Werden und Wirken des DVBS

Ein kurzer Überblick

Den Anstoß zur Gründung des heutigen „DVBS“ gab der erste Weltkrieg. Schon bald nach dessen Ausbruch kehrten Soldaten, die an der Front ihr Augenlicht verloren hatten, in die Heimat zurück. Für sie richtete Professor Alfred Bielschowsky als Leiter der Marburger Universitätsaugenklinik Umschulungskurse ein. Der 1907 durch einen Arbeitsunfall erblindete Student Carl Strehl gab ihnen Unterricht in Blindenschrift und Maschinenschreiben. Unter diesen Kriegsblinden waren auch Gymnasiasten, Studenten und junge Akademiker. Für sie schien ihr Ausbildungs- bzw. Berufsweg jäh zu Ende zu sein, denn die damals üblichen Blindenhandwerke boten keine angemessene Alternative. Am 6. März 1916 gründeten Strehl, Bielschowsky und weitere Gleichgesinnte den „Vereins blinder Akademiker Deutschlands“ (VbAD). Dieser erhielt nach dem zweiten Weltkrieg den Namen „Verein der blinden Geistesarbeiter Deutschlands“ (VbGD). Seit 1983 nennt er sich „Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf“ (DVBS). 1971 begann man die bundesweiten Fachgruppen aufzubauen, die mit eigenen Fortbildungen und Informationsdiensten ein strategisches Kernstück für die Selbsthilfe bilden. 1978 stellte der DVBS den ersten Vorlesedienst für wissenschaftliche Literatur auf die Beine, wo die Texte nach festgelegten Regeln gelesen werden, so dass wissenschaftliches Arbeiten, insbesondere das Zitieren, durch Zuhören möglich wird. 1990 erfolgte die Gründung von Bezirksgruppen in den neuen Bundesländern. 1994 wurde unter maßgeblicher Beteiligung des DVBS Artikel 3 Abs. 3 S. 2 in das Grundgesetz aufgenommen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Seither arbeitet der DVBS daran, diesem Grundsatz in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung Geltung zu verschaffen. So erfolgte z. B. Im Jahre 2000 die gesetzliche Verankerung des Anspruchs auf Arbeitsassistenz, 2002 wurde die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) rechtskräftig, 2006 trat das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz mit dem erleichterten Zugang zu privatrechtlichen Versicherungen in Kraft. 2006 bis 2009 setzte sich der DVBS erfolgreich für Erhalt bzw. die Wiedereinführung der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) ein. Höhepunkt war 2007 die vom DVBS koordinierte Kampagne des „Netzwerks berufliche Teilhabe“ (NBT). 2006 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) verabschiedet. 2009 wurde dieses Übereinkommen von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Seither setzt sich der DVBS für die rasche und möglichst vollständige Umsetzung der BRK ein, vor allem auf den Gebieten Bildung, Beruf und soziale Teilhabe.

Daten aus der Geschichte des DVBS

1971 Im Streit um die Existenzberechtigung des VbGD setzt der Vorstand neue Schwerpunkte in der Vereinsarbeit: Die eigenständige Interessenvertretung und die berufsbezogene Arbeit treten in den Vordergrund.

Ab 1971 Gründung einer Reihe von Berufsfachgruppen, beginnend mit den Fachgruppen Jura, Gehobener Dienst, Theologie und Sozialwesen. Die Fachgruppen leisten einen wesentlichen Teil der berufsbezogenen Vereinsarbeit.

1974 Umfassende Satzungsreform mit Erweiterung des Vorstandes und stärkerer Einbindung der jungen Mitglieder.

Ab 1976 Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Blindenverband und dem Bund der Kriegsblinden Deutschlands; es kommt zu gemeinsamen Veranstaltungen, Gesetzesinitiativen und sonstigen Aktivitäten.

1977      Einstellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers, der zugleich Syndikusanwalt ist; seither stetiger Ausbau der Geschäftsstelle entsprechend den wachsenden Aufgaben des Vereins.

Ab 1978 Aufbau eines Aufsprachedienstes für wissenschaftliche Literatur (ADW), d. h. auf individuellen Wunsch werden die benötigten Bücher auf Kassette gelesen; ferner werden für Fachgruppen spezielle Informationsdienste auf Kassette produziert. Immer mehr Tagungen, Wochenendseminare und Kurse, die der Fortbildung und dem Erfahrungsaustausch dienen, werden organisiert.

1979      Dr. Otto Hauck aus Marburg löst Prof. Dr. Heinrich Scholler aus München als Vorsitzender des Vereins ab. Scholler hatte dieses Amt seit 1968 inne und kandidierte nicht mehr.

Ab 1980 Bildung einer Reihe gemeinsamer Gremien und Fachausschüsse der Blinden- und Sehbehindertenverbände, um die Arbeit der Selbsthilfe zu koordinieren und effektiver zu gestalten. Außerdem Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Deutschen Blindenstudienanstalt, in deren Vorstand die Blindenselbsthilfeverbände durch Satzungsänderung eingebunden werden.

1983      Satzungsmäßige Öffnung des Vereins für die Sehbehinderten und dementsprechend Änderung des Vereinsnamens in „Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf  e. V. (DVBS)“.     

1984      Erwerb eigener Geschäftsräume in der Frauenbergstraße 8.

1990      Nach der Wende Gründung von Bezirken in den neuen Bundesländern und Unterstützungsmaßnahmen für die dortigen Mitglieder, insbesondere Fortbildungsveranstaltungen für die Juristen, deren berufliche Wiedereingliederung unter den veränderten Umständen dadurch entscheidend erleichtert wird.

1992      Europäische Konferenz für akademische und verwandte Berufe in Loccum, organisiert vom DVBS unter Beteiligung von BKD und DBSV.

Ab 1992 Regelmäßige Seminare für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

1994      Art. 3 Abs. 3 S.2: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ wird auf Betreiben der Behindertenbewegung und der maßgeblicher Beteiligung des DVBS in das Grundgesetz eingefügt.

1997      Gründung des „Arbeitskreises Nachteilsausgleiche (AKN)“ des DVBS, der grundlegende Vorarbeiten für die rechtspolitischen Aktivitäten der Blinden- und Sehbehindertenselbshilfe leistet.

Ab 2000 Erhebliche Fortschritte auf dem Gebiet der Gesetzgebung:

  • Gesetzliche Verankerung des Anspruchs auf Arbeitsassistenz
  • Bundesgleichstellungsgesetz mit den dazugehörigen Rechtsverordnungen, vor allem für die barrierefreie Informationstechnologie
  • Gleichstellungsgesetze in vielen Bundesländern
  • Sozialgesetzbuch IX mit Neuregelung des Schwerbehindertenrechts
  • Verbesserungen beim Urheberrecht

Ab 2001  Vermehrt und mit zunehmender Intensität gravierende Einschränkungen bei der Gewährung von Blindengeld in den meisten Bundesländern.

2001      Gründung der „Task Force Blindengeld“ gemeinsam mit dem DBSV; sie setzt sich für die Erhaltung und Fortentwicklung dieses unverzichtbaren Nachteilsausgleichs ein.

2001     Errichtung des „Gemeinsamen Arbeitskreises Rechtspolitik (GAK)“, der die aktuelle rechtspolitische Arbeit des DBSV und des DVBS koordiniert.

2002      Start des BIK-Projektes „barrierefrei informieren und kommunizieren“ unter Beteilung des DVBS.

2002      Im Rahmen der „Marburger Schriftenreihe zur Rehabilitation Blinder und Sehbehinderter“ erscheint die Dissertation von Mohammad Reza Malmanesh „Blinde unter dem Hakenkreuz – Eine Studie über die Deutsche Blindenstudienanstalt e. V. Marburg und den Verein der blinden Akademiker Deutschlands e.V. unter dem Faschismus“.

2004      Dr. Otto Hauck stellt sich nach 25-jähriger Tätigkeit als Vorsitzender nicht mehr zur Wahl; er wird zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Sein Nachfolger wird Uwe Boysen aus Bremen.