eine Verpflichtung, die nur von ihnen erfüllt werden kann. Sie erfahren im Gegenzug zahlreiche Hilfen, die ihnen die Erfüllung dieser Verpflichtung ermöglichen bzw. erleichtern soll.

Die Richtlinie des Rats der Europäischen Union vom 27.11.2000 (Richtlinie 2000/78/EG - ABl. EG Teil L Nr. 303 S. 16) zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verlangt von den Arbeitgebern, dass sie die geeig­neten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen treffen, um behinderten Menschen den Zugang zur Beschäftigung und zur Ausübung ihres Berufs, zum beruflichen Aufstieg und zur Teilnahme an Maßnahmen zur Ausbildung und Weiterbildung ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden sie unverhältnismäßig belasten. Damit übereinstimmend ist den Arbeit­gebern im deutschen Recht vorgeschrieben, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass in ihren Betrieben wenigstens die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von schwerbehinderten Menschen eine möglichst dauerhafte Beschäftigung finden können. Die Umsetzung der Rahmenrichtlinien 2000/78/EG und dieser Rechte und Pflichten erfolgt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006. Die Umsetzung dieser Richtlinie erfolgt auch in Teil 2 des SGB IX, insbesondere in den Kapiteln II (Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber - §§ 71 ff.), Kapitel III (Sonstige Pflichten der Arbeitgeber; Rechte der schwerbehinderten Menschen - §§ 80 ff.) und Kapitel V (Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, Schwerbehindertenvertretung, Beauftragter des Arbeitgebers - §§ 93 ff.).

§ 81 Abs. 2 und 4 SGB IX enthalten ein Benachteiligungsverbot, bzw. die Verpflichtung, behinderte Menschen mit Rücksicht auf ihre berufliche Entwicklung zu fördern. In § 81 Abs. 2 S. 2 wird für die Einzelheiten auf die Regelungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verwiesen. Der Verpflichtung, behinderte Menschen mit Rücksicht auf ihre berufliche Entwicklung zu fördern, dienen eine bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung.

In diesen Bestimmungen ist eine Konkretisierung des Benachteiligungsverbotes nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu sehen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.1 Betriebliche Interessenvertretungen, Schwerbehindertenvertretung und Beauftragter des Arbeitgebers

Bei der Gewährleistung der beruflichen Teilhabe behinderter Menschen kommt den betrieblichen Interessenvertretungen, der Schwerbehindertenvertretung und dem Beauftragten des Arbeitgebers eine wichtige Aufgabe zu.

Die Stellung und Aufgaben von Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat als betriebliche Interessenvertretungen, der Schwerbehindertenvertretung und des Beauftragten des Arbeitgebers sind im 5. Kapitel des zweiten Teiles des SGB IX §§ 93 - 100 geregelt.

Die Aufgaben der betrieblichen Interessenvertretung sind in § 93, die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung in § 95 SGB IX und die des Beauftragten des Arbeitgebers in § 98 festgelegt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.1.1 Aufgaben der betrieblichen Interessenvertretung

Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat als betriebliche Interessenvertretungen haben nach § 93 SGB IX die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Hierbei handelt es sich um Verpflichtungen, die dem Arbeitgeber nicht gegenüber einzelnen schwerbehinderten Menschen, sondern gegenüber der Gruppe schwerbehinderter Menschen allgemein obliegt.

Sie achten insbesondere darauf, dass die dem Arbeitgeber nach den §§ 71, 72 und 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Im Einzelnen handelt es sich bei der nicht abschließenden Aufzählung um folgende Verpflichtungen:

  • Verpflichtung der Arbeitgeber, auf wenigstens 5 Prozent seiner Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (§ 71),
  • Verpflichtung der Arbeitgeber zur Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen (§ 72),
  • Verpflichtung der Arbeitgeber zu prüfen, ob Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, Pflicht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 81),
  • Besondere Pflichten öffentlicher Arbeitgeber (§ 82),
  • Verpflichtung zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung (§ 83),
  • Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Prävention (§ 84).

Eine weitere Aufgabe der in § 93 genannten Vertretungen ist es, auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung (§ 94 Abs. 1) hinzuwirken.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.1.2 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung

Die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung und die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlichen Rechte sind in § 95 SGB IX geregelt. Sie decken sich teilweise mit den Aufgaben der betrieblichen Interessenvertretungen, gehen aber darüber hinaus.

Nach § 95 Abs. 1 S. 1 fördert sie die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Abs. 1 Satz 2 benennt in einer nicht abschließenden Aufzählung Aufgaben, die von der Schwerbehindertenvertretung zu erfüllen sind.

Die Schwerbehindertenvertretung hat darüber zu wachen, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden. Das können z. B. besondere Vereinbarungen zugunsten schwerbehinderter Menschen über Arbeitszeiten sein.

Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist es ausdrücklich, darüber zu wachen, dass die dem Arbeitgeber nach den besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Hierbei handelt es sich um Verpflichtungen, die dem Arbeitgeber nicht gegenüber einzelnen schwerbehinderten Menschen, sondern gegenüber der Gruppe schwerbehinderter Menschen allgemein obliegt. Im Einzelnen handelt es sich bei den in § 95 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 aufgeführten Paragraphen um folgende Verpflichtungen:

  • Verpflichtung des Arbeitgebers, auf wenigstens 5 Prozent seiner Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (§ 71),
  • Verpflichtung der Arbeitgeber zur Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen (§ 72),
  • Verpflichtung der Arbeitgeber zu prüfen, ob Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, Pflicht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 81),
  • Besondere Pflichten öffentlicher Arbeitgeber (§ 82),
  • Verpflichtung zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung (§ 83),
  • Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Prävention (§ 84).

Nach § 95 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ist die Schwerbehindertenvertretung verpflichtet, Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, bei den zuständigen Stellen zu beantragen.

Das sind der Arbeitgeber, die innerbetrieblichen Interessenvertretungen (Betriebsrat, Personalrat usw.), aber auch Stellen außerhalb des Betriebes oder der Dienststelle, die mit der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben befasst sind, also die Arbeitsagenturen, die Integrationsämter und die Rehabilitationsträger.

Nach § 95 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ist es Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung, Anregungen und Beschwerden schwerbehinderter Menschen entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, mit dem Arbeitgeber hierüber zu verhandeln.

Der schwerbehinderte Mensch, der in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigt ist, ist nicht verpflichtet, sich mit Anregungen und Beschwerden an die Schwerbehindertenvertretung zu wenden; er kann sich auch unmittelbar an den Arbeitgeber wenden. Wenn er sich an die Schwerbehindertenvertretung wendet, ist diese, sofern ihr die Anregung oder Beschwerde berechtigt erscheint, zur Verhandlung mit dem Arbeitgeber verpflichtet.

Nach § 95 Abs. 1 S. 3 ist die Schwerbehindertenvertretung verpflichtet, behinderte Menschen des Betriebes oder der Dienststelle, die (noch) nicht als schwerbehinderte Menschen anerkannt sind, bei Anträgen an die nach § 69 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörden der Versorgungsverwaltung auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und des Grades der Behinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit zu unterstützen. Diese Unterstützung besteht in der Beratung und Hilfestellung beim Ausfüllen der Anträge. Bei der Unterstützung zur Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen geht es um behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindesten 30, aber weniger als 50 (§ 2 Abs. 3 SGB IX) und damit um den Erhalt des Arbeitsplatzes.

Damit die Schwerbehindertenvertretung ihre Aufgaben wahrnehmen kann, sind ihr in § 95 Rechte eingeräumt.

Nach § 95 Abs. 1 S. 4 kann sie in Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 schwerbehinderten Menschen nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen, in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 schwerbehinderten Menschen auch das mit der nächst höchsten Stimmenzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied. Diese Möglichkeit wurde geschaffen, weil das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht von einem mehrköpfigen Organ, sondern allein von einer Person wahrgenommen wird.

§ 95 Abs. 2 Satz 1 gibt der Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, ein Recht auf unverzügliche und umfassende Unterrichtung und Anhörung. Erfasst sind auch Maßnahmen oder Anordnungen des Arbeitgebers, die zwar möglicherweise schwerbehinderte Menschen nicht unmittelbar und ausschließlich betreffen, sie aber berühren, also mitbetreffen können.

Der Schwerbehindertenvertretung ist mit der Anhörung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

§ 95 Abs. 2 Satz 2 beschreibt die Folgen der Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Die Vorschrift bestimmt, dass Maßnahmen des Arbeitgebers, die die Interessen schwerbehinderter Menschen berühren und bei denen die Schwerbehindertenvertretung entgegen der Verpflichtung in Satz 1 weder unterrichtet noch angehört wurde, nicht durchgeführt oder vollzogen werden darf. Die Entscheidung des Arbeitgebers ist jedoch nicht unwirksam, sondern lediglich auszusetzen. Die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden.

§ 95 Abs. 2 Satz 3 gibt der Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 81 SGB IX, also bei der Prüfung durch den Arbeitgeber, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Dabei geht es um die Unterrichtung durch den Arbeitgeber über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und eingegangene Bewerbungen schwerbehinderter Menschen, die sich unmittelbar bei dem Arbeitgeber beworben haben. Es geht auch um die Erörterung von Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt und entgegen dem Votum der Schwerbehindertenvertretung statt eines schwerbehinderten einen nichtbehinderten Menschen einstellen möchte.

Im Rahmen der Beteiligung nach § 81 Abs. 1 SGB IX sowie darüber hinaus in allen Fällen, in denen auch ohne eine konkrete Stellenausschreibung Bewerbungen schwerbehinderter Menschen vorliegen, hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und das Recht auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. Das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Bewerbungsunterlagen und auf Beteiligung an den Vorstellungsgesprächen bezieht sich auf behinderte und nicht behinderte Bewerber. Das ist notwendig, damit die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen ihrer Beteiligung eine begründete Stellungnahme zur Stellenbesetzung abgeben kann.

Unterstützung leistet die Schwerbehindertenvertretung auch bei der Akteneinsicht. Der schwerbehinderte Mensch hat wie jeder Beschäftigte das Recht auf Einsicht in seine Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers. Hierbei ist die Hinzuziehung der betrieblichen Interessenvertretung, also des Betriebs- oder Personalrats, sofern der Beschäftigte dies ausdrücklich wünscht, übliche Praxis. § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB IX räumt dem schwerbehinderten Menschen daneben ausdrücklich das Recht ein, die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. Abs. 3 Satz 2 bestimmt, dass die Schwerbehindertenvertretung über den Inhalt der bekannt gewordenen Daten Stillschweigen zu bewahren hat, es sei denn, die Schwerbehindertenvertretung ist hiervon ausdrücklich entbunden worden.

Damit die speziellen Interessen behinderter Mitarbeiter zur Sprache gebracht werden können, gibt § 95 Abs. 4 Satz 1 der Schwerbehindertenvertretung das Recht, an allen Sitzungen der betrieblichen Interessenvertretungen teilzunehmen. Voraussetzung ist nicht, dass Angelegenheiten, welche schwerbehinderte Menschen betreffen, behandelt werden. Das Teilnahmerecht besteht ausdrücklich für alle Sitzungen. Das Teilnahmerecht ergibt sich auch aus § 32 Betriebsverfassungsgesetz. Es wird aber in der Spezialregel des § 95 Abs. 4 auf die Ausschüsse der genannten Gremien sowie den Arbeitsschutzausschuss ausgedehnt. Die Schwerbehindertenvertretung hat in den Sitzungen kein Stimmrecht, sondern nur ein Teilnahmerecht und damit die Möglichkeit, auf die Entscheidungen argumentativ einzuwirken. Sie hat ferner das Recht, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der betrieblichen Interessenvertretung, wie auch der Ausschüsse und der eventuell bestehenden Arbeitsgruppen setzen zu lassen. Gemäß § 95 Abs. 4 Satz 2 hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, Beschlüsse der betrieblichen Interessenvertretung, in welchen sie eine Verletzung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen sieht oder vor denen sie von dem Arbeitgeber entgegen der in § 95 Abs. 2 Satz 1 vorgeschriebenen Unterrichtung und Anhörung nicht beteiligt worden ist, zu beanstanden, mit der Folge, dass diese Beschlüsse der betrieblichen Interessenvertretung oder der Ausschüsse für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an auszusetzen sind. In dieser Frist soll eine Verständigung, gegebenenfalls mit Hilfe der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, versucht werden (§ 35 Abs. 1 BetrVG). § 35 Abs. 2 BetrVG bestimmt, dass nach Ablauf der Frist von einer Woche über die Angelegenheit neu zu beschließen ist. Wenn der erste Beschluss bestätigt oder nur unerheblich geändert wird, kann der Antrag auf Aussetzung nicht wiederholt werden.

§ 95 Abs. 5 SGB IX gibt der Schwerbehindertenvertretung das Recht, zu Besprechungen nach § 74 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechtes zwischen dem Arbeitgeber und den betrieblichen Interessenvertretungen hinzugezogen zu werden. Nach diesen Bestimmungen sollen Arbeitgeber und Betriebsrat mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Sie haben in diesen so genannten Monatsbesprechungen über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen.

Nach § 95 Abs. 6 SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, wenigstens einmal jährlich alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen zu einer Versammlung einzuladen. Zweck einer solchen Versammlung ist die Unterrichtung der beschäftigten schwerbehinderten Menschen über die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung. In dieser Versammlung hat der Arbeitgeber auch über alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu berichten. Das sieht § 83 Abs. 3 SGB IX ausdrücklich vor.

Für die Erfüllung ihrer Aufgaben ist es wichtig, dass die Schwerbehindertenvertretung an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und dass sie dort ein Rederecht hat. In § 95 Abs. 8 SGB IX wird klargestellt, dass dieses Recht auch dann besteht, wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind. Diese Regelung ist erforderlich, weil Betriebs- und Personalversammlungen nicht öffentlich sind.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.1.3 Wahl und Stellung der Schwerbehindertenvertretung

Während sich die Wahl der in § 93 Abs. 1 SGB IX genannten betrieblichen Interessenvertretungen für den Betriebsrat nach §§ 7 ff. Betriebsverfassungsgesetz, für die anderen nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz bzw. den Personalvertretungsgesetzen der Länder richtet, ist die Wahl, Amtsdauer und Stellung der Schwerbehindertenvertretung in den §§ 94 ff. SGB IX geregelt.

Nach § 94 Abs. 1 SGB IX wird in Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Die Schwerbehindertenvertretung besteht aus einer Vertrauensperson und mindestens einem stellvertretenden Mitglied, und zwar unabhängig von der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter. Die Zahl der stellvertretenden Mitglieder ist nicht vorgeschrieben, vielmehr sollte sich die Zahl nach der Betriebsgröße und der Zahl der zu betreuenden schwerbehinderten Menschen richten. Wie viele stellvertretende Mitglieder zu wählen sind, wird von dem zur Vorbereitung der Wahl bestellten (§ 1 Abs. 1 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen) oder in der Wahlversammlung gewählten (§ 1 Abs. 2 der Wahlordnung) Wahlvorstand nach Erörterung mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebs- oder Personalrat und dem Arbeitgeber beschlossen (§ 2 Abs. 4 der Wahlordnung). Aufgabe des oder der stellvertretenden Mitglieder ist es, die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben zu vertreten. In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 schwerbehinderten Menschen kann die Schwerbehindertenvertretung nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen, in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 schwerbehinderten Menschen, kann auch das mit der nächsthöchsten Stimmzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied herangezogen werden (§ 95 Abs. 1 S. 4 und 5).

Bei Gerichten, denen mindestens fünf schwerbehinderte Richter oder Richterinnen angehören, wählen diese nach § 94 Abs. 1 Satz 2 einen Richter oder eine Richterin zu ihrer eigenen Schwerbehindertenvertretung. Das gilt nach § 94 Abs. 1 S. 3 entsprechend für schwerbehinderte Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen, soweit das Landesrecht für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen eine eigenständige Personalvertretung vorsieht. Diese Schwerbehindertenvertretungen der Richter bzw. der anderen Gruppen bestehen neben den Schwerbehindertenvertretungen der übrigen Bediensteten.

Betriebe oder Dienststellen, in welchen weniger als fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, können für die Wahl mit räumlich nahe liegenden Betrieben des Arbeitgebers oder gleichstufigen Dienststellen der selben Verwaltung zusammengefasst werden. Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem für den Sitz der Betriebe oder Dienststellen einschließlich Gerichten zuständigen Integrationsamt, d.h., er hat das Integrationsamt um eine Stellungnahme zu ersuchen. Die Entscheidung des Arbeitgebers ist aber nicht von einer Zustimmung des Integrationsamtes abhängig.

Wahlberechtigt sind nach § 94 Abs. 2 alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Dabei muss es sich nicht um eine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinn von § 73 Abs. 1 SGB IX handeln. So sind z. B. auch schwerbehinderte Menschen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnehmen, wahlberechtigt.

Wählbar zur Schwerbehindertenvertretung sind, anders als nach § 94 Abs. 2, wonach das aktive Wahlrecht nur schwerbehinderten Menschen zukommt, gemäß § 94 Abs. 3 alle Beschäftigten, also auch nicht behinderte Beschäftigte. Voraussetzung ist, dass sie in dem Betrieb oder der Dienststelle nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, am Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder der Dienststelle seit sechs Monaten angehören. Besteht der Betrieb oder die Dienststelle weniger als ein Jahr, so bedarf es für die Wählbarkeit nicht der sechsmonatigen Zugehörigkeit.

Die Wahlen finden, von einigen Ausnahmen nach § 94 Abs. 5 abgesehen, alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November statt. Ist in einem Betrieb oder einer Dienststelle eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt, so kann das für den Betrieb oder die Dienststelle zuständige Integrationsamt zu einer Versammlung schwerbehinderter Menschen zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes einladen (§ 94 Abs. 6 S. 4). Hierzu kann auch die betriebliche Interessenvertretung, also Betriebs-, Personalrat usw., einladen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung).

§ 94 Abs. 6 Satz 1 bestimmt, dass die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied bzw. die stellvertretenden Mitglieder in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt werden. Das bedeutet, das Wahlrecht wird durch Abgabe eines Stimmzettels in einem Wahlumschlag ausgeübt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 der Wahlordnung). Das Wahlrecht ist persönlich oder schriftlich auszuüben (§§ 9, 11 der Wahlordnung). Allerdings kann sich, wer infolge seiner Behinderung bei der Stimmabgabe beeinträchtigt ist, eine Person bestimmen, die bei der Stimmabgabe behilflich sein soll (§ 10 Abs. 4 Satz 1 der Wahlordnung). Blinde und hochgradig Sehbehinderte können eine Vertrauensperson, die ihnen bei der Stimmabgabe behilflich ist, heranziehen. Nach Möglichkeit sollte ihnen aber die selbstständige Wahl mit Hilfe einer ihnen zur Verfügung zu stellenden Wahlschablone ermöglicht werden.

Die persönliche Rechtsstellung der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen ist in § 96 SGB IX geregelt.

Die Vertrauenspersonen führen ihr Amt ehrenamtlich und unentgeltlich aus (§ 96 Abs. 1), d. h. sie dürfen für die Ausübung ihres Amtes kein Entgelt, keine Entschädigungen und Vergütungen erhalten. Die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten trägt nach § 96 Abs. 8 der Arbeitgeber.

Die Vertrauenspersonen dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung (§ 96 Abs. 2).

Um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten, besitzen die Vertrauenspersonen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates (§ 96 Abs. 3). Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson. Im Übrigen besitzt das stellvertretende Mitglied die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates (§ 96 Abs. 3). Zum Kündigungsschutz gelten die Regelungen, wie sie § 15 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) im Rahmen der Betriebsverfassung und Personalvertretung trifft. Danach ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Der Kündigungsschutz besteht noch ein Jahr nach Ablauf der Amtszeit, es sei denn, die Amtszeit ist durch gerichtliche Entscheidung beendet worden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 KSchG).

Für den Bereich der Vertrauenspersonen heißt das, dass der Kündigungsschutz nach Ablauf der Amtszeit für die Dauer eines Jahres dann nicht besteht, wenn der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt auf Antrag eines Viertels der wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen das Erlöschen des Amtes einer Vertrauensperson wegen grober Verletzung ihrer Pflichten beschlossen hat (§ 94 Abs. 7 Satz 5).

Die Vertrauenspersonen haben nach § 96 Abs. 4 Anspruch auf Befreiung von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge, wenn und soweit das zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Sind in den Betrieben und Dienststellen in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch von der Beschäftigung freigestellt. Der Anspruch auf Befreiung von der beruflichen Tätigkeit gilt auch für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Solche Schulungen werden von den Integrationsämtern oder in deren Auftrag von externen Bildungsträgern angeboten. Der Anspruch auf Befreiung von der beruflichen Tätigkeit besteht auch für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied, wenn wegen ständiger Heranziehung nach § 95, häufiger Vertretung der Vertrauensperson für längere Zeit oder absehbaren Nachrückens in das Amt der Schwerbehindertenvertretung in kurzer Frist die Teilnahme an Bildungs- und Schulungsveranstaltungen erforderlich ist (§ 96 Abs. 4 S. 4).

Die Vertrauenspersonen unterliegen bezüglich der mit ihrem Amt verbundenen Wahrnehmungen nach § 96 Abs. 7 der Schweigepflicht. Sie sind verpflichtet, über ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordene persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren. Dies sind alle Angelegenheiten und Verhältnisse, die in der Privatsphäre des Betroffenen liegen, z.B. auch gesundheitliche Probleme. Sie sind auch verpflichtet, die ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordenen und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichneten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse können sich z. B. auf Herstellungsverfahren, die technische Ausstattung des Betriebes oder die Vorbereitung eines neuen Produkts beziehen. Die Schweigepflicht gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt.

Die Schweigepflicht besteht allerdings nach § 96 Abs. 7 S. 3 nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit deren Aufgaben den schwerbehinderten Menschen gegenüber es erfordern. Sie besteht auch nicht gegenüber den Vertrauenspersonen in den Stufenvertretungen (Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung nach § 97) sowie gegenüber den in § 79 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, in welchem die Schweigepflicht der Betriebsratsmitglieder geregelt ist, und den in den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechtes des Bundes und der Länder genannten Vertretungen, Personen und Stellen. Das sind im Wesentlichen die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrates, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sowie betrieblicher Beschwerdestellen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.1.4 Beauftragter des Arbeitgebers für Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen

Nach § 98 SGB IX ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, einen Beauftragten für Angelegenheiten behinderter Menschen zu bestellen. Diese Verpflichtung ist nicht nur auf die Arbeitgeber beschränkt, die aufgrund ihrer Betriebsgröße zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtet sind.

Aufgabe des Beauftragten ist es, den Arbeitgeber in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich zu vertreten. Mit dieser Anforderung verbindet der Gesetzgeber die Erwartung, dass der Arbeitgeber regelmäßig nur Mitarbeiter, die Personalentscheidungen treffen und dabei für die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verantwortlich sind, als Beauftragte bestellen, da nur so eine sachgerechte Vertretung in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen gewährleistet sei (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 98 SGB IX). Der Beauftragte soll nach Möglichkeit selbst ein schwerbehinderter Mensch sein. Mit diesem Wunsch ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass dadurch die besonderen behindertenspezifischen Kenntnisse und Erfahrungen schwerbehinderter Menschen auch in die Arbeit der Arbeitgeberbeauftragten einfließen können. Wenn es unter den Beschäftigten mit der Befugnis der verantwortlichen Vertretung keine schwerbehinderte Person gibt, kann der Beauftragte zur Befolgung der Anforderung, dass es sich um einen schwerbehinderten Menschen handeln soll, nicht aus dem Personenkreis anderer Beschäftigter, unter denen sich schwerbehinderte Menschen befinden, bestellt werden.

Die Aufgaben des Beauftragten sind in § 98 Satz 3 SGB IX mit der Formulierung „Der Beauftragte achtet vor allem darauf, dass dem Arbeitgeber obliegende Verpflichtungen erfüllt werden“ nur allgemein und nicht abschließend beschrieben. Zu den Aufgaben gehört u. a. die Überwachung der Beschäftigungspflicht. Hierzu erhält der Beauftragte für jeden Betrieb oder jede Dienststelle eine Abschrift des Verzeichnisses der bei dem Arbeitgeber beschäftigten schwerbehinderten, gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen (§ 80 Abs.1) und eine Kopie der von dem Arbeitgeber an die Agentur für Arbeit zu erstattenden Anzeige nach § 80 Abs. 2.

Zu den Aufgaben gehört weiter, darauf zu achten, dass der Arbeitgeber seine Pflichten im Zusammenhang mit der Besetzung freier Arbeitsplätze erfüllt (§ 81 Abs. 1) und die Rechte der schwerbehinderten Menschen, der betrieblichen Interessenvertretungen und der Schwerbehindertenvertretung gewahrt sind.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.1.5 Verpflichtung zur Zusammenarbeit

§ 99 SGB IX enthält in Abs. 1 die Verpflichtung des Arbeitgebers, des Beauftragten des Arbeitgebers (§ 98) sowie der betrieblichen Interessenvertretungen (Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat § 93) und der Schwerbehindertenvertretung (§ 94) zur engen Zusammenarbeit zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb oder der Dienststelle.

§ 99 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass der Arbeitgeber und sein Beauftragter, die betrieblichen Interessenvertretungen und die Schwerbehindertenvertretungen sowie die mit der Durchführung der Aufgaben nach dem Schwerbehindertenrecht befassten Behörden, also im Wesentlichen die Agenturen für Arbeit und die Integrationsämter und die Rehabilitationsträger, sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen haben. Die Rehabilitationsträger sind in § 6 SGB IX aufgeführt.

§ 99 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen, also die Schwerbehindertenvertretung und der Beauftragte des Arbeitgebers, Verbindungspersonen zu den mit der Durchführung der Aufgaben im Wesentlichen befassten Behörden, also der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern sind. Die Aufgaben der Verbindungspersonen sind im Einzelnen nicht festgelegt, es geht aber um die gegenseitige Unterstützung bei der Durchführung der Aufgaben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.2 Beschäftigungspflicht - Ausgleichsabgabe

5.2.2.1 Umfang der Beschäftigungspflicht

Die Beschäftigungspflicht ist im SGB IX im zweiten Kapitel des zweiten Teiles mit den §§ 71 ff. geregelt. Nach § 71 Abs. 1 SGB IX haben private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich unter 40 Arbeitsplätzen sind abweichend davon verpflichtet, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich unter 60 Arbeitsplätzen, zwei schwerbehinderte Arbeitnehmer zu beschäftigen. Schwerbehinderte Frauen sind bei der Beschäftigung besonders zu berücksichtigen.

Öffentliche Arbeitgeber spielen bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen erfahrungsgemäß eine große Rolle. Ihnen kommt auch eine gewisse Vorbildfunktion zu. Welche Stellen als öffentliche Arbeitgeber gelten, ist § 71 Abs. 3 SGB IX zu entnehmen. Danach sind öffentliche Arbeitgeber

  1. jede oberste Bundesbehörde mit ihren nachgeordneten Dienststellen, das Bundespräsidialamt, die Verwaltungen des Deutschen Bundestages und Bundesrates, das Bundesverfassungsgericht, die obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Bundesgerichtshof jedoch zusammengefasst mit dem Generalbundesanwalt sowie das Bundeseisenbahnvermögen,
  2. jede oberste Landesbehörde und die Staats- und Präsidialkanzleien mit ihren nachgeordneten Dienststellen, die Verwaltungen der Landtage, die Rechnungshöfe (Rechnungskammern), die Organe der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder und jede sonstige Landesbehörde, zusammengefasst jedoch diejenigen Behörden, die eine gemeinsame Personalverwaltung haben,
  3. jede sonstige Gebietskörperschaft und jeder Verband von Gebietskörperschaften,
  4. jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts.

§ 72 SGB IX verpflichtet die Arbeitgeber, im Rahmen ihrer Beschäftigungspflicht nach § 71 besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen in angemessenem Umfang zu berücksichtigen. Das sind nach Abs. 1:

  1. schwerbehinderte Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind, insbesondere solche
    1. die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder
    2. deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist oder
    3. die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können; also solche, deren Arbeitsleistung wenigstens 30 % geringer ist als diejenige eines Nichtbehinderten in vergleichbarer Funktion oder
    4. bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 allein infolge geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder
    5. die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes haben,
    6. schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

„Nicht nur vorübergehend" heißt, dass die Beeinträchtigungen von einer gewissen Dauer sein müssen. Als Anhaltspunkt ist ein Zeitraum von wenigstens 6 Monaten anzusehen.

Die Voraussetzungen von Nr. 1 Buchst. a, b und c dürften bei blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen häufig vorliegen.

Der Begriff des Arbeitsplat­zes ist in § 73 SGB IX geregelt. Danach sind nach Abs. 1 Arbeitsplätze im Sinne des Teils 2 des SGB IX alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. § 73 Abs. 2 SGB IX enthält jedoch zahlreiche Ausnahmen. So gelten u.a. solche Stellen nicht als Arbeitsplätze, auf welchen beschäftigt werden:

  • Behinderte Menschen, die an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen. (Das sind Maßnahmen zur beruflichen Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen),
  • Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften, das sind z. B. Ordensschwestern. Was die Nichtgeltung der Stellen von Geistlichen angeht, wird dem verfassungsrechtlich garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf Geistliche Rechnung getragen. Damit ist es allerdings umstritten, ob Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter für Geistliche, etwa Leistungen der behinderungsgerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen, möglich sind (vgl. § 102 Abs. 2 S. 3 SGB IX). Bejaht wird das vom BVerwG in der Entscheidung v. 14.11.2003, 5 C 13/02.
  • Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt. (Diese Vorschrift erfasst in erster Linie Beschäftigungen zur Arbeits- und Beschäftigungstherapie),
  • Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch des SGB teilnehmen. Die Teilnahme schwerbehinderter Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird jedoch dadurch besonders gefördert, dass sie auf Pflichtarbeitsplätze des Arbeitgebers angerechnet werden (§ 75 Abs. 1).

Nach § 73 Abs. 3 gelten ferner als Arbeitsplätze nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind (Saisonarbeitsplätze, z. B. zu Erntearbeiten) sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.

Anders als in der „Vorgängervorschrift" des § 7 Abs. 3 SchwbG ist in § 73 Abs. 3 nicht mehr die Regelung enthalten, nach der als Arbeitsplätze nicht gelten die Stellen, auf denen Personen beschäftigt sind, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben. Diese Regelung betraf hauptsächlich Rechts- und Studienreferendare. Die Nichtgeltung dieser Stellen als Arbeitsplätze wurde gestrichen mit der Folge, dass Referendare nunmehr auf „regulären" Arbeitsplätzen beschäftigt sind. Grund für die Streichung war die Absicht, den schwerbehinderten Referendaren ebenfalls Leistungen der begleitenden Hilfe, also auch Leistungen zu den Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz gewähren zu können (vgl. Hans-Peter Schell in Haufe SGB-Onlinekommentar RZ. 25 zu § 73 SGB IX).

Bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Pflichtarbeitsplatzzahl sind nicht alle Arbeitsplätze im Sinn von § 73 Abs. 1 SGB IX zu berücksichtigen. Nach § 74 Abs. 1 SGB IX zählen bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Arbeitsplätze, auf denen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen sind (§ 71), Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht mit. Das Gleiche gilt für Stellen, auf denen Rechts- oder Studienreferendare und -referendarinnen beschäftigt werden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben.

Für die Erfüllung der Beschäftigungspflicht ist maßgebend, wie die beschäftigten Schwerbehinderten auf die vorhandenen Pflichtplätze angerechnet werden. Das wird in den §§ 75 und 76 SGB IX geregelt.

Nach § 75 Abs. 1 wird ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 beschäftigt wird, auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet, soweit nicht eine Mehrfachanrechnung nach § 76 SGB IX erfolgt. Das gleiche gilt für Schwerbehinderte, die auf Arbeitsplätzen nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 oder 4, beschäftigt werden. Das sind Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 in Betrieben oder Dienststellen, also Maßnahmen zur beruflichen Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen (Nr. 1) bzw. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch (Nr. 4).

Nach § 75 Abs. 2 wird ein schwerbehinderter Mensch, der in Teilzeitbeschäftigung kürzer als betriebsüblich, aber nicht weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt wird, auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Trotz Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf weniger als 18 Stunden erfolgt die Anrechnung, wenn die niedrigere Arbeitszeit infolge von Altersteilzeit gilt. Wird ein schwerbehinderter Mensch weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt, lässt die Agentur für Arbeit die Anrechnung auf einen dieser Pflichtarbeitsplätze zu, wenn die Teilzeitbeschäftigung wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Dabei steht der Bundesagentur für Arbeit aber kein Ermessen zu. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, muss die Anrechnung erfolgen.

Nach § 75 Abs. 2a wird ein schwerbehinderter Mensch, der im Rahmen einer Maßnahme zur Förderung des Übergangs aus der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 5 Abs. 4 Satz 1 der Werkstättenverordnung) beschäftigt wird, auch für diese Zeit auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze angerechnet.

Wenn der Arbeitgeber selbst schwerbehindert ist, wird auch er auf einen Pflichtplatz angerechnet (§ 75 Abs. 3 SGB IX). Diese Vorschrift gilt nur für natürliche Personen, nicht jedoch für Arbeitgeber, die juristische Personen oder Personengesamtheiten oder Personen, die Organe oder gesetzliche Vertreter juristischer Personen oder Personengesamtheiten sind. Personen, die als Organe und gesetzliche Vertreter juristischer Personen oder Personengesamtheiten tätig sind, sind selbst nicht Arbeitgeber. Arbeitgeber ist in diesem Fall die juristische Person oder Personengesamtheit (vgl. Haufe SGB-Onlinekommentar RZ. 14 zu § 75 SGB IX).

Um Anreize für die Beschäftigung besonders benachteiligter schwerbehinderter Menschen zu schaffen, sieht § 76 SGB IX als Ausnahme vom Grundsatz des § 75 Abs. 1 SGB IX, wonach Schwerbehinderte auf einen Pflichtplatz angerechnet werden, die Möglichkeit der Mehrfachanrechnung bis zu höchstens 3 Pflichtplätze vor.

Der Gesetzgeber hat die Mehrfachanrechnung auf besonders betroffene schwerbehinderte Menschen i.S.d. § 72 Abs. 1 sowie auf solche schwerbehinderte Menschen, die wegen ihrer Behinderung in Teilzeit beschäftigt sind, beschränkt. Die Mehrfachanrechnung (regelmäßig zweifach, in besonderen Fällen dreifach) gilt ferner für schwerbehinderte Menschen, die zur beruflichen Ausbildung beschäftigt werden. Mit dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen werden durch die Ergänzung des Abs. 1 Satz 2 die schwerbehinderten Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt werden, ausdrücklich zu den Personengruppen gezählt, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass ihre Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt.

Schwerbehinderte Menschen im Sinn von § 72 Abs. 1 sind

  1. schwerbehinderte Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind, insbesondere solche,
    1. die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder
    2. deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist oder
    3. die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung (Minderleistung von mindestens 30 %) erbringen können oder
    4. bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 allein infolge geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder
    5. die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes haben,
    6. schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

Blinde oder hochgradig Sehbehinderte, welche auf Assistenzleistungen oder auf eine besonders aufwändige Arbeitsplatzausstattung angewiesen sind, werden von dieser Bestimmung erfasst und können danach auf bis zu 3 Pflichtplätze angerechnet werden.

Nach § 76 Abs. 2 SGB IX wird ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Das gilt auch während der Zeit einer Ausbildung im Sinne des § 35 Abs. 2 SGB IX, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. Es handelt sich um die Zeiten, die zum Praxiserwerb im Rahmen einer Ausbildung in einem Berufsbildungs- oder Berufsförderungswerk oder vergleichbaren Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt werden. Zu den Ausbildungsstellen gehören auch Stellen, auf denen Beamtenanwärter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausgebildet werden (BSG, Urteil v. 29.7.1993, 11 RAr 41/92). Die Bundesagentur für Arbeit hat bei Auszubildenden hinsichtlich der Anrechnung auf 2 Plätze kein Ermessen. Sie kann die Anrechnung in diesen Fällen jedoch auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt (§ 76 Abs. 2 S. 3 SGB IX). Das ist für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen in aller Regel zu bejahen.

Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch nach § 76 Abs. 2 S. 4 SGB IX im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet, sofern nicht nach § 76 Abs. 1 eine Anrechnung auf 3 Pflichtarbeitsplätze erfolgt.

Bei der Entscheidung über Mehrfachanrechnungen in den genannten Fällen hat die Bundesagentur für Arbeit, die für die Mehrfachanrechnung zuständig ist (§ 104 Abs. 1 Nr. 8), volles Ermessen („kann zulassen"). Das Ermessen wird jedoch, was die in § 72 Abs. 1 und – aufgrund des Satzes 2 - die in § 75 Abs. 2 genannten Personengruppen angeht, im Hinblick auf eine Zweifachanrechnung eingeschränkt sein und sich damit im Wesentlichen darauf erstrecken können, ob eine Dreifachanrechnung in Betracht kommt (Haufe SGB-Onlinekommentar RZ. 9 zu § 76).

Die Entscheidung über die Mehrfachanrechnung ist ein Verwaltungsakt, der mit Widerspruch und Klage angegriffen werden kann.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.2.2 Ausgleichsabgabe für nicht besetzte Pflichtplätze

Rechtsgrundlage ist § 77 SGB IX. Die Vorschrift behandelt die Pflicht zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe, die Höhe, das Verfahren zur Erhebung sowie die Verwendung und die Verteilung der Mittel der Ausgleichsabgabe zwischen Bund und Ländern.

Die Normen des § 77 Abs. 1 und 2 bilden zusammen mit den Vorschriften über die Beschäftigungspflicht das Kernstück des Schwerbehindertenrechts.

Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Mindestzahl nicht erreichen, sind sie nach § 77 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. Die Höhe der Ausgleichsabgabe beläuft sich nach § 77 Abs. 2 SGB IX je nach der Beschäftigungsquote auf 105,00, 180,00 oder 260,00 Euro. Nach § 77 Abs. 3 SGB IX ist die Ausgleichsabgabe dynamisiert. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gibt den Erhöhungsbetrag und die sich danach ergebenden Beträge der Ausgleichsabgabe im Bundesanzeiger bekannt.

Die Ausgleichsabgabe zu erheben und zu verwenden, ist Auf­gabe des Integrationsamtes (§ 102 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).

Die Ausgleichsabgabe darf nach § 77 Abs. 5 S. 1 SGB IX nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden.

Rechtsgrundlage für die Verwendung der Mittel aus der Ausgleichsabgabe zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben ist die auf § 79 Nr. 2 beruhende Schwerbehindertenausgleichsabgabenverordnung (SchwbAV).

Wie das BVerfG in seinem Beschluss über die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde vom 1. Oktober 2004, Az: 1 BvR 2221/03 (Behindertenrecht 2004, S. 202-204) unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG festgestellt hat, sind die Vorschriften im Schwerbehindertenrecht über Beschäftigungspflicht und zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe für unbesetzte Pflichtarbeitsplätze mit dem GG vereinbar. Das BVerfG stellt fest: „Die Regelungen über die Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen und zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe stellen zwar eine Berufsausübungsregelung i.S.v. GG Art 12 Abs. 1 dar. Sie sind aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt und genügen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere sind sie geeignet, das gemäß GG Art 3 Abs. 3 S 2 legitime Ziel der beruflichen Integration behinderter Menschen zu erreichen und nach wie vor auch erforderlich und zumutbar, da überproportional viele schwerbehinderte Menschen arbeitslos sind und die Arbeitgeber hierdurch nicht unverhältnismäßig belastet werden. Weder die gesetzliche Pflichtquote … gemäß SGB IX § 72 Abs. 2 i.V.m. § 71 Abs. 1 noch die gestaffelte Ausgleichsabgabe i.S.v. SGB IX § 77 Abs. 2 erscheinen überhöht. … Eine gleichheitswidrige Benachteiligung deutscher Unternehmen i.S.v. GG Art 3 Abs. 1 im Verhältnis zu ausländischen Unternehmern ist nicht ersichtlich, da auch in mindestens neun Mitgliedsstaaten der EU eine Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen besteht.“

Die Ausgleichsabgabe ist keine Steuer, sondern wegen ihrer speziellen Zweckbestimmung eine verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe. Bei ihr steht nicht die Finanzierungsfunktion für Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Vordergrund, sondern ihre Antriebs- und Ausgleichsfunktion (Urteil des BVerfG vom 26. Mai 1981 - BVerfGE 57, 139).

Die Arbeitgeber dür­fen sich jedoch nicht damit begnügen, sich durch die Zahlung der Ausgleichsabgabe für nichtbesetzte Pflichtplätze freizukaufen. Sie sind vielmehr aufgrund ihrer gesteigerten Fürsorgepflicht nach § 81 Abs. 3 SGB IX ver­pflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass, soweit dies für sie zumutbar und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, in ihren Betrieben oder Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Men­schen eine dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden. In diesem Zusammenhang ist für den Fall, dass die Belastung für den Arbeitgeber zu groß wäre, auf die Hilfe durch die Integrationsämter hinzuweisen. Der Arbeitgeber muss versuchen, den Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine behindertengerechte Beschäftigung ggf. auch durch Umorganisation zu erfüllen. Insoweit kann der Arbeitgeber auch verpflichtet sein, durch Umorganisation einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann (Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. Juni 2005, Az: 3 Sa 30/05 - NZA-RR 2005, 510-514; AP Nr. 32 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; LAG Niedersachsen vom 1.7.2003 -13 Sa 1853/02).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.3 Benachteiligungsverbot

Rechtsgrundlage ist § 81 Abs. 2 SGB IX. In Abs. 2 S. 2 wird für die Einzelheiten auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verwiesen. Dieses enthält Regelungen, um die Benachteiligung behinderter Menschen im Arbeitsleben zu verhindern, ferner

Regelungen über einen Entschädigungsanspruch bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot.

Arbeitgeber dürfen, unabhängig davon, ob sie zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtet sind oder nicht, diese wegen ihrer Behinderung nicht benachteiligen (§ 7 Abs. 1 AGG). Zum Begriff der Benachteiligung vgl. § 3 AGG. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind gemäß § 7 Abs. 2 unwirksam.

Eine Benachteiligung liegt dann vor, wenn ein schwerbehinderter Mensch durch Vereinbarungen oder Maßnahmen schlechter gestellt wird oder ihm Verbesserungen verweigert werden. Die Benachteiligung muss im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, die Behinderung muss aber nicht alleiniger Grund sein. Es reicht aus, dass bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme die Behinderung eine Rolle spielt, auch wenn weitere Gesichtspunkte für die Entscheidung mit maßgebend sind (§ 4 AGG, Haufe Online-Kommentar RZ. 21 zu SGB IX § 81). Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ist nach § 8 Abs. 1 AGG jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der von dem schwerbehinderten Beschäftigten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist. Die gestellten Anforderungen müssen jedoch berechtigt und angemessen sein.

§ 13 AGG betont das Recht der Beschäftigten, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle, also insbesondere beim Betriebs- oder Personalrat oder der Schwerbehindertenvertretung zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, worunter auch eine Behinderung fällt, benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem Beschwerde führenden Beschäftigten mitzuteilen.

Für den Fall, dass gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wird, besteht nach § 15 AGG ein Schadensersatzanspruch. Der durch die Benachteiligung entstandene Schaden ist zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist (immaterieller Schaden), kann der oder die Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Zum Schadensersatzanspruch bei Nichtberücksichtigung eines behinderten Bewerbers vgl. u. 5.2.4.2.

Ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart (§ 15. Abs. 4 AGG). Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

Für den Fall, dass es wegen einer Benachteiligung, z. B. wegen der damit verbundenen Schadensersatzforderung zu einem Rechtsstreit kommt, enthält § 22 AGG eine der besonderen Situation entsprechende Beweislastregelung:

Wenn im Streitfall die eine Partei, d. h. der schwerbehinderte Mensch Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, also z. B. der Behinderung, vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Bei der Verfolgung seiner Ansprüche kann sich der Betroffene in gerichtlichen Verfahren, in denen eine Vertretung durch Anwälte und Anwältinnen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, von einem Antidiskriminierungsverband als Beistand helfen lassen (§ 23 Abs. 2 AGG). Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen, welche unter den Schutz des AGG fallen, wahrnehmen und mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden. Die Blindenselbsthilfeorganisationen erfüllen in aller Regel diese Voraussetzungen.

Wer der Ansicht ist, dass er diskriminiert worden ist, kann sich auch an die nach § 25 Abs. 1 AGG beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingerichtete Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden (§ 27 Abs. 1 AGG). Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt gemäß § 27 Abs. 2 AGG Personen, die sich an sie wenden, bei der Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen. Sie ist bei ihrer Amtsführung unabhängig. Die Antidiskriminierungsstelle kann insbesondere

  1. über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen informieren,
  2. Beratung durch andere Stellen vermitteln,
  3. eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben.

Soweit Beauftragte des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung zuständig sind, leitet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Anliegen der Personen, welche sich an sie wenden, mit deren Einverständnis unverzüglich an diese weiter. Solche Beauftragte sind z. B. der oder die Beauftragte der Bundesregierung für behinderte Menschen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann gemäß § 28 Abs. 1 AGG zur Erreichung einer gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten (§ 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) Beteiligte um Stellungnahmen ersuchen, soweit die Person, die sich an sie gewandt hat, hierzu ihr Einverständnis erklärt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.4 Berücksichtigung behinderter Bewerber

Eine Eingliederung in das Berufsleben und damit eine Teilhabe am Berufsleben ist nur erreichbar, wenn behinderte Bewerber überhaupt eine Chance auf Berücksichtigung erhalten. Dem dient das oben (5.2.3) erwähnte Benachteiligungsverbot nach § 81 Abs. 2 SGB IX i.V.m. dem AGG, auf welches in § 81 Abs. 2 S. 2 SGB IX verwiesen wird. Nach § 81 Abs. 1 SGB IX sind die Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder Arbeit suchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Diese Pflicht trifft alle Arbeitgeber unabhängig davon, ob sie verpflichtet sind, einen bestimmten Prozentsatz der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen oder nicht. Sie müssen dazu frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Agentur für Arbeit als deren Untergliederung oder ein Integrationsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor. Sowohl über eingegangene Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit oder eines Integrationsfachdienstes als auch über Bewerbungen schwerbehinderter Menschen, die sich ohne Beteiligung der Arbeitsagentur beworben haben, haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung (§ 94 SGB IX) und die in § 93 genannten betrieblichen Interessenvertretungen (das sind Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat) unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Bei Bewerbungen schwerbehinderter Richter und Richterinnen wird der Präsidialrat unterrichtet und gehört, soweit dieser an der Ernennung zu beteiligen ist.

Bei der Prüfung, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, müssen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 beteiligen und die in § 93 genannten Vertretungen anhören. Das heißt, dass die Schwerbehindertenvertretung bereits von der Absicht des Arbeitgebers, einen freien Arbeitsplatz besetzen zu wollen, zu unterrichten ist. Damit wird der Schwerbehindertenvertretung Gelegenheit gegeben zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit einem bereits im Betrieb oder in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Die Schwerbehindertenvertretung kann bei dieser Gelegenheit auch darauf einwirken, dass der Arbeitgeber seine Pflicht, das Arbeitsamt zu beteiligen, erfüllt.

Wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX nicht oder nicht in vollem Umfang erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden ist, ist diese unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. Alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten.

Bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung jedoch nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch ihre Beteiligung ausdrücklich ablehnt.

Besondere Verpflichtungen, welche über die allgemeinen Verpflichtungen aller Arbeitgeber gemäß § 81 hinausgehen, bestehen nach § 82 SGB IX für öffentliche Arbeitgeber. Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze im Sinn von § 73. Verpflichtet sind die öffentlichen Arbeitgeber in Bund, Ländern, Gemeinden, Gebietskörperschaften, Körperschaften sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Wenn sich schwerbehinderte Menschen um einen solchen Arbeitsplatz beworben haben oder wenn sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden sind, müssen sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Eine Einladung ist jedoch entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, also der Bewerber dem Anforderungsprofil einer zu besetzenden Stelle nicht entspricht. Das wäre z. B. der Fall, wenn erforderliche EDV-Kenntnisse nicht vorhanden sind. Das ergibt sich daraus, dass eine Benachteiligung im Sinne des § 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX und § 8 Abs. 1 AGG nur dann gegeben ist, wenn Personen, die an sich für die Tätigkeit geeignet wären, von vornherein nur wegen ihrer Schwerbehinderung nicht für die Einstellung in Betracht gezogen werden (vgl. BAG, Urteil vom 05.02.2004 - 8 AZR 112/03 - NZA 2004, 540).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.4.1 Offenbarungspflicht - Fragerecht

Bei Bewerbungen um einen Arbeitsplatz tritt die Frage auf, ob und inwieweit man verpflichtet ist, von sich aus auf die Behinderung hinzuweisen bzw. Fragen des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderteneigenschaft zu beantworten.

Nach der Rechtsprechung des BAG muss ein schwerbehinderter Mensch von sich aus (d.h. ungefragt) grundsätzlich nicht darauf hinweisen, dass er schwerbehindert ist. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Schwerbehinderung die Unfähigkeit nach sich zieht, die Arbeit, die auf dem neuen Arbeitsplatz zu verrichten ist, zu übernehmen (BAG 2. Senat Urteil vom 1. August 1985, Az: 2 AZR 101/83 - NZA 1986, 635-636).

Da die Blindheit oder hochgradige Sehbehinderung in aller Regel Auswirkungen auf die Ausführung der Arbeit hat, weil z. B. spezielle Hilfsmittel erforderlich sind bzw. der Arbeitsplatz entsprechend ausgestattet sein muss oder eine Arbeitsassistenz benötigt wird, ist es zu empfehlen, mit offenen Karten zu spielen und auf die Behinderung hinzuweisen. Die Sorge, dass der Bewerber dann von vornherein nicht in die Auswahl einbezogen wird, ist zwar verständlich. Dem wirkt aber das Benachteiligungsverbot in Verbindung mit dem Entschädigungsanspruch nach § 81 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 15 AGG entgegen (vgl. 5.2.4.2).

Bei konkreten Fragen des Arbeitgebers nach dem Vorliegen einer Behinderung muss diese Frage nach der Rechtsprechung des BAG wahrheitsgemäß beantwortet werden. Der Grund hierfür wird darin gesehen, dass der Arbeitgeber an der Kenntnis über die Schwerbehinderteneigenschaft ein Interesse hat. Denn er ist nach § 71 ff. SGB IX verpflichtet, Schwerbehinderte auf einem bestimmten Prozentsatz der Arbeitsplätze zu beschäftigen und muss wissen, ob er mit der Einstellung der konkret in Aussicht genommenen Person eventuell seine Beschäftigungspflicht erfüllt oder nicht. Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht, ist er gehalten, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, die er in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft eines Arbeitnehmers vergeblich zahlt. Leugnet der schwerbehinderte Mensch aufgrund einer Frage des neuen Arbeitgebers seine Schwerbehinderteneigenschaft, so kann dies für ihn weit reichende Konsequenzen haben. Der Arbeitgeber kann nämlich in einem solchen Fall möglicherweise den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB) mit der Folge, dass der Arbeitsvertrag mit Erklärung der Anfechtung als unwirksam anzusehen ist (BAG 2. Senat Urteil vom 1. August 1985, Az: 2 AZR 101/83 - NZA 1986, 635-636; BAG 28. Februar 1991 2 AZR 515/90; anderer Ansicht ArbG Siegburg 22. März 1994 1 Ca 3454/93). Das ist allerdings wegen des Diskriminierungsverbotes in § 81 Abs. 2 SGB IX und den Regelungen im AGG, auf welche in § 81 Abs. 2 S. 2 SGB IX verwiesen wird, umstritten. Das BAG hat im Urteil vom 15. Oktober 1992 Az: 2 AZR 227/92 (NZA 1993, 257-259) wegen des Diskriminierungsverbotes in § 611a BGB festgestellt, dass die Frage nach einer Schwangerschaft unzulässig sei und deshalb bei wissentlich unrichtiger Beantwortung kein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB bestehe. So auch für die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft ArbG Siegburg 22. März 1994 1 Ca 3454/93.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.4.2 Schadensersatzanspruch

Wird gegen das in § 81 Abs. 2 i.V.m. § 7.1 AGG enthaltene Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses verstoßen, kann der dadurch benachteiligte schwerbe­hinderte Bewerber nach § 15 Abs. 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses besteht jedoch nicht (§ 15 Abs. 6 AGG - vgl. zu Schadensersatzansprüche nach dem AGG auch 5.2.3).

Der Anspruch auf ange­messene Entschädigung wird nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG als spezielle Regelung gegenüber dem Anspruch aus § 15 Abs. 2 S. 1 AGG in den Fällen, in denen ein schwerbehinderter Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, auf die Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten begrenzt. Diese sehr kompliziert formulierte Vorschrift betrifft Fälle, in denen der Bewerber allein wegen seiner Behinderung nicht in die Auswahl gelangt ist, ohne dass überhaupt geprüft worden ist, ob er den Anforderungen der zu besetzenden Stelle entsprechen würde. Der Entschädigungsanspruch besteht also dann, wenn die Entscheidung, den Bewerber nicht in die Auswahl für die Stellenbesetzung einzubeziehen nicht mit den an die Tätigkeit zu stellenden Anforderungen begründet wurde, und zwar auch dann, wenn eine solche Prüfung ergeben hätte, dass er wegen fehlender Anforderungen nicht berücksichtigt worden wäre. Dennoch ist Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch, dass es sich um einen (wegen der Behinderung) benachteiligten Bewerber handelt. Hat sich ein schwerbehinderter Mensch ohne Vorhandensein der geforderten fachlichen Qualifikation auf einen Arbeitsplatz beworben, ist er nicht wegen der Behinderung benachteiligt. Der Schadensersatzanspruch wird, weil es sich bei den drei Monatsverdiensten in § 15 Abs. 2 S. 2 AGG um eine Obergrenze handelt, je nach Fallgestaltung häufig niedriger zu bemessen sein. Zweckmäßig ist es deshalb, in einem Rechtsstreit zu beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die fehlende Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch begründet allerdings nicht zwangsläufig einen Entschädigungsanspruch. Sie führt jedoch nach § 22 AGG zu einer Beweislastumkehr. Auch in diesem Fall hat der Bewerber nur Indizien zu beweisen, die vermuten lassen, dass er bei der für ihn erfolglosen Stellenbesetzung wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist. Wenn dieser Nachweis gelingt, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Wenn z. B. feststeht, „dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht über die eingegangene Bewerbung eines bestimmten schwerbehinderten Menschen unterrichtet hat, so ist dessen Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft zu vermuten.“ (BAG 9. Senat Urteil vom 15. Februar 2005, Az: 9 AZR 635/03 - NZA 2005, S. 870-873).

Gegen die Regelung in § 15 Abs. 2 S. 2 AGG (früher § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 SGB IX), nach der ein wegen seiner Schwerbehinderung diskriminierter Bewerber, der auch bei benachteiligungsfreier Auswahl die Stelle nicht erhalten hätte, Anspruch auf Entschädigung von bis zu drei Monatsentgelten hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil bei der Bemessung der Entschädigung allein auf den immateriellen Schaden abzustellen ist. Es liegt insoweit keine nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) bedenkliche Zivilstrafe vor. Jede Diskriminierung wegen Schwerbehinderung stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, die auch nach allgemeinen Grundsätzen zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen führen würde. Das ergibt sich schon aus der Regelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf (BAG 9. Senat Urteil vom 15. Februar 2005, Az: 9 AZR 635/03 - NZA 2005, 870-873).

Die Entschädigung nach § 15 muss innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung der Bewerbung geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG). Es handelt sich um eine Ausschlussfrist. Wenn der Anspruch nicht innerhalb dieser Zeit geltend gemacht wird, verfällt er. Der Anspruch bedarf der Schriftform, eine mündliche Geltendmachung reicht nicht. Es genügt, dass der Anspruch innerhalb der Zweimonatsfrist beim Arbeitgeber geltend gemacht wird.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.5 Gesteigerte Fürsorgepflicht - Verpflichtung des Arbeitgebers zur individuellen Förderung

Den Arbeitgeber trifft gegenüber schwerbehinderten Mitarbeitern eine gesteigerte Fürsorgepflicht.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.5.1 Verpflichtung zur individuellen Förderung

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur individuellen Förderung ergibt sich insbesondere aus § 81 Abs. 4 SGB IX.

Danach haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf:

  1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,
  2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,
  3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
  4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr und
  5. Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Bei der Durchführung der Maßnahmen nach den Nummern 1, 4 und 5 unterstützen

die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Menschen. Diese Unterstützung kann in der Beratung durch die technischen Fachdienste der Agenturen für Arbeit und der Integrationsämter, aber auch der Erbringung finanzieller Leistungen zur behinderungsgerechten

Ausstattung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Rahmen der begleitenden Hilfe bestehen (vgl. dazu 5.3 Begleitende Hilfen im Arbeitsleben).

Ein Anspruch besteht allerdings nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen. So ist eine völlige Umorganisation des Betriebes nicht zumutbar. Für den Arbeitgeber besteht allerdings nach § 81 Abs. 3 die Verpflichtung, seinen Betrieb oder seine Dienststelle so zu organisieren, dass wenigstens die nach § 71 SGB IX vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen in dem Betrieb oder in der Dienststelle beschäftigt werden kann. Auch diese Verpflichtung ist durch die Verweisung in Abs. 3 S. 2 auf Abs. 4 Satz 3 in der Weise eingeschränkt, dass sie zumutbar sein muss und nicht mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Die Bemühungen werden allerdings in der Regel insoweit zuzumuten sein, als es um die Erfüllung der Beschäftigungspflicht geht, weil der Gesetzgeber bei der Auferlegung der Beschäftigungspflicht davon ausgegangen ist, dass jeder Arbeitgeber diese Pflicht ungeachtet betrieblicher Besonderheiten erfüllen kann und ihn hierbei die Agenturen für Arbeit und die Integrationsämter unterstützen (Abs. 4 Satz 2).

Zu den einzelnen Nummern in § 81 Abs. 1 S. 1 gilt folgendes:

Zu Nr. 1. (Verpflichtung zur Beschäftigung, bei der schwerbehinderte Menschen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können):

Daraus ergibt sich kein Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder darauf, seinen Neigungen und Wünschen entsprechend beschäftigt zu werden. Allerdings muss das Benachteiligungsverbot nach § 81 Abs. 2 beachtet werden (vgl. 5.2.3). Aus dem Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung ergibt sich die Verpflichtung des Arbeitgebers, die dem schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und damit seine behindertengerechten Einsatzmöglichkeiten feststellen zu lassen, es sei denn insoweit bestehen keinerlei Unklarheiten. Der Arbeitgeber muss versuchen, den Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine behindertengerechte Beschäftigung ggf. auch durch Umorganisation zu erfüllen. Insoweit kann der Arbeitgeber auch verpflichtet sein, durch Umorganisation in den zumutbaren Grenzen einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 3. Kammer Urteil vom 8. Juni 2005, Az: 3 Sa 30/05, NZA-RR 2005, 510-514; BAG vom 29.1.1997 - 2 AZR 9/96 - AP Nr. 32 zu § 1 KSchG 1969). Eine völlige Umorganisation des Betriebes ist aber nicht zumutbar. Zur Beweislast hat das BAG mit Urteil vom 10. Mai 2005, Az: 9 AZR 230/04 - AP 00 Nr. 8 zu § 81 SGB IX mit Bezug auf den Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung festgestellt:

"Zur Begründung dieses Anspruchs hat er (der schwerbehinderte Mensch) regelmäßig bereits dann schlüssig vorgetragen, wenn er Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigt, die seinem infolge der Behinderung eingeschränkten Leistungsvermögen und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat sich hierauf substantiiert (d. h. mit konkreten Angaben) einzulassen und die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass solche behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bestehen oder deren Zuweisung ihm unzumutbar ist. Hierzu gehört auch die Darlegung, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist und auch nicht durch Versetzung freigemacht werden kann. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer der Nachweis, dass entgegen der Behauptung des Arbeitgebers ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht oder vom Arbeitgeber frei gemacht werden kann. Eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber sowohl darzulegen als auch zu beweisen."

Zu Nr. 2 (bevorzugte Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens):

Dieser Anspruch besteht als Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an innerbetrieblichen Maßnahmen. Er besteht aber nur insoweit, als der schwerbehinderte Mensch die Voraussetzungen zur Teilnahme an solchen Maßnahmen erfüllt. Aus dem Anspruch kann nicht abgeleitet werden, dass für den schwerbehinderten Menschen Erleichterungen in der Form geschaffen werden müssen, dass zu seinen Gunsten auf bestimmte Zugangs- oder Zulassungsvoraussetzungen verzichtet werden muss.

Zu Nr. 3 (Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung):

Solche Erleichterungen können in der Freistellung von der Arbeit bestehen, aber auch in der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kosten ganz oder teilweise zu übernehmen, soweit sie nicht von einem Rehabilitationsträger oder den Integrationsämtern im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (§ 24 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung) getragen werden.

Zu Nr. 4 (behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätte einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr):

Dieser Anspruch ergibt sich aus der erhöhten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen.

Zu Nr. 5(Ausstattung des Arbeitsplatzes schwerbehinderter Menschen mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung):

Auch diese Verpflichtung ergibt sich aus der gesteigerten Fürsorgepflicht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Hilfen durch die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter.

Zur Durchsetzung der Rechtsansprüche können die schwerbehinderten Menschen die betrieblichen Interessenvertretungen und die Schwerbehindertenvertretungen

einschalten, denn die Überwachung der Erfüllung der Verpflichtungen nach § 81 SGB IX ist ausdrücklich deren Aufgabe (§ 93 und § 95 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.5.2 Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung
  • 81 Abs. 5 Satz 1 SGB IX bestimmt die Verpflichtung der Arbeitgeber, die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern. Auch hier sind die Integrationsämter verpflichtet, die Arbeitgeber dabei zu unterstützen. Das SGB IX sieht auch für die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen Erleichterungen und Hilfen vor. So können schwerbehinderte Menschen, die in Teilzeit auch unter 18 Stunden wöchentlich beschäftigt sind, weil dies wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist, auf einen, unter Umständen auch auf bis zu drei Pflichtarbeitsplätze angerechnet werden (§ 75 Abs. 2 Satz 2, § 76 Abs. 1 Satz 2).

Schwerbehinderte Menschen haben nach § 81 Abs. 5 S. 3 einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Auch für Abs. 5 und damit auch für die Ermöglichung einer Teilzeitbeschäftigung gilt die in § 81 Absatz 4 Satz 3 enthaltene Zumutbarkeitsgrenze.

5.2.5.3 Befreiung von Mehrarbeit

Einige für die Beschäftigung behinderter Menschen und die ihnen gegenüber bestehende Fürsorgepflicht wichtige Regelungen enthält auch das zehnte Kapitel des zweiten Teiles des SGB IX mit der Überschrift „Sonstige Vorschriften“.

Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen nach § 124 SGB IX von Mehrarbeit freigestellt. Diese Vorschrift ist unabhängig davon anwendbar, ob die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i.S. des § 73 Abs. 1 oder auf einer Stelle i.S. des § 73 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 ausgeübt wird, die nicht als Arbeitsplatz gilt. Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit haben deshalb auch schwerbehinderte Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen.

Die Vorschrift stellt kein Verbot von Mehrarbeit dar. Die Freistellung erfolgt deshalb nur, wenn der schwerbehinderte Mensch dies ausdrücklich verlangt.

Unter Mehrarbeit i.S. des § 124 ist nicht die über die individuell vereinbarte Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen hinausgehende tägliche Arbeitszeit zu verstehen. Sind z. B. regelmäßig 7 Stunden vereinbart und wird im Rahmen des Direktionsrechts eine Arbeit von 8 Stunden verlangt, so steht dem der Anspruch auf Befreiung von Mehrarbeit nicht entgegen. Nur eine über acht Stunden werktäglich hinausgehende Arbeitszeit ist Mehrarbeit i.S.d. § 124 SGB IX (BAG, Urteil v. 8.11.1989, AZ 5 AZR 642/88). Würden im obigen Beispiel 9 Stunden Arbeit verlangt, so müsste der schwerbehinderte Arbeitnehmer 8 Stunden arbeiten, also eine Überstunde leisten. Hinsichtlich der neunten Stunde könnte er Befreiung von Mehrarbeit verlangen. Das ergibt sich aus dem Schutzzweck des § 124, schwerbehinderte Menschen nicht zu überfordern und dafür zu sorgen, dass ihnen genügend Zeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verbleibt. Es kommt deshalb nicht auf die tarifliche Arbeitszeit, die kürzer aber auch länger als 8 Stunden täglich sein kann, sondern auf die gesetzliche Arbeitszeit nach § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) an. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden täglich nach § 3 Satz 2 ArbZG zu verlängern, bleibt wegen des Schutzzweckes von § 124 SGB IX außer Betracht. Sie stellt Mehrarbeit i.S.d. § 124 SGB IX dar (BAG 9. Senat Urteil vom 3. Dezember 2002, Az: 9 AZR 462/01 - Behindertenrecht 2003, 150-154). Das heißt aber auch, dass Überstunden bis zur gesetzlich zugelassenen Stundenzahl von 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich vom Arbeitgeber sehr wohl verlangt werden können.

Ein Anspruch auf Einhaltung der 5-Tage-Woche oder die Befreiung von der Nachtarbeit ergibt sich nach der oben zitierten Rechtsprechung des BAG aus § 124 SGB IX nicht. Nachtarbeit ist nach § 6 ArbZG zulässig. Sie kann sich jedoch im Einzelfall aus der Regelung des § 81 Abs. 4 Ziff. 4 SGB IX ergeben, nach der schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit haben können, wenn dies zur behinderungsgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes erforderlich ist (s. o.).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.5.4 Zusatzurlaub

Nach § 125 Abs. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen (nicht Gleichgestellte nach § 2 Abs. 3 SGB IX) Anspruch auf 5 Arbeitstage zusätzlichen bezahlten Urlaub im Urlaubsjahr. Der Zusatzurlaub kommt zum Erholungsurlaub hinzu, unabhängig von der Dauer des Erholungsurlaubs. Ein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht also auch dann, wenn der arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Erholungsurlaub höher ist als der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Das gilt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.2006, Az.: 9 AZR 669/05 auch dann, wenn arbeitsvertraglich ein Urlaub vereinbart worden ist, der 5 Arbeitstage länger ist als der gesetzliche Mindesturlaub. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall waren arbeitsvertraglich 29 Urlaubstage vereinbart. Das BAG stellt dazu fest, dass die Regelung des § 125 SGB IX auf dem Gedanken beruhe, dass schwerbehinderte Menschen stärker belastet seien und deshalb eine längere Zeit benötigten, um sich von der Arbeit zu erholen.

Ein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht dagegen nicht, wenn ein Anspruch auf Erholungsurlaub, etwa wegen einer ganzjährigen Arbeitsunfähigkeit nicht besteht. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 S. 1. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden. Der so ermittelte Zusatzurlaub ist dem Erholungsurlaub hinzuzurechnen und kann bei einem nicht im ganzen Kalenderjahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht erneut gemindert werden. Da es sich beim Zusatzurlaub um einen gesetzlichen Urlaub handelt, kann auf ihn, wie auf den regulären Erholungsurlaub, nicht verzichtet werden.

Für den Fall, dass die Schwerbehinderteneigenschaft im Verlauf des Urlaubsjahres eintritt oder wegfällt, bestimmt § 125 Abs. 2 Satz 1, dass der Anspruch auf Zusatzurlaub nicht in vollem Umfang von 5 Tagen, sondern entsprechend den Regelungen für den Erholungsurlaub bei Beginn oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses im Urlaubsjahr nur anteilig besteht. Ergeben sich dabei halbe Urlaubstage, werden diese auf volle Urlaubstage aufgerundet.

Eine Übertragung des Zusatzurlaubs auf das folgende Kalenderjahr ist, entsprechend den Regelungen für den Erholungsurlaub nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitsnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. In diesem Fall muss der Urlaub auch in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden, da er andernfalls verfällt.

Wenn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach § 69 Abs. 1 und 2 SGB IX rückwirkend für ein bereits abgelaufenes Urlaubsjahr festgestellt wird, finden auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr nach § 125 Abs. 3 SGB IX die dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden urlaubsrechtlichen Regelungen Anwendung. D. h., dass auch in diesen Fällen eine Übertragung des Zusatzurlaubs auf das folgende Kalenderjahr nur statthaft ist, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitsnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen und dass er in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, da er andernfalls verfällt.

Wenn im Tarifvertrag ein Urlaubsgeld vorgesehen ist, ist dieses für den Zusatzurlaub nicht zu bezahlen, wenn das Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag ausdrücklich nur „für den tariflichen Urlaub“ zugesichert ist. Wird im Tarifvertrag keine entsprechende Einschränkung vorgenommen, sondern nur von „Urlaubstagen“ gesprochen, so ist das Urlaubsgeld auch für den Zusatzurlaub zu zahlen (BAG 9. Senat Urteil vom 23. Januar 1996, Az: 9 AZR 891/94 - NZA 1996, 831-832).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.5.5 Besonderheiten für Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst enthalten die Fürsorgerichtlinien des Bundes und der Länder Regelungen, die der Konkretisierung der gesteigerten Fürsorgepflicht und Pflicht zur Förderung seitens der öffentlichen Arbeitgeber dienen. Auf diese Fürsorgerichtlinien kann hier nicht näher eingegangen werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.6 Förderung Langzeitarbeitsloser

Nach § 1 Abs. 1 SGB III gehört es zur Erreichung der dort festgelegten Ziele der Arbeitsförderung, Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden.

Wegen der mit der Langzeitarbeitslosigkeit verbundenen zunehmenden Schwierigkeiten bei der Eingliederung ins Arbeitsleben kommt daher dieser Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik eine besondere Bedeutung zu.

Langzeitarbeitslose sind nach § 18 Abs. 1 SGB III Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Abs. 2 benennt unter den Nummern 1 bis 6 die so genannten unschädlichen Unterbrechungen für die Berechnung der Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, die Langzeitarbeitslosigkeit voraussetzen. Betrug z. B. die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren vor einem Unterbrechenstatbestand, etwa die Teilnahme an Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung im Sinn von § 3 Abs. 4 SGB III, 4 Monate, und die Arbeitslosigkeit im Anschluss an die Maßnahme 8 Monate, so liegt Langzeitarbeitslosigkeit vor.

Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose einstellen, werden erforderlichenfalls mit staatlichen Förderungen unterstützt, z. B. durch Leistungen an Arbeitgeber nach dem 5. Kapitel (§§ 217-239). Das sind:

  • Eingliederungszuschüsse nach den §§ 217 ff., insbesondere Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen (§ 219),
  • Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung (§ 235), insbesondere Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung schwerbehinderter Menschen (§ 235 a),
  • Erstattung der Praktikumsvergütung (§ 235 b),
  • Förderung der beruflichen Weiterbildung (§ 235 c) sowie
  • die Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben durch Leistungen zur Ausbildung behinderter Menschen (§ 236),
  • Arbeitshilfen für behinderte Menschen (§ 237) und
  • Probebeschäftigung behinderter Menschen (§ 238).

Arbeitgeber können ferner zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Vermittlungshemmnissen in Arbeit nach § 16e SGB II Leistungen zur Beschäftigungsförderung erhalten. Dazu vgl. 6.3.1.2.5.

Sie können nach § 16e Abs. 1 SGB II einen Beschäftigungszuschuss als Ausgleich der zu erwartenden Minderleistungen des Arbeitnehmers und einen Zuschuss zu sonstigen Kosten erhalten. Voraussetzung ist, dass

  1. der erwerbsfähige Hilfebedürftige das 18. Lebensjahr vollendet hat, langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 SGB III ist und in seinen Erwerbsmöglichkeiten durch mindestens zwei weitere in seiner Person liegende Vermittlungshemmnisse (z.B. fehlende berufliche Qualifikation,gesundheitliche Einschränkungen, Schulden) besonders schwer beeinträchtigt ist,
  2. der erwerbsfähige Hilfebedürftige auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten betreut wurde und Eingliederungsleistungen unter Einbeziehung der übrigen Leistungen nach dem SGB II erhalten hat,
  3. eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate ohne die Förderung nach § 16e Abs. 1 S. 1 SGB II nicht möglich ist und
  4. zwischen dem Arbeitgeber und dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Arbeitsverhältnis mit in der Regel voller Arbeitszeit unter Vereinbarung des tariflichen Arbeitsentgelts oder, wenn eine tarifliche Regelung keine Anwendung findet, des für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelts begründet wird.

Die vereinbarte Arbeitszeit darf die Hälfte der vollen Arbeitszeit nicht unterschreiten.

Neben der Langzeitarbeitslosigkeit müssen nach § 16e Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mindestens 2 weitere Vermittlungshemmnisse in der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vorliegen. Solche Vermittlungshemmnisse sind z.B. eine fehlende schulische oder berufliche Qualifikation, ein fehlender Berufsabschluss, gesundheitliche Einschränkungen oder Behinderung, mangelhafte Sprachkenntnisse, fortgeschrittenes Alter, aber auch psychische Beeinträchtigungen, Wohnungslosigkeit, Überschuldung oder eine kriminelle Vergangenheit. Diese Beispiele sind nicht abschließend. Die Entscheidung über das Vorliegen dieser oder weiterer eine Vermittlung hemmende Merkmale, durch die bei einer Gesamtschau die Erwerbsmöglichkeiten besonders schwer beeinträchtigt sind und daher nur sehr geringe Chancen auf eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehen, ist im Rahmen des nach §§ 14 ff. SGB II erfolgenden Fallmanagements vor Ort zu treffen (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 16e SGB II).

§ 16e Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II setzt eine intensive Betreuung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ohne Eingliederungserfolg von mindestens 6 Monaten voraus. Grundlage ist die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II, in der die einzelnen Schritte dokumentiert werden. Die Betreuungszeit soll dazu genutzt werden, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit den anderen nach § 16 Abs. 1 SGB II und den §§ 16a bis 16d sowie §§ 16f bis 16g SGB II zur Verfügung stehenden arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zu integrieren. Solche Instrumente sind nach § 16 Abs. 1 SGB II die Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB III, nach § 16a SGB II die kommunalen Eingliederungsleistungen, wie die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung, nach § 16b SGB II das Einstiegsgeld, nach § 16c SGB II Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen, nach § 16d SGB II die Vermittlung von Arbeitsgelegenheiten, nach § 16f SGB II die freie Förderung aus den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln und nach § 16g SGB II Fortsetzung der Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit während der Durchführung einer Maßnahme zur Eingliederung. Das zeigt, dass § 16e SGB II gegenüber diesen Maßnahmen subsidiär ist.

Die Höhe des Beschäftigungszuschusses richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und kann nach § 16e Abs. 2 SGB II bis zu 75 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts betragen. Die Höhe richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bezug auf den konkreten Arbeitsplatz. Sie kann deshalb auch niedriger festgesetzt werden, wenn die Leistungsfähigkeit des Erwerbsfähigen im konkreten Einzelfall höher eingeschätzt wird. Berücksichtigungsfähig sind

  1. das zu zahlende tarifliche Arbeitsentgelt oder, wenn eine tarifliche Regelung keine Anwendung findet, das für vergleichbare Tätigkeiten ortsübliche zu zahlende Arbeitsentgelt und
  2. der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung, da für eine geförderte Beschäftigung gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c SGB III keine Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung besteht. Der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag beträgt 20 % des Arbeitsentgelts.

Der Förderbetrag ist nach § 16e Abs. 2 S. 3 um Erstattungen an den Arbeitgeber zu vermindern, die dieser aus einem Ausgleichssystem erhält. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit die relevanten Angaben zu machen, z.B. bei Kofinanzierungen mit Landesmitteln oder aus kommunalen Haushalten.

Nach § 16e Abs. 3 SGB II kann ein Zuschuss zu sonstigen Kosten erbracht werden

  1. für Kosten für eine begleitende Qualifizierung in pauschalierter Form bis zu einer Höhe von 200,00 Euro monatlich sowie
  2. in besonders begründeten Einzelfällen einmalig für weitere notwendige Kosten des Arbeitgebers für besonderen Aufwand beim Aufbau von Beschäftigungsmöglichkeiten.

Die Übernahme von Investitionskosten ist ausgeschlossen.

Die Förderdauer beträgt nach § 16e Abs. 4

  1. für den Beschäftigungszuschuss bis zu 24 Monate. Der Beschäftigungszuschuss soll anschließend ohne zeitliche Unterbrechung unbefristet erbracht werden, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne die Förderung nach Absatz 1 Satz 1 voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate nicht möglich ist,
  2. für die sonstigen Kosten nach Absatz 3 Nr. 1 bis zu zwölf Monate je Arbeitnehmer.

Das Arbeitsverhältnis darf befristet geschlossen werden. § 16e Abs. 6 SGB II bestimmt, dass die Förderung mit einem Beschäftigungszuschuss einen sachlichen Grund darstellt, der die Befristung rechtfertigt. Deswegen darf sich die Befristung auch auf die Förderdauer beziehen. Daher kann das Arbeitsverhältnis zunächst auf die Dauer der Regelförderung befristet werden, wenn die Leistungsträger bzw. Arbeitsgemeinschaften den Beschäftigungszuschuss zunächst für 24 Monate zuerkennen. Diese Befristungsmöglichkeit hat ihren Grund darin, dass andernfalls eine Einstellung nicht erfolgen würde.

§ 16e Abs. 4 Nr. 1 S. 2 SGB II erlaubt nach Ablauf von 24 Monaten eine weitere unbefristete Förderung. Dabei handelt es sich um eine Soll-Vorschrift. Das zeigt, dass die unbefristete Förderung den Regelfall bildet. Voraussetzung für die unbefristete Förderung ist eine erneute Prognoseentscheidung, nach der auch in den nächsten 24 Monaten ohne eine Förderung mit dem Beschäftigungszuschuss für den Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich sein wird. Eine unbefristete Förderung kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber nur einen befristeten Arbeitsvertrag schließt. Insoweit folgt die Förderung jeweils

den Bedingungen des Arbeitsvertrages (Haufe Onlinekommentar RZ. 87 zu § 16e SGB II). Eine unbefristete Förderung darf nicht verweigert werden, weil absehbar ist, dass der Arbeitnehmer später wieder ohne den Beschäftigungszuschuss auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann; dem steht die Prognoseentscheidung über die nächsten 24 Monate entgegen. Für solche Fälle, in denen der Arbeitnehmer später wieder ohne den Beschäftigungszuschuss auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann, trifft § 16e Abs. 7 SGB II die notwendigen Aufhebungsregelungen (Haufe Onlinekommentar RZ. 88 zu §16e SGB II).

§ 16e Abs. 8 SGB II enthält gesetzliche Kündigungsberechtigungen, die das Ziel der Beschäftigungsförderung unterstützen. Das Arbeitsverhältnis kann nach § 16e Abs. 8 Nr. 1 vom Arbeitnehmer ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn er eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufnehmen kann. Damit

will der Gesetzgeber vermeiden, dass die Chance auf Aufnahme einer regulären Beschäftigung nicht genutzt wird, weil der Arbeitnehmer eine Kündigungsfrist

einzuhalten hat.

§ 16e Abs. 8 Nr. 2 SGB II räumt dem Arbeitgeber ein fristloses Kündigungsrecht ein, wenn die Förderung nach § 16e Abs. 7 S. 1 oder 2 aufgehoben wird. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass dem Arbeitgeber eine Beschäftigung ohne den Beschäftigungszuschuss nicht zumutbar ist und beseitigt den Grund für eine mögliche Zurückhaltung vor Beschäftigungen nach § 16e SGB II, weil das Risiko befürchtet wird, betriebswirtschaftlich nur mit dem Beschäftigungszuschuss rentable Arbeitnehmer zeitweise ohne die Förderung beschäftigen zu müssen. Die Kündigungsberechtigung bezieht sich auf das Ende der Förderung, nicht auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung (Haufe Onlinekommentar RZ. 97 zu § 16e SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.2.7 Integrationsvereinbarungen - Betriebliches Eingliederungsmanagement

Die Arbeitgeber sind nach § 83 Abs. 1 SGB IX weiterhin verpflichtet, mit den Schwerbehindertenvertretungen und den in § 98 SGB IX genannten betrieblichen Interessenvertretungen (Betriebs-, Personalrat etc.) in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten des Arbeitgebers so genannte Integrationsvereinbarungen zu treffen. Öffentliche Arbeitgeber sind zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung nur dann nicht verpflichtet, wenn für die Dienststelle den Anforderungen von § 83 entsprechende Regelungen bestehen und durchgeführt werden (§ 82 S. 4). Ziel der Regelung ist es, die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in den Betrieben durchzusetzen. Wenn die Schwerbehindertenvertretung die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer Integrationsvereinbarung beantragt, sind Verhandlungen unter Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretungen aufzunehmen. Der Arbeitgeber und die Schwerbehindertenvertretung können die Integrationsämter einladen, sich an den Verhandlungen über die Integrationsvereinbarung zu beteiligen.

Die Integrationsvereinbarungen enthalten nach der nicht abschließenden Auflistung in § 83 Abs. 2 Regelungen über die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen.

Weitere mögliche Inhalte enthält § 83 Abs. 2a. In der Vereinbarung können danach u. a. auch Regelungen zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement - § 84 SGB IX) und zur Gesundheitsförderung getroffen werden (§ 83 Abs. 2a Nr. 5).

§ 84 SGB IX mit der Überschrift „Prävention“ dient dem Zweck, bei Eintreten von Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Menschen zur Geltung zu bringen und eine mit dem Schutzzweck der besonderen Regelungen des Schwerbehindertenrechts unvereinbare Kündigung präventiv zu verhindern, Schwierigkeiten bei der Beschäftigung möglichst erst nicht entstehen zu lassen, sie jedenfalls möglichst frühzeitig zu beheben.

§ 84 Abs.1 verpflichtet den Arbeitgeber, bei erkennbaren personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits-, Dienst- und Ausbildungsverhältnis, welche zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen können, die Schwierigkeiten und alle in Betracht kommenden inner- und außerbetrieblichen Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung mit der Schwerbehindertenvertretung, den betrieblichen Interessenvertretungen und dem Integrationsamt zu erörtern. Ziel der Einschaltung der betrieblichen Interessenvertretungen und der Schwerbehindertenvertretung ist es, zunächst alle innerbetrieblichen Möglichkeiten zur Beseitigung der Schwierigkeiten zu nutzen. Hierzu kommen etwa Umsetzungen oder Versetzungen auf einen anderen Arbeitsplatz, innerbetriebliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs. 3 SGB IX) in Betracht. Können die Schwierigkeiten innerbetrieblich nicht beseitigt werden, ist das Integrationsamt zu beteiligen, damit dieses im Rahmen seiner Aufgaben der begleitenden Hilfe nach § 102 SGB IX die Möglichkeiten hat, dem Arbeitgeber alle ihm zur Verfügung stehenden Hilfen (Beratung, technische Hilfen, finanzielle Leistungen) anzubieten. Es kommen aber nicht nur Leistungen und Hilfen an den Arbeitgeber in Frage, sondern auch Hilfen für den beschäftigten schwerbehinderten Menschen. So kann etwa bei personen- und verhaltensbedingten Schwierigkeiten für eine notwendige psychosoziale Betreuung gesorgt werden. Zu den begleitenden Hilfen im Arbeitsleben vgl. u. 5.3.

Ziel der Maßnahmen der Prävention ist die möglichst dauerhafte Sicherung des Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses.

§ 84 Abs. 2 SGB IX enthält Regelungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement. Dadurch soll gesundheitlichen Störungen entgegengewirkt werden. Beabsichtigt ist eine frühzeitige Intervention im Sinne von Rehabilitation statt Entlassung beim Auftreten gesundheitlicher Störungen. Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und soweit erforderlich zu verbessern und Schwierigkeiten bei der Beschäftigung möglichst nicht entstehen zu lassen, sie jedenfalls möglichst frühzeitig zu beheben, damit der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die Maßnahmen sind ausdrücklich nicht beschränkt auf behinderte oder schwerbehinderte Beschäftigte. Sie sollen alle Beschäftigten einschließen. Konkret ist geregelt, dass der Arbeitgeber in allen Fällen bei einer länger als sechs Wochen andauernden oder bei wiederholter Erkrankung des Beschäftigten zur Kontaktaufnahme mit der betrieblichen Interessenvertretung („Interessenvertretung nach § 93") und bei schwerbehinderten Menschen mit der Schwerbehindertenvertretung verpflichtet ist. Gemeinsam mit diesen Interessenvertretungen und mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person sind die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die nach § 23 SGB IX eingerichteten Servicestellen und das Integrationsamt sollen hinzugezogen werden, wenn es um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. §§ 33, 34) oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben (vgl. § 102 SGB IX) geht. Diese haben darauf hinzuwirken, dass die erforderlichen Leistungen und Hilfen unverzüglich beantragt und schnellstmöglich, nämlich innerhalb der Frist nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IX, also einer Frist von längstens drei Wochen, erbracht werden. Die betriebliche Interessenvertretung und bei schwerbehinderten Menschen natürlich auch die Schwerbehindertenvertretung haben nach § 84 Abs. 2 die ausdrückliche Befugnis, die Klärung der anstehenden Fragen zu verlangen. Außerdem ist es deren ausdrückliche Aufgabe, darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus der Vorschrift des § 84 erfüllt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - Begleitende Hilfe im Arbeitsleben

Zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben sind über die Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes hinaus vielfältige Hilfen während des gesamten Berufslebens erforderlich. Leistungen, die von den in § 6 Nr. 2 - 5 SGB IX genannten Rehabilitationsträgern erbracht werden können, enthält das 5. Kapitel im SGB IX mit den §§ 33 ff. Diese Leistungen sind vorrangig zu erbringen. Aber auch die Mittel der Ausgleichsabgabe, die Arbeitgeber nach § 77 SGB IX für nicht mit schwerbehinderten Menschen besetzte Pflichtplätze zu erbringen haben, sollen für diesen Zweck eingesetzt werden. § 77 Abs. 5 SGB IX bestimmt: „Die Ausgleichsabgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender

Hilfe im Arbeitsleben verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden.“ Die Ausführung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben gehört nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX zu den Aufgaben der Integrationsämter. Die nähere Ausgestaltung findet sich in den §§ 17-29 der Schwerbehindertenausgleichsabgabenverordnung (SchwbAV) vom 28.3.1988.

Das Rangverhältnis zwischen den konkurrierenden Leistungen und die Zuständigkeit der Leistungsträger sind für Betroffene nur schwer zu durchschauen.

Zuständig als Rehabilitationsträger können mit Ausnahme der Krankenversicherung sämtliche in § 6 Abs. 1 aufgeführten Leistungsträger sein, vor allem die Rentenversicherungsträger, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der Kriegsopferversorgung und der Kriegsopferfürsorge sowie die Bundesagentur für Arbeit kommen in Frage. Für die Rehabilitationsträger sind gemäß § 7 SGB IX die jeweiligen speziellen Leistungsgesetze für die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen maßgebend. Für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben enthalten diese Spezialgesetze jedoch keine eigenen Leistungskataloge, sondern verweisen wiederum auf die §§ 33 bis 38 und 40 SGB IX. Für die gesetzlichen Rentenversicherungsträger vgl. § 16 SGB VI, für die gesetzliche Unfallversicherung § 35 Abs. 1 SGB VII, für die Träger der Kriegsopferversorgung und der Kriegsopferfürsorge § 26 BVG.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat für Leistun­gen zur Teilhabe am Arbeitsleben zentrale Funktio­nen. Sie ist entweder selbst Rehabilitationsträger und übernimmt als solcher die Kosten von Leistungen, oder sie wird von anderen Rehabilitationsträgern zur Beratung beteiligt. Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zur Teilhabe am Arbeitsleben sind sowohl an Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 SGB III) als auch an Arbeitgeber (§ 3 Abs. 2 SGB III) möglich. Zu eige­nen Leistungen ist die Bundesagentur für Arbeit aber nur nachrangig verpflichtet, soweit nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit liegt nach den einschlägigen Gesetzen zwar in der Regel mit Vorrang bei einem Träger der Renten- oder Unfall­versicherung oder der sozialen Entschädigung (§ 22 Abs. 2 SGB III). In der Praxis ist die Bundesagentur für Arbeit aber in den meisten Fällen Leistungsträger. Die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers setzt voraus, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 oder Abs. 2a SGB VI vorliegen. D. h., die Versicherten müssen bei Antragstellung die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben (zur Wartezeit vgl. § 51 SGB VI) oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen oder wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder wenn die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind zuständig, wenn der Betroffene zum geschützten Personenkreis (§§ 2, 3 und 6 SGB VII) gehört und ein Versicherungsfall (§§ 7 ff. SGB VII) vorliegt.

Die Aufgabenstellung der Bundesagentur für Arbeit bedeutet zweierlei:

  1. Die eigenen Leistungspflichten der Bundesagentur für Arbeit erstrecken sich auf behinderte Menschen, die keinen Schutz durch einen anderen Rehabilitationsträger genießen.
  2. Soweit die Leistungspflichten anderer Rehabilitationsträger gesetzlich reichen, beschränken sich die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit darauf, im Einzelfall das spezifische Wissen und die Erfahrungen der Arbeitsverwaltung im Rahmen der Beratung einzubringen, die nach Art und Umfang individuell notwendigen und zweckmäßigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorzuschla­gen und dabei auch Lage und Entwicklung des Arbeits­marktes zu berücksichtigen. Die Bundesagentur für Arbeit hat nach § 38 SGB IX die Aufgabe, auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers zu Notwendigkeit, Art und Umfang der Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweck­mäßigkeit gutachterlich Stellung zu nehmen.

Bei der Klärung des Hilfebedarfs ist außerdem auch das Integrations­amt zu beteiligen (§ 11 SGB IX). Korrespondierend dazu wird in § 102 Abs. 2 SGB IX für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben eine enge Zusammenarbeit zwischen Integrationsämtern, der Bundesagentur für Arbeit und den übrigen Rehabilitationsträgern zur Pflicht gemacht.

In § 102 Abs. 5 SGB IX wird klargestellt, dass Leistungen anderer vor den Leistungen des Integrationsamtes im Rahmen der begleitenden Hilfe zum Arbeitsleben Vorrang haben. Leistungen der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX dürfen, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, nicht deshalb versagt werden, weil nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Insoweit ist also das Ermessen bei Kannleistungen eingeschränkt. Diesen Grundsatz der Subsidiarität bekräftigt § 18 Abs. 1 SchwbAV mit der Bestimmung, dass die als begleitende Hilfe zweckgerichteten Leistungen nur erbracht werden dürfen, soweit Leistungen für densel­ben Zweck nicht von einem Reha-Träger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder bereits erbracht werden, gleichgültig, ob auf sie ein Rechtsanspruch besteht oder nicht. Die Vorschriften des § 102 Abs. 5 SGB IX ergänzend, wird in § 18 Abs. 1 SchwbAV zusätzlich darauf hingewiesen, dass der Nachrang der Sozialhilfe unberührt bleibt. Der Vorrang eines anderen Rehabilitationsträgers ergibt sich insbesondere, wenn von diesem im Rahmen eines noch andauernden Rehabilitationsverfahrens Leistungen zur Rehabilitation zu erbringen sind. Wenn ein anderer Rehabilitationsträger entsprechende Leistungen erbringt, darf außerdem eine Aufstockung durch das Integrationsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nicht erfolgen (§ 102 Abs. 5 S. 2 2. Halbsatz).

Zur Klärung von Zuständigkeiten und Sicherstellung einer raschen Leistungserbringung schreibt § 102 Abs. 6 SGB IX vor, dass die Bestimmungen des § 14 SGB IX „Zuständigkeitsklärung“ sinngemäß gelten, wenn beim Integrationsamt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt oder umgekehrt bei einem Reha-Träger ein Antrag gestellt und an das Integrationsamt weitergeleitet wird. D. h. die Stelle, bei welcher der Antrag eingegangen ist, stellt innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihr fest, ob sie nach dem für sie geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt sie bei der Prüfung fest, dass sie für die Leistung nicht zuständig ist, leitet sie den Antrag unverzüglich an die nach seiner Auffassung zuständige Stelle weiter.

Wenn die unverzügliche Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, kann das Integrationsamt die Leistung vorläufig erbringen. Es hat dann gegen den zuständigen Rehabilitationsträger einen Erstattungsanspruch (§ 102 Abs. 6 S. 3 und 4).

Zur Klärung der Zuständigkeit können auch die Servicestellen nach § 22 SGB IX helfen.

In den folgenden Abschnitten werden die Leistungen der Rehabilitationsträger im Rahmen der für sie einschlägigen speziellen Leistungsgesetze und die Leistungen der Integrationsämter im Rahmen der begleitenden Hilfe zum Arbeitsleben behandelt.

Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben spielt bei der beruflichen Teilhabe behinderter Menschen eine herausragende Rolle, ja ist für ihr Gelingen häufig entscheidend. Sie soll dahin wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können und durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nicht behinderten Menschen zu behaupten (§ 102 Abs. 2 SGB IX). Das Integrationsamt soll außerdem darauf Einfluss nehmen, dass Schwierigkeiten bei der Beschäftigung verhindert oder beseitigt werden.

Unabhängig davon, ob Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation vorausgegangen sind, umfasst die begleitende Hilfe im Arbeitsleben alle Maßnahmen und Leistungen, die erforderlich sind, um dem schwerbehinderten Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben und damit in der Gesellschaft zu sichern und Kündigungen zu vermeiden. Als persönliche Hilfen seien beispielhaft genannt: Beratung und Betreuung in allen Fragen des Arbeitslebens, insbesondere bei persönlichen Schwierigkeiten, bei der Schaffung und Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, bei Arbeitsplatzproblemen, bei Umsetzungen auf einen anderen Arbeitsplatz, bei Fragen im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung, bei Konflikten mit Kollegen, Vorgesetzten und dem Arbeitgeber, bei Gefährdung des Arbeitsplatzes bis hin zur psychosozialen Betreuung, um schwerwiegende Konflikte zu lösen. Die Integrationsämter verfügen für die Beratung über besondere Fachdienste, in welchen z. B. Ingenieure zur Verfügung stehen.

Die Integrationsämter erbringen auch finanzielle Leistungen. Die u. a. möglichen Leistungen sind § 102 Abs. 3 und 4 zu entnehmen. Die in Abs. 3 enthaltene Aufzählung ist nicht abschließend.

Nach Abs. 3 sind Geldleistungen an schwerbehinderte Menschen (vgl. 5.3.3), an Arbeitgeber (vgl. 5.3.2) und an Träger von Integrationsfachdiensten einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen sowie an Träger von Integrationsprojekten möglich.

In § 102 Abs. 4 SGB IX ist der Rechtsanspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz geregelt (vgl. 5.3.1).

Eine wichtige Frage ist, um welche Arbeitsplätze es sich handeln muss, damit Leistungen der begleitenden Arbeitshilfe möglich sind. Als Arbeitsplätze gelten auch Stellen, auf denen Beschäftigte befristet oder als Teilzeitbeschäftigte in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich beschäftigt werden. Hier liegt eine Abweichung zur Definition des Arbeitsplatzes in § 73 SGB IX insoweit vor, als die Beschäftigung nur 15 und nicht 18 Stunden umfassen muss.

Die Frage ist, ob für Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben die in § 73 Abs. 2 SGB IX für die Bestimmung, was unter einem Arbeitsplatz zu verstehen ist, enthaltene Einschränkung gilt, mit der Folge, dass entsprechend Beschäftigte von der Förderung ausgeschlossen wären (so im Onlinekommentar von Haufe, RZ. 9 zu § 102 SGB IX). Nach § 73 Abs. 2 gelten u. a. nicht als Arbeitsplätze die Stellen, auf denen Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften (Nr. 2) und Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen (Nr. 4), beschäftigt werden. Diese Sichtweise, wonach zwischen Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe ein Systemzusammenhang in der Weise bestehe, dass die Mittel nur für Arbeitsplätze im Sinn von § 73 SGB IX verwendet werden dürften, ist zu eng. Dass es für die Verwendung der Mittel aus der Ausgleichsabgabe und somit für Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nicht auf Arbeitsplätze im Sinn von § 73 SGB IX, sondern auf die Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben ankommt, ergibt sich auch aus § 77 Abs. 5 S. 1 SGB IX. Diese Bestimmung lautet: „(5) Die Ausgleichsabgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben (§ 102 Abs. 1 Nr. 3) verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden.“ Es ist also von „Arbeitsleben“ und nicht von „Arbeitsplätzen“ die Rede. Nach § 102 Abs. 4 SGB IX besteht beispielsweise ein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen im „Arbeitsleben". Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber ungenau formuliert hat, als er das Wort „Arbeitsleben" in diesen Bestimmungen verwendet hat (vgl. Richter in horus 5/2004 - Aus dem Recht). Diese Auffassung wurde zwischenzeitlich vom BVerwG bestätigt.

Das BVerwG hat in einem Urteil vom 14. November 2003 - Az: 5 C 13/02 - (Behindertenrecht 2004, S. 79-81) im Fall einer blinden Pastorin, die sowohl als Pastorin als auch als Kirchenmusikerin tätig ist, und deren behindertengerecht ausgestattete EDV-Anlage repariert werden musste, die Förderfähigkeit nach § 31 Schwerbehindertengesetz bejaht. Der Wortlaut des damals noch geltenden § 31 Abs. 2 Schwerbehindertengesetz stimmt wörtlich mit § 102 Abs. 2 SGB IX überein. Der diesem Rechtstreit zu Grunde liegende § 7 Abs. 2 Schwerbehindertengesetz stimmt ebenfalls mit § 73 Abs. 2 SGB IX überein. Das BVerwG hat seine Entscheidung mit der umfassenden Aufgabenstellung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, die nicht einengend ausgelegt werden dürfe, begründet.

Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben umfasst nach § 102 Abs. 2 S. 4 SGB IX auch die nach den Umständen des Einzelfalls notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. Das Integrationsamt kann bei der Durchführung der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteiligen, wenn bei besonders betroffenen schwerbehinderten Men­schen ein besonderer Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung besteht (§§ 102 Abs. 2 S. 5 und 109 SGB IX). Dazu vgl. 5.4.

Der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben dienen auch Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte. Diese Veranstaltungen dienen dazu, den genannten Funktionsträgern das für die Erfüllung ihrer Aufgaben und Verpflichtungen im Rahmen des SGB IX erforderliche Wissen zu vermitteln. Die Integrationsämter können die Veranstaltungen selbst durchführen, aber auch Dritte damit beauftragen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 SchwbAV). Solche Veranstaltungen können aus Mitteln der Ausgleichsabgabe aber nur gefördert werden, wenn die Integrationsämter an ihrer inhaltlichen Gestaltung maßgeblich beteiligt sind.

Um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu den Leistungen zu ermöglichen, benennt das Integrationsamt in enger Abstimmung mit den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes Ansprechpartner, die in Handwerks- sowie in Industrie- und Handelskammern für die Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um sie über Funktion und Aufgaben der Integrationsfachdienste aufzuklären, über Möglichkeiten der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zu informieren und Kontakt zum Integrationsfachdienst herzustellen.

Die Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können nach § 102 Abs. 7 auch in der Form eines persönlichen Budgets erbracht werden. Gemäß § 17 Abs. 2 SGB IX ist das aber nur auf Antrag des Leistungsempfängers möglich.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.1 Leistungen an den Arbeitgeber

Ausgangsnorm ist § 34 SGB IX. Die Bundesanstalt für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung, der Alterssicherung der Landwirte, der Kriegsopferversorgung, der Kriegsopferfürsorge, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe können als Rehabilitationsträger Leistungen an Arbeitgeber erbringen (§ 5 Nr. 2, § 6 Abs. 1), wenn dies zur dauerhaften Eingliederung der Behinderten in das Arbeitsleben erforderlich ist.

In den für die Rehabilitationsträger jeweils geltenden Leistungsgesetzen wird auf § 34 SGB IX verwiesen. Einen Leistungskatalog für die Bundesagentur für Arbeit enthält § 3 Abs. 2 SGB III.

Das Integrationsamt kann nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX und § 17 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAV im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ebenfalls Geldleistungen an Arbeitgeber erbringen, insbesondere

  1. a) zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26 SchwbAV - vgl. 5.3.1.1),
  2. b) für Zuschüsse zu Gebühren, insbesondere Prüfungsgebühren, bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26a),
  3. c) für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, die für die Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 68 Abs. 4 gleichgestellt worden sind (§ 26b SchwbAV),
  4. d) für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 26c SchwbAV) und
  5. e) für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d, von schwerbehinderten Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder im Sinne des § 75 Abs. 2 verbunden sind, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde (§ 27 SchwbAV - vgl. 5.3.1.2).

Die Aufzählung ist nicht abschließend.

Nach § 18 Abs. 1 SchwbAV, in welchem die Leistungsvoraussetzungen geregelt sind, dürfen die Leistungen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden. Die Leistungspflichten des Arbeitgebers sind hier also zu beachten. Vgl. dazu 5.2 und 5.2.2.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.1.1 Behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen

Zuschüsse an Arbeitgeber zur Einrichtung von Arbeitsplätzen oder zu technischen Arbeitshilfen für behinderte Menschen im Betrieb, d.h. für eine behinderungsgerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, erbringen die Rehabilitationsträger im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX und für die Bundesagentur für Arbeit § 237 SGB III). Für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen kommen z. B. in Frage die Ausstattung eines Liftes mit Sprachausgabe oder Brailleschrift, Orientierungshilfen im Betriebsgelände und in den Gebäuden, die Ausstattung von Geräten mit Sprachausgaben oder Brailleschriftdisplays bzw. Großbildschirmen und Vergrößerungssoftware. Die Zuschüsse erhält der Arbeitgeber nur, wenn er nicht aufgrund des § 81 Abs. 4 Nr. 4 und 5 verpflichtet ist, entsprechende Arbeitshilfen oder Einrichtungen zu stellen. Diese Verpflichtung besteht allerdings nicht, soweit die Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Die für die Beschäftigung blinder oder hochgradig sehbehinderter Menschen erforderlichen Einrichtungen sind häufig sehr kostenaufwändig, so dass die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird.

Bei den Leistungen zur Arbeitsplatzausstattung an Arbeitgeber aus der Ausgleichsabgabe sind diejenigen nach dem 2. Abschnitt, 1. Unterabschnitt „Leistungen zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen“ (§ 15 SchwbAV) und diejenigen nach dem 2. Abschnitt, 2. Unterabschnitt „Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben“ (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 a) und § 26 SchwbAV) zu unterscheiden.

In § 15 SchwbAV geht es um die Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen, ohne dass bereits ein Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Mitarbeiter besteht. Der Arbeitsplatz soll vielmehr erst geschaffen werden. Da in solchen Fällen die Arbeitsplatzausstattung häufig noch innerhalb eines Rehabilitationsverfahrens erfolgt, ist in vielen Fällen der Rehabilitationsträger, z. B. der Rentenversicherungsträger oder der Unfallversicherungsträger vorrangig zuständig (vgl. oben); denn die Bezuschussung technischer Arbeitshilfen an behinderte Menschen und ihre Arbeitgeber gehört zum Leistungskatalog der Rehabilitationsträger (vgl. § 33 Abs. 8 Nr. 4 und § 34 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX).

Die Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben setzen demgegenüber ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Dazu vgl. unten.

Arbeitgeber können also unter bestimmten Voraussetzungen nach § 15 SchwbAV von den Integrationsämtern finanzielle Zuschüsse zu den Investitionskosten für die Schaffung neuer geeigneter Ausbildungs- und Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen erhalten. Zu den förderungsfähigen Kosten gehören die gesamten Investitionskosten für den neuen Arbeitsplatz und nicht nur die besonderen behinderungsbedingten Aufwendungen. Bei der Bemessung der Zuschüsse wird insbesondere auf das Maß der Beeinträchtigung des behinderten Menschen, für welchen der Arbeitsplatz geschaffen werden soll, die Höhe der Investitionskosten, den Rationalisierungseffekt, die Höhe der behinderungsbedingten Mehraufwendungen sowie die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers abgestellt. Dieser soll sich in einem angemessenen Verhältnis an der Finanzierung der Gesamtkosten beteiligen.

Die Leistung wird gewährt, wenn der schwerbehinderte Mensch ohne gesetzliche Verpflichtung oder über die gesetzliche Verpflichtung nach § 71 SGB IX hinaus eingestellt wird, bzw. der Arbeitsplatz einem im Arbeitsleben nach § 71 Abs. 1 S. 2 oder § 72 SGB IX besonders Betroffenen zugute kommt. Das sind schwerbehinderte Frauen (§ 71 Abs. 1 S. 2) bzw. schwerbehinderte Menschen,

  1. a) die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder
  2. b) deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist oder
  3. c) die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können oder
  4. d) bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 allein infolge geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder
  5. e) die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene

Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes haben,

  1. schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben (§ 72 Abs. 1 SGB IX).

Blinde oder hochgradig Sehbehinderte fallen häufig unter eine dieser Gruppen.

Die Leistung wird nach § 15 SchwbAV ferner gewährt, wenn der schwerbehinderte Mensch vor seiner Einstellung mehr als 12 Monate arbeitslos oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt war, die Einstellung zur Erfüllung der besonderen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 4 und 5 und Abs. 5 Satz 1 SGB IX erfolgt (vgl. dazu 5.2 insbesondere 5.2.5) oder das Beschäftigungsverhältnis ohne Umsetzung auf einen neu zu schaffenden Arbeitsplatz enden würde.

Für den Leistungsumfang gilt in der Praxis: Behinderungsbedingte Kosten werden in der Regel in voller Höhe bezuschusst.

Bei nicht behinderungsbedingten Maßnahmen beläuft sich der Förderbetrag auf 50 v.H. der förderfähigen Kosten, jedoch auf nicht mehr als 51.130,00 € je Platz.

Die Hälfte des Förderbetrags wird als Zuschuss, die andere Hälfte als Darlehen ausgezahlt. In begründeten Ausnahmefällen kann auch eine andere Aufteilung zwischen Zuschuss und Darlehen erfolgen.

Auch als begleitende Hilfe im Arbeitsleben können die Integrationsämter Investitionshilfen an Arbeitgeber im Rahmen der behinderungsgerechten Gestaltung bestehender Arbeitsplätze und des Arbeitsumfeldes gewähren (§ 26 Abs.1 Nr. 1 - 3 SchwbAV).

Zu den Leistungen an Arbeitgeber zur Arbeitsplatzausstattung als begleitende Hilfe zum Arbeitsleben bestimmt § 26 SchwbAV:

„(1) Arbeitgeber können Darlehen oder Zuschüsse bis zur vollen Höhe der entstehenden notwendigen Kosten für folgende Maßnahmen erhalten:

  1. die behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte,
  2. die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, insbesondere wenn eine Teilzeitbeschäftigung mit einer Dauer auch von weniger als 18 Stunden, wenigstens aber 15 Stunden, wöchentlich wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist,
  3. die Ausstattung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen mit notwendigen technischen Arbeitshilfen, deren Wartung und Instandsetzung sowie die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch der nach den Nummern 1 bis 3 geförderten Gegenstände,
  4. sonstige Maßnahmen, durch die eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Betrieben oder Dienststellen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann.

Gleiches gilt für Ersatzbeschaffungen oder Beschaffungen zur Anpassung an die technische Weiterentwicklung.

(2) Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung, ob eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 (Sicherstellung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht), Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 (behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze) und 5 (Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen) und Abs. 5 Satz 1 (Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen) des Neunten Buches Sozialgesetzbuch besteht und erfüllt wird sowie ob schwerbehinderte Menschen ohne Beschäftigungspflicht oder über die Beschäftigungspflicht hinaus (§ 71 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder im Rahmen der Erfüllung der besonderen Beschäftigungspflicht gegenüber bei der Teilhabe am Arbeitsleben besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 und § 72 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) beschäftigt werden.

(3) § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend."

Leistungen sollen nur erbracht werden, wenn sich der Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligt. Sie können nur erbracht werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu erbringen sind oder erbracht werden.

Die vorrangige Verpflichtung anderer Leistungsträger ist auch hier zu beachten.

Zu beachten ist auch hier, dass gemäß § 81 Abs. 4 S. 3 SGB IX eine Verpflichtung des Arbeitgebers nicht besteht, soweit sie für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Die Ausstattung von Arbeitsplätzen für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen ist häufig sehr kostenaufwändig. Das ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit und bei der Bemessung der Leistungen an den Arbeitgeber zu beachten.

Die geförderten Arbeitsplätze müssen für einen bestimmten Zeitraum schwerbehinderten Beschäftigten vorbehalten bleiben. Die Bindungsfrist orientiert sich an der üblichen Nutzungsdauer und der steuerlichen Abschreibungszeit. Scheidet der schwerbehinderte Mensch während der Dauer der Bindungsfrist aus, muss der geförderte Arbeitsplatz wieder mit einem schwerbehinderten Menschen für den Rest des Bindungszeitraumes besetzt werden; ansonsten ist der Zuschuss anteilig zurückzuzahlen.

Nach der Praxis der Integrationsämter werden folgende Leistungen erbracht:

Für behinderungsbedingte Kosten werden bei der Einrichtung und Unterhaltung von Arbeitsstätten sowie bei der behinderungsgerechten Ausstattung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen Zuschüsse gegeben, und zwar bis zu

  • 50 v.H. der notwendigen Kosten, wenn das Beschäftigungspflichtsoll nicht erfüllt ist,
  • 75 v.H. der notwendigen Kosten, wenn der Anteil der beschäftigten schwerbehinderten Menschen zwar unter dem Beschäftigungspflichtsoll, aber über dem Landesdurchschnitt liegt,
  • 100 v.H. der notwendigen Kosten, wenn die Beschäftigungspflicht erfüllt wird oder der Arbeitgeber nach § 71 SGB IX nicht beschäftigungspflichtig ist.

Für nicht behinderungsbedingte Kosten können Förderleistungen erbracht werden, wenn diese Maßnahmen notwendig sind, um dauerhaft eine behindertengerechte Beschäftigung zu ermöglichen. Die Leistung beträgt in diesen Fällen bis zu 50 v.H. der notwendigen Kosten; sie ist auf 51.130,00 € pro Arbeitsplatz begrenzt und wird je zur Hälfte als Zuschuss und als Darlehen ausgezahlt. In Einzelfällen können bis zu 75 v.H. des Förderbetrags als Zuschuss bewilligt werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.1.2 Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung

§ 34 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX umfasst Zuschüsse der Rehabilitationsträger für eine befristete Probebeschäftigung, wenn damit eine dauerhafte Eingliederung des Behinderten in das Arbeitsleben erreicht werden kann. Die Vorschrift sieht eine teilweise oder volle Kostenerstattung vor. Eine Probebeschäftigung ermöglicht den Behinderten, erste Erfahrungen im Berufsleben zu sammeln. Die Arbeitgeber können sich so - ohne Einsatz eigener finanzieller Mittel - ein erstes Bild über die Leistungsfähigkeit der Behinderten und deren konkrete Einsatzmöglichkeiten im Betrieb verschaffen. Zu den Kosten zählen alle üblicherweise mit einem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Kosten (Lohn-, Gehaltskosten einschließlich Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, sonstige Leistungen aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Regelungen), und zwar in der Regel bis zu einer Dauer von 3 Monaten. Für die Arbeitsverwaltung vgl. als Rechtsgrundlage § 238 SGB III.

Auch für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen können solche Praktika hilfreich sein. Allerdings können Probleme auftauchen, wenn die notwendigen Hilfsmittel wie Braillezeilen nicht zur Verfügung stehen. Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke für diesen Personenkreis stellen erfahrungsgemäß solche Hilfsmittel zumindest für ihre Absolventen leihweise zur Verfügung.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.1.3 Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber - Leistungen wegen außergewöhnlicher Belastungen

Eingliederungszuschüsse können von den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 SGB IX) nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 SGB IX, Leistungen wegen außergewöhnlicher Belastungen von den Integrationsämtern im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach § 27 SchwbAV erbracht werden.

Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 SGB IX können zur dauerhaften Eingliederung schwerbehinderter Menschen an Arbeitgeber Eingliederungszuschüsse gewähren (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX). Die Ausgestaltung der Eingliederungszuschüsse enthält § 34 Abs. 3 SGB IX. Absatz 3 verallgemeinert die für die Bundesagentur für Arbeit nach §§ 217 bis 224 SGB III geltenden Regelungen für Eingliederungszuschüsse für alle Rehabilitationsträger (Haufe Onlinekommentar RZ. 1 zu § 34 SGB IX). Die Eingliederungszuschüsse betragen gemäß § 34 Abs. 3 SGB IX für den Regelfall höchstens 50 vom Hundert der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte nicht übersteigen. Das förderungsfähige Arbeitsentgelt wird außerdem auf das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung (vgl. § 341 Abs. 4 SGB III) begrenzt. Bei der Berechnung der Höhe der Zuschüsse wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt.

Die Zuschüsse sollen im Regelfall für nicht mehr als ein Jahr geleistet werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Leistungen in begründeten Einzelfällen jedoch um 20 Prozent erhöht und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind vor allem bei erschwerter Vermittlung, wie sie bei blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen in aller Regel zu bejahen ist, gegeben. Die mit der Dauer der Beschäftigung erfahrungsgemäß erreichte Zunahme der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers rechtfertigt es, bei einer verlängerten Förderung die bisherige Förderungshöhe zu verringern. § 34 Abs. 3 S. 3 SGB IX verpflichtet daher den Rehabilitationsträger zu einer Absenkung der Förderungshöhe um mindestens 10 v.H. in der Zeit der verlängerten Förderung. Die Leistungen können nach § 34 Abs. 1 S. 2 SGB IX unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden. Dadurch soll der Erfolg der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sichergestellt werden.

Die Eingliederungshilfe ist im SGB III, dem speziellen Leistungsgesetz für die Arbeitsförderung, im Fünften Kapitel (Leistungen an Arbeitgeber), erster Abschnitt (Eingliederung von Arbeitnehmern), erster Unterabschnitt (Eingliederungszuschüsse) geregelt. Die §§ 217 ff. SGB III bestimmen im Einzelnen folgendes: Arbeitgeber können nach dem Grundsatz in § 217 SGB III zur Eingliederung von Arbeitnehmern mit Vermittlungshemmnissen Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten, wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Umstände erschwert ist. Zweck der Bestimmung ist es, Arbeit Suchende, deren Vermittlung aus in ihrer Person liegenden Gründen erschwert ist, trotz anfänglicher Minderleistung in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Die Förderung ist nicht auf zuvor Arbeitslose bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen beschränkt (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 217 SGB III). Die Minderleistung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Leistungsgewährung. Gefördert wird nur die Eingliederung von Arbeitnehmern mit Vermittlungserschwernissen, die in ihrer Person liegen. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Bewerbern erschwert vermittelt werden kann. Typische Vermittlungserschwernisse können angenommen werden bei folgenden Personengruppen: Langzeitarbeitslose nach § 18 SGB III, behinderte Menschen nach § 19 SGB III, Arbeitnehmer nach Vollendung des 50. Lebensjahres, Berufsrückkehrer (Haufe Onlinekommentar RZ. 12 zu § 217 SGB III), also nicht nur bei behinderten Menschen. Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang einer Minderleistung des Arbeitnehmers und nach den jeweiligen Eingliederungserfordernissen.

Nach § 218 Abs. 1 SGB III darf der Eingliederungszuschuss für den Regelfall 50 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts nicht übersteigen und längstens für eine Förderdauer von zwölf Monaten erbracht werden. Lediglich in den Fällen von § 218 Abs. 2 bzw. § 219 SGB III ist eine höhere Förderung zulässig. Für schwerbehinderte oder sonstige behinderte Menschen kann nach § 18 Abs. 2 SGB III die Förderhöhe bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu 24 Monate betragen. Nach Ablauf von zwölf Monaten ist der Eingliederungszuschuss entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderhöhe, mindestens aber um zehn Prozentpunkte, zu vermindern. Der Begriff der Behinderung richtet sich nach § 19 SGB III. Behinderte Menschen sind demnach solche, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art und Schwere ihrer Behinderung i.S.v. § 2 SGB IX nicht nur vorübergehend gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen. Behinderten Menschen stehen nach § 19 Abs. 2 SGB III diejenigen Personen gleich, denen eine Behinderung droht. § 219 SGB III erweitert den Förderungsumfang durch einen Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen. Da Blinde und hochgradig Sehbehinderte zum Kreis der Menschen gehören, die „wegen Art und Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind" (§ 104 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, § 72 Abs. 1 SGB IX), greifen für die Höhe und Dauer der Förde­rung die besonderen Regelungen des § 219 SGB III ein. Besonders wichtig ist, dass entgegen dem Grundsatz des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB III, wonach von der Bundesagentur für Arbeit allgemeine und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einschließlich der Leistungen an Arbeitgeber und der Leistungen an Träger nur erbracht werden dürfen, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX zuständig ist, gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 SGB III für Eingliederungszuschüsse nach § 219 SGB III nicht gilt. Diese dürfen auch dann erbracht werden, wenn ein anderer Leistungsträger zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet ist oder, ohne gesetzlich verpflichtet zu sein, Leistungen erbringt. Nach § 219 Abs. 1 SGB III darf die Höhe des Zuschusses 70 v. H. des berücksichtigungsfä­higen Arbeitsentgelts und die Dauer 36 Monate nicht übersteigen. Diese Förderdauer wird in § 19 Abs. 1 letzter Satz für besonders betroffene ältere schwerbehinderte Menschen erweitert. Die Förderdauer darf bei besonders betroffenen älteren schwerbehinderten Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, 60 Monate und bei besonders betroffenen älteren schwerbehinderten Menschen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, 96 Monate nicht übersteigen. Bei der Entscheidung über Höhe und Dauer der Förderung von schwerbehinderten Menschen ist nach § 19 Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen, ob der schwerbehinderte Mensch ohne gesetzliche Verpflichtung oder über die Beschäftigungspflicht nach dem Teil 2 des SGB IX hinaus eingestellt und beschäftigt wird. Zudem soll bei der Festlegung der Dauer der Förderung eine geförderte befristete Vorbeschäftigung beim Arbeitgeber angemessen berücksichtigt werden. Nach Ablauf von zwölf Monaten ist der Eingliederungszuschuss gemäß § 219 Abs. 3 SGB III entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderhöhe, mindestens aber um zehn Prozentpunkte jährlich, zu vermindern. Er darf 30 Prozent nicht unterschreiten. Der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene ältere schwerbehinderte Menschen ist erst nach Ablauf von 24 Monaten zu vermindern. Zeiten einer geförderten befristeten Beschäftigung beim Arbeitgeber sollen angemessen berücksichtigt werden. Auch in den Fällen von § 218 Abs. 2 und § 219 SGB III muss eine Minderleistung vorliegen.

Nach § 220 Abs. 1 SGB III sind für die Zuschüsse berücksichtigungsfähig

  1. die vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte und soweit sie die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen, sowie
  2. der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

Der pauschalierte Anteil beträgt 20 % des Gesamtversicherungsbeitrages.

§ 221 Abs. 1 Nr. 2 SGB III sieht einen Förderungsaus­schluss vor, wenn der Arbeitnehmer bei einem frühe­ren Arbeitgeber eingestellt wird, bei dem er während der letzten vier Jahre vor Förderungsbeginn mehr als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt war. Diese Regelung hat den Sinn, so genannte Förderungsketten zu verhindern; sie ist aber nicht anwendbar, wenn es sich um die befristete Beschäftigung eines besonders schwer betroffenen, z. B. blinden Menschen handelt.

Ein Eingliederungszuschuss kann für ältere Arbeitnehmer ferner nach § 421f SGB III gewährt werden. Arbeitgeber können nach dessen Abs. 1 „zur Eingliederung von Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten, wenn

  1. diese vor Aufnahme der Beschäftigung mindestens sechs Monate arbeitslos (§ 119 SGB III) waren oder Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen oder Transferkurzarbeitergeld bezogen haben oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung oder der öffentlich geförderten Beschäftigung nach diesem Buch teilgenommen haben oder
  2. deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Umstände erschwert ist und (bei Nr. 2) das aufgenommene Beschäftigungsverhältnis für mindestens ein Jahr begründet wird.“

Zweck des Gesetzes ist die Verbesserung der Beschäftigungschancen für ältere Menschen. Die Regelung gilt auch bei der Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II (vgl. § 16 Abs. 1 SGB II). Im Unterschied zu den Voraussetzungen, die nach den §§ 217 ff. SGB III gefordert werden, muss eine Minderleistung nicht vorliegen.

Nach § 421f Abs. 2 SGB III richten sich die Förderhöhe und die Förderdauer nach den jeweiligen Eingliederungserfordernissen. Die Förderhöhe darf 30 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts nicht unterschreiten und 50 Prozent nicht überschreiten. Die Förderdauer beträgt mindestens zwölf Monate. Sie darf 36 Monate nicht überschreiten. Nach Ablauf von zwölf Monaten ist der Eingliederungszuschuss um mindestens 10 Prozentpunkte jährlich zu vermindern. Für schwerbehinderte, sonstige behinderte und besonders betroffene schwerbehinderte Menschen darf die Förderhöhe bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts betragen. Die Förderdauer darf für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen bis zu 60 Monate und ab Vollendung des 55. Lebensjahres bis zu 96 Monate betragen. Der Eingliederungszuschuss ist für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen erst nach Ablauf von 24 Monaten zu kürzen. Er darf für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen 30 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts nicht unterschreiten. Für das berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt verweist § 421f Abs. 3 auf § 220 SGB III. Dazu siehe oben.

§ 421f Abs. 4 enthält Ausschlussgründe, die Missbrauch ausschließen sollen. Die Geltung der Förderung nach § 421f ist nach dessen Abs. 5 befristet. Die Abs. 1 bis 4 gelten danach nur für Förderungen, die bis zum 31. Dezember 2010 erstmals begonnen haben. Diese Befristung wurde in der Vergangenheit wiederholt verlängert. Damit ist auch in der Zukunft zu rechnen.

Selbstverständlich muss der Arbeitgeber rechtzeitig, möglichst schon vor der Einstellung des Arbeitnehmers, einen Antrag auf einen Eingliederungszuschuss stellen.

Im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben sind zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen Leistungen des Integrationsamtes möglich. Bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kann dem Arbeitgeber im Einzelfall ein personeller und/oder finanzieller Aufwand entstehen, der das im Betrieb übliche Maß deutlich überschreitet. Das Integrationsamt kann in diesen Fällen dem Arbeitgeber im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben finanzielle Mittel aus der Ausgleichsabgabe zur (teilweisen) Abdeckung dieses besonderen Aufwands gewähren (§ 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2e SGB IX und § 27 SchwbAV). Man unterscheidet vor allem zwischen zwei Arten von außergewöhnlichen Belastungen:

  1. Personelle Unterstützung (besonderer Betreuungsaufwand), d.h. außergewöhnliche Aufwendungen in Form von zusätzlichen Personalkosten anderer Beschäftigter, gelegentlich auch externer Betreuer. Gemeint sind damit Unterstützungs- und Betreuungsleistungen für den schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitstätigkeit. Beispiele sind die Vorlesekraft für blinde Menschen (Arbeitsassistenz – vgl. 5.3.1), der betriebliche Ansprechpartner für gehörlose oder seelisch behinderte Menschen, aber auch die ständig erforderliche Mithilfe von Arbeitskollegen bei der Arbeitsausführung sowie behinderungsbedingte längere oder wiederkehrende Unterweisungen am Arbeitsplatz, etwa durch den Meister bei einem geistig behinderten Menschen.
  2. Minderleistung/Minderleistungsausgleich, d.h. die anteiligen Lohnkosten von solchen schwerbehinderten Menschen, deren Arbeitsleistung aus behinderungsbedingten Gründen erheblich hinter dem Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb zurückbleibt. Das ist der Fall, wenn die Arbeitsleistung wenigstens 30 v.H. geringer ist als die eines nichtbehinderten Menschen in vergleichbarer Funktion.

Die Bewilligung eines Zuschusses durch das Integrationsamt an den Arbeitgeber zur (teilweisen) Abgeltung dieser außergewöhnlichen Belastungen hängt von

folgenden Grundvoraussetzungen ab:

  • Der schwerbehinderte Mensch muss zu dem im SGB IX genannten besonders betroffenen Personenkreis gehören (§ 72 Abs. 1 Nr. 1a - d und § 75 Abs. 2 SGB IX). Das trifft für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen in der Regel zu.
  • Er erhält das tarifliche bzw. ortsübliche Arbeitsentgelt und ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
  • Trotz der Notwendigkeit besonderer Betreuung bzw. der Minderleistung am Arbeitsplatz liegt noch ein wirtschaftliches Verhältnis zwischen Arbeitsentgelt und Arbeitsleistung des schwerbehinderten Menschen vor.
  • Es sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft, den schwerbehinderten Menschen z.B. durch behindertengerechte Arbeitsplatzgestaltung oder berufliche Weiterbildung zu befähigen, ohne fremde Hilfe zu arbeiten und/oder eine seinem Arbeitsentgelt entsprechende Arbeitsleistung zu erbringen.
  • Es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, die außergewöhnlichen Belastungen selbst zu tragen. Dabei sind u.a. die Höhe der Belastung, die Größe des Betriebes, die Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX, ferner die Dauer der Betriebszugehörigkeit des schwerbehinderten Menschen und Möglichkeiten zur Lohnanpassung zu berücksichtigen.

Leistungen zur Abgeltung der personellen Unterstützung (besonderer Betreuungsaufwand) und der Minderleistung können auch parallel erbracht werden. Näheres - auch zur Zuschusshöhe - regeln Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) sowie entsprechende landesrechtliche Vorschriften (Ministerialerlasse, Verwaltungsrichtlinien).

Danach werden folgende Leistungen gewährt: Der Zuschuss zum Ausgleich einer Minderleistung beträgt in der Regel

  • bei Arbeitgebern, die ihre Beschäftigungspflicht (§ 71 SGB IX) erfüllen oder ohne Beschäftigungspflicht schwerbehinderte Menschen beschäftigen, höchstens 465,00 € monatlich,
  • bei Arbeitgebern, die ihre Beschäftigungspflicht (§ 71 SGB IX) nicht erfüllen, höchstens 410,00 € monatlich,
  • bei Arbeitgebern von psychisch behinderten Menschen höchstens 770,00 € monatlich.

Durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wurde § 27 SchwbAV um weitere Personengruppen ergänzt (Art. 5 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzes). Ausdrücklich werden nun auch diejenigen schwerbehinderten Menschen benannt, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung besonders betroffen sind und aus Werkstätten für behinderte Menschen kommen. Die Leistungsmöglichkeiten nach § 27 sind in Bezug auf Menschen aus WfbM dahin erweitert worden, dass Arbeitgeber Leistungen auch schon für Probebeschäftigungen und Praktika behinderter Menschen in ihren Betrieben erhalten können, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind, aber eine Beschäftigung außerhalb der Werkstatt als Maßnahme zur Förderung des Übergangs aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. In dieser Zeit sind die behinderten Menschen rechtlich noch nicht auf „Arbeitsplätzen" des Arbeitgebers beschäftigt, sondern rechtlich noch Werkstattbeschäftigte. In dieser Zeit haben die Rehabilitationsträger in den Werkstätten die Leistungen

weiterzuzahlen (§ 5 Abs. 4 Werkstättenverordnung v. 28.3.1988, BGBl I S. 484, zuletzt geändert durch Gesetz v. 27.12.2003, BGBl I S. 3022). Dies umfasst in der Praxis aber nicht die Kosten, die den Arbeitgebern für die Betreuung der Werkstattbeschäftigten in ihren Betrieben entstehen. In diesen Fällen, in denen die außergewöhnlichen Belastungen des Arbeitgebers nicht durch Leistungen des Rehabilitationsträgers abgedeckt werden, soll es möglich sein, dass die Leistungen von den Integrationsämtern erbracht werden können.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2 Leistungen an schwerbehinderte Menschen

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an behinderte Menschen sind, soweit nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 81 SGB IX gegeben ist, vorrangig durch die Rehabilitationsträger des § 6 Abs. 1 Nr. 2 - 5 SGB IX, also die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge sowie nachrangig durch das Integrationsamt zu erbringen.

Für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Rehabilitationsträgern gilt:

Die Bundesagentur für Arbeit ist nach § 22 Abs. 2 SGB III gegenüber den anderen Rehabilitationsträgern nur nachrangig verpflichtet.

Für die Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung gilt insbesondere:

Beruht die Ursache für die notwendigen Leistungen auf einem Arbeitsunfall, oder einer Berufskrankheit, ist die Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers gegeben.

Die Betroffenen müssen zum versicherten Personenkreis (§§ 2 - 6 SGB VII) gehören und ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) oder eine Berufskrankheit (§ 8 SGB VII) muss für den eingetretenen Schaden ursächlich sein (schadensbegründende Kausalität). Dieses schädigende Ereignis muss auch für die Notwendigkeit der Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben ursächlich sein (schadensausfüllende Kausalität). Dabei genügt, dass das schädigende Ereignis die wesentliche Bedingung war. Den Anspruch auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation regelt § 26 Abs. 1 SGB VII. § 26 Abs. 2 enthält den Grundsatz, „mit allen geeigneten Mitteln" Gesundheitsschäden bei den Versicherten entgegenzuwirken. Damit hat der Gesetzgeber den Unfallversicherungsträgern den nötigen Gestaltungsspielraum im Rahmen der Selbstverwaltung gegeben.

In § 35 Abs. 1 SGB VII wird bestimmt, dass die Unfallversicherungsträger die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38a SGB IX sowie in Werkstätten für behinderte Menschen nach den §§ 40 und 41SGB IX erbringen, soweit in den folgenden Absätzen von § 35 SGB VII nichts Abweichendes bestimmt ist.

Für die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger (§ 16 SGB VI) gilt insbesondere: Der Rentenversicherungsträger ist als Rehabilitationsträger grundsätzlich für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Verhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit zuständig, wenn der Versicherte eine Versicherungszeit von 180 Beitragsmonaten in der gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen hat oder eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und wenn durch die Leistungen die berufliche Rehabilitation erreicht bzw. die berufliche Integration verbessert werden kann oder in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung eine medizinische Rehabilitationsleistung zu Lasten des Rentenversicherungsträgers erhalten hat. Die Leistungen, die der Rentenversicherungsträger zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Verfügung stellt, sind auf das Erhalten der Arbeitskraft bzw. der Besserung der Erwerbsfähigkeit ausgelegt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhält der Versicherte zu Lasten des Rentenversicherungsträgers nur, wenn die persönlichen, d. h. medizinischen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI und die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1, 2a und 3 SGB VI vorliegen. Nach § 10 Abs. 1 SGB VI muss durch die Leistungen die Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden können. Bei bereits vorliegender geminderter Erwerbsfähigkeit muss diese wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden können. Bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit genügt es, dass der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann. Nach § 11 Abs. 1 SGB VI muss die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt sein oder es muss eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen werden. Nach § 11 Abs. 2a SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an Versicherte auch erbracht, wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.

Die Leistung darf ferner nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sein. Nach Abs. 1 Nr. 1 werden Leistungen nicht für Versicherte erbracht, die wegen eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des sozialen Entschädigungsrechts gleichartige Leistungen eines anderen Rehabilitationsträgers erhalten können. Diese Rehabilitationsträger sind vorrangig verpflichtet. Nach Abs. 1 Nr. 2 sind die Leistungen ausgeschlossen für Versicherte, welche eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen oder beantragt haben. Ausgeschlossen nach § 12. Abs. 1 sind auch bestimmte Personengruppen wie Beamte und Häftlinge.

Die Zuständigkeit des Versorgungsamtes ist gegeben, wenn die Ursache für die notwendigen Leistungen auf einem Ereignis im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts, wie z. B. eine Schädigung im Zusammenhang mit dem Dienst bei der Bundeswehr, mit dem Zivildienst oder einer Gewalttat beruht.

Rechtsgrundlage für die zu erbringenden Leistungen der Rehabilitationsträger ist § 33 SGB IX, auf welchen in den für die Rehabilitationsträger geltenden Spezialgesetzen verwiesen wird. § 33 SGB IX beschreibt in den Abs. 1 und 3, welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von den hierfür zuständigen Rehabilitationsträgern zu erbringen sind. In Abs. 3 findet sich ein nicht abschließender Katalog der von diesen zu erbringenden Leistungen. In Abs. 8 sind wiederum Leistungen aufgelistet, welche von den Leistungen nach Abs. 3 Nr. 1 (Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen) und 6 (sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten) umfasst werden. Genannt werden:

  1. Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung,
  2. der Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls des behinderten Menschen oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, einem Träger oder einer Einrichtung für behinderte Menschen durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5,
  3. die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (vgl. dazu 5.3.2.2),
  4. Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können,
  5. Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und
  6. Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.

Vom Integrationsamt werden Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben erbracht, soweit kein Rehabilitationsträger zuständig ist. Das Integrationsamt kann neben den persönlichen Hilfen, z. B. in Form der Beratung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAV, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an schwerbehinderte Menschen auch Geldleistungen erbringen. Die Leistungsvoraussetzungen sind in § 18 SchwbAV geregelt. Die Einzelheiten zu den Leistungen an schwerbehinderte Menschen enthalten die §§ 19 bis 25 SchwbAV. Möglich sind insbesondere Leistungen

  1. für technische Arbeitshilfen (§ 19 SchwbAV),
  2. zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20 SchwbAV),
  3. zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz (§ 21 SchwbAV),
  4. zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22 SchwbAV),
  5. zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24 SchwbAV) und
  6. in besonderen Lebenslagen (§ 25 SchwbAV).

§ 18 SchwbAV bestimmt zu den Leistungsvoraussetzungen folgendes:

Nach Abs. 1 gilt auch für die Leistungen an schwerbehinderte Menschen, dass Leistungen anderer Rehabilitationsträger, mit Ausnahme der Sozialhilfe oder des Arbeitgebers, Vorrang haben und dass deren Leistungen nicht aufgestockt werden dürfen.

Nach Abs. 2 können Leistungen an Schwerbehinderte, also auch an blinde oder wesentlich sehbehinderte Menschen erbracht werden,

  1. wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allge­meinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt und durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann und
  2. wenn es dem schwerbehinderten Menschen wegen des behinderungsbedingten Bedarfs nicht zuzumu­ten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen. In den übrigen Fällen sind seine Einkommensver­hältnisse zu berücksichtigen.

Nach Abs. 3 können die Leistungen als einmalige oder laufende Leistungen erbracht werden. Laufende Leistungen können in der Regel nur befristet erbracht werden.

Leistungen, also auch laufende Leistungen nach Fristablauf, können jedoch wiederholt erbracht werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.1 Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen

Für die Beschäftigung von Blinden ist eine sinnvolle, zweckmäßige Ausstattung des Arbeitsplatzes mit speziellen Hilfsmitteln und technischen Arbeitshilfen in vielen Fällen die Voraussetzung dafür, dass die erforderliche Arbeitsleistung erbracht bzw. erleichtert werden kann. Sie können als zusätzliche technische Einrichtungen mit herkömmlichen Arbeitsmitteln verbun­den sein, z. B. in Form von Zusatzgeräten wie Braillezeilen oder Sprachausgaben für Blinde oder Bildschirmen mit Vergrößerungssoftware für Sehbehinderte. Es kann sich aber auch um singuläre Hilfsmittel handeln, wie z. B. Lese-Sprech-Geräte, ein elektronisches Notizgerät für blinde Menschen oder eine Blindenschriftmaschine.

Die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 - 5 SGB IX genannten Rehabilitationsträger können Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen nach § 33 Abs. 8 Nr. 4 und 5 leisten.

Für die Leistung im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter sind die Einzelheiten § 19 SchwbAV und den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und der Hauptfürsorgestellen zu entnehmen. Die Leistung umfasst Beschaffung, Wartung, Instandsetzung und Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch.

Die Leistung erfolgt an den behinderten Menschen und nicht an den Arbeitgeber, wenn das Hilfsmittel bei einem Arbeitsplatzwechsel nach seiner Beschaffenheit mitgenommen werden kann.

Da der Bedarf für eine technische Arbeitshilfe behinderungsbedingt ist, werden die Kosten in aller Regel in vollem Umfang übernommen (§ 18 Abs. 2 SchwbAV). Wählen Leistungsempfänger ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwändigeren Ausführung als notwendig, müssen sie die Mehrkosten selbst tragen. Wenn das Hilfsmittel auch privat genutzt wird, kann jedoch ein Eigenanteil verlangt werden; denn „Der Grund der Hilfe ist die begleitende Hilfe im Arbeitsleben, nicht jedoch die Förderung der privaten Lebensgestaltung“ (VG Freiburg/Breisgau), 5. Kammer Urteil vom 15. September 2005, Az: 5 K 949/05 = Behindertenrecht 2006, S. 27-28). Unberührt hiervon bleibt die Verpflichtung des Arbeitgebers, nach § 81 SGB IX im Rahmen des ihm Zumutbaren den Arbeitsplatz mit den erforderlichen technischen Hilfsmitteln auszustatten, wobei auch er Leistungen des Integrationsamts erhalten kann (vgl. o. 5.3.2.1). Hilfsmittel für blinde oder sehbehinderte Personen sind häufig sehr teuer, so dass die Ausstattung dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist.

Die Frage, ob auch für die Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter oder Mitglied des Betriebsrates die Ausstattung mit einem Hilfsmittel erfolgen kann, hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht 15. Kammer mit Urteil vom 27. November 2002, Az: 15 A 23/02 verneint (Behindertenrecht 2004, S. 16-18), weil Leistungen an Schwerbehinderte für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen nur zur Ausstattung des Arbeitsplatzes in Betracht kommen. Der Orientierungssatz dieser Entscheidung lautet: „Die technische Arbeitshilfe gem. SchwbAV § 19 setzt voraus, dass diese am Arbeitsplatz selbst installiert wird. Will ein Schwerbehinderter die Arbeitshilfe (hier Lesehilfe) nicht an seinem Arbeitsplatz installieren, sondern sie für Fortbildungen und im Rahmen seiner Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter und Betriebsrat verwenden, kann eine Förderung nicht erfolgen.“ Der blinde Kläger wollte für seine Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter und Mitglied des Betriebsrates ein Lese-Sprech-Gerät, um Unterlagen auch bei Sitzungen und Fortbildungen einscannen und lesen zu können. Der Arbeitsplatz des Klägers war vom Arbeitgeber mit Hilfe eines Zuschusses des Integrationsamtes behindertengerecht ausgestattet worden. Die Auffassung des Gerichts, dass die technische Arbeitshilfe am Arbeitsplatz selbst installiert werden müsse und dafür der Arbeitsplatzbegriff des § 73 Abs. 1 SGB IX maßgebend sei, ist zu eng. Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben soll die Teilhabe am Arbeitsleben fördern. Dazu gehört auch die Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter oder Mitglied des Betriebsrates. Zwar trägt der Arbeitgeber gem. § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung und gem. § 40 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Soweit durch die Wahrnehmung dieser Ämter durch einen schwerbehinderten Menschen wegen der benötigten Hilfsmittel besonders hohe Kosten entstehen, sollte jedoch für die Förderung im Rahmen der begleitenden Hilfe zum Arbeitsleben die Zumutbarkeitsgrenze des § 81 SGB IX beachtet werden.

Der Antrag ist vor der Anschaffung an das Integrationsamt zu richten.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.2 Leistungen bei erforderlicher Arbeitsassistenz

Für Blinde ist der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz beson­ders wichtig. Durch die Hilfe eines Arbeitsassistenten wird die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber nichtbehinderten Konkurrenten im Arbeitsleben erheblich verbessert. Das dürfte sich in der Privatwirtschaft positiv auswirken.

Es besteht einerseits ein Anspruch gegenüber dem für den Betroffenen zuständigen Rehabilitationsträger als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes und andererseits gegenüber dem Integrationsamt als begleitende Hilfe im Arbeitsleben, also zur Sicherung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses. Rechtsgrundlagen für den Anspruch auf Kostenübernahme für eine erforderliche Arbeitsassistenz sind gegenüber den Rehabilitationsträgern nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, also - abgesehen von den Krankenkassen, auf welche zwar verwiesen wird, obwohl sie von ihrer Aufgabenstellung nicht in Frage kommen - für die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und die Träger der Kriegsopferversorgung, § 33 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX und gegenüber dem Integrationsamt § 102 Abs. 4 SGB IX. Der Anspruch gegenüber den Rehabilitationsträgern ist auf drei Jahre befristet. Danach wird der Anspruch gegenüber dem Integrationsamt nach § 102 Abs. 4 SGB IX wirksam. In Fällen, in welchen ein Anspruch gegenüber einem der genannten Rehabilitationsträger nicht besteht, wie das z. B. bei Beamten, Staatsanwälten und Richtern der Fall ist, ist von Anfang an der Anspruch gegenüber dem Integrationsamt gegeben. Um trotz der unterschiedlichen Zuständigkeitsnormen eine einheitliche Bewilligungs- und Verwaltungspraxis zu gewährleisten, sieht das SGB IX in § 33 Abs. 8 Satz 2 vor, dass die Durchführung der Leistungen zur Arbeitsassistenz von Anfang an durch das Integrationsamt in Abstimmung mit dem vorrangig zuständigen Rehabilitationsträger erfolgt. Der Rehabilitationsträger erstattet dem Integrationsamt seine Aufwendungen.

Maßgebend für die Voraussetzungen und den Inhalt der Leistung ist § 102 Abs. 4 SGB IX. Deshalb wird auf den Anspruch nach dieser Bestimmung im Folgenden näher eingegangen. Die Bundesregierung wird in § 108 SGB IX ermächtigt, in einer Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz zu regeln. Hierzu ist die Bundesregierung nicht verpflichtet. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten ergibt sich unmittelbar aus den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften.

Die Arbeitsgemeinschaft der Integrationsämter hat zur Wahrung einer einheitlichen Durchführung „Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz“ beschlossen.

Während die übrigen Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als Ermessensleistungen erbracht werden, besteht auf die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz ein Rechtsanspruch (§ 102 Abs. 4 SGB IX, § 17 Abs. 1a SchwbAV). Der Anspruch ist zwar „aus den dem Integrationsamt zur Verfügung stehenden Mitteln" zu erfüllen. Hierin kann aber keine Einschränkung dieses Rechtsanspruchs gesehen werden. Darauf, dass die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, ist bei der Aufteilung der Ausgleichsabgabe für die verschiedenen Verwendungszwecke zu achten (vgl. Haufe SGB-Onlinekommentar RZ 23 zu § 102 SGB IX). So sind Leistungen der institutionellen Förderung von Einrichtungen nachrangig gegenüber den individuellen Leistungen an schwerbehinderte Menschen und die Arbeitgeber (§ 14 Abs. 2 SchwbAV).

Der Rechtsanspruch ist Bestandteil der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben.

Es geht bei der Arbeitsassistenz um eine Geldleistung, nicht um eine vom öffentlichen Leistungsträger zu organisierende Sachleistung. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat vielmehr selbst die Organisations- und Anleitungskompetenz, ist dafür aber auch selbst verantwortlich. Er ist auch für die Einhaltung aller gesetzlichen Arbeitgeberpflichten im Verhältnis zur Assistenzkraft verantwortlich.

Zwei Modelle stehen zur Verfügung:

  1. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer stellt die Assistenzkraft selbst ein (Arbeitgebermodell) oder
  2. beauftragt einen Anbieter von Assistenzdienstleistungen auf eigene Rechnung mit der Arbeitsassistenz (Auftragsmodell).

Es steht aber auch eine dritte Möglichkeit zur Verfügung:

In der Praxis werden Leistungen zur Arbeitsassistenz auch zusammen mit Leistungen an Arbeitgeber zur Abdeckung außergewöhnlicher Belastungen erbracht (§ 27 SchwbAV). Dies ermöglicht flexible Formen der Arbeitsassistenz. Da in diesem Fall die Assistenzkraft zu den Betriebsangehörigen zählt, bietet diese Lösung arbeitsrechtlich Vorteile; denn in diesem Fall ist der Arbeitgeber für die Einhaltung aller gesetzlichen Arbeitgeberpflichten im Verhältnis zur Assistenzkraft verantwortlich. Sie wird deshalb vielfach vorgezogen werden. Bei der Auswahl der für die Arbeitsassistenz vom Arbeitgeber bereitzustellenden Arbeitskraft sollte dem schwerbehinderten Menschen unbedingt ein Mitspracherecht eingeräumt werden.

Wenn ein betriebsfremder Arbeitsassistent herangezogen wird, ist eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers/Dienstherrn, dass er mit dem Einsatz einer nicht von ihm angestellten Assistenzkraft einverstanden ist, Leistungsvoraussetzung (2.7 der Empfehlungen der BIH).

Bei der Entscheidung, welches der oben erwähnten Modelle zur Anwendung kommen soll, muss das Wahlrecht des behinderten Menschen nach § 9 SGB IX beachtet werden.

Für die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz gilt ebenfalls § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, das heißt, dass der Anspruch nicht nur bei unbefristeten, sondern auch bei befristeten oder Teilzeitarbeitsverhältnissen i.S. von § 73 Abs. 1, SGB IX - bei Teilzeitarbeitsverhältnissen abweichend von § 73 Abs. 3 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von wenigstens 15 Stunden - besteht.

Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gilt folgendes: Nach § 270a SGB III sind schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches abweichend von den §§ 264 und 266 für die Dauer der Zuweisung auch die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz zu übernehmen. Die Leistung wird in Abstimmung mit der Agentur für Arbeit durch das Integrationsamt durchgeführt. Die Agentur für Arbeit, welche der eigentliche Kostenträger ist, erstattet dem Integrationsamt seine Aufwendungen.

Eine persönliche Arbeitsassistenz ist notwendig, wenn weder die behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung noch eine vom Arbeitgeber bereitgestellte Assistenz (z.B. durch Arbeitskollegen) ausreichen, um dem schwerbehinderten Menschen die Ausführung der Arbeit in wettbewerbsfähiger Form zu ermöglichen. Die Arbeitsassistenz muss über gelegentliche Handreichungen deutlich hinausgehen und zeitlich, wie auf die Tätigkeit bezogen, umfangreich sein. Die Leistung setzt jedoch voraus, „dass die schwerbehinderten Menschen in der Lage sind, den das Beschäftigungsverhältnis inhaltlich prägenden Kernbereich der arbeitsvertraglich/dienstrechtlich geschuldeten Arbeitsaufgaben selbstständig zu erledigen (2.2 der Empfehlungen der BIH). Sie müssen also über die für den Arbeitsplatz erforderlichen fachlichen Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsassistenz gibt ausschließlich die notwendigen Hilfestellungen, also die Unterstützung bei der vom schwerbehinderten Menschen zu erbringenden Leistung. Die Kostenübernahme soll - gemäß dem allgemeinen sozialrechtlichen Angemessenheitsgebot - in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem damit erzielten wirtschaftlichen Integrationserfolg stehen, d.h. zu dem sozialversicherungspflichtigen Einkommen, das der schwerbehinderte Mensch selbst erzielt.

Nicht nur Blinde haben den Anspruch auf Arbeitsassistenz, sondern allgemein schwerbehinderte Menschen, also auch schwer Sehbehinderte. Es kommt da­rauf an, ob im einzelnen Fall die Arbeitsassistenz not­wendig ist; das ist sie dann, wenn sich die Sehbehinderung so auswirkt, dass dieser Mensch in seiner unselbstständigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit seine Arbeit nur mit Hilfe einer Assistenzkraft zu leisten vermag. In qualifizierten Berufen, z. B. als Jurist, Pädagoge oder Wirtschaftswissenschaftler, ist für einen Blinden die Hilfe durch eine solche zusätzliche Arbeitskraft unentbehrlich. Früher wurden diese Hilfskräfte als „Vorlesekraft" bezeichnet. Besser ist die Bezeichnung als „Arbeitsplatzassistent"; denn deren Ar­beitsaufgaben haben sich auf viele eigenverantwortli­che Tätigkeiten ausgeweitet. So gehört es z. B. zu Aufgaben der Arbeits­platzassistenz „hard- und softwaregesteuerte Systeme zu bedienen, Texte zur Weiterverarbeitung vorzuberei­ten oder Datenbankrecherchen durchzuführen" (U. Boy­sen, Marb. Schrift, S. 8). Auch können typische Bürotä­tigkeiten wie Aktenversand, Registratur u.ä. übertragen werden (K. Hahn, S. 99; W. Angermann, S. 118).

Da es bei der Arbeitsassistenz um eine Geldleistung an schwerbehinderte Menschen geht, bietet es sich an, die Form des persönlichen Budgets zu wählen (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 - 3 SGB IX). Die Integrationsämter stellen ein solches persönliches Budget zur Verfügung. Die Leistungshöhe bemisst sich dabei anhand des durchschnittlichen täglichen Bedarfs an Arbeitsassistenz. Ziffer 4.1 der Empfehlungen der BIH lautet:

„4.1 Für die notwendige Arbeitsassistenz werden den schwerbehinderten Menschen - abhängig von ihrem individuellen Unterstützungsbedarf - monatliche Budgets zur Verfügung gestellt. Diese betragen bei einem durchschnittlichen arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf von

  • weniger 1 Stunde = bis zu 275,00 Euro
  • 1 Stunde bis unter 2 Stunden = bis zu 550,00 Euro
  • 2 Stunden bis unter 3 Stunden = bis zu 825,00 Euro
  • mindestens drei Stunden = bis zu 1.100,00 Euro

Als Aufwandspauschale für Regiekosten (z. B. Meldung zur Sozialversicherung, Entgeltberechnung, Lohnbuchhaltung, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern) können die vorgenannten Beträge bei einer Fremdvergabe an Dritte um einen Betrag von 20,00 Euro pro Monat erhöht werden.“

Wenn jedoch, wie dies bei Blinden und hochgradig Sehbehinderten häufig der Fall sein wird, eine Arbeitsplatzassistenz in erheblich höherem zeitlichem Umfang erforderlich ist, muss das bei der Bemessung der Leistung berücksichtigt werden. Die tatsächlich erforderlichen Beträge müssen dann gewährt werden.

Bei Erkrankung der Assistenzkraft müssen gegebenenfalls die Kosten für eine Ersatzkraft übernommen werden (Ziffer 4.4 der Empfehlungen der BIH).

Örtlich zuständig ist das Integrationsamt, in dessen Bereich der Arbeitsplatz des schwerbehinderten Menschen liegt. Bei Telearbeit bzw. alternierender Telearbeit ist der Betriebssitz des Arbeitgebers maßgeblich (Ziffer 5.1 der Empfehlungen der BIH).

Der Bewilligungszeitraum beträgt in der Regel zwei Jahre. Notwendige Leistungen zu den Kosten einer Arbeitsassistenz werden auf Antrag weiterbewilligt, wenn die Voraussetzungen weiterhin vorliegen (Ziffer 5.3 der Empfehlungen der BIH).

Die zweckentsprechende Verwendung der Geldleistungen ist dem Integrationsamt nachträglich durch Vorlage geeigneter Unterlagen zu belegen. Liegen die notwendigen tatsächlichen Ausgaben für die Assistenzkraft unter dem bewilligten Budget, sind zuviel gezahlte Beträge zurückzuerstatten bzw. mit der nächsten Vorauszahlung zu verrechnen (Ziffer 5.6 der Empfehlungen der BIH).

Für den Anspruch auf Arbeitsassistenz ist nicht auf den engen Begriff des Arbeitsplatzes nach § 73 SGB IX abzustellen. In § 102 Abs. 4 wird von „begleitender Hilfe im Arbeitsleben“ und nicht von „Arbeitsplätzen“ gesprochen. Vgl. dazu auch Urteil des BVwG vom 14. November 2003 - Az: 5 C 13/02 - (Behindertenrecht 2004, S. 79-81), in welchem einer blinden Pastorin zur behindertengerechten Ausstattung ihres Arbeitsplatzes der Anspruch auf begleitende Hilfe im Arbeitsleben zugesprochen wurde, obwohl es sich bei Geistlichen einer Religionsgemeinschaft um keine Arbeitsplätze im Sinn von § 73 SGB IX handelt.

Die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz ist auch zur Aufnahme bzw. Sicherung einer wirtschaftlich selbstständigen Existenz möglich (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX sowie § 21 Abs. 4 i.V.m. § 17 Abs. 1a SchwbAV). Das bedeutet, dass ein blinder Rechtsanwalt mit eigener Praxis einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die notwendige Arbeitsassistenz hat.

Demgegenüber hat nach einem Urteil des VG Hamburg vom 7. Mai 2002, Az: 5 VG 4974/2001 ein Arbeitgeber in der Rechtsform der GmbH keinen Anspruch auf den Ersatz der Kosten einer Arbeitsassistenz für den schwerbehinderten Gesellschafter - Geschäftsführer der GmbH - wenn dieser 50 % der Anteile der GmbH oder mehr hält. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin, ein Software Entwicklungs- und Beratungsunternehmen in der Gesellschaftsform der GmbH, begehrte die Gewährung von Mitteln aus der Ausgleichsabgabe für eine Arbeitsassistenz ihres seinerzeit als Geschäftsführer tätigen blinden Gesellschafters. Dieser hatte einen Gesellschaftsanteil von mehr als 50 %. Er führte Programmierarbeiten für die Kunden der Gesellschaft und zwar zum großen Teil im Rahmen von Projekten in deren Geschäftsräumen aus. Zu diesen Arbeiten benötigte er eine Arbeitsassistenz. Die Arbeitsassistentin hilft ihm, sich bei seinen Kundenbesuchen, die er vier Tage in der Woche tätigt, zu orientieren; sie liest ihm Gesprächsvorlagen vor, hilft ihm bei der Unterlagenbewältigung und bei der Übertragung visueller Informationen (Flipchart, Folien und sonstige visuelle Präsentationsmittel). Das VG Hamburg hat den Anspruch abgelehnt. Der Geschäftsführer hat in der GmbH eine Organstellung inne und ist somit nicht Arbeitnehmer. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass das Gesetz neben den schwerbehinderten Arbeitnehmern - nur noch - den schwerbehinderten Einzelunternehmer bzw. Freiberufler fördern will. Einen Arbeitsplatz i.S.d. Gesetzes hat der Gesellschafter - Geschäftsführer der Klägerin nicht inne. Der Geschäftsführer der Klägerin hat keinen Arbeitsplatz inne. Als Geschäftsführer der Klägerin ist er ihr gesetzliches Vertretungsorgan (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Nachdem die bisherige Arbeitsassistentin zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war und der bisherige blinde Geschäftsführer aufgrund eines mit der GmbH abgeschlossenen Arbeitsvertrages seine Tätigkeit fortsetzte, wurde die Arbeitsplatzassistenz genehmigt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.3 Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes

Das Erreichen des Arbeitsplatzes stellt auch für blinde und sehbehinderte Menschen häufig ein Haupthindernis für die Teilhabe am Arbeitsleben dar.

Unter bestimmten Voraussetzungen gewähren die Rehabilitationsträger bzw. das Integrationsamt Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes.

Folgende Rechtsgrundlagen sind einschlägig: im SGB IX § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 als erforderliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zu diesen Leistungen gehört nach § 33 Abs. 8 Nr. 1 auch die Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) vom 28. September 1987 (BGBl I S. 2251). Die Verpflichtung der einzelnen Rehabilitationsträger ergibt sich gemäß § 7 SGB IX aus den jeweils einschlägigen Spezialgesetzen. Für die gesetzliche Rentenversicherung verweist § 16 auf § 33 SGB IX. Für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 41 SGB VII die Rechtsgrundlage. In Abs. 3 wird auf die KfzHV verwiesen. Im Einzelfall können Unfallversicherungsträger zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage nach § 41 Abs. 4 höhere Zuschüsse gewähren. Für den Bereich des Versorgungsrechts ist Kraftfahrzeughilfe nach § 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit § 10 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) zu gewähren. Dieser verweist auf die KfzHV. Auch der Sozialhilfeträger kommt als Kostenträger für die Kraftfahrzeughilfe in Frage. Rechtsgrundlagen sind § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 der Eingliederungshilfeverordnung. Soweit diese Leistung nach dem SGB XII der Teilhabe am Arbeitsleben dient, wird in § 8 der Eingliederungshilfeverordnung auf die KfzHV verwiesen. Wegen der im Sozialhilferecht geltenden Einkommens- und Vermögensgrenzen wird der Sozialhilfeträger nur selten für diese Maßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig sein.

Rechtsgrundlagen für das Integrationsamt sind § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB IX, § 20 SchwbAV in Verbindung mit der KfzHV. Nach § 20 SchwbAV können schwerbehinderte Menschen Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der KfzHV erhalten.

Aus den oben genannten Rechtsquellen ergibt sich, dass das Integrationsamt nur für Beamte und Selbstständige zuständig ist. Bei Arbeitnehmern ist, wenn sie weniger als 15 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung haben, regelmäßig die Agentur für Arbeit zuständiger Rehabilitationsträger. Bei über 15 Jahren Versicherungszeit ist regelmäßig der Rentenversicherungsträger zuständig.

Nach den genannten Bestimmungen können die Rehabilitationsträger bzw. bei Fehlen eines vorrangig Leistungspflichtigen das Integrationsamt nach § 2 Abs. 1 KfzHV Leistungen gewähren:

  • für die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,
  • für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung und
  • zur Erlangung der Fahrerlaubnis.

In besonderen Härtefällen können auch die Kosten für die Benutzung von Taxi oder die Inanspruchnahme von Beförderungsdiensten übernommen werden.

Blinde und hochgradig Sehbehinderte sind von der Kraftfahrzeughilfe nicht ausgeschlossen.

Voraussetzungen für die Leistung sind:

  • dass der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV). Wenn öffentliche Verkehrsmittel zumutbar benutzt werden können, besteht regelmäßig kein Anspruch. Hierfür kommt es nicht nur darauf an, dass das Verkehrsmittel trotz der vorhandenen Behinderung überhaupt benutzt werden kann, sondern auch darauf, dass der Arbeitsweg mit Hilfe des öffentlichen Verkehrsmittels in zumutbarer Weise zurückgelegt werden kann. Das BSG hat in seinem Urteil vom 26. August 1992, Az: 9b RAr 14/91 (SozR 3-5765 § 3 Nr. 1) ausgeführt: „§ 3 Abs. 1 Satz 1 KfzHV verlangt bei Behinderten, deren erhebliche Gehbeeinträchtigung durch das Versorgungsamt bereits festgestellt ist, nicht die Prüfung, ob der Behinderte auch ohne diese Behinderung auf ein Kfz angewiesen wäre. Bei Behinderten mit dem Merkzeichen "G" verlangt § 3 Abs. 1 Satz 1 KfzHV lediglich im Einzelfall zu prüfen, ob sie tatsächlich auf ein Kfz angewiesen sind, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn es öffentliche Verkehrsverbindungen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz oder Beförderungsdienste des Arbeitgebers oder sonstige Transportmöglichkeiten gibt, die trotz der Behinderung benutzt werden können." (vgl. auch Urteil des BSG vom 21. März 2001, Az: B 5 RJ 8/00 R = Behindertenrecht 2002, 26-28). Hindernisse bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel können für blinde und hochgradig sehbehinderte Personen z.B. sein verkehrsreiche und gefährliche Wegstrecken, welche zum Erreichen des Verkehrsmittels zu Fuß zurückgelegt werden müssen oder schwer zu bewältigende Bedingungen beim Umsteigen.
  • Der behinderte Mensch muss ein Kraftfahrzeug führen können oder es muss gewährleistet sein, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 KfzHV).

Der Antrag muss vor Beschaffung des Kraftfahrzeugs gestellt werden (§ 10 KfzHV).

Zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges wird ein Zuschuss bis zur Höhe des Kaufpreises, höchstens jedoch bis 9.500,00 Euro geleistet (§ 5 Abs. 1 KfzHV). Ein höherer Zuschuss ist nach § 5 Abs. 2 möglich, wenn wegen Art und Schwere der Behinderung ein teureres, z. B. größeres Fahrzeug zwingend erforderlich ist.

Der Zuschuss ist einkommensabhängig. Das zu berücksichtigende Einkommen ist § 6 KfzHV zu entnehmen.

Für behinderungsbedingte Einrichtungen werden die Kosten nach § 7 KfzHV in vollem Umfang übernommen. Das gilt auch für Einbau und Reparaturen.

Für den Erwerb der Fahrerlaubnis wird ein einkommensabhängiger Zuschuss gewährt (§ 8 KfzHV). Bei blinden oder sehbehinderten Menschen werden die Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis für eine andere Person übernommen, wenn diese zum Führen des Kraftfahrzeuges zur Verfügung steht.

Eine erneute Förderung soll nicht vor Ablauf von 5 Jahren seit der Beschaffung des zuletzt geförderten Fahrzeugs geleistet werden (§ 6 Abs. 4 KfzHV).

An Stelle eines Zuschusses zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges kann nach § 9 Abs. 1 S. 2 KfzHV ein Zuschuss für die Beförderung des behinderten Menschen durch einen Fahrdienst oder durch Übernahme der Taxikosten geleistet werden, wenn er ein Kraftfahrzeug nicht selbst führen kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt.

Diese Hilfe wird allerdings nur dann gewährt, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen der Schwere der Behinderung und/oder der Länge der Fahrzeit nicht zumutbar ist oder am Wohnort keine öffentlichen Verkehrsmittel, mit denen der Arbeitsplatz in angemessener Zeit erreicht werden kann, zur Verfügung stehen. In letzterem Fall wird der Zuschuss u. U. nur für die Beförderung bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels bezahlt.

Der behinderte Mensch hat von den Kosten einen Eigenanteil zu tragen. Dabei ist zwischen dem Eigenanteil, welcher sich bei den Beschaffungskosten und dem Eigenanteil, welcher sich aus den Betriebskosten ergibt, zu unterscheiden. Der Eigenanteil für die Beschaffungskosten bemisst sich danach, welchen Anteil der Betroffene bei der Beschaffung eines Kfz zu tragen hätte. § 9 Abs. 1 S. 2 KfzHV verweist auf § 6 KfzHV. Er ist insoweit einkommensabhängig. Der nutzungsbezogene Eigenanteil ist vom Einkommen unabhängig. Er entspricht den Betriebskosten eines Kfz, welche bei der Förderung eines Kfz vom behinderten Menschen auch selbst getragen werden müssen. Dieser nutzenbezogene Eigenanteil kann im Interesse der praktischen Handhabung und Gleichbehandlung aller Betroffenen pauschaliert werden (BSG 11. Senat Urteil vom 20. Februar 2002, Az: B 11 AL 60/01 R = SozR 3-5765 § 9 Nr. 2).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.4 Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung

Die Lage der Wohnung zum Arbeitsplatz hat für die Teilhabe blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen am Arbeitsleben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Wichtig ist, dass der Arbeitsweg selbstständig und ohne große nervliche Belastung zurückgelegt werden kann. Dafür kommt es darauf an, dass eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel besteht, notwendiges Umsteigen leicht bewältigt werden kann und die zu Fuß zurückzulegenden Wege relativ kurz und gefahrlos sind. Wenn der Arbeitsweg zu große Anstrengungen abfordert, wird sich das leicht auf die Arbeitsleistung und die Gesundheit negativ auswirken.

Leistungen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung können sowohl von den Rehabilitationsträgern im Sinn von § 6 Abs. 1 Nr. 2 - 5 als auch von den Integrationsämtern im Rahmen der begleitenden Hilfe zum Arbeitsleben erbracht werden. Rechtsgrundlage für die Rehabilitationsträger ist § 33 Abs. 8 Nr. 6 SGB IX als Hilfe nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6, Rechtsgrundlage für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben § 22 SchwbAV.

Die Hilfe zu den Umzugskosten ist ein typischer Fall der Mobilitätshilfe im Sinn von § 33 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX.

Insbesondere bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten wird vorrangig eine Wohnungshilfe im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch einen

Rehabilitationsträger in Betracht kommen, die dann vom Integrationsamt nicht weiter aufgestockt werden kann (Aufstockungsverbot nach § 102 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz SGB IX).

Die Agentur für Arbeit kann im Übrigen für Arbeitslose die Umzugskosten als Mobilitätshilfe finanzieren, wenn dies im Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme notwendig ist (§ 53 Abs. 2 Nr. 3d SGB III). Bei behinderten Menschen kann die Arbeitsverwaltung diese Form der Mobilitätshilfe auch dann erbringen, wenn diese nicht arbeitslos sind, aber durch die Übernahme der Umzugskosten eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann (vgl. § 101 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 3d SGB III).

Gegenüber den Rehabilitationsträgern besteht auch Anspruch auf Wohnungshilfe, wenn der Arbeitsplatz von der bisher genutzten Wohnung aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem eigenen Kraftfahrzeug nur unter unzumutbaren Erschwernissen erreicht werden kann.

Im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können schwerbehinderte Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufstätig sind, aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nach § 22 SchwbAV Leistungen als Wohnungshilfe erhalten:

  1. zur Beschaffung von behinderungsgerechtem Wohnraum im Sinne des § 16 des Wohnraumförderungsgesetzes,
  2. zur Anpassung von Wohnraum und seiner Ausstattung an die besonderen behinderungsbedingten Bedürfnisse und
  3. zum Umzug in eine behinderungsgerechte oder erheblich verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz gelegene Wohnung.

Die Leistungen können nach § 22 Abs. 2 SchwbAV als Zuschüsse, Zinszuschüsse oder Darlehen erbracht werden. Höhe, Tilgung und Verzinsung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere für behinderungsbedingte Mehraufwendungen können Zuschüsse gewährt werden.

Bei der Hilfe zu den Umzugskosten wird bei der Bemessung der Leistungshöhe nach einer entsprechenden Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) hinsichtlich der Einkommensanrechnung aufgrund von § 18 Abs. 2 Nr. 2 SchwbAV unterschieden:

Soweit der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht behinderungsgerecht wohnt und der Umzug deshalb behinderungsbedingt ist, werden die Transportkosten ohne Einkommensanrechnung übernommen. Wird durch den Umzug lediglich die Fahrtzeit zum Arbeitsplatz verkürzt, wird ein Teil des Einkommens angerechnet.

Wenn für einen blinden Menschen der Arbeitsweg von der neuen Wohnung aus wesentlich einfacher, ja möglicherweise dadurch erst selbstständig zurückgelegt werden kann, müssten die Umzugskosten ohne Einkommensanrechnung übernommen werden, weil die Behinderung die Ursache für den Umzug ist.

Voraussetzungen für Leistungen zur Beschaffung von behinderungsgerechtem Wohnraum im Sinne des § 16 des Wohnraumförderungsgesetzes sind:

Die zu fördernde Wohnung muss bezüglich Zugang, baulicher Gestaltung, Ausstattung und Lage behindertengerecht sein. Die jetzige Wohnung muss nicht behindertengerecht sein und der behinderte Mensch kann nicht auf eine behindertengerechte Mietwohnung verwiesen werden.

Im Übrigen werden die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus vorgesehenen Darlehen bei behinderungsbedingten zusätzlichen Baumaßnahmen auf die Leistungen des Integrationsamtes angerechnet.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.5 Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten

Schwerbehinderte Menschen können Zuschüsse für Aufwendungen erhalten, die durch die Teilnahme an Maßnahmen der inner- und außerbetrieblichen Bildung entstehen.

Rechtsgrundlage für die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 ist § 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX.

Im Rahmen der begleitenden Arbeitshilfe können die Integrationsämter nach §§ 102 Abs. 3 1. e SGB IX, 24 SchwbAV schwerbehinderten Menschen, die an inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten oder zur Anpassung an die technische Entwicklung teilnehmen, vor allem an besonderen Fortbildungs- und Anpassungsmaßnahmen, die nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen, Zuschüsse bis zur Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen Maßnahmen entstehenden Aufwendungen leisten. Hilfen können auch zum beruflichen Aufstieg erbracht werden.

Die Maßnahmen müssen nach Art, Dauer und Umfang den behinderungsbedingten Bedürfnissen entsprechen. Für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen sind vielfach spezielle Lehrgänge notwendig, weil bei der Vermittlung der Lehrinhalte visualisierende Methoden ausscheiden. Häufig ist es notwendig, Arbeitsmaterial in einer blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen zugänglichen Form, z. B. Brailleschrift, Großdruck oder auf Datenträger, zu erstellen oder in eine solche Form umzusetzen.

Spezielle Fortbildungsmaßnahmen werden auch von den Selbsthilfeorganisationen der blinden und sehbehinderten Menschen angeboten. Ob eine entsprechende Maßnahme gefördert werden kann, wird auf Antrag vom für die Organisation zuständigen Integrationsamt festgestellt. Auf eine entsprechende Genehmigung ist bei der Beantragung der Förderung von den behinderten Menschen hinzuweisen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.6 Hilfen in besonderen Lebenslagen

Als begleitende Hilfe im Arbeitsleben kann das Integrationsamt nach §§ 102 Abs. 3 Buchst. f SGB IX, 17 Abs. 1 Buchst. g auch Leistungen in besonderen Lebenslagen erbringen. Nach § 25 SchwbAV sind darunter andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 der SchwbAV geregelten Leistungen zu verstehen, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. Die Regelung des § 25 SchwbAV sieht - was aus der Formulierung „andere Leistungen" hervorgeht - eine Beschränkung auf bestimmte Leistungen nicht vor. Den Integrationsämtern ist damit ein weites Spektrum an Hilfemöglichkeiten geöffnet. Fraglich ist, ob danach auch Leistungen zur Erhaltung der Arbeitskraft, also z. B. Erholungsaufenthalte, wie sie früher in dem aufgehobenen § 23 SchwbAV enthalten waren, gefördert werden können. Das VG Arnsberg 11. Kammer lehnt das im Urteil vom 15. Juli 2003, Az: 11 K 2955/02 ab.

Es können Zuschüsse oder Darlehen gewährt werden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.7 Psychosoziale Hilfen

Die Erblindung oder Sehbehinderung kann zu psychosozialen Problemlagen führen, die eine Teilhabe am Arbeitsleben erschwert. In solchen Fällen sollte die Hilfe durch Integrationsfachdienste oder psychosoziale Dienste, welche im Auftrag und unter Verantwortung der Rehabilitationsträger bzw. der Integrationsämter tätig werden (§ 111 SGB IX) in Anspruch genommen werden. Ziel der Hilfen muss sein, die Erwerbsfähigkeit des blinden oder von Blindheit bedrohten Menschen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und seine Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Zu diesen Hilfen gehört nicht nur die Betreuung des Hilfebedürftigen, sondern auch die Beratung von Arbeitgebern, Vorgesetzten und Kollegen bei psychosozialen Fragen.

Psychosoziale Hilfen können im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit sowohl von den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 - 5 SGB IX) als auch von den Integrationsämtern erbracht werden.

Rechtsgrundlage für die Rehabilitationsträger ist § 33 Abs. 6 SGB IX, Rechtsgrundlage für die Integrationsämter § 102 Abs. 2 S. 4 SGB IX, wonach die Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben auch psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen umfassen.

§ 33 Abs. 6 bestimmt - entsprechend der Regelung in § 26 Abs.3 SGB IX -, dass zu den Leistungen zur Teilhabe nach Abs. 1 auch die nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen psychosozialen Leistungen gehören; hierzu zählen bei Bedarf auch Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme benötigter Leistungen (Nr. 7) sowie die Beteiligung von Integrationsfachdiensten (Nr. 8).

Das Integrationsamt kann gemäß § 102 Abs. 2 S. 5 SGB IX bei der Durchführung der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteiligen.

Zu den Aufgaben der Integrationsfachdienste gehört nach § 110 Abs. 2 Nr. 6 die Nachbetreuung, Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung (im Einzelnen vgl. zu den Integrationsfachdiensten 5.3.4). Die Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste oder psychosozialen Dienste erfolgt im Auftrag der Rehabilitationsträger oder der Integrationsämter (§ 111 Abs. 1 SGB IX). Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen vereinbaren nach § 113 Abs. 2 SGB IX mit den Rehabilitationsträgern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 unter Beteiligung der maßgeblichen Verbände, darunter der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsfachdienste, eine gemeinsame Empfehlung zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste durch die Rehabilitationsträger sowie zur Zusammenarbeit und zur Finanzierung der Kosten, die den Integrationsfachdiensten bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben entstehen. Die Integrationsämter dürfen für die Erstattung der Kosten Mittel aus der Ausgleichsabgabe verwenden (§ 113 Abs. 1 SGB IX, § 27a SchwbAV).

Der Integrationsfachdienst muss nach § 112 Abs. 1 SGB IX, der psychosoziale Dienst gemäß § 28 SchwbAV nach seiner personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung zur Durchführung von Maßnahmen der psychosozialen Betreuung geeignet sein. Es müssen insbesondere Fachkräfte eingesetzt werden, welche über eine geeignete Berufsqualifikation, z. B. für diesen Bereich als Sozialpädagoge oder Psychologe, eine psychosoziale Zusatzqualifikation und ausreichende Berufserfahrung verfügen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.3.2.8 Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz

Auch für blinde und sehbehinderte Menschen bietet eine selbstständige Existenz Chancen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn die behinderungsbedingten Nachteile ausgeglichen werden. Schon seit Jahrzehnten sind blinde und sehbehinderte Menschen u. a. als selbstständige Handwerker, Kaufleute, Masseure, Physiotherapeuten oder Rechtsanwälte erfolgreich tätig.

Die Rehabilitationsträger (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 - 5 SGB IX) können nach § 33 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX einen Gründungszuschuss entsprechend § 57 SGB III zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Rehabilitation gewähren. Der Gründungszuschuss dient zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung. Diese Förderung ist allerdings nur möglich, wenn dadurch eine vorhandene Arbeitslosigkeit beendet wird.

Voraussetzung für die Bewilligung des Gründungszuschusses ist zunächst die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Ob eine unselbstständige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, beurteilt sich nach den Kriterien des § 7 Abs. 1 und 4 SGB IV. Eine unselbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn sie nach Weisungen des Arbeitgebers erfolgt und eine räumliche und zeitliche Einbindung in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers gegeben ist. Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sind häufig die Anzeige eines Gewerbes sowie die steuerliche Anmeldung.

Eine weitere Voraussetzung ist nach § 57 Abs. 2 SGB III, dass vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ein Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III, z. B. Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, bestand oder eine Beschäftigung ausgeübt wurde, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist. Außerdem muss bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen bestehen. Darüber hinaus muss eine fachkundige Stellungnahme über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt werden. Fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Der Gründungszuschuss wird gemäß § 58 Abs. 1 SGB III für die Dauer von neun Monaten in Höhe des Betrages, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich von monatlich 300,00 Euro, geleistet. Der Gründungszuschuss kann nach Abs. 2 für weitere sechs Monate in Höhe von monatlich 300,00 Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit die erneute Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.

Soweit zur Ausübung einer unabhängigen Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist, soll schwerbehinderten Menschen, die eine Zulassung beantragen, bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 129 SGB IX die Zulassung bevorzugt erteilt werden.

Mit der Regelung in § 33 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX wurde das Instrument des Gründungszuschusses auch für die Rehabilitation eingeführt. Diese Leistung, die der Sicherung des Lebensunterhalts während der Gründerphase dient, wäre aber in diesem Bereich nicht ausreichend, wenn die behinderungsbedingten Nachteile nicht durch Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben ergänzt würden. Die Hilfen im Arbeitsleben sind aber nicht nur für den Einstieg in die Selbstständigkeit, sondern darüber hinaus zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit selbstständig tätiger behinderter Menschen von größter Bedeutung. So benötigt z. B. ein blinder Rechtsanwalt eine Arbeitsassistenz zum Vorlesen von Schriftsätzen, zum Nachschlagen in Gesetzessammlungen und Kommentaren, zur Hilfe bei der Recherche in der Fachliteratur und zu Assistenzleistungen bei Verhandlungen. Zur Kostenübernahme für Arbeitsassistenz bei einem blinden Rechtsanwalt vgl. VG Stade 4. Kammer Urteil vom 25. Juni 2003, Az: 4 A 1687/01 (Behindertenrecht 2004, S. 19-20). Weiter benötigt er eine mit einer Braillezeile und Sprachausgabe sowie Texterkennung ausgestattete EDV-Anlage, um Gesetzes- und Entscheidungssammlungen auf Datenträgern benützen und Recherchen im Internet vornehmen zu können.

Die Integrationsämter können im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben Geldleistungen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz erbringen (§ 102 Abs. 3 Buchst. C SGB IX und § 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. C SchwbAV). Die Einzelheiten sind in § 21 SchwbAV geregelt.

Nach § 21 Abs. 1 SchwbAV können schwerbehinderte Menschen Darlehen oder Zinszuschüsse zur Gründung und zur Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz erhalten, wenn

  1. sie die erforderlichen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit erfüllen,
  2. sie ihren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer im wesentlichen sicherstellen können und
  3. die Tätigkeit unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts zweckmäßig ist.

Darlehen sollen nach § 21 Abs. 2 SchwbAV mit jährlich 10 vom Hundert getilgt werden. Von der Tilgung kann im Jahr der Auszahlung und dem darauf folgenden Kalenderjahr abgesehen werden. Wenn Darlehen verzinslich gegeben werden, kann für diese im Jahr der Auszahlung und dem darauf folgenden Kalenderjahr ebenfalls abgesehen werden.

§ 21 Abs. 4 SchwbAV bestimmt, welche Vorschriften der SchwbAV zugunsten von schwerbehinderten Menschen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben oder aufzunehmen beabsichtigen, entsprechend anzuwenden sind.

Das sind danach die §§ 17 bis 20 und die §§ 22 bis § 27 SchwbAV.

Zu nennen sind im Einzelnen:

  • Arbeitsassistenz - § 17 Abs. 1a SchwbAV (vgl. dazu 5.3.2.2),
  • technische Arbeitshilfen - § 19 SchwbAV (vgl. dazu 5.3.2.1),
  • Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (Kraftfahrzeughilfe) - § 20 SchwbAV (vgl. dazu 5.3.2.3),
  • Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung - § 23 SchwbAV (vgl. dazu 5.3.2.4),
  • Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten - § 24 SchwbAV (vgl. dazu 5.3.2.5),
  • Hilfen in besonderen Lebenslagen - § 25 SchwbAV (vgl. dazu 5.3.2.6),
  • Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen - § 27 SchwbAV (vgl. dazu 3.2.7).

Durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 16.1.2004 (BGBl I S. 77) ist § 21 Abs. 4 mit Wirkung v. 1.1.2004 geändert worden. Seitdem gehören auch die Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26 SchwbAV) zu den Leistungen, die zur Ausübung oder Aufnahme einer selbstständigen Existenz erbracht werden können.

Zur Deckung von Kosten des laufenden Betriebs, wie sie jedem selbstständig Tätigen entstehen, können Leistungen gemäß § 21 Abs. 3 SchwbAV nicht erbracht werden. So hat das VG Halle (Saale) 4. Kammer im Urteil vom 29. November 2001, Az: 4 A 496/99 (Behindertenrecht 2003, S. 195-197) zur Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz im Falle eines blinden Psychotherapeuten festgestellt: „Der Kostenübernahmeanspruch nach SGB IX § 102 Abs. 4, SchwbAV § 17 Abs. 1a besteht nur, soweit die Arbeitsplatzassistenz „notwendig“ ist. Da es im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben um den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile geht, ist die Vorschrift so zu verstehen, dass der Kostenübernahmeanspruch sich auf den Umfang der Assistenztätigkeit beschränkt, der aufgrund der Behinderung des schwerbehinderten Menschen notwendig ist. Soweit die Assistenztätigkeit unabhängig von der Behinderung für die jeweilige Berufsausübung notwendig ist, etwa als Sprechstundenhilfe, besteht ein Kostenübernahmeanspruch nach SGB IX § 102 Abs. 4, SchwbAV § 17 Abs. 1a nicht, denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine Besserstellung der schwerbehinderten Menschen gegenüber Nichtbehinderten beabsichtigt hat.“ In dieser Entscheidung wurde weiter festgestellt, dass eine Kostenbeteiligung des Schwerbehinderten aufgrund von § 18 Abs. 2 Nr. 2 SchwbAV unzumutbar ist, wenn die Leistung wegen der Behinderung erforderlich ist. Deshalb durften im der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall die Einkommensverhältnisse des Klägers nicht berücksichtigt werden.

Wenn der selbstständig tätige schwerbehinderte Mensch seinerseits schwerbehinderte Menschen beschäftigt, sind selbstverständlich die für Arbeitgeber vorgesehenen Leistungen nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX und § 17 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAV möglich (vgl. 5.3.1).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.4 Integrationsfachdienste

Die Integrationsfachdienste spielen für die Erreichung und Sicherung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in der Praxis eine große Rolle; denn ein Teil der schwerbehinderten Menschen lässt sich - selbst unter Einsatz aller vorhandenen Fördermöglichkeiten - auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nur dann vermitteln, wenn bei der Eingliederung in das Arbeitsleben und der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben besondere arbeits- und berufsbegleitende Fachdienste zur Verfügung stehen. Integrationsfachdienste sind nach § 109 Abs. 1 SGB IX Dienste Dritter, die bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben von den Rehabilitationsträgern bzw. den Integrationsämtern beteiligt werden. Sie sind auch Anlauf- und Beratungsstelle für Arbeit suchende und beschäftigte schwerbehinderte Menschen und ihre Arbeitgeber.

Für die Rehabilitationsträger im Sinne von § 6 Abs. 1 Nrn. 2 - 5 ist Rechtsgrundlage § 33 Abs. 6 Nr. 8 SGB IX. Danach können Integrationsfachdienste im Rahmen ihrer Aufgabenstellung von den Rehabilitationsträgern beteiligt werden. Rechtsgrundlage für die Integrationsämter ist § 102 Abs. 2 S. 6 SGB IX. Das Integrationsamt kann nach dieser Bestimmung bei der Durchführung der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen (zu diesen vgl. § 28 SchwbAV) beteiligen.

Die Integrationsämter haben nach § 111 Abs. 5 SGB IX den Auftrag, darauf hinzuwirken, dass die berufsbegleitenden und psychosozialen Dienste bei den Integrationsfachdiensten konzentriert werden.

Nach § 112 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX müssen die Integrationsfachdienste rechtlich oder organisatorisch und wirtschaftlich eigenständig sein. Häufig haben sie die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Gesellschafter sind z. B. Verbände der freien Wohlfahrtspflege und Behindertenorganisationen. Um für behinderte Menschen und Arbeitgeber jeweils nur einen Ansprechpartner zu haben, soll in jedem Bezirk einer Arbeitsagentur ein Integrationsfachdienst bestehen. Für die Fälle, dass es sachgerecht erscheint, mehrere Dienste, etwa verschiedene Dienste für unterschiedliche behinderungsspezifische Gruppen, zu beteiligen, sollen die Träger einen gemeinsamen Verbund bilden.

Die Integrationsfachdienste müssen mit Fachkräften ausgestattet sein, die über eine für ihre Aufgaben geeignete Berufsqualifikation, z. B. als Psychologen, Sozialpädagogen oder Techniker, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und ausreichende Berufserfahrung verfügen (§ 112 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Die Mitarbeiter müssen über Erfahrungen mit dem zu unterstützenden Personenkreis, wie er in § 109 Abs. 2 - 4 SGB IX beschrieben ist, verfügen.

In § 109 Abs. 2 - 4 SGB IX wird der Personenkreis näher bestimmt, welchem durch die Beteiligung von Integrationsfachdiensten geholfen werden soll. Vereinfacht gesagt ist das der Fall, wenn bei besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen ein besonderer Bedarf an arbeits- und berufsbe­gleitender Betreuung besteht (§ 109 SGB IX). Ein besonderer Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung ist nach § 109 Abs. 3 SGB IX u a. insbesondere bei einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt, gegeben. Das ist bei Blindheit oder hochgradiger Sehbehinderung in aller Regel der Fall. Bei der Einschaltung eines Integrationsfachdienstes ist deshalb bei der Hilfe für blinde und sehbehinderte Menschen darauf zu achten, dass Mitarbeiter, die Erfahrungen mit ihren speziellen Problemen haben, eingesetzt werden. Bei der Organisation der Integrationsfachdienste soll den besonderen Bedürfnissen besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen durch eine Differenzierung innerhalb des Integrationsfachdienstes Rechnung getragen werden. Informationen darüber, ob diesen Anforderungen entsprochen wird, können in aller Regel die Selbsthilfeorganisationen der blinden und sehbehinderten Menschen sowie die speziellen Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke geben.

Die Aufgaben der Integrationsfachdienste sind in § 110 SGB IX festgelegt. Sie helfen mit, eine dauerhafte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben zu sichern. Diese Aufgabe erfüllen sie dadurch, dass sie die schwerbehinderten Menschen beraten, unterstützen und auf geeignete Arbeitsplätze vermitteln und die Arbeitgeber informieren, beraten und ihnen Hilfe leisten (§ 110 Abs. 1 SGB IX).

Zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes gehört nach § 110 Abs. 2 SGB IX:

  1. die Fähigkeiten der zugewiesenen schwerbehinderten Menschen zu bewerten und einzuschätzen und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofil zur Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in enger Kooperation mit den schwerbehinderten Menschen, dem Auftraggeber und der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation (z. B. Berufsbildungswerk, Berufsförderungswerk oder Werkstatt für behinderte Menschen) zu erarbeiten,
    1. die Bundesagentur für Arbeit auf deren Anforderung bei der Berufsorientierung und Berufsberatung in den Schulen einschließlich der auf jeden einzelnen Jugendlichen bezogenen Dokumentation der Ergebnisse zu unterstützen,
    2. die betriebliche Ausbildung schwerbehinderter, insbesondere seelisch und lernbehinderter Jugendlicher zu begleiten,
  2. geeignete Arbeitsplätze im Sinn von § 73 Abs. 1 SGB IX auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erschließen (Ziel muss es sein, solche Arbeits- und Ausbildungsplätze zu erschließen, die eine möglichst dauerhafte berufliche Eingliederung ermöglichen. Das schließt zunächst die Erschließung von Probearbeitsverhältnissen oder die Beschaffung von Praktikumsplätzen nicht aus. Mit solchen Beschäftigungen wird mitunter ein Einstieg in eine dauerhafte Beschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber erreicht.),
  3. die schwerbehinderten Menschen auf die vorgesehenen Arbeitsplätze vorzubereiten, z. B. durch Hilfen bei der Bewerbung und bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch,
  4. die schwerbehinderten Menschen, solange erforderlich, am Arbeitsplatz oder beim Training der berufspraktischen Fähigkeiten am konkreten Arbeitsplatz zu begleiten. (Diese Begleitung kann insbesondere in der ersten Zeit der Arbeitsaufnahme erforderlich sein, kann aber nicht dauerhaft geleistet werden. Tätigkeiten der unterstützten Beschäftigung auf Dauer sind nicht Aufgabe der Integrationsfachdienste. Hierfür kommt u.U. das Instrument der Arbeitsassistenz gemäß § 33 Abs. 8 Nr. 3, § 102 Abs. 4 SGB IX in Betracht - vgl. 5.3.2.2),
  5. mit Zustimmung des schwerbehinderten Menschen die Mitarbeiter im Betrieb oder in der Dienststelle über Art und Auswirkungen der Behinderung und über entsprechende Verhaltensregeln zu informieren und zu beraten,
  6. eine Nachbetreuung, Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung durchzuführen (zur psychosozialen Betreuung vgl. 5.3.2.7) sowie
  7. als Ansprechpartner für die Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, über die Leistungen für die Arbeitgeber zu informieren und für die Arbeitgeber diese Leistungen abzuklären,
  8. in Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern die für den schwerbehinderten Menschen benötigten Leistungen zu klären und die schwerbehinderten Menschen und die Arbeitgeber bei der Beantragung zu unterstützen.

Die Integrationsfachdienste werden von den Integrationsämtern, der Bundesagentur für Arbeit oder den sonstigen Rehabilitationsträgern beauftragt. Diese bleiben für die Ausführung der Leistung verantwortlich (§ 111 Abs. 1 SGB IX). Wenn sich ein schwerbehinderter Mensch unmittelbar um Hilfe an den Integrationsfachdienst wendet, ist mit dem zuständigen Aufgabenträger zu klären, ob eine Betreuung des Hilfe Suchenden erfolgen kann. Im Auftrag legt der Auftraggeber in Abstimmung mit dem Integrationsfachdienst Art, Umfang und Dauer des im Einzelfall notwendigen Einsatzes des Integrationsfachdienstes sowie das Entgelt, welches er nach § 113 Abs. 1 SGB IX zu tragen hat, fest (§ 111 Abs. 2 SGB IX). Die Regelung erfolgt auf der Grundlage der Mustervereinbarung, die die Bundesagentur für Arbeit nach § 111 Abs. 4 SGB IX entwickelt hat.

Näheres zur Beauftragung, Zusammenarbeit, fachlichen Leitung, Aufsicht sowie zur Qualitätssicherung und Ergebnisbeobachtung wird zwischen dem Auftraggeber und dem Träger des Integrationsfachdienstes vertraglich geregelt. Die Vereinbarungen sollen im Interesse finanzieller Planungssicherheit auf eine Dauer von mindestens drei Jahren abgeschlossen werden (§ 111 Abs. 4 SGB IX). Im Interesse einheitlicher Regelungen und eines einheitlichen Verfahrens vereinbart die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen mit den Rehabilitationsträgern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 unter Beteiligung der maßgeblichen Verbände, darunter der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsfachdienste, eine gemeinsame Empfehlung zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste durch die Rehabilitationsträger, zur Zusammenarbeit und zur Finanzierung der Kosten, die dem Integrationsfachdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Rehabilitationsträger entstehen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.5 Kündigungsschutz

5.5.1 Allgemeines zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses

Wenn das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen seitens des Arbeitgebers gekündigt wird, sind außer den Bestimmungen eines allgemeinen Kündigungsschutzes, wie sie z. B. das Kündigungsschutzgesetz enthält, auch die Bestimmungen über den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 85 bis 92 SGB IX zu beachten. Daran wurde auch durch das AGG nichts geändert; denn nach § 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz. Für Klagen gegen die Kündigung, welche sich auf das Kündigungsschutzgesetz stützen, sind die Arbeitsgerichte, für Klagen, die sich auf den Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX stützen, die Verwaltungsgerichte zuständig. Beide Klageverfahren müssen gegebenenfalls nebeneinander geführt werden, damit kein Nachteil entsteht.

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses richtet sich nach den Bestimmungen des jeweils geltenden Tarifvertrages oder, wenn ein solcher nicht besteht, nach den §§ 622 ff. BGB. Unterschieden werden die ordentliche und die außerordentliche Kündigung. Die Kündigungsfrist für ordentliche Kündigungen ist § 622 BGB zu entnehmen. Die Frist ist von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig. Die Kündigungsfrist beträgt gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer mindestens vier Wochen (§ 86 SGB IX). Diese Vorschrift ist jedoch insofern bedeutungslos geworden, als die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB in den ersten zwei Jahren ebenfalls 4 Wochen beträgt, wobei die Kündigung zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats erfolgen kann. Wenn das Arbeitsverhältnis länger als 2 Jahre bestand, gelten nach § 622 Abs. 2 für die Kündigung seitens des Arbeitgebers folgende dann auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer geltende Fristen:

  1. nach zwei Jahren einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
  2. nach fünf Jahren zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  3. nach acht Jahren drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  4. nach zehn Jahren vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  5. nach zwölf Jahren fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  6. nach 15 Jahren sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  7. nach 20 Jahren sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Eine außerordentliche, d. h. fristlose Kündigung ist nach § 626 BGB zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.5.2 Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsrecht wird jedoch nicht nur durch den Tarifvertrag oder das BGB geregelt. Ob eine Kündigung zulässig ist, richtet sich vielmehr außerdem nach allgemeinen Kündigungsschutzregeln, insbesondere nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl I S. 1317), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 19. November 2004 (BGBl I S. 2902). Der gesetzliche Kündigungsschutz besteht in Betrieben und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts, erstreckt sich aber nicht auf dieje­nigen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer - ausschließlich die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten - beschäftigt sind (§ 23 Abs. 1 KSchG). In Betrieben und Verwaltungen mit zehn oder weniger Arbeitnehmern gilt das KSchG außerdem nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat. Nicht unter das KSchG fallen ferner Arbeitsverhältnisse, die nicht länger als sechs Monate bestehen, sowie Verträge mit freien Mitarbeitern.

Nach § 1 Abs. 1 KSchG sind sozial ungerechtfertigte Kündigungen unwirksam, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG neben weiteren in S. 2 genannten Gründen vor allem, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers, z. B. fehlende Eignung für die Beschäftigung oder Verletzungen des Arbeitsvertra­ges, liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Dringende betriebliche Erfordernisse können z. B. sein: Rationalisierung der Produktionsabläufe oder gar Stilllegung des Betriebs oder Auftragsrückgänge. Die Kündigung muss, damit sie gerechtfertigt sein kann, das letzte verfügbare Mittel sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG wird nämlich das gesamte Kündigungsrecht vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht. Gleichgültig, auf welche Gründe eine das Arbeitsverhältnis beendende Kündi­gung gestützt ist und gleichgültig, ob sie als ordentliche oder außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird: Eine Kündigung, die das Arbeitsverhältnis beenden soll, kommt als äußerstes Mittel erst in Betracht, wenn keine andere Möglichkeit zu einer anderen Beschäftigung, u. U. auch mit schlechteren Arbeitsbedingungen, mehr besteht (BAGE 30 S. 314; 61 S. 145 m.w.N.).

Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt worden, so ist die Kündigung nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Schwerbehinderung ist also auch im Kündigungsschutz nach dem KSchG bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber muss zwischen mehreren Arbeitnehmern, die für eine Kündigung in Frage kommen, denjenigen oder diejenigen behalten, den oder die die Kündigung sozial schwerer treffen würde als andere Arbeitnehmer. Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht sind auch Arbeitgeber in Kleinbetrieben, also in Betrieben mit 5 (bzw. 10) oder weniger Arbeitnehmern, bei einer betriebsbedingten Kündigung zu einem „Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme" verpflichtet. Auch sie dürfen bei einer solchen betriebsbedingten Kündigung die Schutzbedürftigkeit des zu Kündigenden nicht außer Acht lassen.

Für Kündigungen, die aus Gründen erfolgen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, ist zu beachten, dass solche Gründe auch häufig auftretende kürzere Erkrankungen mit schlechter Prognose für die Zukunft oder sehr lang andauernde Erkrankungen gehören können.

Hinzuweisen ist darauf, dass der Arbeitgeber eines Betriebes mit mindestens fünf Arbeitnehmern vor einer beabsichtigten Kündigung den Betriebsrat über die Gründe informieren und ihn anhören muss. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kün­digung ist unwirksam (§ 102 BetrVG). Wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung für sozial ungerechtfertigt hält, kann er nach § 3 KSchG binnen einer Woche nach der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen. Wenn der Betriebsrat den Einspruch für begründet erachtet, hat er zu versuchen, eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen. Er hat seine Stellungnahme zu dem Einspruch dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber auf Verlangen schriftlich mitzuteilen. Von diesem Einspruchsrecht ist unbedingt Gebrauch zu machen. Außerdem sollte die Schwerbehindertenvertretung von Seiten des schwerbehinderten Arbeitnehmers eingeschaltet werden. Auf die Rechte der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 SGB IX ist hinzuweisen. Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 S. 1 in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Arbeitnehmer betreffen, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates beratend teilzunehmen und kann somit auf die Entscheidungen und Stellungnahmen dieser Gremien Einfluss nehmen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.5.3 Besonderer Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen

Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Der besondere Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX ist unabhängig von der Betriebsgröße des Arbeitgebers, gilt also auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtet ist. Er gilt auch in Betrieben, in denen 10 oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind und in denen der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht gilt (vgl. 5.5.2). § 85 SGB IX gilt für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, also für Angestellte und Arbeiter. Er gilt auch für Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte. Das ergibt sich daraus, dass diese Personengruppe in § 90 SGB IX, in dem die Ausnahmen von der Geltung des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Arbeitnehmer geregelt sind, nicht aufgeführt ist.

Der Kündigungsschutz der §§ 85 ff. SGB IX besteht nach § 90 SGB IX nicht für schwerbehinderte Menschen,

  1. deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht, was damit übereinstimmt, dass auch der Kündigungsschutz nach § 1 KSchG erst nach sechs Monaten eingreift, oder
  2. die auf Stellen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 beschäftigt werden oder
  3. deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie
  4. das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung aufgrund eines Sozialplanes haben oder
  5. Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.

Der Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX besteht ferner nicht bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist (§ 90 Abs. 2 SGB IX).

Der Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen besteht auch nicht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Nachgewiesen ist eine Behinderung, wenn sie offensichtlich, also sichtbar ist, oder eine entsprechende Feststellung der Schwerbehinderung durch das Versorgungsamt nach § 69 Abs. 1 SGB IX erfolgt ist. Der besondere Kündigungsschutz gilt aber auch dann, wenn das Versorgungsamt nach Ablauf der Fristen des § 69 i.V.m. § 14 SGB IX (i.d.R. drei Wochen) keine Entscheidung getroffen hat, obwohl es der Antragsteller nicht an der erforderlichen Mitwirkung hat fehlen lassen.

Der Arbeitgeber sollte, bevor er eine Kündigung in Erwägung zieht, beim Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten, die zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen könnten, aus präventiven Gründen möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, die in § 98 SGB IX genannten betrieblichen Interessenvertretungen sowie das Integrationsamt einschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und Leistungserbringung zu erörtern, um zu erreichen, dass die bestehenden Probleme beseitigt und das Arbeitsverhältnis auf Dauer fortgesetzt werden kann. Vgl. dazu die unter 5.3 behandelten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Wenn der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigt, ohne die Zustimmung beantragt und erhalten zu haben, so ist die Kündigung allein deshalb, weil die Zustimmung fehlt und damit gegen ein gesetzliches Verbot (hier § 85 SGB IX) verstoßen wird, gemäß § 134 BGB unwirksam. Die Kündigung ist in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts selbst dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gar nicht wusste, dass sein Arbeitnehmer schwerbehindert ist. Sollte der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen, ohne dass er die Genehmigung des Integrationsamtes eingeholt hat, ist der Arbeitgeber auf die Notwendigkeit der Genehmigung für die Wirksamkeit der Kündigung hinzuweisen und sofort das Integrationsamt einzuschalten.

Die Zustimmung zur Kündigung muss der Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 SGB IX bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich beantragen. Das Integrationsamt holt im Rahmen des Zustimmungsverfahrens eine Stellungnahme der zuständigen Arbeitsagentur, des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an. Es hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (§ 87 Abs. 3 SGB IX).

Das Integrationsamt soll nach § 88 Abs. 1 SGB IX innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an entscheiden, ob es der Kündigung zustimmt. Erforderlichenfalls soll die Entscheidung nach einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Da es sich bei der Einmonatsfrist um eine Sollbestimmung handelt, ist auch eine nach Ablauf dieser Frist ergangene Entscheidung wirksam. Wenn das Integrationsamt innerhalb der Vierwochenfrist nicht entschieden hat, gilt das - anders als in den Fällen der außerordentlichen Kündigung (§ 91) - und in den in § 88 Abs. 5 SGB IX aufgeführten Fälle nicht als Zustimmung.

Inhaltlich ist der Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer von weit geringerer Bedeutung als gemeinhin angenommen wird. Das Gesetz sagt für den Normalfall nichts darüber aus, unter welchen Voraussetzungen das Integrationsamt seine Zustimmung zur Kündigung geben muss oder sie verweigern kann. Bei der Zustimmung des Integrationsamtes handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, soweit dieses nicht nach § 89 SGB IX eingeschränkt ist. Nach § 89 Abs. 1 muss die Zustimmung zu Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, erteilt werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Unter der gleichen Voraussetzung soll es die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht. Die Zustimmung muss jedoch dann nicht erteilt werden, sondern liegt wieder im Ermessen des Integrationsamtes, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist (§ 89 Abs. 1 S. 3 SGB IX). Das Integrationsamt soll die Zustimmung auch dann erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist (§ 89 Abs. 2 SGB IX).

Für die Frage, ob es sich um eine Betriebseinstellung handelt, sind die Grundsätze des § 111 Betriebsverfassungsgesetz heranzuziehen. Eine Betriebseinstellung, die das Integrationsamt zur Zustimmung zur Kündigung verpflichten würde, liegt nicht vor, wenn der Betrieb von einem Erwerber übernommen und fortgeführt wird (§ 613a BGB).

Nach § 89 Abs. 3 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet ist und

  1. der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist (§ 125 der Insolvenzordnung),
  2. die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß § 95 Abs. 2 beteiligt worden ist,
  3. der Anteil der nach dem Interessenausgleich zu entlassenden schwerbehinderten Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer an der Zahl der beschäftigten übrigen Arbeitnehmer und
  4. die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 ausreicht. In den in § 89 Abs. 1 S.1 und 3 geregelten Fällen muss die Entscheidung des Integrationsamtes über die Zustimmung zur Kündigung innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an getroffen werden. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt.

Bei der Ausübung des Ermessens durch das Integrationsamt ist das Interesse des Arbeitgebers, die vorhandenen Arbeits­plätze wirtschaftlich zu nutzen, gegen das Interesse des betroffenen schwerbehinderten Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu behalten, abzuwägen. Behinderte Menschen dürfen gegenüber nichtbehinderten nicht benachteiligt werden. Ihren Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben muss die Verwal­tungsbehörde einerseits bei ihrer Erwägung optimal zu verwirklichen suchen. Andererseits muss sie bestrebt sein, möglichst viel noch von der nach Art. 12 GG verfassungsrechtlich geschützten Gestaltungsfreiheit des Betriebsinhabers zu erhalten. Der Schwerbehindertenschutz engt zwar - wenn auch im Einklang mit der Verfassung - den Arbeitgeber in seinen Gestaltungsmöglichkeiten ein. Keinesfalls darf aber die Freiheit so weit eingeschränkt sein, dass sie ausgehöhlt wird. Der Schwerbehindertenschutz bezweckt nicht, die schwerbehinderten Arbeitnehmer praktisch unkündbar zu machen. Vgl. dazu Urteil des BVwG vom 28.2.1968 - 5 C 33/66 -.

Die Entscheidung wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt. Der Bundesagentur für Arbeit wird eine Abschrift der Entscheidung übersandt (§ 88 Abs. 2 SGB IX). Die Entscheidung des Integrationsamtes ist ein Verwaltungsakt, und zwar ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Die Wirksamkeit der Entscheidung richtet sich nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, maßgeblich sind hier die Bestimmungen des SGB X. Für die Form der Zustellung sind die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Zustellungsverfahren maßgebend (§ 65 Abs. 2 SGB X).

Wenn das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilt, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung erklären (§ 88 Abs. 3 SGB IX), und zwar auch dann, wenn gegen die Zustimmung vom betroffenen schwerbehinderten Arbeitnehmer Widerspruch erhoben worden ist.

Wenn die Zustimmung versagt wird, kann der Arbeitgeber dagegen Widerspruch erheben.

In den Fällen des § 88 Abs. 5 und der außerordentlichen Kündigung (§ 91 SGB IX), in welchen nach Fristablauf die Zustimmung als erteilt gilt, liegt ein Verwaltungsakt vor. Diese fingierte Zustimmung kann deshalb ebenfalls mit Widerspruch angefochten werden.

Auch für die außerordentliche Kündigung gilt nach § 91 SGB IX der Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. mit Ausnahme von § 86 SGB IX. D. h., es besteht keine Kündigungsfrist von mindestens 4 Wochen (§ 86 SGB IX). Eine fristlose außerordentliche Kündigung ist nach § 626 Abs. 1 BGB möglich, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der Arbeitgeber muss auch in den Fällen, in denen ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, vorher die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Wird eine solche Zustimmung nicht eingeholt, ist die Kündigung unwirksam. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung kann nach § 91 Abs. 2 SGB IX nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend für die Fristwahrung ist der Eingang des Antrages bei dem Integrationsamt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Das Integrationsamt muss die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an treffen. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung nach § 91 Abs. 3 SGB IX als erteilt. Damit kann die außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Im Hinblick auf die einzuholende Zustimmung des Integrationsamtes und die diesem eingeräumte Entscheidungsfrist kann die Frist des § 626 Abs. 2 BGB, wonach die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zulässig ist, nicht eingehalten werden. Deshalb sieht § 91 Abs. 5 SGB IX vor, dass die Frist auch dann noch eingehalten ist, wenn die Kündigung unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung ausgesprochen wird. Unverzüglich heißt, „ohne schuldhaftes Zögern". In Fällen einer fristlosen Kündigung ist es wegen der kurzen Frist, in welcher das Integrationsamt das Verfahren durchführen und seine Entscheidung treffen muss, dringend erforderlich, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer Kontakt zum Integrationsamt aufnimmt, insbesondere dann, wenn die Kündigung nach seiner Auffassung aufgrund der Schwerbehinderung erfolgt ist.

Das Integrationsamt soll bei außerordentlichen Kündigungen nämlich seine Zustimmung erteilen, wenn die Kündigungsgründe in keinem Zusammenhang zu der Behinderung stehen (§ 91 Abs. 4 SGB IX).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.5.4 Rechtsschutz

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er nach § 4 KSchG innerhalb der kurzen Frist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Diese Ausschlussfrist läuft auch wenn der Arbeitnehmer beim Betriebsrat Einspruch gegen die nach seiner Meinung sozial ungerechtfertigte Kündigung einlegt. Es muss also auch in diesem Fall innerhalb von 3 Wochen seit Zugang der Kündigung geklagt werden. Liegt eine Änderungskündigung im Sinn von § 2 KSchG vor, ist die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab. Das ist bei schwerbehinderten Arbeitnehmern in aller Regel der Fall; denn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf nach § 85 SGB IX mit Ausnahme der in § 90 SGB IX genannten Fälle der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Es genügt also nicht, dass der Arbeitgeber den Antrag auf Zustimmung erst stellt, wenn er die Kündigung dem schwerbehinderten Arbeitnehmer gegenüber ausgesprochen hat.

Bei der Entscheidung des Integrationsamtes über die Zustimmung zu einer Kündigung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, welcher mit Widerspruch bzw. bei negativem Widerspruchsbescheid mit Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden kann. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 88 Abs. 4 SGB IX). Daraus folgt, dass mit Zugang der Kündigung die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG auch dann zu laufen beginnt, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer gegen die Zustimmung Widerspruch erhoben hat. Das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht und das Widerspruchsverfahren bzw. gegebenenfalls das Klageverfahren gegen die Zustimmung vor dem Verwaltungsgericht laufen parallel. Die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht muss auf jeden Fall, und zwar auch dann erhoben werden, wenn keine Entscheidung des Integrationsamtes vorliegt. Eine Kündigung ohne dessen Zustimmung ist zwar nichtig, eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht aber dennoch nicht über­flüssig. Denn der schwerbehinderte Arbeitnehmer braucht, um seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gegen den Arbeitgeber durchsetzen zu können, eine vollstreckbare Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Um nichts zu versäumen, wird geraten, folgen­dermaßen vorzugehen:

Sobald die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung zugegangen ist, muss der schwerbehinderte Arbeitnehmer

  1. Widerspruch gegen die Zustimmung beim Integra­tionsamt einlegen (Frist: 1 Monat) und im Falle einer ungünstigen Entscheidung der Widerspruchsstelle Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht erhe­ben (Frist: 1 Monat nach Zustellung des Wider­spruchsbescheides),
  2. Kündigungsschutzklage gegen den Arbeitgeber innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht erheben mit dem Ziel, gerichtlich feststellen zu lassen, dass das Arbeits­verhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst ist, sondern fortbesteht.

Im Kündigungsschutzprozess überprüft das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung nach den allgemeinen Bestimmungen des KSchG. Zusätzlich muss das Arbeitsgericht feststellen, ob bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des schwerbehinderten Arbeitnehmers die Zustimmung des Integrationsamtes vorhanden war oder nicht. Ob die Zustimmung wirksam bzw. rechtmäßig erteilt worden ist oder nicht, darf das Arbeitsgericht nicht selbstständig überprüfen. Insoweit ist es an das Ergebnis des Widerspruchs- und Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht gebunden. Deshalb kann das Arbeitsgericht grundsätzlich erst nach Abschluss des Widerspruchs- und Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht abschließend entscheiden. Wenn das Arbeitsgericht trotzdem bereits abschließend entschieden hat, obwohl das Widerspruchs- und Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht noch nicht abgeschlossen waren, muss das Arbeitsgerichtsverfahren im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens mit Hilfe einer so genannten Restitutionsklage wieder aufgegriffen werden, wenn die Zustimmung vom Verwaltungsgericht rechtskräftig als unrichtig verworfen worden ist. Nach § 79 Arbeitsgerichtsgesetz gelten für dieses Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff.) entsprechend. Nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO ist die Restitutionsklage möglich, wenn eine Partei eine Urkunde erlangt, und damit vorlegen kann, welche eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die Restitutionsklage muss nach § 585 ZPO innerhalb einer Notfrist von einem Monat erhoben werden. Diese Frist beginnt mit dem Erhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

5.5.5 Erweiteter Beendigungsschutz

Ein erweiterter Beendigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer besteht nach § 92 SGB IX. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen endet nicht automatisch, wenn dies im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung, z. B aufgrund eines Tarifvertrages erfolgt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf auch in diesem Fall der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Die Vorschriften des 4. Kapitels des SGB IX über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gelten entsprechend. Tarifvertragsklauseln über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt der Berufs- oder Erwerbsminderung gelten dann nicht, wenn die Erwerbsminderungsrente nur auf Zeit bewilligt wird. Dies bedeutet: Nach Ablauf der im Bescheid festgelegten Frist tritt der Arbeitnehmer wieder in sein fortbestehendes („ruhendes") Arbeitsverhältnis ein, sofern dieses nicht inzwischen zulässigerweise anderweitig aufgelöst worden ist.

In den Fällen des Eintritts einer vollen Erwerbsminderung ist § 92 SGB IX nicht anzuwenden, besteht also der in dieser Bestimmung gewährte Beendigungsschutz nicht.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


6. Förderung der beruflichen Eingliederung nach dem SGB II

Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeit Suchende.

Das SGB II enthält die Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige und der Personen, die mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zurückgehend auf die Vorschläge der sog. Hartz-Kommission werden im SGB II - Grundsicherung für Arbeit Suchende - die früheren Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zu einem einheitlichen Leistungssystem für den von diesem Gesetz betroffenen Personenkreis zusammengefasst.

Das SGB II sieht einerseits mit dem Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor, welche sich an Grundsätzen des Sozialhilferechts orientieren. Andererseits enthält das Gesetz ein Paket von Anreizen und Sanktionen, die in ihrem Zusammenspiel auf eine Aktivierung der Arbeit Suchenden abzielen sollen (BT-Drs. 15/1516, S. 46 f.).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.1 Ziel des SGB II

Ziel des SGB II ist es, nach § 1 Abs. 1 die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sollen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützt und der Lebensunterhalt gesichert werden, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Die Leistungen sind u. a. darauf auszurichten, dass

  • durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzt oder der Umfang der Hilfebedürftigkeit verringert wird,
  • die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen erhalten, verbessert oder wieder hergestellt wird und
  • behindertenspezifische Nachteile überwunden werden.

§ 1 Abs. 2 teilt die Leistungen zur Grundsicherung in aktive und passive Leistungen auf. Eingliederungsleistungen nach Abs. 2 Nr. 1 dienen der Beseitigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit vorrangig durch Erwerbstätigkeit. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Abs. 2 Nr. 2) stellen die eigentliche

Grundsicherung für Arbeit Suchende und ihre Bedarfsgemeinschaft dar.

Es gilt der Grundsatz des Förderns und Forderns. Der Grundsatz des Forderns ist in § 2 näher erläutert, der des Förderns allerdings erst im Dritten Kapitel (Grundsatz des Förderns, § 14). Das SGB II geht damit von dem Konzept des „aktivierenden Sozialstaats“, das zunehmend an die Stelle des „fürsorgenden Sozialstaats“ tritt, aus.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.2 Leistungsberechtigte

Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind hilfsbedürftige Erwerbsfähige, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben. Weitere Voraussetzung ist, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 SGB II). Nach § 7a SGB II wird die Altersgrenze schrittweise vom vollendeten 65. auf das vollendete 67. Lebensjahr (für die nach dem 1. Januar 1964 Geborenen) angehoben. Das entspricht der Anhebung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft muss also mindestens ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger gehören. Die nicht erwerbsfähigen hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft haben Anspruch auf Sozialgeld nach Maßgabe des § 28 SGB II. Die Bedarfsgemeinschaft ist ein aus dem Sozialhilferecht stammender Begriff. Die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft hat erheblichen Einfluss auf die Leistungen zum Lebensunterhalt im Rahmen der Grundsicherung, weil das Einkommen und Vermögen von Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nach Maßgabe der §§ 11, 12 SGB II zu berücksichtigen ist. Wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ist § 7 Abs. 3 SGB II zu entnehmen. Eine Bedarfsgemeinschaft kann aus einer oder aus mehreren Personen bestehen. Zu jeder Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II mindestens ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB II. Von diesem wird vermutet, dass er die Bedarfsgemeinschaft vertritt (vgl. § 38 SGB II). Es können auch mehrere erwerbsfähige Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, z.B. 2 erwerbsfähige Partner oder 2 erwerbsfähige Partner und ein oder mehrere erwerbsfähige unverheiratete Kinder unter 25 Jahren. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II gehören die Eltern, bzw. ein Elternteil und der Partner dieses Elternteils eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes unter 25 Jahren in demselben Haushalt ebenfalls zur Bedarfsgemeinschaft. Voraussetzung ist allerdings eine Haushaltsgemeinschaft, in der diese Personen gemeinsam wohnen und aus einem Topf wirtschaften. Kinder sind auch angenommene, für ehelich erklärte und nichteheliche Kinder. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II richtet sich, wer als Partner erwerbsfähiger Hilfebedürftiger der Bedarfsgemeinschaft angehört. Partner kann der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (Nr. 3a), der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner (Nr. 3b) und der mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Einstehensgemeinschaft bildende Partner (Nr. 3c) sein. Partner im Sinn von Abs. 3 Nr. 3c ist auch, wer mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft oder nicht eingetragener gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft lebt. Von einer Einstehensgemeinschaft i.S.d. Abs. 3 Nr. 3c ist nicht bei Geschwistern oder anderen zusammenlebenden Verwandten auszugehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 20 zu § 7 SGB II). Da das Vorhandensein einer ehe- oder partnerschaftsähnlichen Gemeinschaft schwer nachzuweisen ist, enthält § 7 Abs. 3a SGB II eine Beweislastumkehr bei der Prüfung, ob eine solche Gemeinschaft vorliegt. Nach dieser Regelung wird eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft vermutet, wenn die Partner

  1. länger als ein Jahr zusammenleben,
  2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
  3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
  4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in § 7 Abs. 3 Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Wenn sie ihren eigenen Lebensunterhalt aus Einkommen oder Vermögen beschaffen können, gehören sie nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Daraus folgt, dass Einkommen und Vermögen minderjähriger Kinder nicht zur Deckung des Lebensbedarfs der Eltern eingesetzt werden muss.

Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Es scheiden also nur die voll Erwerbsgeminderten im Sinn von § 43 Abs. 2 SGB VI aus. Blinde Menschen ohne weitere Behinderungen sind in diesem Sinn in aller Regel nicht voll erwerbsgemindert.

Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei einer Bedarfsgemeinschaft ist das Einkommen und Vermögen gemäß den Regelungen in § 9 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigen.

Zum anzurechnenden Einkommen und Vermögen vgl. unten unter 6.3.2 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3 Leistungen

Die Grundsicherung für Arbeit Suchende umfasst nach § 1 Abs. 2 SGB II Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts. Arbeitslosigkeit ist, wenn sie auch häufig gegeben sein wird, nicht Voraussetzung für den Bezug von Grundsicherung für Arbeit Suchende. Die Grundsicherung stellt einen normierten Bedarf dar. Wird ein anzurechnendes Arbeitseinkommen durch Leistungen der Grundsicherung aufgestockt, so liegt eine Art Kombilohn vor.

Als Leistungsarten stehen nach § 4 Abs. 1 SGB II Dienstleistungen, Geldleistungen und Sachleistungen zur Verfügung. Erbracht werden Dienstleistungen, insbesondere durch Information, Beratung und umfassende Unterstützung durch einen persönlichen Ansprechpartner mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit und Geldleistungen, insbesondere zur Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Dabei gilt der Grundsatz des Förderns und Forderns. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen (§ 2 Abs. 1 SGB II).

Nach § 15 Abs. 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger in der Eingliederungsvereinbarung mit dem Betroffenen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen,

  1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält,
  2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat.
  3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat.

In der Eingliederungsvereinbarung kann auch vereinbart werden, welche Leistungen die Personen erhalten, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Diese Personen sind hierbei zu beteiligen (§ 15 Abs. 2).

Die Eingliederungsvereinbarung soll für sechs Monate geschlossen werden. Danach soll eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden. Bei jeder folgenden Eingliederungsvereinbarung sind die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 1). Der Abschluss der Eingliederungsvereinbarung ist zwar freiwillig. Ein gewisser Druck ergibt sich aber daraus, dass, falls eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, die Regelungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen sollen. Außerdem kann das Arbeitslosengeld II nach § 31 Abs. 1 Nr. 1a um 30 % gekürzt werden.

Wenn es sich bei einem hilfebedürftigen Erwerbsfähigen um eine blinde oder sehbehinderte Person handelt, sollte bei der Auswahl des nach § 14 zu bestimmenden persönlichen Ansprechpartners unbedingt darauf geachtet werden, dass dieser Erfahrungen im Bereich der beruflichen Eingliederung blinder und sehbehinderter Menschen hat.

Dem Grundsatz des Förderns und Forderns dient auch das Sofortangebot nach § 15a SGB II. Danach sollen erwerbsfähige Erstantragsteller (Personen, die innerhalb der letzten zwei Jahre weder Leistungen nach dem SGB II noch nach dem SGB III bezogen haben) bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Sofortangebot zur Aufnahme einer Beschäftigung oder Qualifizierung erhalten. Hierdurch soll Hilfebedürftigkeit vermieden und auch die Bereitschaft des Hilfe Suchenden zur Arbeitsaufnahme überprüft werden (BT-Drs. 16/1410, S. 21). Die Ablehnung der Aufnahme oder Fortführung eines solchen Sofortangebotes wird durch eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II sanktioniert.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1 Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

Was als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden kann, ist den §§ 16 ff. SGB II zu entnehmen. Den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird nach § 16 SGB II das gesamte Spektrum an Eingliederungsleistungen nach dem SGB III (Arbeitsförderung) eröffnet, das im Einzelfall dazu eingesetzt werden kann, um den Betroffenen in das Erwerbsleben zu integrieren. Die Regelung ist abschließend, soweit die arbeitsmarktpolitischen Instrumente nach dem Recht der Arbeitsförderung betroffen sind. Die §§ 16a bis 16g regeln weitere eigenständige Instrumente für das Recht der Grundsicherung für Arbeit Suchende.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.1 Eingliederungsleistungen nach dem SGB III für das Recht der Grundsicherung für Arbeit Suchende

§ 16 Abs. 1 SGB II enthält eine Auflistung der Eingliederungsleistungen, die von der Agentur für Arbeit oder dem optierenden kommunalen Träger aus dem Spektrum des SGB III auf der Grundlage des SGB II in der Regel als Ermessensleistung erbracht werden können. Dabei handelt es sich um folgende Regelleistungen grundsätzlich für alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen:

  1. Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung nach § 35 SGB III (Vermittlungsangebot) als Pflichtaufgabe und die übrigen Leistungen zur Beratung und Vermittlung als Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB III (§§ 29 bis 44 SGB III);
  2. Leistungen an Arbeitnehmer nach dem Vierten Kapitel des SGB III:
    • vermitttlungsunterstützende Leistungen (Förderung aus dem Vermittlungsbudget, Maßnahmen zu Aktivierung und beruflichen Eingliederung, §§ 45 bis 47 SGB III);
    • Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (Lehrgangskosten, Fahrkosten, Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung und Kosten für die Betreuung von Kindern, §§ 77 bis 87 SGB III);
  3. Leistungen an Arbeitgeber nach dem Fünften Kapitel des SGB III:
    • Leistungen zur Eingliederung von Arbeitnehmern (Eingliederungszuschüsse, Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen, Eingliederungsgutscheine, Eingliederungsgutscheine für ältere Arbeitnehmer, §§ 217 bis 224 SGB III);
    • Leistungen zur Einstiegsqualifizierung, zur beruflichen Ausbildung, zur beruflichen Weiterbildung und zur Teilhabe am Arbeitsleben (Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung für schwerbehinderte Menschen, Förderung betrieblicher Einstiegsqualifizierungen durch Zuschüsse zur Vergütung, Zuschüsse zum Arbeitsentgelt bei beruflicher Weiterbildung, Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung bei betrieblicher Aus- oder Weiterbildung von behinderten Menschen, Arbeitshilfen für behinderte Menschen und Kosten für eine befristete Probebeschäftigung behinderter Menschen, §§ 235 bis 239 SGB III);
  4. Leistungen an Träger nach dem Sechsten Kapitel des SGB III:
    • Förderung der Berufsausbildung und Beschäftigung begleitende Eingliederungshilfen (insbesondere Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung zuzüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und des Beitrags zur Unfallversicherung, Maßnahmekosten, Maßnahmekosten als Zuschüsse für zusätzliche Hilfen als eine Beschäftigung begleitende Eingliederungshilfe, auch sozialpädagogische Begleitung und organisatorische Unterstützung, §§ 240 bis 247 SGB III); am 1.8.2009 treten Neufassungen der §§ 240 bis 242 und §§ 244 bis 246 SGB III in Kraft, § 241a wird in geänderter Fassung § 243; die Vorschriften regeln die Unterstützung und Förderung der Berufsausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen, die außerbetriebliche Berufsausbildung (§§ 240 bis 242 SGB III), die sozialpädagogische Begleitung und organisatorische Unterstützung bei betrieblicher Berufsausbildung und Berufsausbildungsvorbereitung (§ 243 SGB III) für förderungsbedürftige Jugendliche (§ 245 SGB III). Die Leistungen werden in § 246 SGB III zusammengefasst. Die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (§§ 260 ff. SGB III) ist im Recht der Grundsicherung ab 2009 nicht mehr vorgesehen, die Leistungen zur Förderung von Beschäftigung schaffender Infrastrukturmaßnahmen (§ 279a SGB III) sind gänzlich, auch im Recht der Arbeitsförderung entfallen;
  5. übergangsweise mögliche Leistungen nach den Sonderregelungen des Dreizehnten Kapitels des SGB III:
    • Förderung beschäftigter, mindestens 50-jähriger Arbeitnehmer (Übernahme von Weiterbildungskosten, Zuschüsse zum Arbeitsentgelt, § 417 SGB III);
    • Förderung älterer Arbeitnehmer mit Eingliederungszuschüssen (§ 421f SGB III); die Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16g SGB II steht für einen Eingliederungszuschuss gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 SGB II der Ausübung einer Beschäftigung in einer Arbeitsbeschaffungs- oder Strukturanpassungsmaßnahme gleich;
    • Erfüllung eines Vergütungsanspruchs eines privaten Vermittlers aufgrund eines Vermittlungsgutscheins (Vermittlungsvergütung, § 421g SGB III); die Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16g SGB II steht für einen Vermittlungsgutschein gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 der Ausübung einer Beschäftigung in einer Arbeitsbeschaffungs- oder Strukturanpassungsmaßnahme gleich;
    • Tragung der Beiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (Übernahme des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosenversicherung, § 421k SGB III);
    • Förderung mit einem Qualifizierungszuschuss an Arbeitgeber für jüngere Arbeitnehmer (§ 421o SGB III), ab 1.8.2009 sind auch notwendige Maßnahmen zur sozialpädagogischen Begleitung i.S.d. § 243 Abs. 1 SGB III förderungsfähig;
    • Förderung jüngerer Arbeitnehmer durch einen Eingliederungszuschuss an Arbeitgeber (§ 421p SGB III);
    • Förderung von Berufsorientierungsmaßnahmen über einen Zeitraum von 4 Wochen hinaus und außerhalb der unterrichtsfreien Zeit (§ 421q SGB III).

(Aufstellung entnommen Haufe Onlinekommentar RZ. 6 zu § 16 SGB II).

Für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige gelten wesentliche Förderungsregelungen des Siebten Abschnittes aus dem Vierten Kapitel des SGB III:

  1. allgemeine Leistungen sowie besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen innerhalb des näher bestimmten Leistungsrahmens (§§ 97 bis 99 SGB III);
  2. allgemeine Leistungen umfassen die vermittlungsunterstützenden Leistungen (§ 100 Nr. 1 SGB III) und die Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (§ 100 Nr. 4 SGB III);
  3. folgende Besonderheiten für allgemeine Leistungen:
  • vermittlungsunterstützende Leistungen bei Aufnahme einer Beschäftigung können auch an nicht arbeitslose behinderte Menschen erbracht werden, wenn dadurch eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann (§ 101 Abs. 1 SGB III);
  • berufliche Aus- und Weiterbildungen im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung sind auch förderungsfähig, wenn sie abweichend von den Ausbildungsordnungen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe oder in Sonderformen für behinderte Menschen durchgeführt werden; begleitende Hilfen und Übergangshilfen sind möglich (§ 101 Abs. 2 SGB III); ab 1.9.2008 kann die Förderung bei Bedarf ausbildungsbegleitende Hilfen nach dem Ersten Abschnitt des Sechsten Kapitels des SGB III umfassen;
  • berufliche Weiterbildung kann auch gefördert werden, wenn behinderte Menschen nicht arbeitslos oder nicht als Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss mindestens 3 Jahre beruflich tätig gewesen sind oder wenn es zur (weiteren) Teilhabe am Arbeitsleben einer längeren oder erneuten Förderung bedarf (§ 101 Abs. 5 SGB III);
  1. als besondere Leistungen werden die Teilnahmekosten an einer Maßnahme einschließlich eingliederungsbegleitender Dienste sowie Leistungen in Sonderfällen der Unterbringung und Verpflegung erbracht, dies kann auch als Teil eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets geschehen (§ 102, § 103 Satz 1 Nr.3 und Satz 2, §§ 109, 111 SGB III). Dadurch wird eine vollständige Leistungserbringung auf der Grundlage des SGB II gewährleistet und im Interesse einer Verwaltungsvereinfachung die Förderung der Teilnahmekostenerstattung nach einheitlichen Grundsätzen sichergestellt.

(Aufstellung entnommen Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 16 SGB II).

Für die Regelleistungen und die Leistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige ergeben sich aus § 16 Abs. 1 Satz 1 bis 3 folgende Regeln:

  1. Die Vermittlungsleistungen (§ 35 SGB III) sind Pflichtleistungen der Grundsicherungsstellen.
  2. Die übrigen Leistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 sind immer Kann-Leistungen, die nach pflichtgemäßem Ermessen der Grundsicherungsstellen zu erbringen sind, auch wenn die Leistungen im SGB III als Pflichtleistungen ausgestaltet sein sollten. Ausnahmen davon werden im SGB II ausdrücklich bestimmt, z.B. der Rechtsanspruch auf Zuweisung in eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach einer Arbeitslosigkeit von 6 Monaten (§ 16 Abs. 1 Satz 4 SGB II i.V.m. § 46 Abs. 3 SGB III).
  3. Für Leistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige nach § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II folgt das SGB II stets dem SGB III: Sind im SGB III Leistungen als Pflichtleistungen ausgestaltet, gilt dies auch für die Erbringung dieser Leistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2. Sind im SGB III Leistungen als Ermessensleistungen ausgestaltet, gilt dies auch für die Erbringung dieser Leistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2.
  4. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für die Regelleistungen und die Leistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige werden gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 im SGB II geregelt. Nur soweit hier keine eigenständigen Regelungen getroffen werden, gelten die im SGB III geregelten Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Dabei wird folgerichtig nicht geprüft, ob die Voraussetzungen zum Bezug der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld (Alg) vorliegen, wenn dies bei einzelnen Eingliederungsleistungen erforderlich wird, sondern stattdessen, ob die Voraussetzungen für den Bezug von Alg II nach dem SGB II vorliegen. Die jeweilige Verweisung auf das SGB III trifft im Übrigen lediglich nicht auf Anordnungen zu, die nach dem SGB III vom Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit erlassen werden. Sie gelten bei der Leistungsgewährung nach dem SGB II nicht (eine Ausnahme bildet die Erreichbarkeits-Anordnung nach § 7 Abs. 4a).
    (Vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 16 SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2 Eigenständige Instrumente im SGB II für das Recht der Grundsicherung für Arbeit Suchende

Originäre arbeitsmarktpolitische Instrumente nach dem SGB II sind in eigenständigen Vorschriften (§§ 16a ff. SGB II) geregelt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.1 Kommunale Eingliederungsleistungen

Nach § 16a SGB II können zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit die folgenden Leistungen, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind, erbracht werden: Definitionsliste mit 4 Einträgen

  1. die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen,
  2. die Schuldnerberatung,
  3. die psychosoziale Betreuung,
  4. die Suchtberatung.

Die Vorschrift enthält die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen der kommunalen Leistungsträger (Kreise und kreisfreie Städte) zur Eingliederung in Arbeit.

§ 16a zählt die Leistungen auf, die als sozialintegrative Leistungen die arbeitsmarktpolitischen Instrumente begleiten oder vorbereiten. Die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder und die häusliche Pflege von Angehörigen (Nr. 1), die Schuldnerberatung (Nr. 2), die psychosoziale Betreuung (Nr. 3) und die Suchtberatung (Nr. 4) sind originäre Leistungen in der Zuständigkeit der kreisfreien Städte und Kreise (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Sie werden durch die zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a SGB II erbracht. Soweit Arbeitsgemeinschaften gebildet worden sind, ist es erforderlich, dass der

jeweilige kommunale Träger der Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben nach § 16a SGB II auf diese überträgt, dies war Ende 2008 nur zu ca. einem Zehntel der Arbeitsgemeinschaften der Fall. Im Übrigen werden die Leistungen nach § 16a SGB II durch die jeweiligen kommunalen Träger selbst erbracht. Den Agenturen für Arbeit sind die Leistungen nach § 16a SGB II verwehrt; sind die Aufgaben nicht auf eine Arbeitsgemeinschaft übertragen worden, bedarf es einer Kooperation zwischen Arbeitsgemeinschaft und kommunalem Träger zur Abstimmung der Erbringung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Dasselbe gilt, wenn keine Arbeitsgemeinschaft gebildet worden ist, sondern die Leistungen nach dem SGB II von der Agentur für Arbeit und dem kommunalen Träger in getrennter Aufgabenwahrnehmung erbracht werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 16a SGB II).

Es handelt sich um Ermessensleistungen. Die Maßnahmen müssen geeignet sein, die Eingliederung in Arbeit zu erleichtern.

§ 16a Nr. 1 SGB II greift unmittelbar die erforderliche Betreuung von Kindern und die häusliche Pflege von Angehörigen auf, die eine Erwerbstätigkeit unmöglich machen können. In erster Linie wird nach § 16a Nr. 1 SGB II eine Geldleistung, z.B. auch ein befristeter Zuschuss, erbracht, mit der die Übernahme von Betreuungsleistungen bezahlt werden kann. Die Leistung ist nur erforderlich, wenn die Betreuung nicht anderweitig innerhalb der Bedarfsgemeinschaft oder unter weiteren Angehörigen organisiert werden kann.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.2 Einstiegsgeld

Eine besondere Leistung zur Förderung der beruflichen Eingliederung stellt das Einstiegsgeld nach § 16b SGB II dar. Das Einstiegsgeld ist an eine selbstständige Tätigkeit oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geknüpft. Eine selbstständige Tätigkeit ist eine Erwerbstätigkeit auf eigenes finanzielles und soziales Risiko. Die Rechtsprechung hat als wesentliche Merkmale die im Wesentlichen frei gestaltbare Tätigkeit sowie die freie Bestimmung von Arbeitszeit und Arbeitsort herausgearbeitet. Ob eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen im Einzelfall zu entscheiden. Zielrichtung des Einstiegsgeldes ist es, in schwierigen Fällen Anreize zu setzen, um die Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit oder einer selbstständigen Tätigkeit zu beseitigen. Jedenfalls kann auch verhindert werden, dass durch Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit das verfügbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft sinkt. Es kann für maximal 24 Monate geleistet werden und muss für die Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt erforderlich sein. Es kann durchaus zweckmäßig sein, das Einstiegsgeld nur für kürzere Zeiträume, z.B. zunächst für 6 Monate zu genehmigen und bei Bedarf dann über die Weitergewährung, eventuell auch in veränderter Höhe erneut zu entscheiden. Auf das Einstiegsgeld besteht kein Rechtsanspruch. Es ist eine Ermessensleistung. Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes soll die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, in welcher der erwerbsfähige Hilfebedürftige lebt. Die Bemessung des Einstiegsgeldes wird in einer Rechtsverordnung geregelt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.3 Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen

Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können nach § 16c Abs. 2 SGB II Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern erhalten, die für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit notwendig und angemessen sind. In der Regel werden Darlehen gewährt. Zuschüsse dürfen einen Betrag von 5.000,00 Euro nicht übersteigen.

Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können nach § 16c Abs. 1 SGB II nur gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch die selbstständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Als angemessener Zeitraum soll bei Existenzgründern nach der Gesetzesbegründung ein Zeitraum bis zu 24 Monaten zu Grunde gelegt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 16c SGB II). Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit soll die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen. Dieser Begriff ist dem Recht der Arbeitsförderung über den Gründungszuschuss entnommen. § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III

nennt als fachkundige Stellen insbesondere die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

Die Aufzählung ist nicht abschließend. Fachkundige Stellen können auch Einrichtungen sein, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf Existenzgründungsberatung und -vorbereitung ausgerichtet ist, z.B. lokale Gründungsinitiativen oder Gründungszentren (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 16c SGB II). Sofern die Grundsicherungsstellen eigene Kompetenzen zur Bewertung von Unternehmen aufgebaut haben, kann auf die Einschaltung einer externen fachkundigen Stelle verzichtet werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 16c SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.4 Arbeitsgelegenheiten

Rechtsgrundlage ist § 16d SGB II. Dieser lautet:

„Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

§ 16d SGB II verfolgt das vorrangige Ziel des SGB II, die Arbeit Suchenden in eine Erwerbstätigkeit zu integrieren. Die Leistungsträger und Arbeitsgemeinschaften sind aufgefordert, Arbeitsgelegenheiten für diejenigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu schaffen, die keine Arbeit finden können. Zu den Arbeitsgelegenheiten gehören seit dem 1.1.2009 nicht mehr die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente aus dem Leistungsspektrum genommen worden sind. Die verbliebenen Arbeitsgelegenheiten sind u.a. auf den Sektor der öffentlich geförderten Beschäftigungen auszurichten. Sie sollen also im öffentlichen Interesse liegen und dadurch sollen zusätzliche Arbeiten erledigt werden, wie es auch ein Förderungsgrundsatz für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen war (vgl. § 260 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).

Arbeitsgelegenheiten sind den Erwerbsfähigen vorbehalten, die keine Arbeit finden können. Die Regelung unterstellt umfassende, aber ergebnislose Eigenbemühungen. Auch die Bemühungen der Vermittlung in Arbeit durch andere Förderinstrumente müssen erfolglos sein.

Unterschieden werden zwei Varianten von Arbeitsgelegenheiten, nämlich

  • Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante (§ 16d S. 1 SGB II) und
  • Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (Zusatzjobs), (§ 16d S. 2 SGB II).

Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung begründen kein Arbeitsverhältnis i.S.d. Arbeitsrechts, sondern ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis besonderer Art. Das Arbeitslosengeld II wird weitergewährt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für den Mehraufwand. Förderfähig sind im öffentlichen Interesse liegende und zusätzliche Arbeiten. Weil kein reguläres Arbeitsverhältnis entsteht, ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich an, dass die Arbeitsschutzvorschriften und Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend anzuwenden sind. Das gilt lediglich nicht hinsichtlich des Urlaubsentgelts, weil der erwerbsfähige Hilfebedürftige während des Urlaubs Alg II erhält. Die Entschädigung für Mehraufwendungen wird nicht als Urlaubsentgelt gezahlt. Auch hinsichtlich der Haftung für Schäden werden die Hilfebedürftigen den Arbeitnehmern kraft Gesetzes (§ 16d Satz 2 letzter HS SGB II) gleichgestellt.

Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante begründen ein Arbeitsverhältnis ohne Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung (§ 27 Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b SGB III). Die Teilnehmer erhalten ein Arbeitsentgelt aufgrund eines Arbeitsvertrages. Die Arbeiten müssen nicht zwingend im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich, sondern können auch erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sein. Sie lassen eine offene Ausgestaltung zu. In Abgrenzung zu Eingliederungszuschüssen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 217 ff. SGB III einerseits und zu Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16e SGB II andererseits sollen durch Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante grundsätzlich befristete Beschäftigungen gefördert werden.

Für behinderte Menschen ist zu beachten: Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB IX durch die zuständigen Rehabilitationsträger haben, sollen grundsätzlich nicht in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden. Nach § 33 Abs. 1 SGB IX werden vom zuständigen Rehabilitationsträger die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen. Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II kommen nur in Betracht, sofern vorrangige Eingliederungsleistungen nicht zur Verfügung stehen. Gerade diese sind aber durch den zuständigen Rehabilitationsträger für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen. Der Träger der Grundsicherung nach dem SGB II hat anschließend die Aufgabe der zügigen Integration in den regulären Arbeitsmarkt. Aufgrund dieser vorrangigen Leistungen kommt eine Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit in der Regel nicht in Frage. Sollte in besonderen Ausnahmefällen dennoch eine Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten in Betracht gezogen werden, so ist vor Aufnahme in eine Arbeitsgelegenheit mit dem Rehabilitationsträger abzuklären, wie dieser das Rehabilitationsverfahren fortzusetzen beabsichtigt. Dessen Leistungen sind in jedem Fall vorrangig (vgl. Arbeitshilfe Arbeitsgelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit A 6.3 - im Internet veröffentlicht www.arbeitsagentur.de).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.5 Leistungen zur Beschäftigungsförderung Langzeitarbeitsloser mit Vermittlungshemmnissen

Arbeitgeber können nach § 16e Abs. 1 SGB II einen Beschäftigungszuschuss als Ausgleich der zu erwartenden Minderleistungen des Arbeitnehmers und einen Zuschuss zu sonstigen Kosten erhalten. Voraussetzung ist, dass

  1. der erwerbsfähige Hilfebedürftige das 18. Lebensjahr vollendet hat, langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 SGB III ist und in seinen Erwerbsmöglichkeiten durch mindestens zwei weitere in seiner Person liegende Vermittlungshemmnisse (z.B. fehlende berufliche Qualifikation, gesundheitliche Einschränkungen, Schulden) besonders schwer beeinträchtigt ist,
  2. der erwerbsfähige Hilfebedürftige auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten betreut wurde und Eingliederungsleistungen unter Einbeziehung der übrigen Leistungen nach dem SGB II erhalten hat,
  3. eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate ohne die Förderung nach § 16e Abs. 1 S. 1 SGB II nicht möglich ist und
  4. zwischen dem Arbeitgeber und dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Arbeitsverhältnis mit in der Regel voller Arbeitszeit unter Vereinbarung des tariflichen Arbeitsentgelts oder, wenn eine tarifliche Regelung keine Anwendung findet, des für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelts begründet wird. Die vereinbarte Arbeitszeit darf die Hälfte der vollen Arbeitszeit nicht unterschreiten.

Langzeitarbeitslose sind gem. § 18 Abs. 1 SGB III Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Neben der Langzeitarbeitslosigkeit müssen nach § 16e Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mindestens 2 weitere Vermittlungshemmnisse in der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vorliegen. Solche Vermittlungshemmnisse sind z.B. eine fehlende schulische oder berufliche Qualifikation, ein fehlender Berufsabschluss, gesundheitliche Einschränkungen oder Behinderung, mangelhafte Sprachkenntnisse, fortgeschrittenes Alter, aber auch psychische Beeinträchtigungen, Wohnungslosigkeit, Überschuldung oder eine kriminelle Vergangenheit. Diese Beispiele sind nicht abschließend. Die Entscheidung über das Vorliegen dieser oder weiterer eine Vermittlung hemmende Merkmale, durch die bei einer Gesamtschau die Erwerbsmöglichkeiten besonders schwer beeinträchtigt sind und daher nur sehr geringe Chancen auf eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehen, ist im Rahmen des nach §§ 14 ff. SGB II erfolgenden Fallmanagements vor Ort zu treffen (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 16e SGB II).

§ 16e Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II setzt eine intensive Betreuung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ohne Eingliederungserfolg von mindestens 6 Monaten voraus. Grundlage ist die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II, in der die einzelnen Schritte dokumentiert werden. Die Betreuungszeit soll dazu genutzt werden, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit den anderen nach § 16 Abs. 1 SGB II und den §§ 16a bis 16d sowie §§ 16f bis 16g SGB II zur Verfügung stehenden arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zu integrieren. Solche Instrumente sind nach § 16 Abs. 1 SGB II die Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB III, nach § 16a SGB II die kommunalen Eingliederungsleistungen, wie die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung, nach § 16b SGB II das Einstiegsgeld, nach § 16c SGB II Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen, nach § 16d SGB II die Vermittlung von Arbeitsgelegenheiten, nach § 16f SGB II die freie Förderung aus den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln und nach § 16g SGB II Fortsetzung der Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit während der Durchführung einer Maßnahme zur Eingliederung. Das zeigt, dass § 16e SGB II gegenüber diesen Maßnahmen subsidiär ist.

Die Höhe des Beschäftigungszuschusses richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und kann nach § 16e Abs. 2 SGB II bis zu 75 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts betragen. Die Höhe richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bezug auf den konkreten Arbeitsplatz. Sie kann deshalb auch niedriger festgesetzt werden, wenn die Leistungsfähigkeit des Erwerbsfähigen im konkreten Einzelfall höher eingeschätzt wird. Berücksichtigungsfähig sind

  1. das zu zahlende tarifliche Arbeitsentgelt oder, wenn eine tarifliche Regelung keine Anwendung findet, das für vergleichbare Tätigkeiten ortsübliche zu zahlende Arbeitsentgelt und
  2. der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung, da für eine geförderte Beschäftigung gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c SGB III keine Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung besteht. Der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag beträgt 20 % des Arbeitsentgelts.

Der Förderbetrag ist nach § 16e Abs. 2 S. 3 um Erstattungen an den Arbeitgeber zu vermindern, die dieser aus einem Ausgleichssystem erhält. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit die relevanten Angaben zu machen, z.B. bei Kofinanzierungen mit Landesmitteln oder aus kommunalen Haushalten.

Nach § 16e Abs. 3 SGB II kann ein Zuschuss zu sonstigen Kosten erbracht werden

  1. für Kosten für eine begleitende Qualifizierung in pauschalierter Form bis zu einer Höhe von 200,00 Euro monatlich sowie
  2. in besonders begründeten Einzelfällen einmalig für weitere notwendige Kosten des Arbeitgebers für besonderen Aufwand beim Aufbau von Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Übernahme von Investitionskosten ist ausgeschlossen.

Die Förderdauer beträgt nach § 16e Abs. 4

  1. für den Beschäftigungszuschuss bis zu 24 Monate. Der Beschäftigungszuschuss soll anschließend ohne zeitliche Unterbrechung unbefristet erbracht werden, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne die Förderung nach Absatz 1 Satz 1 voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate nicht möglich ist,
  2. für die sonstigen Kosten nach Absatz 3 Nr. 1 bis zu zwölf Monate je Arbeitnehmer.

Das Arbeitsverhältnis darf befristet geschlossen werden. § 16e Abs. 6 SGB II bestimmt, dass die Förderung mit einem Beschäftigungszuschuss einen sachlichen Grund darstellt, der die Befristung rechtfertigt. Deswegen darf sich die Befristung auch auf die Förderdauer beziehen. Daher kann das Arbeitsverhältnis zunächst auf die Dauer der Regelförderung befristet werden, wenn die Leistungsträger bzw. Arbeitsgemeinschaften den Beschäftigungszuschuss zunächst für 24 Monate zuerkennen. Diese Befristungsmöglichkeit hat ihren Grund darin, dass anderenfalls eine Einstellung nicht erreichbar wäre.

§ 16e Abs. 4 Nr. 1 S. 2 SGB II erlaubt nach Ablauf von 24 Monaten eine weitere unbefristete Förderung. Dabei handelt es sich um eine Soll-Vorschrift. Das zeigt, dass die unbefristete Förderung den Regelfall bildet. Voraussetzung für die unbefristete Förderung ist eine erneute Prognoseentscheidung, nach der auch in den nächsten 24 Monaten ohne eine Förderung mit dem Beschäftigungszuschuss für den Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich sein wird. Eine unbefristete Förderung kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber nur einen befristeten Arbeitsvertrag schließt. Insoweit folgt die Förderung jeweils

den Bedingungen des Arbeitsvertrages (Haufe Onlinekommentar RZ. 87 zu § 16e SGB II). Eine unbefristete Förderung darf nicht verweigert werden, weil absehbar ist, dass der Arbeitnehmer später wieder ohne den Beschäftigungszuschuss auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann; dem steht die Prognoseentscheidung über die nächsten 24 Monate entgegen. Für solche Fälle, in denen der Arbeitnehmer später wieder ohne den Beschäftigungszuschuss auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann, trifft § 16e Abs. 7 SGB II die notwendigen Aufhebungsregelungen (Haufe Onlinekommentar RZ. 88 zu §16e SGB II).

§ 16e Abs. 8 SGB II enthält gesetzliche Kündigungsberechtigungen, die das Ziel der Beschäftigungsförderung unterstützen. Das Arbeitsverhältnis kann nach § 16e Abs. 8 Nr. 1 vom Arbeitnehmer ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn er eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufnehmen kann. Damit will der Gesetzgeber vermeiden, dass die Chance auf Aufnahme einer regulären Beschäftigung nicht genutzt wird, weil der Arbeitnehmer eine Kündigungsfrist einzuhalten hat.

§ 16e Abs. 8 Nr. 2 SGB II räumt dem Arbeitgeber ein fristloses Kündigungsrecht ein, wenn die Förderung nach § 16e Abs. 7 S. 1 oder 2 aufgehoben wird. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass dem Arbeitgeber eine Beschäftigung ohne den Beschäftigungszuschuss nicht zumutbar ist und beseitigt den Grund für eine mögliche Zurückhaltung vor Beschäftigungen nach § 16e SGB II, weil das Risiko befürchtet wird, betriebswirtschaftlich nur mit dem Beschäftigungszuschuss rentable Arbeitnehmer zeitweise ohne die Förderung beschäftigen zu müssen. Die Kündigungsberechtigung bezieht sich auf das Ende der Förderung, nicht auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung (Haufe Onlinekommentar RZ. 97 zu § 16e SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.6 Freie Förderung

Durch § 16f wird die freie Förderung in den Katalog der arbeitsmarktpolitischen Instrumente nach dem SGB II aufgenommen. Den Trägern der Grundsicherung für Arbeit Suchende wird die Möglichkeit eingeräumt, einen begrenzten Teil des Haushaltsansatzes einzusetzen, um die mit den gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen bestehenden Eingliederungsmöglichkeiten zu erweitern. Die Agentur für Arbeit kann nach § 16f Abs. 1 SGB II bis zu 10 Prozent der nach § 46 Abs. 2 SGB II auf sie entfallenden Eingliederungsmittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu erweitern. Die freien Leistungen müssen den Zielen und Grundsätzen des SGB II entsprechen.

Dadurch soll eine möglichst passgenaue Hilfe erreicht werden, wenn die gesetzlich geregelten arbeitsmarktpolitischen Instrumente im Einzelfall nicht ausreichen. Eine Kombination mit gesetzlich geregelten Eingliederungsmaßnahmen oder deren inhaltliche Veränderung ist nach § 16f Abs. 2 S. 2 SGB II möglich. Durch die freien Maßnahmen dürfen aber die gesetzlich geregelten Maßnahmen gemäß § 16f Abs. 2 S. 3 SGB II nicht umgangen oder aufgestockt werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind nach § 16f Abs. 2 S. 4 Maßnahmen für Langzeitarbeitslose im Sinn von § 18 SGB III (Arbeitslosigkeit von einem Jahr oder länger), bei denen in angemessener Zeit von in der Regel sechs Monaten nicht mit Aussicht auf Erfolg auf einzelne Gesetzesgrundlagen dieses Buches oder des Dritten Buches zurückgegriffen werden

kann. In diesen Fällen ist ein Abweichen von den Voraussetzungen und der Förderhöhe gesetzlich geregelter Maßnahmen zulässig (§ 16f Abs. 2 S. 5 SGB II).

Zusammen mit den erweiterten Möglichkeiten zur flexiblen und passgenauen Leistungserbringung im Rahmen des neuen Vermittlungsbudgets (§ 45 SGB III) und der Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 46 SGB III), die über § 16 Abs. 1 SGB II auch im SGB II Anwendung finden, stehen den Leistungsträgern damit weite Handlungsspielräume zur Umsetzung passgenauer Förderansätze zur Verfügung (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 16f SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.1.2.7 Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit

Ergänzt werden die arbeitsmarktpolitischen Instrumente durch § 16g SGB II. Problematisch kann die Situation werden, wenn bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der an einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit teilnimmt, nach Beginn dieser Maßnahme die Hilfebedürftigkeit im Sinn von § 9 SGB II wegfällt. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft steigt und die Einkommensgrenze überschritten wird. Nach § 16g Abs. 1 S. 1 SGB II kann bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit in diesem Fall die Maßnahme weiter gefördert werden, wenn dies wirtschaftlich erscheint und der Erwerbsfähige die Maßnahme voraussichtlich erfolgreich abschließen wird. Die Förderung soll in diesem Fall (Regelfall) als Darlehen erbracht werden. Das Darlehen ist zinslos zu gewähren (Haufe Onlinekommentar RZ. 21 zu § 16g SGB II). Im Einzelfall ist es aber auch möglich, die Eingliederungsleistungen bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit entgegen dem Regelfall als Zuschuss zu erbringen (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 16g SGB II).

§ 16g Abs. 2 SGB II trägt dem Umstand Rechnung, dass Förderregelungen darauf ausgerichtet sein können, dem Arbeitgeber oder dem Träger einer Maßnahme einen Teil des Arbeitsentgelts oder der Vergütung zuzuschießen, die diese an Arbeitnehmer oder Teilnehmer an einer Eingliederungsmaßnahme erbringen, z.B. im Rahmen von Beschäftigungen mit Förderung durch einen Eingliederungszuschuss. Das Arbeitsentgelt bzw. die Vergütung ist im Rahmen der Bestimmungen des § 11 SGB II und der aufgrund der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 SGB II erlassenen Alg II-V sowie § 30 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Dadurch kann Hilfebedürftigkeit entfallen, sodass der Betroffene nicht mehr dem Rechtskreis des SGB II zuzurechnen ist und keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende mehr erhalten kann. Dabei ist das wichtigste Ziel der Grundsicherung

für Arbeit Suchende, erwerbsfähige Hilfebedürftige nachhaltig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren, nicht gewährleistet. Eine Weiterförderung nach § 16g Abs. 2 SGB II ist deshalb möglich, solange ein Arbeitgeber oder ein Träger zur Förderung des Erwerbstätigen eine Geldleistung aufgrund eines arbeitsmarktpolitischen Instruments nach dem SGB III, der Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d Satz 1 SGB II oder aufgrund der Förderung mit Beschäftigungszuschüssen nach § 16e SGB II erhalten (Haufe Onlinekommentar RZ. 23 zu § 16g SGB II).

Bei den weiterhin zu erbringenden Leistungen handelt es sich um Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen. Die Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen erfassen den gesamten Dienstleistungskatalog nach dem Dritten Kapitel des SGB III (insbesondere um ein Vermittlungsangebot nach § 35 SGB III). Weitere Leistungen sind die Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme zur Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme (§ 46 Abs. 1 Nr. 5 SGB III) sowie Kinderbetreuung und häusliche Pflege, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung und Suchtberatung nach § 16a SGB II. Dem Betroffenen kann zudem das Einstiegsgeld nach Maßgabe des § 16b SGB II gewährt werden. Die Leistungen sollen regelmäßig Bestandteil einer Eingliederungsvereinbarung sein. Über die Erbringung der Leistungen ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 16g SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.3.2 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

Bei der Prüfung der Bedürftigkeit wird beim SGB II immer von der Bedarfsgemeinschaft ausgegangen.

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind in den §§ 19 ff. SGB II geregelt. Diese Leistungen werden auch während der Eingliederungsmaßnahmen in das Arbeitsleben erbracht. Nach § 19 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II

  1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung,
  2. unter den Voraussetzungen des § 24 einen befristeten Zuschlag.

Dieser Zuschlag ist jedoch kein Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, sondern wird zusätzlich gewährt.

Auf die Leistungen ist das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen anzurechnen.

Das Arbeitslosengeld II kann die alleinige Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes sein, aber auch die Versicherungsleistung, Arbeitslosengeld oder unzureichendes Arbeitseinkommen aufstocken. Das Arbeitslosengeld II ist dem Sozialhilferecht nachgebildet.

Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.

Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345,00 Euro.

Haben zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2. Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2 (§ 20 Abs. 3).

Die Regelleistungen sind dynamisiert. Die Regelleistung nach Absatz 2 wird gemäß § 20 Abs. 4 jeweils zum 1. Juli eines Jahres um den Vomhundertsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Für die Neubemessung der Regelleistung findet § 28 Abs. 3 Satz 5 des Zwölften Buches entsprechende Anwendung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gibt jeweils spätestens zum 30. Juni eines Kalenderjahres die Höhe der Regelleistung nach Absatz 2, die für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesgesetzblatt bekannt.

Leistungen für Mehrbedarfe, welche nicht durch die Regelleistungen abgedeckt sind, sind in § 21 Abs. 2 bis 5 aufgeführt. Es handelt sich in den Abs. 2, 3 und 5 um Mehrbedarfe für

  • werdende Mütter,
  • allein für die Pflege und Erziehung Minderjähriger sorgender Personen,
  • aus medizinischen Gründen erforderliche kostenaufwändige Ernährung.

Nach § 21 Abs. 4 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Dieser Mehrbedarf kann auch nach Beendigung der genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, zuerkannt werden.

Die Summe des insgesamt berücksichtigten Mehrbedarfs darf die Höhe der für erwerbsfähige Hilfebedürftige maßgebenden Regelleistung nicht übersteigen (§ 21 Abs. 6).

Für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Leistungen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der durch die Blindheit einer Person erforderliche zusätzliche Raumbedarf ist zu berücksichtigen. In DIN 18025 Teil 2 werden als Mehrbedarf 15 qm angesetzt.

An unter 25-jährige Hilfebedürftige werden Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht erbracht, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung herbeizuführen (§ 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II). Die Regelung soll sicherstellen, dass Jugendliche die notwendige Zusicherung des Leistungsträgers für eine Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht dadurch umgehen können, dass sie bereits vor Beginn des Leistungsbezuges eine Wohnung beziehen (BT-Drs. 16/1696, S. 27).

Innerhalb des Zeitraumes von 2 Jahren nach Bezug des Arbeitslosengeldes nach dem SGB III wird ein sich aus § 24 SGB II ergebender Zuschlag zum Regelbedarf gewährt. Dadurch soll ein zu großer Absturz des Einkommens vermieden werden.

Der Sicherung des Lebensunterhalts dient auch das Sozialgeld. Dieses erhalten nach § 28 Abs. 1 SGB II erwerbsunfähige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ haben. Diese gehen dem Sozialgeld vor. Anspruchsberechtigt sind auch Bezieher von teilweiser oder voller Erwerbsminderungsrente auf Zeit. Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer beziehen oder das 65. Lebensjahr vollendet haben, haben keinen Anspruch auf Sozialgeld. Sie können bei Bedürftigkeit Leistungen nach dem Kapitel 4 des SGB XII „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ beantragen.

Das Sozialgeld umfasst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Dabei gelten nach § 28 SGB II ergänzend folgende Maßgaben:

  1. Die Regelleistung beträgt bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert und im 15. Lebensjahr 80 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung,
  2. Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 4 werden auch an behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, gezahlt, wenn Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Zwölften Buches erbracht wird,
  3. 21 Abs. 4 Satz 2 gilt auch nach Beendigung der in § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Zwölften Buches genannten Maßnahmen,
  4. nicht erwerbsfähige Personen erhalten einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen „G“ sind; dies gilt nicht, wenn bereits ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 oder § 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 besteht.

Das bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigende Einkommen ergibt sich aus § 11 SGB II. Einkommen sind danach grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Was vom Einkommen abzuziehen ist, wie z. B. Steuern und Versicherungsbeiträge, enthält § 11 Abs. 2 SGB II. Einnahmen, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, enthält § 11 Abs. 3. Dazu zählen auch Einnahmen, die einem bestimmten Zweck dienen. Deshalb zählen das Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen bzw. die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII oder Leistungen nach dem SGB XI (soziale Pflegeversicherung) nicht zum Einkommen.

Was als Vermögen einzusetzen ist, ist § 12 SGB II zu entnehmen. Als Vermögen sind danach alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Vom Vermögen sind nach § 12 Abs. 2 SGB II Freibeträge abzusetzen, und zwar nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100,00 Euro; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 9.750,00 Euro nicht übersteigen, ferner ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100,00 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind (§ 12 Abs. 2 Nr. 1a), außerdem Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet bzw. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250,00 Euro nicht übersteigt (§ 12 Abs. 2 Nr. 3). Schließlich ist noch ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen zu berücksichtigen.

Nach § 12 Abs. 3 sind als so genanntes Schonvermögen außerdem nicht zu berücksichtigen:

  1. angemessener Hausrat,
  2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
  3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist,
  4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
  5. Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
  6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Die Regelungen für das einzusetzende Einkommen und Vermögen sind ähnlich, aber etwas großzügiger gestaltet als nach dem elften Kapitel „Einsatz des Einkommens und Vermögens“ (§§ 82 ff. für das Einkommen und §§ 90 ff. für das Vermögen) im SGB XII für die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII), bzw. die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 bis 46 SGB XII).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.4 Zumutbarkeit einer Arbeit

Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist nach § 10 Abs. 1 SGB II jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass er zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist oder die Ausübung der Arbeit ihm die künftige Ausübung seiner bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt. Die durch die Blindheit oder Sehbehinderung gezogenen Grenzen müssen also beachtet werden.

In § 10 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 werden Gründe genannt, welche der Zumutbarkeit einer Arbeit entgegenstehen. So ist eine Arbeit unzumutbar, wenn die Ausübung der Arbeit die Erziehung seines Kindes oder des Kindes seines Partners gefährden würde. Die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des SGB VIII oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird. Ein Grund für die Unzumutbarkeit ist auch, dass die Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht. Eine niedrige Entlohnung ist im Allgemeinen kein wichtiger Grund. Liegt eine Entlohnung unterhalb des Ortsüblichen, so ist diese dennoch zumutbar, solange die Entlohnung nicht gegen Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Ein solcher Verstoß wird im Allgemeinen angenommen, wenn die Entlohnung 30 % oder noch mehr unterhalb der tariflichen Entlohnung liegt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.5 Anreize und Sanktionen

Dem Grundsatz des Förderns und Forderns dienen die in den §§ 30 ff. SGB II geregelten Anreize und Sanktionen.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.5.1 Anreize

Zu den Anreizen zählen neben dem Einstiegsgeld nach § 16b SGB II (s. o. 6.3.1.2.2) die Freibeträge, die auf ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II eingeräumt werden. Ob das Einkommen aus einer sozialversicherungspflichtigen oder -freien, aus einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit resultiert, ist unerheblich, solange das Einkommen nur Ergebnis der Verwertung der Arbeitskraft ist. Die Vorschrift bestimmt, in welcher Höhe Einkommen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus Erwerbstätigkeit von der Anrechnung auf das Alg II ausgenommen wird. Das soll dem Grundsatz Rechnung tragen, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld zur Verfügung haben soll als derjenige, der trotz Erwerbsfähigkeit nicht arbeitet. Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag neben den in § 11 Abs. 2 Nrn. 1 - 5 genannten Abzugsbeträgen abzusetzen. Der § 11 Abs. 2 und § 30 sind also immer zusammen zu betrachten. Der Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 beträgt 100,00 Euro. D. h. die ersten 100,00 Euro des monatlichen Einkommens bleiben bei der Anrechnung unberücksichtigt. Die Freibeträge nach § 30 belaufen sich

  1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,00 Euro übersteigt und nicht mehr als 800,00 Euro beträgt, auf 20 vom Hundert und
  2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800,00 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200,00 Euro beträgt, auf 10 vom Hundert.

An Stelle des Betrages von 1.200,00 Euro tritt für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben (Familienkomponente), ein Betrag von 1.500,00 Euro. In diesem Fall beträgt also der Abzugsbetrag für den Teil des Einkommens, der mehr als 800,00 Euro und nicht mehr als 1.500,00 Euro beträgt, 10 vom Hundert.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.5.2 Sanktionen

Die §§ 31 und 32 regeln die Konsequenzen bei sozialwidrigem Verhalten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft. Nach dem Sozialstaatsgebot und unter Beachtung der Grundrechte nach dem GG kann die Grundsicherung des SGB II eingeschränkt, aber nicht vollständig gestrichen werden.

Bei Pflichtverletzungen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen drohen nach § 31 SGB II erhebliche Sanktionen. Der Hilfsbedürftige ist nach § 2 SGB II verpflichtet, konkrete Schritte zur Behebung seiner Hilfsbedürftigkeit zu unternehmen. Er hat sich vorrangig und selbstständig um die Beendigung der Erwerbslosigkeit zu bemühen und aktiv an allen Maßnahmen zur Unterstützung dieses Zieles mitzuwirken. Kommt ein Hilfebedürftiger diesen Verpflichtungen nicht nach, so treten Sanktionen in Form von Kürzungen oder gar des Wegfalls von Arbeitslosengeld II ein (§ 31 SGB II).

Sanktionen treten beispielsweise ein, wenn sich der Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen oder Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit abgelehnt oder abgebrochen hat oder sich weigert, eine im öffentlichen Interesse liegende zumutbare Tätigkeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 auszuführen. Sanktionen treten auch ein, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat. Zum Zumutbarkeitsgebot vgl. § 10 SGB II.

In den genannten Fällen wird die monatliche Regelleistung nach § 31 Abs. 1 in einer ersten Stufe um 30 % gekürzt. Außerdem entfällt der nach § 24 SGB II im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld befristete Zuschlag zum Arbeitslosengeld II.

Kommt der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nach, wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 gemäß § 31 Abs. 2 SGB II in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt.

Die Sanktionen nach § 31 Abs. 1 oder 2 treten nicht ein, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Damit hat der Gesetzgeber die Beweislast umgekehrt. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss die sich aus seiner Sphäre oder seinem Verantwortungsbereich ergebenden Tatsachen nachweisen, die einen wichtigen Grund für seine Weigerung begründen können.

Liegen die Voraussetzungen für die Sanktionen nach Abs. 1 oder Abs. 2 vor, können diese Rechtsfolgen auch kumulativ eintreten.

Bei einer ersten wiederholten Verletzung der sich aus § 31 Abs. 1 SGB II ergebenden Pflichten innerhalb eines Jahres erfolgt nach der dreimonatigen Absenkung um 30 % eine Absenkung auf 60 %. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres fällt das Arbeitslosengeld II ganz weg. Der vollständige Wegfall kann wieder auf eine Minderung auf 60% abgemildert werden, wenn sich der Hilfebedürftige nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.

Wiederholte Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 2 SGB II (Meldeversäumnisse) führen ebenfalls zu einer verschärften Absenkung des Arbeitslosengeldes II. Das Arbeitslosengeld II wird in diesem Fall um den Prozentsatz gemindert, der sich aus der Summe des in Abs. 2 genannten Prozentsatzes und dem der jeweils vorangegangenen Absenkung nach Abs. 2 zu Grunde liegenden Prozentsatz ergibt. So wird z.B. derjenige, der nach einem Meldeversäumnis zunächst von einer dreimonatigen Absenkung um 10% betroffen war, bei einer wiederholten Pflichtverletzung nach Abs. 2 innerhalb eines Jahres mit einer Absenkung um 20% sanktioniert.

Bei einer Minderung der Regelsätze um mehr als 30 % können in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen erbracht werden, um das Existenzminimum zu sichern.

Weitere Sanktionen treten nach § 31 Abs. 4 in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 3 ein, wenn nach Vollendung des 18. Lebensjahres das Einkommen oder Vermögen mit der Absicht vermindert wird, einen Anspruch oder eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II zu erwirken oder wenn der Bewerber trotz Belehrung über die Rechtsfolgen sein unwirtschaftliches Verhalten nicht ändert (z.B. ständig hohe Telefon- oder Stromkosten hat).

Verschärfte Sanktionen treten bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren ein (§ 31 Absatz 5 SGB II). Das Arbeitslosengeld II fällt bei wiederholter Pflichtverletzung vollständig weg. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung können erbracht werden (Ermessen), wenn der Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen. Es ist nur noch die Gewährung von ergänzenden Sachleistungen zur Existenzsicherung möglich. Über die Rechtsfolgen muss vorher eine Belehrung erfolgen.

Nach § 31 Abs. 6 SGB II treten Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate, auch wenn das pflichtwidrige Verhalten zwischenzeitlich aufgegeben worden ist. Diese Frist kann jedoch auf 6 Wochen verkürzt werden. Während der Absenkung oder des Wegfalls der Leistung besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des SGB XII. Über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 1 bis 3 ist der erwerbsfähige Hilfebedürftige vorher zu belehren. Fällt in diese Zeit eine erneute Pflichtverletzung, tritt eine neue dreimonatige Sanktionszeit in Kraft, die sich an die ersten drei Monate anschließt oder sich teilweise überschneiden kann.

Auch bei Beziehern von Sozialgeld können aufgrund von Pflichtverletzungen nach § 32 SGB II Sanktionen eintreten. Die Vorschrift enthält Regelungen zur Absenkung und zum Wegfall des Sozialgeldes für die nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Wie sich aus der Verweisung auf § 31 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ergibt, sind Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass einer Aufforderung des Sozialleistungsträgers zur persönlichen Meldung und/oder einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen, nicht nachgekommen wird, ein Bedürftiger nach Vollendung des 18. Lebensjahres das Einkommen oder Vermögen mit der Absicht vermindert, einen Anspruch oder eine Erhöhung des Sozialgeldes zu erwirken oder der Hilfebedürftige sein unwirtschaftliches Verhalten trotz Belehrung über Rechtsfolgen nicht ändert. Die Sanktionen sind die gleichen wie beim Arbeitslosengeld II.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.6 Verpflichtungen Anderer

Die Verpflichtungen Anderer sind im SGB II Kapitel 3, Abschnitt 2, 4. Unterabschnitt §§ 33 - 35 geregelt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.6.1 Übergang von Ansprüchen

Nach § 33 Abs. 1 S. 1 können die Träger der Leistungen nach diesem Buch, also die Arbeitsagenturen oder kommunalen Träger (§§ 6 ff.), durch schriftliche Anzeige an den Anderen bewirken, dass der Anspruch bis zur Höhe der zur Sicherung des Lebensunterhalts erbrachten Leistungen auf sie übergeht, wenn Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, haben. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind das Arbeitslosengeld II, das Sozialgeld und das Einstiegsgeld. Diese Vorschrift beruht darauf, dass die Grundsicherung für Arbeit Suchende nachrangig ist. § 33 regelt den Übergang von Ansprüchen gegen Dritte, die nicht Sozialleistungsträger sind und gegen Unterhaltspflichtige nach bürgerlichem Recht. Anderer i.S.d. § 33 Abs. 1 ist jede natürliche oder juristische Person, die nicht selbst Leistungsträger gemäß § 12 SGB I ist. Erstattungsansprüche gegen andere Sozialleistungsträger richten sich nach den §§ 102 ff. SGB X.

Die Überleitung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Vgl. dazu z. B. §§ 399 und 400 BGB.

§ 33 Abs. 2 grenzt die Möglichkeit der Überleitung bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche ein. Wenn der Unterhaltspflichtige mit dem Unterhaltsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist dem Leistungsträger die Überleitung des Unterhaltsanspruches untersagt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Wenn der Leistungsempfänger einen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch gegen einen Verwandten nicht geltend macht, dürfen die Ansprüche nur dann übergeleitet werden, wenn es sich um Unterhaltsansprüche minderjähriger Hilfebedürftiger (unter 18 Jahre) oder von mindestens 18, aber unter 25 Jahren ohne abgeschlossene Erstausbildung, gegen ihre Eltern handelt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2). Eine Überleitung ist auch ausgeschlossen, wenn eine Frau schwanger ist oder ihr leibliches Kind unter sechs Jahren betreut und sie in einem Kindschaftsverhältnis zum Unterhaltsverpflichteten steht (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3). Die Beschränkungen tragen den besonderen Lebensumständen der Berechtigten und Verpflichteten Rechnung. Durch diese Regelung sollen Beziehungsstörungen, die durch die Überleitungsanzeige ausgelöst werden könnten, vermieden werden.

Der Übergang darf nach § 33 Abs. 2 S. 2 nur bewirkt werden, soweit das Einkommen und Vermögen der unterhaltsverpflichteten Person das nach den §§ 11 und 12 SGB II zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigt.

Erstattungsansprüche gegen Arbeitgeber und Schadenersatzpflichtige, z.B. aus unerlaubter Handlung sind nach § 33 Abs. 4 vorrangig nach den §§ 115 und 116 SGB X zu verfolgen. Diese sind vorrangig zu verfolgen, schließen aber letztlich einen Anspruchsübergang nach § 33 im Nachrangwege nicht aus.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.6.2 Ersatzansprüche wegen sozialwidrigen Verhaltens

In § 34 sind Ersatzansprüche gegen Leistungsempfänger wegen sozialwidrigen Verhaltens geregelt. Ein solches Verhalten liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vor, wenn ein Tun oder Unterlassen aus Sicht der die Mittel aufbringenden Solidargemeinschaft zu missbilligen ist.

§ 34 Abs. 1 normiert den Ersatzanspruch wegen der zu missbilligenden Tatbestandsmerkmale. Danach ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet:

„Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig

  1. die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder
  2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,

ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat.“

Ein Beispiel für die Herbeiführung der Hilfsbedürftigkeit ist die leichtfertige Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses, ohne dass dafür ein wichtiger Grund vorlag (Sperrzeittatbestand nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b). Voraussetzungen sind also schuldhaftes Handeln ohne wichtigen Grund und eine kausale Herbeiführung von Leistungszahlungen. Aber selbst unter diesen Voraussetzungen soll ein bestehender Ersatzanspruch nicht geltend gemacht werden, wenn dadurch nunmehr der Ersatzpflichtige selbst künftig von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder der Sozialhilfe (SGB XII) würde. Durch diese Bestimmung soll ein Drehtüreffekt vermieden werden.

Die Ersatzpflicht betrifft nur rechtmäßig geleistete Zahlungen. Die Erstattung rechtswidriger Zahlungen richtet sich nach den §§ 45 ff. SGB X.

§ 34 Abs. 2 bestimmt den Übergang einer nach Abs. 1 gegebenen Ersatzpflicht auf den Erben. Die Folge ist, dass das Nachlassvermögen vorrangig zur Begleichung der Ersatzansprüche herangezogen wird. Durch die Begrenzung der Ersatzpflicht auf den Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalls wird das außer der Erbschaft vorhandene Vermögen des Erben geschützt.

Nach § 34 Abs. 3 erlischt der Ersatzanspruch drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß. Dabei steht der Erhebung der Klage der Erlass eines Leistungsbescheides gleich. Nach Ablauf der Erlöschensfrist bedarf es, anders als bei der Verjährung nach dem BGB, keiner Einrede des Ersatzpflichtigen, der Leistungsträger darf keinen Ersatz mehr verlangen. Abs. 3 schafft Klarheit über den Bestand von Ersatzansprüchen. Sind nach der Leistungserbringung das laufende Kalenderjahr und drei weitere Kalenderjahre abgelaufen, erlischt der Anspruch auf Ersatz. Er kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sich nicht durch die entsprechende Anwendung der maßgebenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Verlängerung oder Erneuerung der Erlöschensfrist etwas anderes ergibt.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.6.3 Erbenhaftung

In § 35 wird die Ersatzpflicht eines Erben des Leistungsempfängers geregelt. Die Vorschrift normiert eine eigenständige Haftungsverpflichtung des Erben unabhängig von sonstigen Anspruchsübergängen oder Ersatzansprüchen, wie sie sich z. B. aus § 34 Abs. 2 ergeben können (s. o. 6.6.2). Abs. 1 bestimmt die Erbenhaftung dem Grunde nach. Sie besteht für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall an den Verstorbenen erbracht worden sind. Die Erstattungspflicht tritt nur ein, soweit die Leistungen einen Grundfreibetrag von 1.700,00 Euro übersteigen. Seine Haftung wird auf den Nachlasswert beschränkt. Der Erbe haftet nicht mit seinem unabhängig von der Erbschaft vorhandenen Vermögen.

§ 35 Abs. 2 regelt Fälle, in denen die grundsätzlich bestehende Haftung ganz oder teilweise entfällt. Der erste Fall (Abs. 2 Nr. 1) betrifft Fälle, in denen der Erbe der Partner des Leistungsempfängers war oder mit diesem verwandt war und nicht nur vorübergehend bis zum Tode des Leistungsempfängers mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt hat. Unter diesen Voraussetzungen wird ihm ein Freibetrag von 15.500,00 Euro eingeräumt.

Der zweite Fall (Abs. 2 Nr. 2) lässt die Ersatzpflicht ganz oder teilweise entfallen, soweit sie im Einzelfall eine besondere Härte bedeuten würde.

Nach § 35 Abs. 3 erlischt der Ersatzanspruch drei Jahre nach dem Tod des Leistungsempfängers. Die Frist ist damit im Regelfall kürzer als die Erlöschensfrist nach § 34 Abs. 3 Satz 1. Der Anspruch erlischt an dem Tage drei Jahre nach dem Tod des Leistungsempfängers, der das gleiche Tagesdatum trägt. In § 35 Abs. 3 Satz 2 wird auf § 34 Abs. 3 Satz 2 verwiesen. Das bedeutet, dass für die Hemmung und den Neubeginn der Erlöschensfrist die Regelungen über die Verjährung im BGB entsprechend gelten. Es gilt das oben zu § 34 Ausgeführte auch hier.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.7 Zuständigkeiten und Verfahren

6.7.1 Zuständigkeiten

Die sachliche Zuständigkeit ist im SGB II als Ergebnis eines langwierigen Gesetzgebungsverfahrens und damit verbundener Kompromisse reichlich kompliziert geregelt worden. Zuständig können nach § 6 die Bundesagentur für Arbeit und die Landkreise und kreisfreien Gemeinden für jeweils den ihnen dort zugewiesenen Aufgabenbereich sein. Das ist allerdings nur dort der Fall, wo keine Arbeitsgemeinschaft besteht, ist also die Ausnahme. Im Rahmen der Experimentierklausel des § 6a können bis zu 69 Gemeinden, die dafür optiert haben, für den gesamten in § 6b genannten Aufgabenbereich alleine zuständig sein. Schließlich und endlich sind im Regelfall die nach § 44b von den Leistungsträgern zu errichtenden Arbeitsgemeinschaften zuständig.

§ 6 Abs. 1 SGB II bestimmt die Bundesagentur für Arbeit und die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Leistungen nach dem SGB II. Zugleich werden die Aufgaben in Nr. 1 auf die Bundesagentur und in Nr. 2 auf die kommunalen Träger verteilt. Im Wesentlichen sind die Agenturen für Arbeit für Arbeitsmarktdienstleistungen (vgl. § 16 Abs. 1) und Leistungen zum Lebensunterhalt nach §§ 19 ff. mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22) sowie Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte, Erstausstattung für Kleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt sowie mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 Abs. 3) zuständig.

Für die kreisfreien Städte und Landkreise oder andere durch Landesrecht bestimmte Träger ergibt sich aus der Verweisung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 die Zuständigkeit für

  • die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen; die Schuldnerberatung; die psychosoziale Betreuung und die Suchtberatung, wenn diese Leistungen für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind (§ 16a SGB II),
  • Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II),
  • Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte,
  • Erstausstattung für Kleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt sowie mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 Abs. 3 SGB II).

Die Aufteilung der Zuständigkeiten nach § 6 auf die Arbeitsagenturen und die Landkreise bzw. kreisfreien Gemeinden führt dazu, dass es der Bürger mit zwei Ansprechpartnern zu tun hat. Um den daraus resultierenden Schwierigkeiten entgegenzuwirken und für einen einheitlichen Gesetzesvollzug durch einen Ansprechpartner zu sorgen, hat der Gesetzgeber die folgenden zwei Wege beschritten:

Um neue Wege bei der Grundsicherung erproben zu können, sollen nach der Experimentierklausel in § 6a SGB II bis zu 69 kommunale Träger mit umfassender Zuständigkeit, also auch mit der Zuständigkeit für die Eingliederung in Arbeit, wie sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitsagentur zukommt, eingerichtet werden. Davon sind nach den in § 6b enthaltenen Verweisungen zahlreiche Zuständigkeiten vor allem bei der Datenübermittlung und bei der Erstellung von Statistiken ausgenommen.

Die zweite Möglichkeit, einen einheitlichen Ansprechpartner zu schaffen, ist die Bildung von Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II. Danach errichten die Leistungsträger der sich aus dem SGB II ergebenden Leistungen durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften. Das ist der Regelfall. Weil das GG eine Aufgabenübertragung, wie sie in § 44b SGB II vorgesehen ist, nicht zulässt (Verbot der Mischverwaltung), ist gem. der Entscheidung des BVerfG v. 20.12.2007 (BGBl I 2008 S. 27) seit 21.1.2008 § 44b mit folgender Entscheidungsformel für verfassungswidrig erklärt worden: „§ 44b SGB II ist mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 83 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Vorschrift bleibt bis zum 31.12.2010 anwendbar, wenn der Gesetzgeber nicht zuvor eine andere Regelung trifft." Es ist damit zu rechnen, dass eine verfassungskonforme Lösung gesucht wird.

Derzeit gilt also für die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II folgendes: Die Arbeitsgemeinschaften werden in den nach § 9 Abs. 1a des Dritten Buches eingerichteten Job-Centern eingerichtet.

Nach § 44b Abs. 3 nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger nach dem SGB II wahr. Die kommunalen Träger sollen der Arbeitsgemeinschaft die Wahrnehmung ihrer sich aus dem SGB II ergebenden Aufgaben übertragen. Die Arbeitsgemeinschaft ist berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaft führt die zuständige oberste Landesbehörde im Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit.

Die örtliche Zuständigkeit ist in § 36 SGB II geregelt. Für die örtliche Zuständigkeit gilt der Grundsatz: Für die Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 ist die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Für die Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 ist der kommunale Träger zuständig, in dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen

gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Für die Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II als Träger der Grundsicherung für Arbeit Suchende fehlt eine ausdrückliche Regelung zur örtlichen Zuständigkeit. Wenn der Hilfe Suchende seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk der Arbeitsagentur und der Gemeinde hat, die eine Arbeitsgemeinschaft gebildet haben, ist diese örtlich zuständig. Problematisch ist die örtliche Zuständigkeit insbesondere in den Fällen zweier angrenzender Kommunen, wenn nur eine dieser Kommunen eine Arbeitsgemeinschaft mit der Agentur für Arbeit eingegangen ist und der Bezirk der Agentur für Arbeit beide kommunalen Gebiete umfasst. Hat der Hilfeempfänger seinen Wohnsitz in der Kommune, die keine Arbeitsgemeinschaft eingegangen ist, aber auch in dem Bezirk der Agentur für Arbeit, die mit der Nachbarkommune eine Arbeitsgemeinschaft bildet, so stellt sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Arbeitsgemeinschaft. Diese dürfte keine Zuständigkeit hinsichtlich der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 haben, da für diese Leistungen die Kommune zuständig ist, in der der Hilfebedürftige wohnt. In diesen Fällen ist daher kein einheitlicher Bescheid der Arbeitsgemeinschaft möglich.

Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Antragsteller dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 SGB I). Der gewöhnliche Aufenthalt muss sich im Inland befinden.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

6.7.2 Verfahren

Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II werden gemäß § 37 SGB II nur auf Antrag erbracht. Die bloße Kenntnis der Agentur für Arbeit von der Hilfebedürftigkeit einer Person reicht in diesem Fall - anders als im Sozialhilferecht - nicht aus. Für das Vorliegen eines „Antrags" reicht jede Erklärung, durch die jemand Sozialleistungen der Arbeitslosenversicherung ganz allgemein oder eine bestimmte Sozialleistung dieses Zweigs der Sozialversicherung begehrt. Anträge können grundsätzlich formlos gestellt werden. Wird der Antrag postalisch oder per E-Mail gestellt, so ist maßgebliches Datum der Tag des Post- bzw. E-Mail-Eingangs. Der Antragsteller ist aber im Rahmen von §§ 60 ff. SGB I zur Mitwirkung verpflichtet. Diese Mitwirkungspflicht umfasst in der Regel auch die Benutzung eines Antragsvordrucks. § 60 Abs. 2 SGB I bestimmt, dass Antragsformulare benutzt werden sollen, soweit diese für leistungsrechtliche Angaben vorgesehen sind. Ein wirksamer Antrag liegt aber auch dann vor, wenn der Antragsteller nicht die vorgegebenen Vordrucke verwendet hat. Die Leistungen erfolgen erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung.

Die Leistungen sollen nach § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden. Der Bewilligungszeitraum kann auf zwölf Monate verlängert werden, wenn mit einer Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu rechnen ist (§ 41 Abs. 1 Satz 5).

Für das Verfahren gilt nach § 40 Abs. 1 S. 1 das SGB X. Ferner sind nach § 40 Abs. 1 S. 2 wesentliche Sonderregelungen des Dritten Buches zum Verfahren entsprechend anwendbar. So wird in § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 auf Regelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III), in Nr. 1a. auf die Möglichkeit einer vorläufigen Entscheidung (§ 328 SGB III), in Nr. 2 auf die Möglichkeiten für die vorläufige Zahlungseinstellung (§ 331 SGB III) und in Nr. 3 auf die Regelungen für die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Abs. 1, 2 und 5 SGB III) verwiesen. Die im SGB II enthaltenen Sonderregelungen für das Verfahren gehen den Regelungen im SGB X vor.

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit und der Hilfebedürftigkeit erfolgt nach § 44a SGB II durch die Agentur für Arbeit. § 44a hat die Funktion als Schnittstelle zwischen dem SGB II und dem SGB XII.

Wenn der kommunale Träger oder ein anderer Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, die Auffassung der Agentur für Arbeit nicht teilt, entscheidet die nach § 45 SGB II zu bildende Einigungsstelle. Entscheidet z. B. die Agentur für Arbeit, dass Erwerbsfähigkeit nicht gegeben ist und schließt sich der in diesem Falle zuständige Träger der Sozialhilfe, der dann Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII erbringen müsste, der Auffassung der Agentur für Arbeit nicht an, hat die gemeinsame Einigungsstelle der beiden Träger nach § 45 zu entscheiden. Bis zur Entscheidung der Einigungsstelle erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende.

Speziell geregelt sind im achten Kapitel des SGB II (§§ 56 - 62) die Mitwirkungspflichten der am Leistungsverfahren nach dem SGB II Beteiligten sowie Dritter und ein umfassendes Recht zur Überprüfung der Angaben im Antrag durch Agenturen für Arbeit und Sozialämter. Die Verpflichtungen zur Erteilung von Auskünften erstrecken sich auch auf Dritte (vgl. insbesondere § 57 und 60 SGB II).

Bei allen im Antrag auf Grundsicherung für Arbeit Suchende erfragten Angaben besitzen die Agenturen für Arbeit und die Sozialämter ein Prüfrecht. Davon ist auch das Bankgeheimnis betroffen (§ 60 SGB II).

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


7. Spezialeinrichtungen für die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben

Nicht allen behinderten Menschen ist es infolge ihrer Behinderung möglich, die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erreichen oder ohne besondere Förderung zu erreichen. Für viele ist es nicht möglich, allein mit Hilfe des Regelinstrumentariums des Arbeitsförderungsrechts und des Schwerbehindertenrechts in das Arbeitsleben eingegliedert oder bei Arbeitslosigkeit wiedereingegliedert zu werden.

Hier bieten Integrationsprojekte, Werkstätten für behinderte Menschen und Blindenwerkstätten als spezielle Einrichtungen auch schwerstbehinderten Menschen die Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

7.1 Integrationsprojekte

Integrationsprojekte sind nach § 132 Abs. 1 SGB IX rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen (Integrationsunternehmen) oder unternehmensinterne oder von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 71 Abs. 3 geführte Betriebe (Integrationsbetriebe) oder Abteilungen (Integrationsabteilungen) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf diesem aufgrund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten auf besondere Schwierigkeiten stößt. Zu diesem Personenkreis zählen nach § 132 Abs. 2 SGB IX insbesondere schwerbehinderte Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung oder mit einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt außerhalb eines Integrationsprojekts erschwert oder verhindert, für die aber eine Werkstatt für behinderte Menschen nicht die adäquate Einrichtung ist. Andere vermittlungshemmende Umstände können das Lebensalter, Dauer der Arbeitslosigkeit oder die Art der beruflichen Qualifikation sein.

Integrationsprojekte sind aber auch für schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in einer psychiatrischen Einrichtung für den Übergang in einen Betrieb oder eine Dienststelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Betracht kommen und auf diesen Übergang vorbereitet werden sollen sowie schwerbehinderte Menschen nach Beendigung einer schulischen Bildung, die nur dann Aussicht auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben, wenn sie zuvor in einem Integrationsprojekt an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teilnehmen und dort beschäftigt und weiterqualifiziert werden, gedacht.

Bei den Integrationsprojekten handelt es sich nicht um Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinn von § 35 SGB IX, wie z. B. Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke. Integrationsprojekte sind vielmehr Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes.

In Integrationsunternehmen werden mindestens 25 Prozent schwerbehinderte Menschen im Sinne von § 132 Absatz 1 beschäftigt. Der Anteil der schwerbehinderten Menschen soll in der Regel 50 Prozent nicht übersteigen (§ 132 Abs. 3). Diese Sollgrenze hat das Ziel, eine wirtschaftliche Betriebsführung zu ermöglichen. Sie kann also vor allem dann überschritten werden, wenn trotz eines höheren Anteils schwerbehinderter Arbeitnehmer eine wirtschaftliche Betriebsführung möglich ist.

Ein besonderes Anerkennungsverfahren für Integrationsprojekte besteht nicht. Ob ein Integrationsprojekt den gesetzlichen Anforderungen entspricht, wird bei den Anträgen auf Förderung geprüft.

Die Integrationsprojekte haben nach § 133 SGB IX die Aufgabe, den schwerbehinderten Menschen Beschäftigung und arbeitsbegleitende Betreuung anzubieten. Dazu gehören, soweit erforderlich, auch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder Gelegenheit zur Teilnahme an entsprechenden außerbetrieblichen Maßnahmen und Unterstützung bei der Vermittlung in eine sonstige Beschäftigung in einem Betrieb oder einer Dienststelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie auch geeignete Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Beschäftigung in einem Integrationsprojekt.

Integrationsprojekte können nach § 134 SGB IX aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und für besonderen Aufwand erhalten. Bei den finanziellen Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe handelt es sich um eine Projektförderung. Diese Leistungen werden von den Integrationsämtern aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der Ausgleichsabgabe erbracht (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX, §§ 17 Abs. 1 Nr. 3, 28a SchwbAV).

Da die Mittel der Ausgleichsabgabeverordnung zweckgebunden nur für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben verwendet werden dürfen, kommt eine Förderung der Integrationsprojekte nur nach dem Anteil der in diesen Projekten beschäftigten schwerbehinderten Menschen in Betracht.

Unter besonderen Aufwand, für welchen Leistungen erbracht werden können, fallen Aufwendungen, die Integrationsprojekten durch die Aufgaben im Zusammenhang mit der Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen zusätzlich, also über die üblichen Kosten des laufenden Aufwands in einem Wirtschaftsunternehmen hinaus, entstehen. Diese Kosten können aus den Aufwendungen für einen besonderen Anleitungs- und Betreuungsaufwand sowie für arbeitsbegleitende und psychosoziale Betreuung bestehen.

Neben den Leistungen der Projektförderung können grundsätzlich auch in den Integrationsprojekten individuelle Leistungen erbracht werden, wie sie die Ausgleichsabgabeverordnung für Arbeitgeber und schwerbehinderte Menschen vorsehen (vgl. 5.3.1 und 5.3.2), jedoch nur insoweit, als sie durch Leistungen der Projektförderung nicht abgedeckt sind.

Solche Leistungen an den Arbeitgeber, sind z. B. die Förderung der behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeitsplätzen und Eingliederungszuschüsse wegen Minderleistung und außergewöhnlicher Belastungen sowie die Leistungen an behinderte Arbeitnehmer zur Ausstattung mit Hilfsmitteln und technischen Arbeitshilfen.

Zu den möglichen Leistungen gehören auch Eingliederungszuschüsse nach dem SGB III.

Für die Förderung von Integrationsprojekten hat die Arbeitsgemeinschaft der Integrationsämter Empfehlungen erarbeitet.

Steuerliche Vorteile können sich für Integrationsprojekte daraus ergeben, dass Integrationsprojekte i.S.d. § 132 Abs. 1 SGB IX, die mindestens 40 % besonders betroffene schwerbehinderte Menschen beschäftigen, nach § 68 Nr. 3 Buchst. c Abgabenordnung als Zweckbetriebe anzusehen und damit gemeinnützig sind.

Auch für blinde und sehbehinderte Menschen sind Integrationsprojekte entstanden. Ein Beispiel ist die „Blinde Musiker München GmbH“.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

7.2 Werkstätten für behinderte Menschen

Spezielle Einrichtungen zur Eingliede­rung in das Arbeitsleben und zu Beschäftigungen außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes sind die Werkstätten für behinderte Menschen. Rechtsquellen sind die §§ 39 ff., 136 ff. SGB IX und die Werkstattverordnung. Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gliedern sich in den Berufsbildungsbereich und in den Arbeitsbereich. Sie verfügen über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst.

Die Werkstätten sind mit ihrem Bildungsauftrag Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation neben den anderen Einrichtungen, wie Berufsbildungswerken oder Berufsförderungswerken. Sie sind mit ihrem Beschäftigungsauftrag aber auch Einrichtungen zur Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben.

Die Werkstatt für behinderte Menschen hat nach § 39 SGB IX die Aufgabe, behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können,

  1. eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und
  2. zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen.

Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen unab­hängig von Art und Schwere ihrer Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich ver­wertbarer Arbeit erbringen werden. Das „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" ist gesetzlich nicht definiert. Für das Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung reicht ein Minimum an Arbeitsleistung aus. Es reicht aus, wenn der behinderte Mensch irgendwie am Arbeitsauftrag der Werkstatt mitwirken kann, d.h. an der Herstellung und Erbringung der von der Werkstatt vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann, ohne sich und andere zu gefährden (BSG, Urteil v. 7.12.1983, 7 RAr 73/82, Urteil v. 29.6.1995, 11 RAr 57/94).

Behinderte Menschen, deren Leistungsver­mögen für solche Beschäftigungen nicht ausreicht, sol­len in Fördergruppen betreut werden, die den Werk­stätten angegliedert sind (§ 136 Abs. 3 SGB IX). Solche Einrichtungen werden auch als Einrichtungen „unter dem verlängerten Dach" der Werkstatt bezeichnet. Sie sind, obwohl der Träger in der Regel derselbe sein wird, nicht rechtlicher Teil der Werkstätten. In diesen Einrichtungen geförderte behinderte Menschen haben keinen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgeltes aus dem Arbeitsergebnis der Werkstätten und sie fallen nicht unter die für die Beschäftigten der Werkstatt geltenden Regelungen der Sozialversicherung.

Viele blinde Menschen, insbesondere mehrfach behinderte blinde Menschen, auf welche die geforderten Voraussetzungen zutreffen, werden in WfbM beschäftigt. Es gibt aber auch mehrere spezielle WfbM für blinde Menschen, in welchen auf ihre Bedürfnisse, z. B. hinsichtlich der Orientierungsmöglichkeiten und der Vermeidung zu großen Lärms, besonders Rücksicht genommen wird.

Die Werkstätten haben ein festes Einzugsgebiet und sind zur Aufnahme der behinderten Menschen, die die Voraussetzungen erfüllen, verpflichtet. Hierauf haben die behinderten Menschen einen Rechtsanspruch. Dieser Anspruch besteht grundsätzlich für die Aufnahme in die Werkstatt des Einzugsgebiets. Der behinderte Mensch hat allerdings ein Recht auf Aufnahme in eine andere Werkstatt nach seiner Wahl gemäß § 9 SGB IX, wenn der Sozialhilfeträger Kostenträger ist, jedoch nur nach Maßgabe von § 9 SGB XII. Dieses Wahlrecht ist für das Aufnahmebegehren eines blinden oder sehbehinderten Menschen in eine Spezialwerkstatt für diesen Personenkreis von Bedeutung.

Im Eingangsverfahren wird nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX festgestellt, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen. Dazu wird ein Eingliederungsplan erstellt (§ 3 Abs.1 Satz 2 der Werkstättenverordnung). Die Überprüfung erfolgt durch den nach § 2 der Werkstattverordnung (WVO) bestehenden Fachausschuss, welcher auch Empfehlungen für eine andere Tätigkeit oder Einrichtung aussprechen kann (§ 3 Abs. 3 und 4 WVO). Die Leistungen im Eingangsverfahren werden nach § 40 Abs. 2 SGB IX für drei Monate erbracht. Die Leistungsdauer kann auf bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn während des Eingangsverfahrens im Einzelfall festgestellt wird, dass eine kürzere Leistungsdauer ausreichend ist.

Im Berufsbildungsbereich werden nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX Leistungen erbracht, wenn sie erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136 SGB IX zu erbringen. Die Leistungen im Berufsbildungsbereich werden nach § 40 Abs. 3 SGB IX für zwei Jahre erbracht. Sie werden in der Regel für ein Jahr bewilligt. Sie werden für ein weiteres Jahr bewilligt, wenn aufgrund einer rechtzeitig vor Ablauf des Förderzeitraums von einem Jahr abzugebenden fachlichen Stellungnahme die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen weiterentwickelt oder wiedergewonnen werden kann. Einzelheiten zum Berufsbildungsbereich und die Aufgliederung in einen Grund- und Aufbaukurs von jeweils zwölfmonatiger Dauer sind in § 4 der WVO geregelt. Zur Durchführung der Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich haben die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen und die Bundesagentur für Arbeit (als die für die Förderung der Maßnahmen in diesen Bereichen überwiegend zuständigen Rehabilitationsträger) eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Die Neufassung der Vereinbarung über Rahmenprogramme für das Eingangsverfahren und den Arbeitstrainingsbereich in Werkstätten für behinderte Menschen ist im Rundbrief 10/2002 der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht worden.

Für die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich sind nach § 42 Abs. 1 SGB IX zuständig:

  1. die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 102 Abs. 2 SGB III, soweit nicht einer der in den Nummern 2 bis 4 genannten Träger zuständig ist,
  2. die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene,
  3. die Träger der Rentenversicherung unter den Voraussetzungen der §§ 11 bis 13 des SGB VI,
  4. die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes.

Der behinderte Mensch erhält in dieser Zeit ein Ausbildungsgeld (§ 107 SGB III).

Nach der Förderung im Berufsbildungsbereich erfolgt, soweit nicht eine Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist, die Aufnahme in den Arbeitsbereich. Einzelheiten zur Gestaltung des Arbeitsbereichs enthält § 5 WVO.

Die von den Rehabilitationsträgern nach den für sie geltenden Spezialgesetzen zu erbringenden Leistungen im Arbeitsbereich sind in § 41 SGB IX geregelt. Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten nach § 41 Abs. 1 SGB IX behinderte Menschen, bei denen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 bis 4) wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die WfbM erhalten zusätzlich zu den angemessenen Vergütungen, die von den zuständigen Rehabilitationsträgern an sie nach § 41 Abs. 3 SGB IX gezahlt werden, zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich beschäf­tigten Mitarbeiter ein Arbeitsförderungsgeld von 26,00 Euro, wenn zusammen mit diesem Betrag das Arbeitsentgelt 325,00 Euro nicht übersteigt (§ 43 SGB IX, welcher Einzelheiten über die Berechnung enthält).

Für die Leistungen im Arbeitsbereich sind zuständig:

  1. die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene,
  2. die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen des § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes,
  3. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter den Voraussetzungen des § 35a des Achten Buches,

im Übrigen, was meistens der Fall ist, die Träger der Sozialhilfe als Eingliederungshilfe (§§ 42 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX, 54 SGB XII) unter den Voraussetzungen des SGB XII.

Die Beschäftigung im Arbeitsbereich erfolgt gemäß § 138 Abs. 1 SGB IX in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis. Auf das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis sind arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Grundsätze anzuwenden. Der Gesetzgeber ist in einer nicht abschließenden Aufzählung davon ausgegangen, dass dies insbesondere arbeitsrechtliche Grundsätze und Vorschriften über Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, Erziehungsurlaub (Elternzeit) und Mutterschutz sowie Persönlichkeitsschutz und Haftungsbeschränkung seien (Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 13/3904 S. 48, 49). Neben dem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, welches zwischen der Werkstatt und dem Beschäftigten gegeben ist, besteht ein Sozialleistungsverhältnis sowohl zwischen dem Träger der Werkstatt und dem Sozialleistungsträger als auch zwischen dem behinderten Menschen und dem Sozialleistungsträger. Dieses besteht als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, da es um die Erbringung von Sozialleistungen geht.

Für Rechtsstreitigkeiten aus dem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zwischen dem Werkstattträger und dem im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bestimmt (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Arbeitsgerichtsgesetz).

Über das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis ist nach § 13 Abs. 1 WVO ein schriftlicher Werkstattvertrag abzuschließen. In diesen Verträgen ist auch die Zahlung des Arbeitsentgelts im Sinne des § 136 Abs. 1 Satz 2 und § 138 des SGB IX an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen aus dem Arbeitsergebnis näher zu regeln. Das Arbeitsentgelt setzt sich nach § 138 Abs. 2 SGB IX aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammen. Die Verpflichtung der Werkstätten zur Zahlung eines Arbeitsentgelts besteht nur gegenüber den im Arbeitsbereich Beschäftigten, nicht gegenüber den an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich teilnehmenden behinderten Menschen. Diese erhalten während der Maßnahmen kein Arbeitsentgelt, sondern Lohnersatzleistungen von dem zuständigen Rehabilitationsträger, soweit die Bundesanstalt für Arbeit zuständig ist, in der Regel Ausbildungsgeld (§ 45 Abs. 5 SGB IX).

Ein Mitwirkungsrecht der im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten durch einen Werkstattrat ist in § 139 SGB IX vorgeschrieben und nach § 14 WVO durch die WfbM sicherzustellen. Was die Angelegenheiten sind, in denen Mitwirkungsrechte bestehen, regelt das Gesetz nicht. Sie sind in einer nicht abschließenden Aufzählung dem Bericht des bei dem Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Sozialhilferechts im Jahre 1996 federführenden Ausschusses des Deutschen Bundestages zu entnehmen (BT-Drs. 13/3904, S. 49). Danach gehören zu den Fragen, in denen Mitwirkungsrechte bestehen, insbesondere die Gestaltung der täglichen Arbeitszeit, der einheitliche Betriebsurlaub, der Unfall- und Gesundheitsschutz, die Entgeltzahlung, die Verpflegung, die Gestaltung von Sanitär- und Aufenthaltsräumen, die Fort- und Weiterbildung, Angelegenheiten des Arbeitsablaufs und der Umsetzung von behinderten Menschen auf andere Arbeitsplätze sowie die Gestaltung von Arbeitsplätzen und die Unterrichtung über die wirtschaftliche Lage der Werkstatt und das Arbeitsergebnis.

Das Mitwirkungsrecht besteht unabhängig von der Geschäftsfähigkeit.

Besondere Regelungen gelten für den Sozialversicherungsschutz. Die in den Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen sind, und zwar nicht erst im Arbeitsbereich, sondern bereits während der Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich, in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 2a SGB VI und § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 4 SGB VII). Als versicherungspflichtige Entgelte und damit Grundlage zur Berechnung der Beiträge sind in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die tatsächlichen Entgelte, sondern Mindestentgelte zu Grunde gelegt. Die Mindestentgelte betragen in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung 20 v.H. der Bezugsgröße in der Sozialversicherung nach § 18 SGB IV (§ 235 Abs. 3 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI), in der gesetzlichen Rentenversicherung 80 v.H. der Bezugsgröße.

Vergünstigungen für WfbM enthalten §§ 140 und 141 SGB IX. Nach § 140 Abs. 1 können Arbeitgeber, die durch Aufträge an anerkannte WfbM zur Beschäftigung behinderter Menschen beitragen, 50 vom Hundert des auf die Arbeitsleistung der Werkstatt entfallenden Rechnungsbetrages solcher Aufträge auf die Ausgleichsabgabe anrechnen. Dieser Betrag ergibt sich aus dem Gesamtrechnungsbetrag abzüglich Materialkosten.

Nach § 141 SGB IX werden Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt werden können, bevorzugt diesen Werkstätten angeboten.

Werkstätten für behinderte Menschen, die eine für sie in den §§ 140 und 141 vorgesehene Vergünstigung in Anspruch nehmen wollen, bedürfen nach § 142 SGB IX der Anerkennung. Die Entscheidung über die Anerkennung trifft auf Antrag die Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe.

Die Anerkennung ist auch Voraussetzung für die institutionelle Förderung der Einrichtungen aus Mitteln der Rehabilitationsträger, aus Mitteln der Ausgleichsabgabe des Bundes und der Länder, für die individuelle Förderung der beruflichen Bildung und der Beschäftigung der behinderten Menschen nach dem Leistungsrecht der Rehabilitationsträger und für die Anwendung der besonderen Regelungen über die Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Pflegeversicherung) in Werkstätten für behinderte Menschen.

Das Antragsverfahren ist in § 18 der Werkstattverordnung geregelt. Die Bundesagentur für Arbeit führt nach § 142 SGB IX ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. In diesem Verzeichnis sind die Werkstätten mit ihrem Liefer- und Leistungsangebot aufgeführt, so dass Auftraggeber auch hierdurch einen Überblick über das entsprechende Angebot der Werkstätten erhalten können.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

7.3 Blindenwerkstätten

Eine gravierende Änderung hat die Aufhebung des Blindenwarenvertriebsgesetzes gebracht. Spezielle Werkstätten für blinde Menschen sind Blindenwerkstätten, in welchen Blindenwaren hergestellt werden. Rechtsgrundlage war ursprünglich das Blindenwarenvertriebsgesetz vom 9. April 1965 (BGBl I S. 311). Dieses Gesetz wurde durch Art. 30 des Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft v. 7.9.2007 (BGBl I S. 2246) mit Wirkung zum 14.9.2007 aufgehoben. Aufgrund einer Bestandsschutzregelung erhalten Blindenwerkstätten, die am 13.09.2007 anerkannt waren, jedoch gemäß § 143 SGB IX nach wie vor die den Werkstätten für behinderte Menschen nach den §§ 140 SGB IX (Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe) und 141 SGB IX (Verpflichtung der öffentlichen Hand zur bevorzugten Vergabe von Aufträgen) eingeräumten Vergünstigungen.

Obgleich Blindenwerkstätten in Kapitel 12 des SGB IX (Werkstätten für behinderte Menschen) aufgeführt sind, sind sie keine anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, sofern sie nicht, was bei Erfüllung der für diese geforderten Voraussetzungen durchaus möglich ist, in dem für die Werkstätten vorgesehenen Verfahren ausdrücklich (zusätzlich) von den zuständigen Anerkennungsbehörden, der Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe, als Werkstätten für behinderte Menschen gemäß § 142 SGB IX anerkannt sind.

Blindenwerkstätten unterlagen einem eigenen Anerkennungsverfahren. Dieses richtete sich nach dem Blindenwarenvertriebsgesetz. Die Anerkennung und Definition von Blindenwerkstätten war dort in § 5 geregelt. Zuständig für die Anerkennung waren nicht Behörden des Bundes, sondern die Wirtschaftsministerien der Länder. Anerkannte Blindenwerkstätten sind in einem Verzeichnis aufgeführt. Das Verzeichnis anerkannter Blindenwerkstätten ist in dem von der Bundesagentur für Arbeit nach § 142 Satz 3 SGB IX geführten Amtlichen Verzeichnis der Werkstätten für behinderte Menschen in einem Anhang enthalten.

Blindenwerkstätten sind nach § 5 des Blindenwarenvertriebsge­setzes Betriebe, „in denen ausschließlich Blindenwaren hergestellt und in denen bei der Herstellung andere Personen als Blinde nur mit Hilfs- und Nebenarbeiten beschäftigt werden". Blindenwaren sind nach § 2 Abs. 1 BliwaG und der zu diesem Gesetz erlassenen Verordnung zur Durchführung des Blindenwarenvertriebsgesetzes (BliwaGDV) Waren, die in ihren wesentlichen, das Erzeugnis bestimmenden Arbeiten von Blinden hergestellt werden. Das sind nach § 1 BliwaGDV vor allem überwiegend handgefertigte Bürsten und Besen aller Art, Korbflechtwaren sowie Rahmen- und Stuhlflechtarbeiten, geflochtene Fußmatten, mit Rahmen oder Handwebstühlen oder mit mechanischen Webstühlen hergestellte Webwaren, Strick-, Knüpf- und Häkelwaren und durch Strickmaschinen hergestellte Waren sowie kunstgewerbliche Waren aus Keramik, Leder, Holz, Metall und Kunststoff.

Anerkannte Blindenwerkstätten, die nicht gleichzeitig als Werkstätten für behinderte Menschen anerkannt sind, sind dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen. Das heißt, für die Förderung der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in den Blindenwerkstätten können die allgemeinen Förderleistungen nach dem SGB III (etwa Eingliederungszuschüsse bei erschwerter Vermittlung - § 218 Abs. 1 Nr. 2, Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen - § 222a) und auch Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter (§ 102 Abs. 3 SGB IX, §§ 15 ff. SchwbAV) erbracht werden.

In der gesetzlichen Sozialversicherung haben die in anerkannten Blindenwerkstätten beschäftigten blinden Arbeitnehmer die gleiche Stellung wie die in WfbM beschäftigten behinderten Menschen. Die Versicherungspflicht besteht sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 2a SGB VI und § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII). In der Arbeitslosenversicherung richtet sich die Versicherungspflicht nach den §§ 24 ff. SGB III. Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Das ist bei den in anerkannten Blindenwerkstätten beschäftigten blinden Menschen grundsätzlich der Fall. Versicherungsfrei sind nach § 27 Abs. 2 SGB III jedoch Personen in einer geringfügigen Beschäftigung. Eine solche liegt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400,00 Euro nicht übersteigt. Versicherungsfrei sind nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 auch Personen, die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr verfügbar sind, von dem Zeitpunkt an, an dem die Agentur für Arbeit diese Minderung der Leistungsfähigkeit und der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung volle Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt haben. Um Nachteile zu vermeiden, müssen diese Voraussetzungen sorgfältig geprüft werden.

Als versicherungspflichtige Entgelte und damit Grundlage zur Berechnung der Beiträge sind in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung Mindestentgelte zu Grunde gelegt, wenn die tatsächlichen Entgelte niedriger liegen. Die Mindestentgelte betragen in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung 20 v.H. der Bezugsgröße in der Sozialversicherung nach § 18 SGB IV (§ 235 Abs. 3 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI), in der gesetzlichen Rentenversicherung 80 v.H. der Bezugsgröße.

Nach dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannte Blindenwerkstätten können aus Mitteln der Ausgleichsabgabe durch Leistungen der Integrationsämter institutionell, d.h. mit Leistungen für Aufbau, Ausbau und Ausstattung, gefördert werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 3, § 30 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 2 Nr. 5 der SchwbAV). Leistungen zur Deckung von Kosten des laufenden Betriebs dürfen nach § 30 Abs. 3 SchwbAV nur ausnahmsweise erbracht werden, wenn hierdurch der Verlust bestehender Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen abgewendet werden kann. Für Einrichtungen nach § 30 Absatz 1 Nr. 4 bis 6, also auch für Blindenwerkstätten, sind auch gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 jedoch Leistungen zur Deckung eines Miet- oder Pachtzinses zulässig.

Zu beachten ist: Seit dem 14.9.2007 besteht die Möglichkeit der Förderung auch für die Integrationsämter nur noch gegenüber den Blindenwerkstätten, die bis zum 13.9.2007 anerkannt waren. Die Änderung des § 30 Abs. 1 Nr. 5 (und auch des §31 Abs. 2 Nr. 5) SchwbAV durch Art. 28 Abs. 6 des Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft v. 7.9.2007 ist notwendige Folge der Aufhebung des Blindenwarenvertriebsgesetzes, durch die es nach dem 13.9.2007 keine neuen anerkannten Blindenwerkstätten mehr geben kann.

Die Aufhebung des Blindenwarenvertriebsgesetzes hat Auswirkungen auf den Vertrieb der Blindenware. Geregelt wurde durch das BliwaG vor allem der Vertrieb von Blindenware und diesen Vertrieb fördernder Zusatzware im Sinn von § 2 Abs. 2 BliwaG. Einerseits sollte dem Missbrauch vorgebeugt, andererseits der Absatz gefördert werden. Deshalb mussten Blindenwaren nach § 3 BliwaG mit dem „Blindenwarenzeichen“ und mit dem Namen oder der Firma der Blindenwerkstätte oder des Zusammenschlusses von Blindenwerkstätten gekennzeichnet sein. Andere als nach dem BliWaG anerkannte Werkstätten durften das Blindenwarenzeichen nicht verwenden. Diese Einschränkung kann nicht mehr gelten. Blindenwaren und Zusatzwaren durften, wie sich aus § 1 Abs. 1 BliwaG ergibt, unter Hinweis auf die Beschäftigung blinder Menschen vertrieben werden, ohne dass darin ein Verstoß gegen die nach § 1 UWG verbotene gefühlsbetonte Werbung zu sehen war. Da das Blindenwarenvertriebsgesetz nicht mehr besteht, kann eine Ausnahme von gefühlsbetonter Werbung nicht mehr gegeben sein. Welche Werbemaßnahmen zulässig sind, richtet sich ausschließlich nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Der Absatz von Blindenwaren erfolgte entweder durch Handelsvertreter oder auf anderen im Geschäftsleben üblichen Vertriebswegen. Wer, was vor allem auf Handelsvertreter zutraf, in eigener Person auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen, an anderen öffentlichen Orten oder von Haus zu Haus ohne vorherige Bestellung unter Hinweis auf die Beschäftigung von Blinden oder die Fürsorge für Blinde Blindenwaren feilhalten oder Bestellungen auf Blindenwaren aufsuchen wollte, benötigte nach § 6 Abs. 1 BliwaG dazu einen Blindenwaren-Vertriebsausweis. Wer einen Blindenwarenvertriebsausweis hatte, benötigte daneben keine Reisegewerbekarte (§ 55a Abs. 1 Nr. 4 GewO). Da diese Bestimmung durch Art. 9 Nr. 4 Buchst. b des Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft v. 7.9.2007 aufgehoben worden ist, wird nunmehr eine Reisegewerbekarte benötigt.

In der Praxis spielte für den Vertrieb von Blindenwaren die telefonische Auftragswerbung eine große Rolle. Bei dieser Vertriebsform ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen ohne ausdrückliche oder konkludente Einwilligung verboten und im Geschäftsverkehr nur bei bestehenden Geschäftsbeziehungen bzw. ausdrücklichem oder konkludentem Einverständnis zulässig ist (Urteil des BGH vom 27.1.2000 und BGH in NJW 1991, 2087).

Schutz gegen unzumutbare Belästigung insbesondere durch Werbung bietet § 7 UWG. Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist nach § 7 Abs. 1 UWG unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (§ 7 Abs. 1 S. 2 UWG). Eine unzumutbare Belästigung ist nach § 7 Abs. 2 u.a. stets anzunehmen:

  • bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG);
  • bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG vgl. dazu aber die Einschränkungen in § 7 Abs. 3 UWG) oder
  • bei Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG).

Verstöße gegen die für den Vertrieb von Blindenwaren und Zusatzwaren im BliwaG bestehenden Bestimmungen konnten nach § 11 BliwaG als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu 2.500,00 Euro geahndet werden. Die Sanktionen richten sich nunmehr nach den Kapiteln 2 bis 4 des UWG.

Die nach dem Blindenwarengesetz anerkannten Blindenwerkstätten, also die Blindenwerkstätten im Sinn von § 143 SGB IX sind im „Bundesverband staatlich anerkannter Blindenwerkstätten e.V.“ (früher „Verband für das Blindenhandwerk und für Blindenwerkstätten e. V.") zusammengeschlossen. Ihm gehören 24 Mitgliedsbetriebe an. Alle Mitglieder des Verbandes verpflichten sich gemäß einer auf der Homepage des Verbandes wiedergegebenen Selbstverpflichtung, ihre Betriebe, auch nach Wegfall des Blindenwarenvertriebsgesetzes (BliWaG) und seiner Durchführungsbestimmungen, weiterhin im Sinne dieses Gesetzes zu führen und weiterzuentwickeln. Werden Produkte und Produktionsabläufe in das Angebot der Mitgliedsbetriebe aufgenommen, so geschieht auch dies im Sinne des BliwaG und seiner hohen Anforderungen an die Herstellung von Blindenware.

Betriebe, in welchen von blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen Blindenwaren hergestellt werden und welche nicht nach dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannt sind, können allerdings Integrationsprojekte im Sinn von § 132 SGB IX sein und als solche gefördert werden. Vgl. dazu oben 7.1. Insofern sind Neugründungen von Blindenwerkstätten nach wie vor möglich. Sie unterliegen nicht den engen Bestimmungen, wie sie früher im Rahmen des Blindenwarenvertriebsgesetzes gegolten haben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


8. Literaturhinweise

Zur Literatur wird auf die Angaben in Heft 1 verwiesen. Aktuelle Informationen enthalten auch die von den zuständigen Bundesministerien herausgegebenen Broschüren. Außerdem ist zu verweisen auf das Fachlexikon im Internet „ABC der Behindertenhilfe“ Hrsg. Arbeitsgemeinschaft der Integrationsämter www.integrationsaemter.de

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


9. Impressum

Schriftenreihe: Rechtsberatung für blinde und sehbehinderte Menschen
Heft 05 "Teilhabe am Berufsleben"

Stand: Januar 2016

Von: Dr. Herbert Demmel, Christiane Möller und Karl Thomas Drerup

Herausgeber: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. und Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.

Diese Schriftenreihe widmen wir dem Andenken an Dr. Dr. Rudolf Kraemer. Zu seiner Person vgl. Heft 01 Abschnitt 1.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis