horus 2/2018
Schwerpunkt: „Zugängliche Kultur“
Deckblatt horus 2/2018. Eine Frau, die auf einem Rollstuhl tanzt.
Inhalt
- Vorangestellt
- In eigener Sache
- Schwerpunkt: "Zugängliche Kultur"
- Amélie Schneider: Hürdenlauf. Für die einen eine olympische Sportart, für den anderen Alltag
- Isabella Brawata: Die Freude am Schreiben eint uns
- Juliane Taubner: Die Arbeit mit der Intuition – Blindheit und Sehbehinderung in der Chormusik
- Sylvia Schwenger und Dr. Imke Troltenier: So geht Barrierefreiheit für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung
- Mirien Carvalho Rodrigues: Das Fußballmuseum in São Paulo – ein Magnet auch für Fans mit Behinderung
- Anette Bach: Ist Kunst zu begreifen?
- Uwe Boysen: Zwischen Auge und Fingerspitzen
- Dr. Jürgen Trinkus: 20 Jahre Boltenhagener Bücherfrühling oder Innenansichten eines kleinen, aber feinen Literaturfestivals
- Bildung und Wissenschaft
- Reiner Filla und Frauke Onken: Der Weiterbildungsbedarf blinder und sehbehinderter Erwerbsfähiger: Ergebnisse einer Befragung im DVBS-Projekt iBoB
- Jürgen Nagel: Neue berufsbegleitende Weiterbildungen für Reha-Fachkräfte erfolgreich angelaufen
- Marie Kordilla: Multimediale Lernpakete für den inklusiven Unterricht – Was ist eigentlich ein MuLI?
- 100 Jahre horus
- Recht
- Bücher
- Andrea Katemann: Literatur leichter auffinden, inklusive Bildung fördern
- Sanne Byron: Den Blick verändern, trauern, fühlen, einfühlen. Zu Renate Langgemachs Roman "Schnee hinter den Augen"
- Thorsten Büchner: Hörbuchtipps aus der blista
- Thorsten Büchner: Buchtipps aus der Brailledruckerei
- Thorsten Büchner: Das Sportjahr 2018
- Panorama
- Berichte und Schilderungen
- Aus der Arbeit des DVBS
- Michael Längsfeld: „Selbsthilfe kann viel bewegen!"
- Sabine Hahn: Fit für's Ehrenamt: DVBS-Ehrenamtsakademie bietet Know-how und Austausch
- Andreas Wohnig: DVBS-Seminarvorschau 2018
- Juliane Taubner: Nicht sehend – nicht blind. Der neue Informationsfilm des DVBS ist da
- Resolution der Mitgliederversammlung des DVBS vom 12.05.2018
- Aus der blista
- Maarten Kubeja: Inklusives Wohnen im Internat der blista: Läuft!
- Dr. Imke Troltenier: Das absolute Highlight war die Zertifizierung. Falk Rismansanj programmiert eine App für die blista
- Dr. Imke Troltenier: Fa. Help Tech macht‘s möglich: Neue elektronische Lesehilfe „OrCam" kann jetzt im Reha-Beratungszentrum der blista ausprobiert werden
- Leserbriefe
- Kleinanzeigen
- Impressum
- Anzeigen
Vorangestellt
Claus Duncker
Liebe Leserin, lieber Leser,
“Kultur ist nichts Sichtbares, sondern das unsichtbare Band, das die Dinge zusammenhält“, lautet ein Zitat des französischen Moralisten und Essayisten Joseph Joubert (1754 bis 1824). Kultur ist die Summe all dessen, was wir Menschen gestalten. Dazu braucht es Kreativität und Engagement. Jeder Mensch hat einen ganz individuellen Zugang zu Kultur. Und Kultur ist vielfältig und manchmal einzigartig.
In dieser Ausgabe lesen Sie Geschichten über kulturelle Teilhabe von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung. Amélie Schneider berichtet, wie aus einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Menschen mit und ohne Behinderung die „Hürdenläufer“ wurden, Jürgen Trinkus, wie er an der Ostsee die Literaturbegeisterung entfachte. Sie lesen aber auch davon, was es braucht, um Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung den Genuss an Kultur, etwa in einem Museum, überhaupt erst zugänglich zu machen. Hier wird bereits viel getan, darüber schreiben Mirien Carvalho Rodrigues und Imke Troltenier. Dass es aber nach wie vor noch viel Überzeugungsarbeit und Engagement bedarf, zeigt der Erfahrungsbericht von Anette Bach auf. Neugier und Offenheit sind ideale Voraussetzungen, um in einer „anderen Kultur“ anzukommen, beschreibt Nina Odenius in ihrem Beitrag über ihr Praktikum im italienischen Pisa. Baukultur erschließt Egbert Broerken mit seinen Stadtmodellen aus Bronze. Wie er zu dieser Passion kam, erzählt er in einem Interview.
Ob Theater, Literatur, ein Museumsbesuch oder gar das Eintauchen in die Kultur anderer Länder, der Zugang zur Kultur ist eine leidenschaftliche Sache und darf niemanden ausschließen. Offenheit und Neugier bei den Kultureinrichtungen einerseits, barrierefreie Infrastruktur und Vermittlung andererseits brauchen wir dafür. Der Zugang zur Kultur darf für niemanden verschlossen sein, denn es ist das „unsichtbare Band“, das uns verbindet.
Ich wünsche Ihnen eine anregende und erkenntnisreiche Lektüre.
Herzliche Grüße
Ihr Claus Duncker
Foto: Claus Duncker. Foto: Bruno Axhausen [Claus Duncker ist Direktor der blista. Er lächelt in die Kamera. Er hat kurze graue Haare und trägt eine randlose Brille.]
--
In eigener Sache
Juliane Taubner
Von Schwaben über Hamburg nach Marburg: die horus-Redaktion hat eine neue Kollegin
Mein Name ist Juliane Taubner, ich bin 35 Jahre alt und seit diesem Februar in der DVBS-Geschäftsstelle als Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit für den DVBS tätig. Damit bin ich als Nachfolgerin von André Badouin künftig nicht nur für die verschiedenen Veröffentlichungen wie den horus zuständig und stehe Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, als Ansprechpartnerin zur Verfügung, sondern werde auch neue Öffentlichkeitsprojekte organisieren und mitbetreuen.
Marburg ist seit etwas mehr als zehn Jahren meine Wahlheimat. Ich bin in Schwaben aufgewachsen und dann nach Abstechern in Irland, Münster und langen Jahren in Hamburg schlussendlich im schönen Mittelhessen gelandet, wo ich nun Wurzeln geschlagen habe. Hier habe ich 2009 mein Studium der Englischen und Deutschen Literatur beendet und war danach im Bereich Qualitätsmanagement und technische Dokumentation für eine IT-Firma tätig. Dass ich mit der Arbeit beim DVBS nun auch beruflich vorwiegend direkt in Marburg tätig sein kann und damit in der Nähe meines Mannes und meiner vierjährigen Zwillinge, freut mich sehr – doch viel relevanter als die örtliche Nähe war für mich, in einem sozialen Bereich Fuß fassen zu können, da mir das Thema „soziale Gerechtigkeit“ in all seinen Facetten sehr am Herzen liegt.
Die Arbeit in der Selbsthilfe ist neu für mich und als Sehende muss ich mich in viele der Themen erst einarbeiten, weshalb der Einstieg durchaus turbulent war, was mir aber auch viel Spaß macht. Dies wird insbesondere durch die Vielfältigkeit der anliegenden Themen verstärkt, durch die positive und offene Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen und die allgemeine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die ich hier allenthalben entgegengebracht bekomme. Ich freue mich schon sehr auf die kommende Zeit mit Ihnen allen. Sie erreichen mich in der DVBS-Geschäftsstelle telefonisch unter 06421 94888-13 oder per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Im nächsten horus geht es übrigens um das Thema "Berufe kreuz und quer". Damit bietet der horus 3/2018 die Gelegenheit, über das Besondere, das Spannende zu berichten, aber vor allem über die Vielfältigkeit, die auch blinden und sehbehinderten Menschen beruflich offen steht. Haben Sie auch einen Beruf, der Ihnen am Herzen liegt? Dann erzählen Sie uns doch davon und senden Sie uns Ihren Beitrag bis zum 26. Juni 2018 per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Artikel für den Schwerpunkt können bis zu 12.000 Zeichen (inklusiv Leerzeichen) lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen, kürzere Meldungen bis 2.000 Zeichen.
Foto: Juliane Taubner. Foto: privat [Juliane Taubner lächelt in die Kamera. Ihre blonden Haare sind locker im Nacken zusammengesteckt und sie trägt silberne Ohrringe.]
Schwerpunkt: "Selbsthilfe auf dem Weg"
Amélie Schneider
Hürdenlauf. Für die einen eine olympische Sportart, für den anderen Alltag
Einblicke in ein Straßentheater-Projekt
Leitthema „zugängliche Kultur“, dann nehmen wir mal an, zugänglich käme von Gehen: auf jemanden zugehen, vorausgehen, mitgehen…
Gerd kann gar nicht gehen, aber im Rolli fahren. Bei gutem Wetter.
Simone kann gehen, tut es aber nicht gerne und wenn, dann in aller Ruhe.
Lisa kann gehen, tanzen, springen wie ein junges Reh. Sehen kann sie nicht.
Thorsten hat beim Gehen seine Mona dabei, aber nicht jeder mag Hunde.
Lena ist 13. Sie kann gehen, aber will sich mit diesen verschiedenen und älteren Menschen nicht unbedingt blicken lassen.
Antje kann gehen, aber fährt im Dunkeln kein Auto.
Michi lässt sich schieben. Nur seine Assistenz versteht, wo er hin will, denn er spricht nicht.
Björn geht auch, er ist der Meister der kleinen Schritte.
Henrike geht mit einem führenden Arm an ihrer Seite… am liebsten mit zweien oder dreien. Das macht Spaß, aber vorbeigehen kann dann niemand mehr.
Hartmut ist sogar einen Marathon gegangen. Halbseitig gelähmt und als letzter im Ziel. Was soll‘s. Ging.
Mit dem „Hürdenlauf“ geht die blista neue Wege. Am Anfang stand die Idee, dass wir ein Projekt für ALLE machen. Das hört man ja überall: für ALLE – Inklusion. Sagt sich einfach, aber ist es das auch? Unser Projektpartner, der Marburger Verein Theater GegenStand, schlug vor, eine Straßentheatergruppe ins Leben zu rufen: Die Aufführungen bekommen dann ALLE mit, ob sie wollen oder nicht. Das Vorhaben stand also fest: Ein Straßentheaterprojekt, in dem alle Menschen mitmachen können, die wollen. Ein Zeitraum (von Januar bis Juli 2017) sollte erstmal die einzige Grenze sein, die wir in der Konzeption setzten. Die Stadt Marburg und das Jürgen-Markus-Preiskuratorium verliehen uns für diese Idee sogar den Preis „Marburg barrierefrei“.
Im Herbst 2016 hatten wir also ein recht offenes Konzept und eine finanzielle Basis. Jetzt brauchten wir noch ALLE – kleine, große, junge, alte, behinderte, nichtbehinderte und sonstige Menschen hatten wir im Sinn. Wir haben bunte Flyer entworfen, sie in Cafés ausgelegt und in der Uni ausgehängt. Wir haben uns in Netzwerken vorgestellt, Freizeitreffs für behinderte Menschen besucht, Anzeigen aufgegeben und viele E-Mails an soziale Organisationen, Schulen und Seniorenheime geschrieben. Im März 2017 startete dann die erste Probe mit 25 Teilnehmenden. 16 davon blieben und wuchsen zu den „Hürdenläufern“ heran.
Hatten wir ALLE erreicht? Unser jüngstes Mitglied war damals 13 Jahre alt, das älteste über 60. Der Kleinste ist wohl Gerd, da er immer sitzt; der Größte ist Hartmut mit 1,90 m. Dann waren da noch die junge Frau mit Autismus, der schwerstmehrfachbehinderte junge Mann, der Blinde mit dem Stock aus „Herr der Ringe“, der zierliche Mann mit der Spastik, die Frau mit Down-Syndrom, die Clownin mit dem Rad, der mit der orangenen Brille, der Gehbehinderte… Ein paar Wochen später wandelten sie sich in Anna-Luise, Michi, Thorsten, Björn, Simone und wie sie alle heißen. Das war eine Entwicklung, die zwar mehr oder weniger in allen Gruppen abläuft, die für die Hürdenläufer doch auch eine fordernde Erkenntnis zu Tage brachte: „Ich bin ein Mensch mit Behinderung. Aber nennt mich ruhig Steffi. Schluss mit Schubladendenken!“, heißt heute eine der zentralen Botschaften, welche die Hürdenläufer bei ihren Aktionen in der Stadt als Flyer verteilen.
Vielleicht kann man sich inzwischen vorstellen, dass die Hürdenläufer nicht nur sehr gut für ein Diversity-Werbeplakat posieren könnten, sondern auch jedes Gruppenmitglied eigene Fähigkeiten, Einschränkungen, Vorstellungen und Bedürfnisse mitbringt. Zudem hatten wir beschlossen, dass alle Entscheidungen über Auftritte, Botschaften etc. gemeinsam getroffen werden sollten. Was bedeutete das für die Organisation und die künstlerische Arbeit der Gruppe?
In den acht intensivsten Monaten beschäftigte das Projekt außer der Regisseurin Karin Winkelsträter und mir noch zwei Regieassistenten, drei Assistenzkräfte und zwei Projektstudentinnen, die alle präsent mitarbeiteten. Zusätzlich brachten zwei Hürdenläufer ihre eigenen Assistenzen mit zur Probe, die bald auch geschätzter Teil der Gruppe wurden. Das ist offensichtlich ein enormer Personaleinsatz, ohne den wir jedoch die Koordination von Klein- und Großgruppenterminen, Fahrdiensten und die Berücksichtigung aller individuellen Bedürfnisse nicht hätten leisten können. Die Hürdenläufer trafen sich an zwei Sonntagen pro Monat, zusätzlich gab es mehrmals wöchentlich Treffen von drei Kleingruppen. Hinzu kamen 12 Tage, an welchen Aktionen in Marburg und auf Festen stattfanden. Wir haben nach den ersten Auftritten sogar Anfragen anderer Einrichtungen und einer Gemeinde erhalten, ob wir auf Betriebs- und Dorffesten auftreten möchten.
Das Energielevel stieg steil an, die Hürdenläufer wollten ständig hinaus auf die Straße. Damit ging auch ein unerwartet hoher Kommunikationsaufwand einher: mit Schauspielenden, Bezugsbetreuenden, Gruppenleitungen, persönlichen Assistenzen, Eltern… Die Hürdenläufer mit hohem Unterstützungsbedarf erreichen wir nur über dritte Personen. Für Gerd haben wir die Registrierung für den städtischen Rolli-Fahrdienst übernommen, damit er auch bei schlechtem Wetter zu den Proben kommen kann. Ein anderes Mitglied kämpft mit einer Gedächtnisbeeinträchtigung und wir schreiben wiederholt SMS und Terminzettel zur Erinnerung. E-Mail, WhatsApp, SMS, Telefon, Post – in keinem Projekt habe ich bisher so kontinuierlich auf so unterschiedlichen Ebenen und Wegen kommunizieren müssen, um wirklich jeden einbinden zu können.
Ein bereits erwähnter Grundsatz bei den Hürdenläufern ist die Mitwirkung. Die acht Botschaften zum Beispiel entwickelten sich aus individuellen Vorschlägen. In großen und kleinen Abstimmungsrunden haben wir Änderungen eingearbeitet und am letzten sprachlichen Schliff gefeilt. Mehrmals sind wir zusammen durch die Stadt gelaufen, haben Spielorte ausgeguckt und uns dabei neue und bekannte Hürden gezeigt. Durch die vielschichtige Auseinandersetzung miteinander haben die Hürdenläufer mehr als nur etwas vom Theater gelernt: Gegenseitigkeit.
Was für den einen selbstverständlich war, kannte der andere nicht. Wie findet man da eine gemeinsame Ebene für die Theaterarbeit? Karin Winkelsträter hat geduldige Arbeit geleistet und im Kern der fünf verschiedenen Aktionen steht der Körper als spielerisches Mittel: „Die Erarbeitung war eine kontinuierliche Interaktion zwischen meinen Angeboten und den Entscheidungen der Einzelnen, auf welche Art und Weise sie diese annehmen, oder eben nicht.“ Es kam die Frage auf, ob die künstlerische Arbeit einem üblichen fachlichen Anspruch genügen kann oder ob die konsequente Einbindung individueller Bedürfnisse dies verhindert. Darf man bei einem Auftritt der Masken-Menschen auch mitmachen, wenn man sich weigert, eine Maske zu tragen? Können wir arbeiten, wenn jemand in der Probe ausschert, um sich am Rand des Raumes schlafen zu legen? Die Hürdenläufer schaffen es, all solches in achtsamer Gegenseitigkeit spontan aufzufangen. Natürlich nie ohne ein gewisses Chaos, das auch hier und da kurz davor steht, seinen Charme zu verlieren. Das ist vielleicht nicht Theaterarbeit im üblichen Sinne, aber es ist auch das, was den besonderen Charakter der Gruppe prägt.
Es gibt so viele Aspekte, die hier Erwähnung finden könnten, etliche Hürden, die wir mit Anlauf genommen haben und Steine, die heute noch im Weg liegen… was seit letztem Jahr bei den Hürdenläufern alles unter das Stichwort „Bedingungen für Inklusion“ fällt, können wir noch nicht in einer gültigen Auswertung zusammenfassen, denn wir stecken noch mittendrin. Dank einer Förderung durch die Aktion Mensch läuft das Projekt länger als geplant bis Mitte 2018 und die Gruppe erarbeitet inzwischen eine Doku über ihre Erfahrungen.
Fest steht aber schon, dass der Erfolg der Hürdenläufer vor allem dem Mut dieser unterschiedlichen Menschen zu verdanken ist, zusammenzukommen und zusammenzubleiben. Gegen viele innere Widerstände und über Zweifel hinweg haben sie witzige, seltsame, aufmerksamkeitserregende, fordernde und lehrreiche Aktionen und Botschaften auf die Straße gebracht. Mit der Zeit wird man es da sogar überdrüssig, sich unter dem Label „inklusiv“ darzustellen. Die pädagogische Instruktion überkommt sich selbst und man ist einfach ein Mitglied der Hürdenläufer… nicht jeder von uns kann gehen, aber wir alle laufen Hürden. Um diese Perspektive nachvollziehen zu können, muss man vielleicht mal mittendrin gewesen sein. Unter Menschen. Also… vielleicht gehen Sie das nächste Mal hin, es lohnt sich.
Zur Autorin
Amélie Schneider ist Diplom-Pädagogin, Blinden- und Sehbehindertenpädagogin (M.A.) und arbeitet seit 2010 auf der Stabsstelle zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention für die blista. In diesem Bereich entwickelt sie u. a. Fortbildungsangebote und inklusive Projekte, wie z. B. das Straßentheaterprojekt „Hürdenlauf“.
Foto 1: Wer ist behindert und wer nicht – Kann man das sehen? Foto: Thomas Schwellenbach [Menschengruppe auf der Straße, die auf den Bildbetrachter zugeht, ganz vorne ein Mann im Rollstuhl, der Mundharmonika spielt. Alle tragen bunte Shirts zu Jeans und ihre Gesichter sind durch Halbmasken verborgen.]
Foto 2: Die Masken-Menschen starren die Leute an. Und die Leute starren zurück. Foto: Thomas Schwellenbach [Zwei Personen schauen ernst in Richtung des Bildbetrachters. Sie tragen Halbmasken, auf denen der obere Teil eines Gesichtes sowie eine Kopfbedeckung abgebildet sind, wodurch ihre Gesichter surreal wirken.]
Foto 3: Ob mit oder ohne Maske… die Hürdenläufer fallen auf. Foto: Thomas Schwellenbach [Die Theatergruppe bei der Performance. Zwei Personen sind im Rollstuhl, eine Frau mit Down-Syndrom, andere mit Halbmasken. Einer spielt Mundharmonika, mehrere lachen.]
Foto 4: Amélie Schneider. Foto: privat [Amélie Schneider lächelt in die Kamera. Sie trägt ihre braunen Haare zurückgebunden, eine dunkle Brille und einen großen, gemütlichen Schal.]
Isabella Brawata
Die Freude am Schreiben eint uns
Wer oder was ist ein BLAutor? Handelt es sich etwa um einen zugedröhnten Dummkopf oder vielleicht um eine himmelfarbene Pforte? ... Keineswegs! BLAutor ist der Arbeitskreis blinder und sehbehinderter Autoren, Schriftsteller, Poeten - also ein Freundeskreis sehbeeinträchtigter Schriftschaffender. Marc Mandel, Sprecher der Schriftstellervereinigung, erläutert die Idee, die hinter dem Arbeitskreis steckt.
Brawata: Wie entstand die Idee, einen Arbeitskreis blinder und sehbehinderter Autoren ins Leben zu rufen?
Mandel: Menschen schließen sich gerne mit Gleichgesinnten zusammen, mit denen sie gemeinsame Erfahrungen und Interessen teilen können. Uns BLAutoren verbindet zweierlei. Wir haben alle die gleiche Behinderung, sind also entweder blind oder sehbehindert. Und wir schreiben alle gern. Nachdem also einige blinde und sehbehinderte Menschen ihre gemeinsame Leidenschaft für das Schreiben entdeckt hatten, kam der Wunsch auf, sich zu vernetzen. Denn die Schriftstellerei ist, im Gegensatz zum Mannschaftssport, ein einsames Hobby. Man sitzt im stillen Kämmerlein und brütet und grübelt über dem eigenen Werk. Und genau das sollte sich ändern. Die blinden und sehbehinderten Schriftstellerinnen und Schriftsteller wollten sich untereinander austauschen. Sie wollten ihre Werke anderen Schreibenden vorstellen, die Schöpfungen anderer Schriftstellerinnen und Schriftsteller kennenlernen, sich Anregungen von Anderen holen und ihre Schreibkunst verbessern. So wurde 1991 die Idee geboren, dass sich blinde und sehbehinderte Menschen, die Freude am Schreiben haben, zusammenschließen und BLAutor, der Arbeitskreis blinder und sehbehinderter Schriftsteller, wurde gegründet. Aus dieser Interessengemeinschaft von Menschen, die sich treffen, um gemeinsam zu schreiben, sich gegenseitig ihre Werke vorzutragen, über das Geschriebene miteinander zu sprechen und sich dadurch immer weiter zu verbessern, ist über die Jahre ein Freundeskreis erwachsen.
Brawata: Können Sie uns BLAutor näher vorstellen?
Mandel: Wir sind über fünfzig Mitglieder. Unser zentrales Kommunikationsorgan ist die auf CD erscheinende Zeitschrift Litera. Es handelt sich um eine Literaturzeitschrift, die „Textgeschenke“ enthält, also literarische Beiträge aller Mitglieder. Alle Autorinnen und Autoren unserer Mitgliedergemeinschaft können Beispiele ihres schriftstellerischen Schaffens in der Litera vorstellen. Die Litera enthält außerdem einen Feuilletonteil, der von mir betreut wird und in dem interessante Bücher aus den Blindenhörbüchereien oder Hörfilme vorgestellt werden.
Zwei Mal im Jahr, im Frühling und Herbst, veranstalten wir eine Tagung, die immer unter einem bestimmten Motto steht. Die halbjährlichen Tagungen werden meist von rund einem Drittel der Schriftstellerinnen und Schriftsteller besucht. Auf den Tagungen wird jeweils abwechselnd mal ein literarisches Genre oder ein vorgegebenes Thema bearbeitet. Ziel der Tagungen ist es, dass sich alle Schriftstellerinnen und Schriftsteller an einer literarischen Kurzform oder einem Themenschwerpunkt versuchen, indem sie die Literaturgattung oder das Themenfeld aufgreifen und dazu etwas schreiben. Die Genres, die wir bereits behandelt haben, sind zum Beispiel Märchen, Kurzkrimi, Satire, Reportage, Sonett oder Kindheitserinnerungen. Die Themen, mit denen wir uns befasst haben, sind beispielsweise “Regen“, „Entscheidung“, „Krise“, „im Rausch“, „Heimat“ oder “Genuss“.
Um auf vergnügliche Weise die Kreativität der Schriftstellerinnen und Schriftsteller anzuregen und ihren Ehrgeiz zu wecken, werden kleine Schreibwettbewerbe untereinander veranstaltet. Besonders beliebt ist der Neun-Wörter-Wettbewerb: Aus wild in den Raum hineingerufenen Wörtern werden neun Wörter anhand einer Abstimmung ausgewählt, aus denen ein Gedicht oder eine Geschichte erstellt werden soll, in welcher sie alle vorkommen müssen. Ein Mitglied, das außer Konkurrenz ist, trägt alle eingereichten Beiträge ohne Nennung des Namens der Verfasserin oder des Verfassers vor und anschließend wird anonym entschieden, welches Werk das Beste ist. Erst dann wird das Geheimnis gelüftet, von wem es stammt.
Ein wichtiges Werkzeug, um das Schreiben zu verbessern, sind spontane, kreative Schreibübungen. Es geht darum, unter hohem Zeitdruck einen literarischen Text zu einem vorgegebenen Thema zu verfassen. Themen für die spontanen Schreibübungen waren etwa Blumen, Essen, Träume, Hand, Gelassenheit, Hotel, … Anschließend tragen alle ihren Übungstext vor und diskutieren gemeinsam darüber, was am jeweiligen Text gut war und was noch verbessert werden könnte. Ein pensionierter Deutschlehrer gibt außerdem ein fachliches Statement ab.
Brawata: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mandel: Wir würden uns neue Mitglieder für unseren Schreibzirkel wünschen, weil neue Gesichter und neue Werke unsere Tagungen und unsere Zeitschrift bereichern würden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 10 Euro im Jahr. Wer mag, kann auch 20 Euro jährlich entrichten, um den Arbeitskreis darin zu unterstützen, die Kosten für die Tagungen zu decken.
Alle sind willkommen, die Freude am Schreiben haben und neugierig auf die Werke Anderer sind. Es gibt keine „Qualitätskriterien“. Wir nehmen alle blinden und sehbehinderten Künstlerinnen und Künstler auf, die Spaß am Schreiben und am Austausch mit anderen Autorinnen und Autoren haben.
Zur Autorin:
Isabella Brawata arbeitet hauptberuflich als Reha-Beraterin an der blista und engagiert sich ehrenamtlich als Blickpunkt-Auge-Beraterin für den BSBH. Die 40-Jährige ist Mitglied der horus-Redaktion.
Foto 1: Isabella Brawata. Foto: privat [Isabella Brawata lacht. Sie trägt ihre braunen langen Haare als Zopf zurückgekämmt.]
Kasten: Marc Mandel ist Sprecher und Vorsitzender von BLAutor, dem Arbeitskreis blinder und sehbehinderter Autoren – Schriftsteller / Poeten.
Informationen über den Arbeitskreis blinder und sehbehinderter Schriftsteller findet man auf dessen Homepage: www.blautor.de.
Foto 2: Marc Mandel. Foto: Ellen Eckhardt [Marc Mandel lächelt in die Kamera. Er hat mittellange, weiße Haare, trägt eine Brille und ein bunt gestreiftes Hemd.]
Juliane Taubner
Die Arbeit mit der Intuition – Blindheit und Sehbehinderung in der Chormusik
Ein Gespräch mit dem Dirigenten Nicolo Sokoli und Andrea Katemann
Der Marburger Bachchor ist seit nunmehr über 50 Jahren eine Institution in der hiesigen Musikszene. In dem Laienchor mit hohem Anspruch an sich selbst werden neue Sänger erst nach erfolgreichem Vorsingen, das nach einigen Proben stattfindet, in den Chor aufgenommen. Das Programm ist anspruchsvoll und umfasst in der Regel drei bis vier Projekte pro Jahr, die konzertant aufgeführt werden.
Seit gut zwei Jahren ist Andrea Katemann als derzeit einzige blinde Sängerin Mitglied im Bachchor, der von Nicolo Sokoli geleitet wird. Im Gespräch mit Juliane Taubner berichten die beiden, wie sich die Zusammenarbeit zwischen sehendem Dirigenten und blinden und sehbehinderten Musikern darstellt.
Taubner: Nico, hattest du anfangs Bedenken, als Andrea in der Probe auftauchte und mitsingen wollte?
Sokoli: Bedenken wäre das falsche Wort. Es gibt relativ viele blinde Menschen, die in Chören organisiert sind. Darunter sind auch sehr namhafte Chöre, in denen es ein oder mehrere Mitglieder mit Augenschäden gibt. Auch im Bachchor ist das nichts Neues. Ein ehemaliges Mitglied war zwar nicht blind, aber stark sehbehindert, sodass früh klar war, dass der Kontakt zu mir eine Brücke ist und dass er sich das, was andere sehen können, woanders herholen muss. Von daher habe ich damit grundsätzlich keine Berührungsängste, da ich weiß, dass blinde Menschen ganz andere Antennen haben und oft auch eine ganz, ganz große Intuition. Und da wir ja in der Musik mit genau diesen intuitiven Bereichen arbeiten, wo man sich aufeinander bezieht, ist das in der Regel gar nicht hinderlich. Ein Beispiel ist das gemeinsame Atmen. Solche Dinge ersetzen durchaus auch einen Einsatz, der vom Dirigenten kommt.
Damit geht aber auch jeder, der eine Sehbehinderung hat, unterschiedlich um. Deshalb ist es auch immer eine Fall zu Fall-Geschichte: wie sieht die Sehbehinderung im Einzelfall aus, ist es der totale Verlust des Augenlichts oder sieht derjenige noch hell-dunkel, gibt es die Möglichkeit, mit Lupen zu arbeiten, beispielsweise. Im Falle von Andrea wollte ich erstmal sehen, wie sie das macht: wie löst sie das, wie gliedert sie sich in die Gruppe ein? Und die Erfahrung zeigt ja, dass es völlig unproblematisch ist, weil sie sich von vornherein um Notenmaterial, um Midi-Files, kümmert, mit denen sie lernen kann. Die werden schon rausgesucht, fast schon bevor ich mit der Planung fertig bin. Das führt natürlich sogar dazu, dass du, Andrea, im Grunde die bestvorbereitetste Sängerin von uns allen bist, weil du es ja vorarbeiten musst, um in der Gruppe überhaupt mitmachen zu können. Und bei allen anderen ist es oft umgekehrt.
Katemann: Das führt natürlich umgedreht auch dazu, dass ich mir eine Ausnahmeregelung geschaffen habe, was das Anmelden für ein Projekt betrifft. Ich melde mich immer erst an, wenn ich weiß, was wir singen, damit ich auch weiß, ob ich es organisiert kriege.
Sokoli: Es ist vollkommen klar, dass man solche Regelwerke neu betrachten muss. Aber wenn jemand so vorbereitet in die Probe kommt, ist das natürlich etwas, was ich als Chorleiter nur wertschätzen kann. Andere warten oftmals erst ab, was die Gruppe in der Gesamtheit so bringt vom Blatt und fangen dann erst später an, sich individuell mit dem Notentext auseinanderzusetzen. Und in Andreas Fall ist das eben genau umgekehrt, so dass wir schon mal eine im Alt haben, die es immer kann, auch wenn dann auch noch im Zusammenspiel mit der Gruppe geprobt werden muss. Aber das, was ich im Grunde in den ersten Proben mache, nämlich Notentext transportieren, das hast du, Andrea, schon alleine gemacht.Wenn jemand die anderen Sinne so schärft, dass sie vieles, was das Augenlicht normalerweise liefert, ersetzen können, kann das auch zu einer Qualität umgewandelt werden. So dass man nicht immer nur den Makel sieht, sondern auch die Qualität, die daraus erwächst. Von daher entstehen dadurch auch Talente, die andere einfach nicht haben.
Taubner: Andrea, wie bereitest du dich vor, wie gehst du an ein Stück ran, wenn du es lernst?
Katemann: Zu Beginn höre ich es mir erst einmal unglaublich oft an. Das geht bei allen möglichen erdenklichen und unerdenklichen Gelegenheiten wie beim Busfahren, beim Spülen, beim Kochen… Jede Gelegenheit, wo das Stück intuitiv aufgenommen wird, aber wo man noch nicht so konzentriert mitsingt. Und dann fängt man so langsam an, mitzusingen, sich dranzuhängen. Ich mache es gerne so, dass ich in den Midi-Files, mit denen ich lerne, die anderen Stimmen mit einem anderen Instrument belege, so dass ich eigentlich immer die Gesamtharmonien höre. Das hat etwas damit zu tun, dass ich gern im Zusammenklang lerne und es mir besser merken kann. Wenn man nur Midi-Files hat, bei denen die synthetische Stimme keinen Text singt, muss man natürlich auch noch Text und Noten getrennt lernen. Da kann es dann am Anfang mal kleinere Fehlern in der Textverteilung geben, oder dazu kommen, dass ein Ton anders ist als in der ausgegebenen Notenausgabe, aber das passiert nicht oft. Ansonsten ist wichtig zu wissen, dass man gerade am Anfang ordentlich üben und vorbereiten muss, denn sonst kann man auch die entsprechenden Ansagen nur schlecht verfolgen.
Die meisten Midi-Files kriege ich aus dem Internet. Allerdings ist das auch der Grund, weshalb ich mich immer erst anmelde, wenn ich weiß, was wir singen, denn es gibt Ausnahmen bei der Verfügbarkeit. Es gibt zwar Profis, die Midi-Files auf Bestellung erstellen, aber das braucht natürlich einen gewissen Vorlauf. Wenn man das dann nicht mit einrechnet, dann mag es mal Ausnahmefälle geben, in denen ich ein Projekt absagen muss, weil ich das einfach nicht so schnell organisieren kann. Das muss man immer erst prüfen.
Ich könnte auch nach Blindennotenschrift lernen, aber ich bin mit Midi schneller. Allerdings benötigt auch das Vorlauf, denn da muss man auch sehr oft Dinge übertragen lassen und auch das ist sehr aufwändig.
Sokoli: Ich hatte mal einen blinden Orgelschüler, der auch Zugriff auf all das Notenmaterial in Blindenschrift hatte, aber auch er sagte, dass er viel schneller lernt, wenn ich ihm das vorspiele und er es nachspielt. Da konnte ich ihn direkt korrigieren, was für ihn besser und angenehmer war, als wenn er das mühsam mit den Fingern lesen, umarbeiten und auf die Tastatur umdenken muss. Das fügt sich auch gut darin ein, dass du sagst, dass du besser im Zusammenklang übst.
Taubner: Die Töne lernen ist ja immer das eine, aber die eigentliche Erarbeitung des Stückes ist dann doch nochmal eine andere, weil jeder Dirigent unterschiedliche Stücke ja auch auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert. Der eine macht’s schnell und laut, der andere macht es langsamer und leiser. Das hab ich mir auch schwierig vorgestellt, da du das Dirigat nicht siehst. Wie funktioniert das hier?
Katemann: Das ging von Anfang an gut, da Nico sehr viel verbalisiert, was mir sehr hilft. Ich bin auch ziemlich sicher, dass du das gar nicht für mich machst, Nico, aber es ist für mich natürlich trotzdem nützlich.
Sokoli: Ja, viele Dinge muss man einfach erklären. Sicher, ein gutes Dirigat ersetzt so manche Ansage, aber die Dosis zu kommunizieren geht nur, wenn ich erklärt habe, wie es sein soll. Das geht dann mit dem Dirigat Hand in Hand. Nun kriegst du die eine Hälfte, das optische, nicht mit, aber du nimmst die Erklärungen als gleichwertiges Pendant. Somit ist ja immer allen geholfen, wenn ich noch ein erklärendes Wort dazu sage, was ich dann auch in eine Bewegung umsetze. Was mich noch interessieren würde, Andrea: dein Gehörsinn ist wahrscheinlich ausgebildeter oder wacher als bei anderen Leuten. Würdest du das so sagen?
Katemann: Nein. Also, es ist natürlich so, dass mein Gehör im Prinzip gut trainiert ist und gerade weil es das ist, kann es auch auf bestimmte Dinge achten, aber auch ich muss mein Gehör immer wieder neu schärfen. Man lernt, auf bestimmte Dinge zu achten, aber das funktioniert nur dann, wenn man es immer wieder trainiert.
Sokoli: Jetzt bist du ja aber jemand, der sein Gehör sehr offensichtlich trainiert und immer wieder bewusstseinsschärfend einsetzt. Wie ist das für dich, wenn jetzt beispielsweise um dich herum viel falsch gesungen wird, zu hoch, zu tief, falsche Intonationen – bist du da empfindlicher als andere?
Katemann: Das glaub ich auch nicht. In einem anderen Chor, in dem ich gesungen habe, war ein Mensch mit absolutem Gehör, der war mit Sicherheit viel empfindlicher als ich. Fast schwieriger als falsche Intonation ist, wenn Tempi falsch abgenommen werden. Wenn also in einem anderen Tempo gespielt wird als um mich herum gesungen wird, ist das sehr anstrengend, da weiß ich dann harmonisch nicht mehr, wo ich bin.
Sokoli: Nochmal kurz zum absoluten Gehör zurück. Viele sagen ja, und ich kann mir das auch vorstellen, dass das eher ein Fluch als ein Segen ist. Man kann das ja auch nicht lernen, man hat es, oder man hat es nicht. Und ich bin offen gestanden wahnsinnig froh, dass ich nicht absolut höre, weil ich wahrscheinlich wahnsinnig werden würde, wenn sich das Bild, das ich im Kopf habe, immer weiter von dem entfernt, was ich gerade vor mir habe. So kann ich mich einfach adaptiv mit anpassen an die ganze Angelegenheit. Man hat es ja oft in Livesituationen, wo es dann nicht wirklich schlecht klingt, aber trotzdem sinkt. Solche Situationen, in denen man denkt, ja, schönes Stück, aber leider haben wir einen halben Ton verloren, sind für mich dann weniger schlimm als für jemanden, der absolut hört. Wie ist es für dich, wenn wir Intonationsverlust haben?
Katemann: Natürlich merke ich das. Ich versuche dann auch dagegenzuhalten, aber das geht natürlich nur begrenzt. Es gibt Situationen, in denen ich den Intonationsverlust anstrengend finde, die ich dann auch nicht gut aushalten kann. In denen muss ich irgendwann sagen, so, ich muss mal eben aufhören zu singen, sonst halte ich zu sehr dagegen, das ist dann zu anstrengend. Aber generell hält sich das in unserem Chor in Grenzen, da ist das vollkommen in Ordnung.
Sokoli: Ja prima. Also, Andrea, ich freu mich sehr, dass du bei uns dabei bist und ich kann es nur bewundern, mit welcher Konsequenz du dich auf unsere Proben vorbereitest und das dann auch zum Wohl des Chores einsetzt. Ich find das ganz grandios.
Katemann: Ich freu mich auch, dass ich genommen wurde, denn es ist für mich schon eine tolle Bereicherung. Denn es ist ja auch ein guter Chor und das macht dann auch Spaß.
Sokoli: Ja, das soll es ja auch.
Taubner: Vielen Dank für das tolle Gespräch, es hat mir viel Freude gemacht.
Zur Autorin:
Juliane Taubner koordiniert hauptberuflich die Öffentlichkeitsarbeit des DVBS. Ehrenamtlich engagiert sie sich im Vorstand des Marburger Bachchors.
Foto 1: Der Marburger Bachchor. Foto: Markus Farnung. [Der Marburger Bachchor bei einer Aufführung in einer Kirche. Ein Kammerorchester ist vor dem in gemischter Aufstellung stehenden, singenden Chor aufgebaut.]
Foto 2: Nicolo Sokoli. Foto: Mathias Neubauer. [Nicolo Sokoli lächelt in die Kamera. Er hat kurze Haare und trägt einen schwarzen Rollkragenpullover. Das Foto ist schwarz-weiß.]
Foto 3: Andrea Katemann. Foto: Bruno Axhausen. [Andrea Katemann sitzt im Außengelände des blista Campus. Sie trägt einen schwarzen Rollkragenpullover und hält ein Smartphone in der Hand. Sie lächelt.]
Kasten: Nicolo Sokoli, Jahrgang 1973, studierte Kirchenmusik, Chor- und Orchesterleitung und konzertantes Orgelspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Seit 2002 ist er der künstlerische Leiter des Marburger Bachchores.
Kasten: Andrea Katemann ist Leiterin der Deutschen Blinden-Bibliothek an der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) in Marburg und außerdem Vorstandsmitglied des DVBS. In ihrer Freizeit schätzt sie als Chorsängerin vor allem die Bereitstellung von Textbüchern und Noten in Braille-Schrift.
Sylvia Schwenger und Dr. Imke Troltenier
So geht Barrierefreiheit für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung
Barrierefreiheit hat viele Facetten. In Museen, bei Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen geht es für Menschen mit Seheinschränkungen zuallererst um das Wichtigste, den Zugang zu den Informationen. Gleichwohl sind ein barrierefreier Zugang zu den Ausstellungsankündigungen und für ein sicheres Ankommen im Museum noch längst nicht genug.
Welche Ausstellungen gibt es derzeit in meiner Stadt? Lohnt sich ein Besuch? Wie erreicht man das Museum, das Konzert oder das Theater? Wird man sich als blinde Besucherin oder als hochgradig sehbehinderter Besucher am Ausstellungsort zurechtfinden? Und lohnt sich das überhaupt, wenn man schlecht sieht?
Gutes Ankommen
Die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) ist einer der größten Produzenten von Medienplänen und Hilfsmaterialien für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung im deutschsprachigen Raum. In diesem Bereich bieten die Expertinnen und Experten aus dem Ressort „Kommunikation & Teilhabe“ eine breite Palette für Umsetzungen: barrierefreie Internet-Angebote und digitale Dokumente, Hörflyer, Audiobroschüren, Großdruck- und Braillepublikationen, Stadtpläne, Umgebungs- und Landkarten, Grundriss- und Detailpläne sowie Wegweiser durch Museen, Botanische Gärten oder Stadien und vieles mehr.
Die Möglichkeiten, tastbare Modelle und Pläne zu realisieren, sind so vielfältig wie die Materialien, die hier zum Einsatz kommen können. Ob Bronze, Corian, Folie oder 3D-Druck – grundsätzlich gilt es, für den jeweiligen Bedarf und Standort das Pro und Kontra abzuwägen und die projektierten Kosten im Auge zu behalten.
Die blista-Experten beraten daher ausführlich und erstellen auf Wunsch eine individuelle Konzeption für den Einsatz von taktilen und/oder kontraststarken Plänen und Tastmodellen im Innen- und Außenbereich.
Selbstständiges Orientieren
Übersichts- und Orientierungsmodelle helfen großen und kleinen Besuchern, sich im Museum zurechtzufinden. Sie geben Grundinformationen, stellen Lageverhältnisse dar und liefern Informationen, um den Aufzug, die Kasse oder die Waschräume zu finden.
Menschen mit visuellen Einschränkungen sind dabei auf die Beachtung von Barrierefreiheit angewiesen. Erfahrungsgemäß erweisen sich die Kriterien für Barrierefreiheit aber für alle als angenehm und vorteilhaft.
Hinweisschilder geben nützliche Informationen für die Orientierung. Sie können für unterschiedlichste Anforderungen und in diversen Ausführungsarten hergestellt werden. Die blista empfiehlt dabei die Vorgaben der DIN 32986 für die Größenfestlegung und die kontraststarke Gestaltung von Schrift.
Eine Kombination von Hinweisschildern und Piktogrammen lohnt sich meist, denn sie erleichtert die selbstständige Orientierung.
Kunstgenuss ermöglichen
Skulpturen und Exponate, die betastet werden dürfen, zählen zu den grundlegenden Möglichkeiten, Kunst auf zugängliche Weise anzubieten.
Die Beschriftungen der jeweiligen Werke werden durch eine erhabene Profilschrift fühlbar. Zusätzlich kann auch mit Braille beschriftet werden. Junge Leute mit Blindheit bevorzugen in aller Regel die Punktschrift. Die Profilschrift richtet sich demgegenüber besonders an die große Zahl spät erblindeter älterer Menschen. Sie können die großen, erhabenen Buchstaben oft noch gut fühlen und erkennen, haben aber die Brailleschrift im Alter nicht mehr erlernt.
Die Umsetzung von Gemälden ist eines der spannendsten Themengebiete in Sachen Gestaltung für blinde und sehbehinderte Museumsbesuche. Es gilt, die Intention der Künstlerinnen und Künstler zu erkennen und erkennbar umzusetzen. Dabei ist nicht jedes Kunstwerk für eine taktile Umsetzung gleich gut geeignet.
Die Bildaufteilung, die Bedeutung von Strukturen, Farben und Formen, die Symbolik und künstlerische Verortung des Gemäldes … - im Austausch mit den Kuratorinnen und Museumspädagogen wird herausgearbeitet, wo der Schwerpunkt liegen soll und welche Inhalte man den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung vorstellen möchte.
Vielfältige Erfahrungen zeigen, dass mit der Umsetzung von Gemälden in tastbare Exponate oft Zusätzliches gelingt: Gerade auch - normal sehende - Kinder und junge Leute begeistern sich für Ausstellungen, in denen sich Kunst im doppelten Wortsinn als „be-greifbar“ darstellt.
Werke im Dialog erschließen
Nicht selten enthalten Gemälde so viele Details, dass man diese nicht mehr auf einer einzigen tastbaren Abbildung darstellen kann. Dann wird entsprechend der menschlichen Wahrnehmungsfolge gegliedert. Schritt für Schritt erarbeiten die Expertinnen und Experten die aufeinander aufbauenden Ebenen des Kunsterfassens, um die Inhalte des Werkes im Detail zu verdeutlichen.
Ergänzt durch schriftliche und akustische Erläuterungen, die z.B. auf die Farbgebung oder den Pinselduktus näher eingehen, erleichtert die Darstellung das Verständnis für die unterschiedlichen Akzente und Perspektiven eines Kunstwerks.
Eine bedachte Auswahl der Werke, die aktive Einbindung von blinden und hochgradig sehbehinderten Personen während der Erstellung von Tastmodellen und eine Evaluationsphase tragen entscheidend dazu bei, dass die Umsetzungen aus der blista immer wieder auch bei Sehenden großen Anklang finden.
Führungen und Seminare
Nicht zuletzt unterstützen die Expertinnen und Experten aus dem Ressort „Kommunikation & Teilhabe“ auch bei der Konzeption von Führungen für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung. Darüber hinaus bietet die blista Seminare und Schulungen für die Sensibilisierung des Museumspersonals im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder und hochgradig sehbehinderter Personen an.
Nähere Informationen und Beratungstermine erhalten Interessierte beim blista-Ressort „Kommunikation & Teilhabe“ und den Experten für barrierefreie Medien.
Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
Tel.: 06421 606-0, Fax: -476, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.blista.de/barrierefreie-medien
Zu den Autorinnen
Sylvia Schwenger ist Diplomdesignerin und arbeitet seit 13 Jahren im Bereich Taktile Medien. Sie gestaltet tastbare Abbildungen vom Orientierungsmodell für Städte und Gemeinden, über Tastreliefs für Museen bis hin zur Mathematikaufgabe für den Schulunterricht.
Dr. Imke Troltenier leitet die Öffentlichkeitsarbeit der blista und ist Mitglied der horus-Redaktion.
Foto 1: Haupteingang zum Landesmuseum in Mainz. Foto: blista. [Ein Schild, das den Haupteingang des Landesmuseums Mainz als tastbares Relief zeigt. Die Schrift auf dem Schild ist sowohl in Schwarzschrift als auch Braille angegeben.]
Foto 2: Gebäudemuster. Foto: blista. [Ein Reliefschild, das die Wege des blista-Geländes zeigt. Alle Beschriftungen sind auch in Braille angegeben.]
Foto 3: Informationsschild. Foto: blista. [Informationsschild für Herren-WC und Behinderten-WC. Piktogramm, erhabene Schrift sowie Brailleschrift.]
Foto 4: „Der synthetische Musiker“ von Puni und die taktile Umsetzung aus verschiedenen Materialien, Berlinische Galerie. [Im Hintergrund das Originalgemälde an der Wand. Davor das taktile Modell aus verschiedenen Materialien, das das Bild in diversen Erhebungsstufen darstellt.]
Foto 5: Titelbild der Broschüre „Blaue Madonna“, Landesmuseum Mainz. [Titelbild der Broschüre „Blaue Madonna“, welches das Bild der Madonna in blauen Umhang gehüllt auf einer Bank sitzend reliefartig und mit Braille-Bildunterschrift darstellt. Sie hat das Jesusbaby auf dem Schoß und eine Brust entblößt.]
Foto 6: Eine Seite aus der Broschüre „Blaue Madonna“, Landesmuseum Mainz. [Seite aus der Broschüre „Blaue Madonna“. Ein Bildausschnitt, der nur die Madonna auf weißem Hintergrund zeigt. Auch das Jesusbaby wurde ausgeschnitten, so dass sie nur eine weiße Silhouette auf dem Schoß hat.]
Foto 7: Dr. Imke Troltenier. Foto: blista. [Dr. Troltenier lächelt in die Kamera. Sie trägt einen dunklen Blazer, eien Halbrandbrille und eine silberne Kette sowie Ohrringe. Ihre rotblonden, schulterlangen Haare trägt sie offen.]
Mirien Carvalho Rodrigues
Das Fußballmuseum in São Paulo – ein Magnet auch für Fans mit Behinderung
2008 eröffnete es unter den Tribünen der Arena Corinthians, des WM-Stadions von São Paulo. Die Barrierefreiheit für Besucher mit Behinderung wurde von Anfang an mit eingeplant und wird kontinuierlich mit staatlichen und privaten Geldern weiterentwickelt. Jedes Jahr fand bisher eine mehrmonatige intensive Zusammenarbeit mit einer ausgewählten Zielgruppe statt. Man begann mit blinden und sehbehinderten Personen, es folgten Autisten, gehörlose und schwerhörige Personen sowie Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung. Sie alle wurden als Experten in eigener Sache zu den vorhandenen Angeboten gehört, lobten und machten Verbesserungsvorschläge und sorgten dafür, dass die MitarbeiterInnen die Vielfalt an Interessen und Bedürfnissen noch besser kennenlernen konnten. Und sie sind alle höchst engagiert. Derzeit besuchen z. B. drei MuseumspädagogInnen einen Kurs in brasilianischer Gebärdensprache.
Ich war gespannt. In Sachen Barrierefreiheit eilt dem Museum ein ausgezeichneter Ruf voraus, und in Sachen Fußball würde es sicher auch aufregend werden. Der erste große Pluspunkt stellte sich gleich am Anfang heraus: Ich konnte als blinde Besucherin wie alle anderen unangemeldet auftauchen und hatte sogar noch die Wahl zwischen einem eigens für blinde Gäste entwickelten ausführlichen Audioguide, der neben Erklärungen zu den Räumen und Objekten auch eine Wegbeschreibung entlang des taktilen Leitsystems am Boden bietet, und einer Einzelführung durch eine Museumspädagogin. Ich entschied mich dafür, den Audioguide exemplarisch zu testen und dann das freundliche Angebot einer Führung gerne anzunehmen. Und beides war wirklich hervorragend.
Da gab es ein Modell des Stadions, in dem wir uns befanden. Durch die Verwendung unterschiedlichster Materialien – Stoff für Rasen und Bäume, sowie unterschiedliche Kunststoffe und Holz für Gebäude und Tribünen, wurde dem Modell Leben eingehaucht, und meine Finger wollten gar nicht mehr von dieser so wirklichen Welt in Miniatur lassen. Farbkontraste und Braillebeschriftung waren selbstverständlich mit von der Partie.
Nun konnte sie losgehen, die Tour durch 16 zumeist kleine Ausstellungsräume. Was immer ich erwartet hatte, es wurde weit übertroffen. Gleich zu Anfang erfuhr ich über ein Braille-Schild, das meine Begleiterin Leiliane mir zeigte, von den sechs Bildschirmen, auf denen Kinderfüße zu sehen sind, die einen Ball von einem Feld zum anderen spielen, mal auf Rasen, mal auf Asphalt, mal im Sand: „Fuß an den Ball – der Fußball beginnt in der Kindheit“.
In beinahe allen Räumen wurden mehrere Sinne angesprochen, tauchte ich in diese Kultur ein, in der der Fußball so eine entscheidende Rolle spielt. Hier konnte ich meiner eigenen brasilianischen Fußballseele freien Lauf lassen. Wie etlichen Einheimischen kamen mir die Tränen, als ich die entscheidenden Momente der Finalniederlage von 1950 verfolgte – dramatisch mit einem raumfüllenden Herzschlag untermalt; eine Gänsehaut überlief mich auch, als ich ausgewählten prominenten Persönlichkeiten Brasiliens lauschte, wie sie von einem für sie besonders prägenden Spiel erzählten, einer emotionaler als der andere. Im Raum der Fankultur gab es kein Halten mehr – ich tanzte mit bei unzähligen Einblendungen verschiedenster Jubel- und Fangesänge, Trommeln und Feuerwerk, das aus allen Richtungen und von Anhängern aller großen brasilianischen Mannschaften kam.
Reliefs aus Harz stellen Spieler in Aktion dar, in für sie typischen Haltungen kurz vor dem Schuss aufs Tor, oder in der Luft beim Versuch, den Ball zu halten. Hier hat mich vor allem die dreidimensionale Momentaufnahme des Torhüters beeindruckt, denn ich konnte die Spannung der Szene in mir spüren durch das Bild, das meine Hände ertasteten: Der Ball klebt in der linken Ecke unter der Latte, der Torhüter schwebt in der Luft, die Hand nach oben ausgestreckt – wird er den Ball noch erreichen, oder wird gleich unaufhaltsam das Tor fallen?
Da waren die Reliefdarstellungen der Gesichter von Pelé und Garrincha, der eine in Ehrfurcht „König des Fußballs“, der andere liebevoll „Freude des Volkes“ betitelt.
Es gab Bälle und Fußballschuhe vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute, 15 ausgewählte Radioreportagen berühmter Kommentatoren, ja selbst die Gürteltasche eines Mannschaftsmasseurs hat Platz in einer Vitrine.
Das Museum will jedoch ausdrücklich mehr erzählen als nur die Geschichte des Ballsports, ohne den Brasilien undenkbar wäre. In Form von Totems werden in einem Raum die wichtigsten nationalen und weltweiten Ereignisse eines jeden WM-Jahres dargestellt. Auch hierzu gab mir Leiliane eine Nachbildung in die Hand, damit ich die Anordnung der Bildschirme und Infotafeln nachvollziehen konnte. Ich bat sie, mir alles über 1982 vorzulesen, das Jahr der WM in Spanien, in dem mich meine Leidenschaft für Brasilien und seinen Fußball überwältigte.
Historische Abbildungen von Rio und São Paulo, Fotos berühmter Persönlichkeiten aus Musik, Kunst und Literatur, sowie Einspielungen aus unterschiedlichen politischen Regimen setzen darüber hinaus die Geschichte des Fußballs in einen Gesamtzusammenhang.
Am Ende ging es noch einmal verspielt und kreativ zu: Begeistert tastete ich mich an einer Wand mit Erklärungen und bildlichen Darstellungen diverser Ausdrücke und Sprüche entlang, die im Laufe der Zeit im brasilianischen Fußball einen festen Platz gefunden haben.
Jetzt konnte eigentlich nichts mehr kommen. Es schien, als könnte ich auch nicht noch mehr Bewegendes verkraften. Lieber noch ein bisschen am Kicker spielen und dann allmählich zum Ende kommen. Doch nein – Leiliane hatte noch ein Ass im Ärmel. Sie zeigte mir einen Sitzplatz und drückte mir dann wahrhaftig eine Nachbildung des Coupe Jules-Rimet in die Hand, des Weltmeisterpokals, den Brasilien nach dem dritten WM-Titel 1970 für immer behalten durfte.
Dieser Artikel wurde ursprünglich 2014 auf dem Blog der Aktion Mensch veröffentlicht.
Museu do Futebol, Praça Charles Miller, S/N, Estádio do Pacaembu, São Paulo – Brasilien. http://www.museudofutebol.org.br
Zur Autorin
Mirien Carvalho Rodrigues ist Schrift- und Konferenzdolmetscherin. Während der Fußball-WM 2014 berichtete sie für die Aktion Mensch aus Brasilien über die dortige Situation von Menschen mit Behinderungen. Zu den Interessengebieten der 49-Jährigen gehört neben Brasilien und barrierefreiem Tourismus auch die Herausgabe des horus, dessen Redaktionsmitglied sie seit 2016 ist.
Foto 1: Außenansicht des Estádio Municipal. Foto: Marcos Lopes. [Außenansicht des Estádio Municipal mit Haupteingang des Stadions. Es ist aus weißem Stein gebaut.]
Foto 2: Großer Raum im Museum. Foto: Ronaldo Franco. [Innenraum des Museums. Ein sehr hoher Raum mit mehreren Ebenen. Die Wände sind voller Bilder. Ganz oben erhält man Einblick in einen weiteren Raum voller Bildschirme.]
Foto 3: Mirien Carvalho Rodrigues. Foto: privat. [Mirien Carvalho Rodrigues auf dem Bahnübergang des Marburger Hauptbahnhofs. Sie lacht in die Kamera, ihre silbergrauen Haare sind kurz geschnitten. Sie trägt einen dunkelgrauen Blazer.]
Anette Bach
Ist Kunst zu begreifen?
Eine Rodin-Ausstellung im Folkwang-Museum in Essen! Für mich ein Ereignis! Die Jahre meines Lebens, in denen ich sehen konnte, waren geprägt von Freude und Interesse an der Kunst. Ich habe das Zeichnen geliebt, aber auch Gemälde und die Bildhauerei. Auch wenn ich nicht mehr sehen kann, hat sich mein Interesse für, ich würde sogar sagen, mein Bedürfnis nach Kunst nicht geändert. Also fahre ich nach Essen. An Rodins Werke kann ich mich gut erinnern. Der berühmte „Denker“, “Die Bürger von Calais“ und erst „Der Kuss“! Was würde die Ausstellung bringen? Frust pur! Ich durfte nichts anfassen. Ich mochte es gar nicht glauben. Was konnte ich an Steinskulpturen zerstören, wenn ich sie nur mit meinen Händen berührte? Auch durch ein aufgelegtes Seidentuch durfte ich nichts anfassen. Ich habe gebeten, geschimpft, argumentiert. Die saure Luft des Ruhrgebietes, die Fliegen, Spinnen und Staub würden sicher eine größere Bedrohung für die Unversehrtheit des Kunstwerks bedeuten. Nichts zu machen!
Ich finde, so geht das nicht! Auch ich weiß natürlich, dass es nicht vernünftig wäre, alle Museums- und Ausstellungsinhalte für jede tastende Hand freizugeben. Aber es ist viel mehr möglich, als zugestanden wird. Sicher, es ist mir oft gelungen, Führungen zu organisieren, bei denen dann am Ende doch die Vitrinen geöffnet oder die Begrenzungsgitter beiseitegeschoben wurden. Aber das war immer Glücksache und abhängig vom guten Willen und der Eigenmächtigkeit des jeweiligen Führers. Ich wünsche mir ein Umdenken. Alle Aussteller sollten verpflichtet sein, sehgeschädigten Menschen ihre Ausstellung zugänglich zu machen. Dafür gibt es Konzepte und weitere können entwickelt werden. Aussteller sollten schlagende Argumente haben müssen, für das, was nicht möglich ist. So etwas wird es immer geben, aber es darf nicht passieren, dass wir in die Rolle der Bittsteller, Überreder oder Krawallmacher gezwungen werden, die etwas angeblich Unmögliches fordern.
Wenn einmal eine gute Fee bei mir vorbeikäme, würde ich mir wünschen, dass vielleicht jedes Bundesland eine Einrichtung schafft, die vollgestopft ist mit Modellen. Es gibt so viele herrliche, spannende und unglaubliche Dinge, die Menschen geschaffen haben: Die Bauten der Inkas, den Taj Mahal, die Oper in Sydney oder die Elbphilharmonie. Selbst wenn ich überall hinfahren könnte und es mir erlaubt wäre, alles zu begehen, zu berühren, so würde sich doch das meiste nicht erschließen. Den David, den Michelangelo geschaffen hat, würde ich nicht mal erkennen, wenn ich auf dem fünf Meter hohen Marmorgebilde herumklettern dürfte.
Modelle herzustellen, ist in Zeiten von Scannern und 3D-Druckern wohl nur noch eine Frage des Wollens.
Bei mir klingelt es. Kommen Feen durch die Haustür?
Zur Autorin
Anette Bach leitet im DVBS die Bezirksgruppe Hessen. Die 66-Jährige organisiert mit dem Leitungsteam regelmäßig Veranstaltungen zu aktuellen Themen und Ausflüge, deren Termine unter dvbs-online.de veröffentlicht werden und die auch interessierten Gästen offen stehen.
Foto 1: Rodin, Der Kuss. Foto: Patricio Hurtado, Pixabay. [Marmorstatue von Rodin „Der Kuss“. Ein nacktes, sich küssendes Paar, das nebeneinander auf einem Steinblock sitzt. Sie hat die Arme um seinen Hals geschlungen, seine Hände ruhen auf ihrer Hüfte.]
Foto 2: Anette Bach. Foto: privat. [Anette Bach lächelt in die Kamera. Sie trägt schulterlange, blonde Haare und eine getönte Brille.]
Uwe Boysen
Zwischen Auge und Fingerspitzen
Ein Gespräch mit dem Erfinder von Stadtmodellen für blinde und sehbehinderte Menschen, Egbert Broerken.
Boysen: Lieber Herr Broerken, wie sind Sie zur Bildhauerei gekommen?
Broerken: Mein Großvater war ein talentierter Hobbykünstler und hat mir eine Ritterburg aus Holz mit allem Drum und Dran geschnitzt. Das muss wohl ein Schlüsselerlebnis für mich gewesen sein.
Boysen: Wie verliefen Ihre Ausbildung und Ihr weiterer Berufsweg?
Broerken: Ich habe in Münster Objektdesign studiert, mich dann aber auf klassische Bildhauerei konzentriert. Ich hatte viele Jahre einen Lehrauftrag, zunächst in Münster, später in Dortmund. Dabei habe ich besonderen Wert auf die praktische Ausbildung meiner Studierenden gelegt, das Schaffen mit den Händen war mir immer wichtig. Doch irgendwann gab es dann nur noch sehr verschulte neue Studiengänge mit viel Theorie. Ein solcher Beruf funktioniert aber nur zwischen Auge und Fingerspitzen und nicht theoretisch. Deshalb habe ich mich dann auf meine eigene künstlerische Tätigkeit fokussiert.
Boysen: Hatten Sie Vorbilder, und was für Arbeiten haben Sie gemacht, bevor Sie sich auf Stadtmodelle konzentriert haben?
Broerken: Meine Vorbilder waren die alten italienischen Meister. Ich habe früher auch viele freie Arbeiten gemacht, meist Säulenkonstruktionen. Solche Säulen finden Sie überall in der Welt, ob in den Wüsten von Pakistan, in Australien oder auch in Frankreich. Meine Frau und ich sind in den 80er Jahren mit dem Geländewagen durch Asien und Afrika gefahren. Ich habe diese Säulenkonstruktionen so interpretiert, dass diese längst verschollenen Kulturen ein Zeichen gesetzt haben, um ihr Dasein auf der Erde zu dokumentieren.
Boysen: Wie und wann sind Sie auf die Idee gekommen, Stadtmodelle für blinde und sehbehinderte Menschen anzufertigen?
Broerken: Ich komme aus der Gegend von Soest. Wenn ich in Soest bin, treffe ich oft auf blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche aus der dortigen Schule. Eines Tages beobachtete ich zufällig eine Gruppe blinder Kinder während einer Stadtführung und hörte, wie die Stadtführerin ihnen erklärte, dass sie jetzt vor dem romanischen Dom stehen, der 67 Meter hoch ist. Die Kinder reagierten mit offenen Mündern. Da fragte ich mich: Hatten diese Kinder eine Vorstellung, wie hoch 67 Meter sind? Wie konnte man diese Entfernungen greifbar machen? Daraus entstand die Idee, ihnen wortwörtlich etwas „an die Hand“ zu geben; denn erzählen kann man viel. Aber tasten gibt ein sehr plastisches Bild. Und so fertigte ich mein erstes Tastmodell.
Boysen: Wie gehen Sie vor, wenn Sie für ein Modell eine neue Stadt „erobern“ müssen?
Broerken: Ich mache zunächst detaillierte Aufnahmen vom fraglichen Ort, von Gebäuden und Straßenzügen. Dadurch komme ich auch mit den Menschen in Kontakt und erhalte viele Informationen. Nach diesen Vorarbeiten erstelle ich das Modell in Wachs und zeige es unseren Auftraggebern. Nachdem dann ggf. noch kleinere Änderungen vorgenommen worden sind, wird das Modell gegossen.
Boysen: Wie muss man sich diesen Vorgang vorstellen?
Broerken: In Handarbeit baue ich zunächst maßstabsgetreue Modelle. Straßen, Plätze und wichtige Gebäude werden mit Braille- und Normalschrift versehen. Danach wird das Modell in Zinnbronze gegossen. Das heißt, das Wachsmodell wird mit einer Gipsschamotte umhüllt und bei 650 Grad gebrannt. Das verflüssigte Wachs entweicht aus der verfestigten Form. Die dadurch entstandenen Hohlräume können nunmehr mit der flüssigen Bronze befüllt werden. Diese muss man dazu bis auf 1.100 Grad erhitzen. Das ist schon so eine Art Hochofenverfahren. Anschließend wird das Modell patiniert und gegen Umwelteinflüsse mit einem Carnaubawachs versehen. Zum Schluss wird das Ganze auf einem Sockel montiert. Dieses Verfahren ist eine alte handwerkliche Kunst, die die Detailtreue des Bronzereliefs garantiert.
Boysen: Wie beziehen Sie die Belange sehbehinderter Menschen in Ihre Arbeit ein?
Broerken: Ich suche immer den Kontakt zu den örtlichen Vereinen blinder und sehbehinderter Menschen und habe weiter auch Kontakt zur Blindenschule in Soest. Die Rückmeldungen von Blinden und Sehbehinderten sowie auch von Sehenden sind immer sehr positiv und motivieren mich. Interessanterweise konnte ich bei meinen früher geschaffenen freien Formen immer wieder feststellen, dass blinde Schüler viel besser verstehen als Sehende, was ich damit hatte ausdrücken wollen.
Boysen: Wie sieht ein solches Tastmodell nun konkret aus?
Broerken: Plätze, Bürgerhäuser, die Gassen und Kirchen sind jeweils so angeordnet, dass maßstabsgerechte Größenunterschiede zu erkennen sind.
Boysen: Was war Ihr schwierigstes Modell?
Broerken: Das kann man so nicht sagen. Jede Stadt hat ihre besonderen Herausforderungen, bedingt z.B. durch Topografie, außergewöhnliche Architektur etc. Dubai wollte beispielsweise ein sehr großes Gebäude abbilden lassen. Das wäre bei dem gewünschten Maßstab 1,60 Meter hoch geworden. Gewisse Größen und Maßstäbe müssen eingehalten werden. Die Frauenkirche in München hat in meinem Modell im Maßstab 1:500 beispielsweise nur eine Höhe von 18cm.
Boysen: Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis so ein Stadtmodell fertig ist?
Broerken: Von der Auftragsannahme bis zur Übergabe vergehen ungefähr 10 bis 12 Monate.
Boysen: Gab es bei Ihren Arbeiten auch Kuriositäten?
Broerken: Da erinnere ich mich an das Modell in Basel vor dem Münster. Der Dompropst zeigte dem Dombaumeister bei der Abnahme einen Ausschnitt des Modells mit dem Kommentar „genau unsere Situation“. Als ich genauer hinschaute, stellte ich fest, dass mein Sohn, der mir bei vielen Modellen hilft, die Domuhr im Modell auf 5 vor 12 gestellt hatte.
Boysen: Schauen Sie sich Ihre eigenen Modelle gelegentlich auch wieder an?
Broerken: Das kommt vor. Interessant ist, dass die Bronze nach etwa einem Vierteljahr durch die vielen Berührungen eine Art goldene Patina bekommt.
Während wir einmal in München zur Frauenkirche gingen, leuchtete das Stadtmodell davor golden in der Sonne. Als ich eine Gruppe Japaner sah, die gerade intensiv Türme und Dächer befühlte, war mir klar, woran das lag. Ich habe immer viel Freude bei meiner Arbeit, und auch später, wenn ich sehe, wie begeistert sie angenommen wird. Vielfach beginnen heute Stadtführungen an unseren Modellen.
Boysen: Wie viele Modelle haben Sie inzwischen erstellt?
Broerken: Ich denke, es werden derzeit etwa 150 sein. Ich habe da eine Art Alleinstellungsmerkmal. Glücklicherweise ist mein Sohn Felix in meine Fußstapfen getreten und ist ebenso mit Freude und Engagement bei der Arbeit.
Boysen: Lieber Herr Broerken, vielen Dank für diesen Einblick in Ihre Tätigkeit und für dieses Interview.
Zum Autor
Uwe Boysen war Vorsitzender Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen und zwölf Jahre lang, bis 2016, Vorsitzender des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS). Der 70jährige hat unter anderem zwei Jura-Lehrbücher verfasst und ist Mitglied der horus-Redaktion.
Kasten: Egbert Broerken studierte an der Fachhochschule Münster Design und fertig seit rund 20 Jahren Blinden-Stadtmodelle in Bronze, inzwischen unterstützt von seinem Sohn Felix. Er lebt und arbeitet in einem kleinen Renaissance-Wasserschloss in der Nähe von Soest in Westfalen.
Foto 1: Nahaufnahme des taktilen Stadtmodells von Ulm. Foto: Pixabay. [Nahaufnahme des taktilen Stadtmodells von Ulm in Bronze, mit Straßenschluchten, Häusern unterschiedlicher Größe.]
Foto 2: Das Ulmer Münster ragt über das taktile Stadtmodell hinaus. Foto: Pixabay [Das Ulmer Münster ragt deutlich über die Häuser im Stadtmodell hinaus, die Spitze ist durch die vielen Berührungen schon golden. Im Hintergrund der sonnige Marktplatz, auf dem das Modell steht.]
Foto 3: Uwe Boysen. Foto: DVBS. [Uwe Boysen lächelt in die Kamera. Er hat kurze, weiße Haare und trägt eine dunkle Sonnenbrille und einen roten Pullover.
Dr. Jürgen Trinkus
20 Jahre Boltenhagener Bücherfrühling oder Innenansichten eines kleinen, aber feinen Literaturfestivals
Wenn wir Autoren einladen, beim Boltenhagener Bücherfrühling aufzutreten, werben wir gern mit Besonderheiten, die uns aus dem gängigen Literaturbetrieb mit den Lesungen in Buchhandlungen und Bibliotheken herausheben. Stammpublikum und Akteure wohnen unter einem Dach und haben gut Zeit füreinander. Man trifft zusammen an einem Ort, der abseits liegt vom hektisch machenden Alltag.
Was im durchschnittlichen Literaturbetrieb in das Korsett von ungefähr zwei Stunden gezwängt ist, können wir vom Zeitdruck befreien. Am Abend ist Lesung. Anschließend können Interessenten mit und ohne Bücher, die sie signiert haben wollen, zu den Schriftstellern gehen und mit ihnen reden. Der Abend klingt aus im Hauscafé. Und dann folgt etwas, wovon uns schon viele unserer inzwischen mehr als hundert Autoren gesagt haben, dass sie es so noch nie erlebt haben: intensive Porträtgespräche am Morgen danach geben den Schreibenden und ihren Werken eine Tiefenschärfe und einen Facettenreichtum, den eine Lesung allein so nie bieten kann.
Womit wir auch gern werben und was hinterher von beinahe allen Vortragenden begeistert reflektiert wird - ist die großartige Zuhöratmosphäre. Uns wird immer wieder glückselig gesagt, dass vor ihnen Menschen saßen, die jeder Nuance der Texte in einer Intensität und einem Reichtum an Reaktionen folgen, wie es eben nicht selbstverständlich ist.
Diese Wahrnehmung nutzen wir dann aber auch zupackend aus. Wenn wir hören, dass ein Schriftsteller befreundet ist mit Kollegen, die uns auch interessieren, dann instrumentalisieren wir unsern Gast schon mal als Werber und Fürsprecher. Auf diese Weise konnten wir uns schon viele Wünsche erfüllen.
Ohne diese Netzwerkarbeit hätten wir keinen Christian Brückner bekommen, keinen Thomas Brussig und keinen Peter Ensikat, weder Inge Deutschkron, Wibke Bruhns noch Hans-Georg Stengel.
Genesis
Zuerst war da ein Ort voller ungenutzter Möglichkeiten. Der Blinden- und Sehbehinderten-Verein Mecklenburg-Vorpommern hatte sich Mitte der 90er Jahre entschlossen, Millionen geborgter D-Mark in die Hand zu nehmen, um sich als Betreiber eines Aura-Hotels zu etablieren. Der Verein war als Nachfolger des Blinden- und Sehschwachenverbandes der DDR im neuen Lande Mecklenburg-Vorpommern Besitzer zweier Häuser in unmittelbarer Nähe schönsten Ostseestrandes geworden. Am Scheideweg zwischen teuer verkaufen oder mutig investieren, hatte sich der junge Verein für die beherzte Tat entschieden.
Wie solche Häuser im Sommer genutzt werden, darum braucht sich niemand Gedanken zu machen. Die Sonne-, Sand- und Meersucher kommen in Scharen und sind mit diesem Angebot sehr zufrieden. Die frischere Hälfte des Jahres ist dagegen eine Herausforderung. Sie besteht darin, ein Programm zu entwickeln, das Menschen dazu animiert, sich aus allen Enden Deutschlands an dieses nördliche Ende zu begeben. Und das darf nicht nur einmal gelingen. Enttäuschte kommen nicht noch einmal wieder.
Das Projekt Urlaubs- und Begegnungsstätte bekam bald einen Namen: Aura-Hotel Ostseeperlen Boltenhagen, und die Programmarbeit war nicht einfach Sache angestellter Massenbespaßer oder angemieteter Agenturen, sondern eines Kreises ideenreicher Ehrenamtler.
Der Name des Frühlings
Wir wollten Teil sein eines großen Ganzen, das öffentlich gefördert wurde. Der "Norddeutsche Bücherfrühling" sollte seit den frühen 90er Jahren die Begegnungsmöglichkeiten mit Schriftstellern und Werken hinaustragen in die Fläche der Länder. Wir wurden auch freudig in die Aktivitätensammlung aufgenommen, mit der sich das federführende Literaturhaus des Landes schmückte. Geld für Autorenhonorare kam für uns von dort nie.
Aber eines stand von Anfang an außer jeder Frage: Wir wollen gestandene, interessante Literaten zu uns holen, aber wir werden nie um einen Blindenrabatt bitten.
Einen Teil der nötigen Finanzen bringen die anreisenden Teilnehmer auf durch ihren Regiekostenbeitrag. Einen Zuschuss bekommen wir von der Kurverwaltung, die uns mittlerweile als positiven Imagefaktor des Ostseebades wahrnimmt. Über viele Jahre förderte uns die Friedrich-Ebert-Stiftung in Mecklenburg-Vorpommern, zu der sich über persönliche Lebensgeschichten ein vertrauensvoll freundschaftliches Band geknüpft hatte. In bescheidenerem Umfang, doch auch sehr hilfreich, springt jetzt öfter mal die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein. Andere Partnerschaften ergeben sich von Mal zu Mal. So wird 2018 eine Lesung getragen von der Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung. Dazu später mehr.
Der Erfolg und seine Geheimnisse
Die Momente tiefen Zweifelns sind uns nicht fremd. In den ersten Jahren gab es - wenn es hoch kam - zwanzig zahlende und zuhörende Gäste und immer die Frage: wie viele werden im nächsten Jahr dasitzen, wenn die Autoren anreisen aus Hamburg, Berlin oder Köln? Am Anfang war überviel Programm und unkalkulierbar wenig Publikum. Diese Proportion hat sich in allseits akzeptierter Weise verändert. Wir stopfen das Programm nicht mehr voll. Das Festival umfasst vier Tage mit vier abendlichen Lesungen, vier Porträtgesprächen am Morgen danach und drei Nachmittagsangeboten, bei denen entweder Verlage der Region oder Autoren auftreten, die weniger beschriebene Blätter sind. Und inzwischen sind wir in der komfortablen Lage, ein Stammpublikum zu haben, das am Ende eines Bücherfrühlings in einer Glückssphäre schwebt, dass viele gleich zur Rezeption gehen und fürs nächste Jahr buchen, ohne zu wissen, was dann geboten wird. Die Plätze sind rar geworden. Natürlich bemühen wir uns, diesen Vertrauensvorschuss nicht zu verspielen.
Als ich die Reihe 1999 ins Leben rief, war von Anfang an einer im Publikum, der schnell zum prägenden Partner wurde. Klaus Düsterhöft ist einer, der seine Leidenschaft zu Büchern, Autoren und Verlagen in einem Maße lebt, dass es sündhaft wäre, wenn er nur Teil eines Publikums wäre.
Und so wurden wir schnell ein Tandem. Erst die Arbeitsteilung und das gegenseitige Befeuern macht anspruchsvolle Kontinuität auf Jahrzehnte hin möglich.
Es hat sich eine Arbeitsteilung herausgebildet. Jeder von uns hält Ausschau nach Autoren. Die Liste unserer jeweiligen oder gemeinsamen Wunschkandidaten ist lang. Jeder von uns beiden bearbeitet "seine" Autoren von der Kontaktaufnahme bis zur Moderation. Das macht Intensität und Gründlichkeit möglich, in der sich die Literaten sehr ernst genommen und wertgeschätzt fühlen können. Klaus macht die Verträge und Finanzen; ich kümmere mich mehr um die Öffentlichkeitsarbeit.
Eines hat Klaus eingebracht, was eine unverzichtbare Säule des Erfolges ist: die Buchhandlung an unserer Seite. Klar, dass der Liebhaber der Bücher mit hingebungsvollen Buchhändlern befreundet ist. Darum ist der Büchertisch vor dem Veranstaltungsraum immer bestmöglich bestückt. Kerstin Schnürl und Thomas Müller betreiben nicht nur zwei Buchläden in Gadebusch und Grevesmühlen. Sie haben auch eine Tochter Paula, die wir als Maskottchen ins Herz geschlossen haben und uns gut als künftige Buchhändlerin vorstellen können. Die 8-jährige Paula war 2017 zum 9. Mal beim Bücherfrühling. Das erste Mal kurz vor der Entbindung, weshalb vorsorglich eine Gynäkologin im Publikum saß, die inzwischen auch zu den Stammgästen gehört.
Eine weitere Säule des gar nicht geheimnisvollen Erfolgs ist noch zu würdigen: das Aura-Hotel und sein ganz für uns da seiendes Personal.
Wer sind die Autoren, die in Boltenhagen lesen?
In den ersten Jahren stellten wir uns noch Jahresthemen und suchten die passenden Schriftsteller danach aus. Dabei kamen auch spannende Programme heraus: "Alles was Recht ist" (2002), "Übersetzer - die stilleren Helden des Literaturbetriebs" (2003), "Literatur als Guckloch in die Welt der Kinder" (2004) oder "In Deutschland angekommen? Zuwanderer bereichern die Literatur und verändern die Gesellschaft" (2011).
Solche Themenvorgaben sind allerdings auch ein Korsett, in das sich dann nicht alles pressen lässt, was uns gerade begegnet.
Beim Boltenhagener Bücherfrühling geht es um Literatur und ihre Schöpfer. Klar, dass da auch Autoren in den Fokus kommen, die wie wir blind oder hochgradig sehbehindert sind. Bei uns waren Bernd Kebelmann, Thomas Maurenbrecher, Maxi-Lore Edlich, Horst Cain. Die Zahl der Schreibenden mit einer Sehschädigung, die wir bislang nicht eingeladen haben, ist eher länger und wird lang bleiben. Blindheit ist kein Bonus.
2018 tritt der Berner Literat Michael Fehr auf. Er hat im deutschsprachigen Raum Aufmerksamkeit erregt seit seiner preisgekrönten Teilnahme am Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. In einer archaischen Tradition stehend, notiert er seine Texte nicht schriftlich. Sein Medium ist sein Diktiergerät. Manche Literaturkritiker sehen in Michael Fehr einen Vorboten eines Speech-to-text-Zeitalters, einer medialen Zukunft nach der Schrift. Das wollen wir uns natürlich mal näher beschauen.
Anekdotisches
Erzählenswerte Episoden sammeln sich in 20 Jahren natürlich reichlich an. Dafür ist hier leider nicht der Raum. Zu erzählen wäre vom Autor, der eine Fahrkarte nach Boltenhagen kaufte und 2 Stunden vor Lesungsbeginn vom Greifswalder Bahnhof aus anrief, weil er nicht wusste, wie er weiterfahren müsse, um zum vorpommerschen Dorf dieses Namens zu kommen. Vom Ostseebad Boltenhagen trennten ihn da etwa 170 Kilometer, die nur mit einem rasanten Taxi zu schaffen waren.
Besonders war die Lage, als die mutige Antifaschistin Birgit Lohmeyer aus dem nahen Jamel bei uns las. Da wurde unser friedliches Haus vorsorglich vom Staatsschutz gesichert.
Zu etlichen Autoren hat sich eine freundschaftliche Nähe entwickelt. Inspiriert durch unseren Bücherfrühling hat Judith Kuckart das Bühnenprojekt "Rot ist, wie ein Holzkästchen sich anfühlt" für das Münchner Literaturfest entwickelt und in den Kammerspielen aufgeführt mit drei blinden Protagonistinnen und der Schauspielerin Brigitte Hobmeier. Ich durfte als Ehrengast dabei sein. Unser Autor Feridun Zaimoglu wohnt in Kiel in der gleichen Gegend wie ich und wenn wir uns jetzt begegnen, ist das natürlich anders als vor dem Bücherfrühling.
Nachsatz
Manchmal wurde schon gefragt, wie lange wir das noch machen wollen; ob da nicht mal Jüngere ran sollten. Also, uns sind Lust und Energie noch nicht ausgegangen. Wir können allen nur sagen: kulturelle Veranstaltungen zu besuchen ist mehr oder minder spannend. Selbst die Veranstaltungen zu organisieren, die man gern besuchen würde, ist aufregender, aber auch intensiver. Es wird belohnt durch wunderbare Nähe zu interessanten Akteuren und die Zufriedenheit des Publikums. Hingabe und Umsicht verlangt das schon. Aber es macht glücklich.
Zum Autor:
Dr. Jürgen Trinkus ist wissenschaftlicher Dokumentar und arbeitet beim Norddeutschen Rundfunk in Kiel. Mehr über den 63-jährigen erfahren Sie auf seiner Webseite http://www.klangkontext.de.
Foto 1: Dieses Bild zeigt einen Blick ins Publikum. Es macht deutlich, dass alle Plätze ausgebucht waren. Foto: Heinz Kozdon [Ein Raum mit ca. 50 Personen, die einer Lesung lauschen.]
Foto 2: Der Leiter der Handschriftenabteilung des Heinrich Heine Instituts Düsseldorf, Christian Liedtke, liest aus seinen Heine-Büchern am Sonntag, den 15.04.2018. Foto: Doris Bendlin [Christian Liedtke, der Leiter der Handschriftenabteilung des Heinrich Heine Instituts Düsseldorf sitzt an einem Tisch. Darauf aufgebaut sind Mikrofon, Aufnahmegerät und Tischlampe. Er hält ein Buch von Heinrich Heine in der Hand und liest daraus.]
Foto 3: Der hochgradig sehbehinderte Schweizer Schriftsteller Michael Fehr signiert nach seiner Lesung am Samstag, den 14.04.2018, Bücher der Teilnehmer des Boltenhagener Bücherfrühlings. Foto: Doris Bendlin [Michael Fehr sitzt an einem Tisch und unterhält sich mit einer Besucherin. Er hält einen Stift in der Hand und macht sich bereit, sein Buch zu signieren.]
Bildung und Wissenschaft
Reiner Filla und Frauke Onken
Der Weiterbildungsbedarf blinder und sehbehinderter Erwerbsfähiger: Ergebnisse einer Befragung im DVBS-Projekt iBoB
Ziel des Projektes "inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren" (iBoB) ist die Sammlung, Entwicklung und zentrale Präsentation barrierefreier beruflicher Weiterbildungsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Erwerbsfähige. Dazu soll auch eine webbasierte Informationsplattform aufgebaut werden.
Ausgangspunkt für die Arbeiten in dem Projekt iBoB war eine umfassende Befragung verschiedener Zielgruppen zum Thema "Weiterbildungserfahrungen und -bedarfe blinder und sehbehinderter Erwerbstätiger". Befragt wurden sowohl betroffene Erwerbsfähige als auch Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertreter, Integrationsfachdienste und Hilfsmittelversorger.
Ziel der Befragung war es, Weiterbildungswünsche und-bedarfe von blinden und sehbeeinträchtigten Arbeitnehmer*innen für die kommenden Jahre im Hinblick auf die zu erwartenden Veränderungen am Arbeitsmarkt zu ermitteln. Die Befragungsergebnisse steuern die Akquise passender Weiterbildungsangebote.
Die Antworten von Arbeitgebern, Schwerbehindertenvertretungen, Integrationsämtern und -fachdiensten, aber auch Weiterbildungsträgern wurden mit den Antworten der befragten Erwerbsfähigen verglichen, um deren Aussagen zu validieren.
Zahlen
Teilnehmer*innen
Die Befragung wurde mittels des Online-Instruments Survey Monkey durchgeführt. Der Fragebogen für Erwerbsfähige umfasste 18 Sachfragen und 8 Fragen zur Person; die Fragen wurden auf die betreffenden Zielgruppen hin angepasst. 961 Erwerbsfähige wurden per E-Mail angesprochen, weitere über Blinden- und Sehbehindertenverbände. Bis Ende 2017 haben 307 blinde und sehbehinderte Erwerbsfähige, vor allem Mitglieder des DVBS, der DBSV-Landesverbände sowie deren Berufsfachgruppen, Mitglieder von Pro Retina, blista-Absolventen und Absolventen einiger Berufsbildungs- bzw. Berufsförderungswerke an der Befragung teilgenommen, dies ist etwa ein Drittel aller Angesprochenen.
Seitens der "Vergleichsgruppen" haben an der Umfrage mitgewirkt:
- 12 Arbeitgebervertreter
- 56 Weiterbildungsanbieter
- 21 Vertreter der Integrationsämter und Integrationsfachdienste
- 64 Schwerbehindertenvertreter
- 6 Hilfsmittelversorger
Weiterbildungserfahrungen
Zu ihren Weiterbildungserfahrungen befragt, gaben 84 Prozent der befragten Erwerbsfähigen an, bereits eine Weiterbildung absolviert zu haben, 65 Prozent in den letzten zwei Jahren oder nahmen zum Zeitpunkt der Erhebung an einer Weiterbildung teil.
Mit 81 Prozent wurde persönliches Interesse als Grund für die Nutzung eines Weiterbildungsangebots genannt. 68 Prozent wählten als Grund Anpassungen an veränderte berufliche Anforderungen aus, und 54 Prozent nannten den Wunsch, den eigenen Aufgaben- und Verantwortungsbereich erweitern zu wollen.
Betriebliche Umstrukturierungen oder drohender Arbeitsplatzverlust spielten mit angegebenen 13 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Aber bei 23 Prozent der gegebenen Antworten hatte der Arbeitgeber einen Einfluss auf die Entscheidung.
Für das Weiterbildungsangebot wurden zu 49 Prozent privatwirtschaftliche Anbieter, zu 39 Prozent betriebsinterne Anbieter genutzt. Angebote von Berufsförderungswerken wurden von 22 Prozent genannt.
Diejenigen, die bisher an keiner Weiterbildung teilgenommen haben, gaben hierfür zu 59 Prozent den Grund an, kein fachlich passendes Angebot und zu 41 Prozent kein barrierefreies Angebot gefunden zu haben.
Kriterien für die Auswahl eines Weiterbildungsangebots
Die Antwortenden geben in absteigender Reihenfolge folgende Kriterien für die Auswahl eines Weiterbildungsangebots an:
- 90 % Fachlich bzw. inhaltlich passend zur ausgeübten Tätigkeit
- 90 % Qualifikation der Dozenten
- 85 % Barrierefreiheit des Weiterbildungsangebots
- 84 % Erreichbarkeit der Weiterbildungsstätte
- 79 % Anpassbarkeit des Angebots auf die Bedarfe des Betroffenen
Die Stellungnahmen der ebenfalls befragten Schwerbehindertenvertretungen zu diesem Themenbereich bestätigen die Aussagen der Erwerbstätigen weitestgehend.
Künftige Bedarfe
Zu ihren Weiterbildungswünschen und -bedarfen geben die Erwerbstätigen in absteigender Reihenfolge nachfolgende thematische Schwerpunkte an:
- 80 % EDV und digitale Medien (z.B. Anwenderkenntnisse von Excel bis SAP, Programmiersprachen, online-Marketing)
- 62 % Sozialkompetenz, Persönlichkeitsentwicklung (z.B. Selbstpräsentation gegenüber Vorgesetzten und Kollegen, Behinderungsbewältigung, Stressbewältigung, Arbeitsorganisation)
- 49 % assistive Technologien (z.B. Einsatz und Nutzung von Screenreadern, Smartphone und Tablet)
- 44 % Führungskompetenz (Mitarbeiterführung und Projektmanagement)
Als persönliches Ziel geben 60 Prozent der Erwerbstätigen an, die Kompetenz für die derzeit ausgeführte Tätigkeit erweitern zu wollen. 16 Prozent denken an eine Erweiterung des Aufgaben- und Verantwortungsbereichs, nur sieben Prozent an beruflichen Aufstieg, 17 Prozent an eine berufliche Neuorientierung.
Befragt zu ihren Einschätzungen, welche Auswirkungen die Veränderung am Arbeitsmarkt auf ihren Bedarf an Weiterbildungsangeboten haben könnte, geben 61 Prozent der Erwerbstätigen an, dass regelmäßig Weiterbildungen erforderlich seien; 21 Prozent hingegen erwarten keine Auswirkungen und 30 Prozent sind hinsichtlich der Auswirkungen unsicher. Nur 3 Prozent gehen davon aus, einen ganz neuen Beruf erlernen zu müssen.
Auffällig am Antwortverhalten der Teilnehmer*innen ist aber, dass gut ein Drittel (34 Prozent) die Fragen zur „Zukunft" und "möglichen beruflichen Veränderungen" übersprungen hat.
Die befragten Vergleichsgruppen bestätigen mit nur geringen prozentualen Abweichungen die von der Gruppe der Erwerbsfähigen genannte Rangfolge der künftigen Weiterbildungsbedarfe.
Vergleiche zu anderen Erhebungen
Um die gewonnenen Erkenntnisse aus der iBoB-Umfrage besser einordnen zu können, wurden die nachfolgenden Studien zum Thema "Weiterbildungen" herangezogen:
„Weiterbildungstrends in Deutschland 2016“ (sgd 2017; https://www.sgd.de/aktuellespresse/weiterbildungstrends.html),
„Weiterbildung in der IKT“, (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Kurzbericht 17/201, http://doku.iab.de/kurzber/2017/kb1717.pdf),
„Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2016“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF) 2017 https://www.bmbf.de/pub/Weiterbildungsverhalten_in_Deutschland_2016.pdf).
In diesen Studien werden behinderte Weiterbildungsteilnehmer*innen und deren Weiterbildungsverhalten nicht spezifisch betrachtet, aber deren Ergebnisse bestätigen die von iBoB befragten Erwerbsfähigen genannten wichtigsten Weiterbildungsbedarfe (selbstverständlich mit der Ausnahme der Nutzung assistiver Technologien).
Fazit und Ausblick
Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen sind die Herausforderungen durch die zunehmende Digitalisierung am Arbeitsmarkt groß, sie stellen aber nicht zwangsläufig eine Gefahr im Sinne eines Arbeitsplatzverlustes dar. Voraussetzung hierfür sind jedoch kontinuierliche Weiterbildungen, sowohl hinsichtlich des Erlernens als auch des kompetenten Umgangs mit digitalen Technologien. Aber auch der Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen spielt eine wichtige Rolle.
Wir haben die Ergebnisse der iBoB-Erhebung mit unseren Kooperationspartnern diskutiert, zu denen unter anderem die fünf Berufsförderungswerke mit dem Schwerpunkt "Sehen" oder Schwerbehindertenvertretungen gehören. Auf Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen stimmten sie grundsätzlich mit den Einschätzungen der blinden und sehbehinderten Arbeitnehmer*innen zur Arbeitsmarktentwicklung überein: Unabhängig von Branchen oder beruflichen Funktionen werden IT-Kompetenzen als wesentliche Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe bewertet.
Allerdings weisen unsere Kooperationspartner in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf einen bemerkenswerten Punkt hin: Die Umfrageteilnehmer*innen hatten die Möglichkeit, Weiterbildungsbedarfe im IT-/EDV-Bereich getrennt von Weiterbildungsbedarfen im Umgang mit ihren assistiven Technologien anzugeben. Aber die Kooperationspartner stellen in Frage, ob diese Unterscheidung derart trennscharf getroffen werden kann, da beide Techniken nicht unabhängig voneinander genutzt werden. Sollten daher IT-/EDV-Weiterbildungsangebote, die sich an blinde und sehbehinderte Teilnehmer*innen richten, sinnvollerweise um ein zusätzliches Angebot einer Hilfsmittelschulung ergänzt werden?
Einen vergleichbaren Hinweis formulieren unsere Kooperationspartner zum angegebenen Weiterbildungsbedarf "Soziale Kompetenzen". Wenn blinde und sehbehinderte Erwerbsfähige vermehrt Angebote wie z.B. Präsentationstechniken oder Verhalten in Beurteilungsgesprächen wünschen, sind dann ebenfalls beeinträchtigungsspezifische Hintergründe in diesen Angebotswünschen impliziert?
Diesen Fragestellungen gilt es in den nächsten Monaten näher nachzugehen, da sie einen unmittelbaren Einfluss auf die Akquise und ggf. spezifische Entwicklung von Weiterbildungsangeboten haben werden.
Foto 1: Logo iBoB
Jürgen Nagel
Neue berufsbegleitende Weiterbildungen für Reha-Fachkräfte erfolgreich angelaufen
Seit Mitte der 70er Jahre werden an der blista Rehabilitationsfachkräfte ausgebildet, zunächst in getrennten Kursen für die Schulungsbereiche O&M und LPF, Anfang der 80er Jahre wurden beide Schulungsbereiche in einer Weiterbildung zusammengefasst. Im Jahr 2009 erhielt die Ausbildungsstätte der blista vom Hessischen Kultusministerium die staatliche Anerkennung als Fachschule im Sinne einer Ergänzungsschule.
Der Mangel an Reha-Fachkräften ist derzeit groß und wird nach den Ergebnissen einer Umfrage des Bundesverbandes der Reha-Lehrer zunehmen. Schon bis 2027 werden von den geschätzt 210 in Deutschland aktiven Fachkräften 39 % aus Altersgründen in den Ruhestand eintreten und nur 5 weitere Jahre später sind es 2032 bereits deutlich mehr als die Hälfte.
Leider konnten in den vergangenen Jahren längst nicht alle zur Verfügung stehenden Plätze der Vollzeitkurse in Hamburg und Marburg besetzt werden. Eine Ursache dafür sind die auf Grund der personalintensiven Lehr-Lern-Simulationen vergleichsweise hohen Weiterbildungsgebühren.
Die Möglichkeit, „Aufstiegs-BAföG“ in Anspruch zu nehmen, gibt es im Einzelfall nur an der staatlich anerkannten Fachschule der blista. Das bedeutet, die Mehrkosten oder die Gesamtkosten müssen privat oder von Arbeitgebern getragen werden.
Es ist notwendig, neue Überlegungen anzustellen und da der Fachkräftemangel nicht nur für uns, sondern auch für unsere Nachbarländer Österreich und Schweiz ein großes Problem darstellt, lag es nahe, sich gemeinsam mit der Entwicklung von Lösungen zu beschäftigen.
Experten aus allen drei Ländern haben Konzepte und Standards für ein neues berufsbegleitendes Qualifizierungskonzept für die Rehabilitationsfelder lebenspraktische Fähigkeiten (LPF), Orientierung und Mobilität (O&M) und Low Vision (LV) entwickelt. Seit Anfang 2017 werden die neuen Angebote in die Praxis umgesetzt. Die Teilnahmevoraussetzungen entsprechen denen der Vollzeitkurse.
Die Teilnahme an einem Spezialisierungskurs in einem der Rehabilitationsfelder setzt jedoch den erfolgreichen Abschluss eines Grundlagenmoduls voraus, in dem wesentliche theoretische Inhalte aus den Bereichen Medizin, Pädagogik und Psychologie sowie Basiskompetenzen der Rehabilitation vermittelt werden.
In Zusammenarbeit mit den Kollegen vom Institut IRIS in Hamburg sind die Weiterbildungsexperten der blista/RES für die Kurse in O&M und LPF inhaltlich verantwortlich. Die Spezialisierung für das Rehabilitationsfeld O&M findet in Hamburg, die Spezialisierung für LPF in Marburg statt. Im März 2017 startete die berufsbegleitende Weiterbildung LPF; acht TeilnehmerInnen aus drei Ländern nehmen seitdem an der berufsbegleitenden Weiterbildung in Marburg teil. 50 Präsenztage sind in 5 Module à 10 Tage aufgeteilt. In den Zeiten zwischen den Modulen unterrichten die TeilnehmerInnen im Rahmen ihrer Lehrpraxis bereits das, was die Ausbilder ihnen in den arbeitsintensiven Ausbildungszeiten an der blista praxisorientiert vermittelt haben.
Die Begleitung der Lehrpraxis in der Spezialeinrichtung zu Hause übernehmen erfahrene Reha-Fachkräfte, die in einem Seminar auf ihre Aufgabe vorbereitet wurden. Neben dem Besuch der Ausbildungsmodule in Marburg und der Lehrpraxis vor Ort in der eigenen Einrichtung stehen noch Klausuren, Projektarbeiten und eine Abschlussarbeit auf dem Lehrplan. Regelmäßige Evaluationen beleuchten das Kursgeschehen und helfen dabei, das neue Konzept zu verbessern. Mit dabei ist auch Frau Rafflenbeul, die als Motologin an der blista arbeitet und durch ihre Teilnahme die zusätzliche Qualifikation als Reha-Fachkraft für LPF erwirbt.
Ihr Fazit nach vier absolvierten Modulen:
„Die Ausbildung ist sehr interessant und praxisnah gestaltet. Durch den hohen Anteil praktischer Simulationsübungen mit der Augenbinde und speziellen Simulationsbrillen können wir uns viele Inhalte besser erschließen und verinnerlichen. Den Wechsel zwischen Präsenz- und Unterrichtsphase empfinde ich persönlich als sehr gut, da man so die Zeit hat, die in den sehr intensiven, zweiwöchigen Modulen gelernten Inhalte zu festigen.“
Im April kommt die Lerngruppe zum letzten Mal nach Marburg, im Juni werden die Abschlussarbeiten abgegeben und im Anschluss finden die Abschlusslehrproben an den Heimatorten statt. Wenn alles gut läuft, wovon nach den bisherigen Erfahrungen ausgegangen werden darf, sind dann acht neue Reha-Fachkräfte für LPF fertig ausgebildet und erhalten ihr Abschlusszeugnis mit den entsprechenden Anerkennungen vom Berufsverband der Rehabilitationslehrer/innen, dem VBS und dem DBSV.
Die Nachfrage für den Folgekurs (Beginn im Frühjahr 2019) ist so groß, dass die Teilnehmerzahl, die ursprünglich auf neun begrenzt war, auf zwölf erhöht wurde. Aktuell sind noch zwei Plätze frei. Weiterführende Informationen finden Interessierte unter: www.blista.de/content/berufsbegleitende-weiterbildungen oder bei unserem Ansprechpartner Christian Gerhold, Rehabilitationseinrichtung der blista (RES), Postfach 1160, 35001 Marburg
Telefon: +49 (0) 6421 606-173, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Frau Rafflenbeul (unter der Augenbinde) mit Frau Burghof (Ausbilderin). Foto: blista. [Eine Frau mit schwarzer Augenbinde sitzt an einem Tisch. Vor ihr ein Schneidebrett aus Holz, daneben eine Schlangengurke sowie mehrere Karotten. Im Hintergrund die Ausbilderin.]
Marie Kordilla
Multimediale Lernpakete für den inklusiven Unterricht - Was ist eigentlich ein MuLI?
Nicht nur die absonderliche Schreibweise aus Groß- und Kleinbuchstaben, sondern vielmehr der schulische Kontext lassen darauf schließen, dass es hier nicht um das gekreuzte Maultier aus Pferdestute und Eselhengst geht. MuLI steht für „Multimediale Lernpakete für den inklusiven Unterricht“. Es handelt sich also um Lernmaterialien. Ausschließlich der Kopf des MuLIs im klassischen Sinn ist dem Projekt als Logo erhalten und ziert die Printauflage der Hefte.
Was steht hinter der Idee?
Naturwissenschaftliches Arbeiten bedarf vielfältiger Kompetenzen aus dem Bereich Erkennen und Formulieren von Fragestellungen, Beschreiben und Erklären naturwissenschaftlicher Phänomene sowie Interpretieren und Auswerten von Materialien.
Für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler ergeben sich daraus besondere Herausforderungen, sogar oftmals Hürden. Diese Hürden zu verkleinern haben sich Lehrkräfte der CSS auf die Fahne geschrieben und Materialien entwickelt, die nicht nur barrierefrei, sondern durch Interaktivität aktivierend und ansprechend sind.
Im Mittelpunkt eines MuLIs steht dabei ein besonderes Medium: ob besonders geformte Magnete mit einer darauf abgestimmten Magnettafel, 3D-Modelle, Schwellkopien oder eine Kombination aus diesen, der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Die Idee geht jedoch weiter: Nach dem Motto, „was für unsere Schülerinnen und Schüler gut ist, ist auch für andere gut!“, entstand der Plan, die Materialien so zu gestalten, dass sie auch für andere Schulen und Bildungseinrichtungen einsetzbar sind und zugänglich gemacht werden sollen.
Ein langer Weg von der Idee zum Produkt
Organisiert als Kooperationsprojekt zwischen Lehrkräften der CSS und dem Ressort „Kommunikation und Teilhabe“, galt es zunächst, interne Zuständigkeiten sowie ein praktikables und einheitliches Vorgehen zu erarbeiten. Nach intensiven Überlegungen entstand ein Workflow und die Materialien nahmen Gestalt an.
Woraus besteht ein MuLI?
Als Lernpaket setzt sich ein MuLI aus verschiedenen Medien zusammen, die je nach Thema und Lernziel variieren können.
Heft: Das obligatorische Begleitheft, welches durch die Lehrkräfte verfasst wird, dient als Handreichung für den Einsatz der Materialien und bildet somit den Kern des Lernpaketes. Es gibt konkrete, im Unterricht erprobte Arbeitsanweisungen, enthält Aufgabenstellungen und beschreibt Anwendungsbeispiele. Mögliche Einsatzgebiete werden zudem mit Beispielfotos dargestellt.
E-Buch: Für Schüler, welche die Printversion des Heftes nicht nutzen können, sind die Inhalte in Form einer docx-Datei im E-Buch-Standard erhältlich. Alle im Heft enthaltenen visuellen Darstellungen werden darin verbalisiert dargestellt. Grundlage für die Verbalisierung bildet unser Leitfaden zur Beschreibung von visuellen Inhalten in Schulbüchern (VISCH).
Abbildungen: Alle Abbildungen - ob Schaubilder oder Legenden -, die für den Einsatz eines MuLIs notwendig sind, werden sowohl kontraststark und farblich abgestimmt, als auch taktil für blinde Menschen bereitgestellt.
Modelle: Der Clou eines jeden MuLIs ist das taktile Unterrichtsmaterial, welches beispielsweise ein 3D-Modell, ein Magnetset mit farblich abgestimmter Magnettafel oder ein bewegliches Holzmodell sein kann. Diese Materialien vergrößern die Anschaulichkeit und Interaktivität bei der Erarbeitung der entsprechenden Unterrichtsinhalte.
Wo kann ich ein MuLI bekommen?
Die blista arbeitet momentan an der Erstellung eines Online Shops, in dem bald die MuLIs und andere Unterrichtsmaterialien vertrieben werden. Dort wird auch die Möglichkeit bestehen – nach erfolgreicher Registrierung –, sowohl das Heft, als auch die Kopiervorlagen der Abbildungen sowie die Druckdateien der 3D-Modelle kostenlos herunterladen zu können.
Wer nicht auf den Online-Shop warten möchte, hat auch die Möglichkeit, sich an die E-Mailadresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu wenden und über die MuLIs informieren zu lassen und zu bestellen.
100 Jahre horus
Jochen Schäfer
Jochen Schäfer: Die ersten 100 Jahre - eine historische horus-Revue in vier Teilen. Teil 2, 1930-1945: Die „Beiträge“ in zwei Versionen und schwierigen Zeiten
1930: „Beiträge“ nun auch in Schwarzschrift
Aufgrund der steigenden Popularität der Marburger Einrichtungen wurde ab dem Sommersemester 1930 den monatlich erscheinenden Punktschriftausgaben eine abgespeckte Schwarzschriftversion beigegeben. Sie umfasste von 1930-43 vier Hefte pro Jahrgang, 1944 waren es situationsbedingt nur drei. Vor allem in den ersten Jahrgängen erschien Heft 4 schon im Folgejahr. Wenn wir heute beispielsweise Nr. 4 des ersten Jahrgangs als Heft 4/1930 führen, ist das also nicht ganz korrekt, man müsste die Jahre nach Jahrgängen ordnen. Da es aber nur in den ersten Jahren der Schwarzschrift so war, wurde diese kleine Überschneidung beibehalten. Da es sich um eine abgespeckte Version handelte, liegt es nahe, dass noch immer sehr viel mehr Artikel nur in Punktschrift gedruckt wurden. Strehl und seine Redaktionskollegen legten nämlich sehr viel Wert auf die Information vor allem der blinden Mitglieder des VbAD. Es kam aber nun auch durchaus vor, dass Artikel nur in Schwarzschrift gedruckt wurden bzw. Sonderhefte herauskamen. Aus Informations- und Aufklärungsgründen wurden auch Behörden mit den Schwarzschriftausgaben beliefert.
Die regelmäßige Erscheinungsweise in reiner Punktschrift stellte übrigens ein Novum bei den Fachzeitschriften zum Blindenwesen dar, denn „Der Blindenfreund“ (Zeitschrift der Pädagogen) wurde in Schwarz- und nur von 1924-41 parallel in Punktschrift gedruckt, „Die Blindenwelt“ (Zeitschrift des Reichsdeutschen Blindenverbandes, RBV) sowie die „Mitteilungen des Vereins der deutschredenden Blinden“ erschienen jeweils parallel in beiden Versionen.
Schlaglichter 1930-33
Einen großen Stellenwert hatten die Entwicklungen von Hilfsmitteln und der Punktschrift. Im Hilfsmittelbereich standen damals vor allem zwei Neuheiten im Vordergrund: die Lesemaschine, ein Vorgängermodell der heutigen Scanner, und die „Sprechenden Bücher“, die heute als Hörbücher bekannt sind.
Einer der Protagonisten der Lesemaschine war der Berliner Techniker Georg Schutkowski, der schon in H. 5/1924 (PS) ausführlich darüber berichtete. 1932 finden wir von Strehl: „Die Blindenlesemaschine, wie sie ist, und wie sie sein sollte“ (H. 6 PS, H. 2 SS). Es wurden auch Geräte entwickelt, mit denen Texte sogar hörbar gemacht werden konnten (siehe dazu Schutkowski in H. 4/1933 PS). Ein anderes Gerät sollte es Blinden ermöglichen, mithilfe des Gehörs zu zeichnen (siehe dazu Dr. Richard Maurer: „Ein Hörbildgerät - Blinde zeichnen nach der Natur und beobachten den Mond“, 1933, H. 10 PS, H. 4 SS).
Die „Sprechenden Bücher“ wurden anfangs noch auf Schallplatten produziert. 1933 gab es gleich zwei Artikel darüber (in H. 10 PS und H. 4 SS), nämlich einmal von Strehl sowie von Jean Hesse: „Das Tonbuch“ (Übersetzung aus einer französischen Zeitschrift), außerdem eine Buchbesprechung von Strehl (H. 1/1934 PS, H. 4/1933 SS), um nur einige zu nennen. Schon 1927 wurde über die Entwicklung einer sogenannten „Grammophon-Bibliothek“ in Deutschland nachgedacht (siehe Grasemann in H. 6/1927 PS), die aber nicht realisiert wurde.
Auch im Bereich der Punktschrift gab es ein neues Hilfsmittel (siehe dazu Dr. Aloys Kennerknecht: „Die Punktschrift strichhaft dargestellt - ein Hilfsmittel zum Lernen und Lehren der Zeichen, zugleich eine Methodik des Stiftschreibens“, 1932, H. 2 PS, H. 1 SS).
1929 wurde die „Gruppe der blinden Musiklehrer bei dem VbAD“ unter der Leitung von Dr. Emil Freund, einem Musiklehrer der blista, gegründet. Sie kann heute als die erste Berufsfachgruppe des Vereins angesehen werden. Ab 1930 richtete sie insgesamt siebenmal „Schulungswochen für blinde Musiker und Musiklehrer“ aus; über alle finden sich Berichte in den „Beiträgen“.
Von den deutschen Blindenwohlfahrtskongressen war im ersten Teil schon die Rede. Auf internationaler Ebene fand 1931 die Weltkonferenz für Blindenfürsorge in New York City statt. Darüber berichtete zum einen Prof. Dr. Steinberg (H. 5 PS, H. 1 SS) und zum anderen Dr. Strehl in einem vierteiligen Beitrag (H. 6-9 PS, H. 1 und 2 SS).
Am 23.10.1932 wurde das neu gebaute Verlags- und Werkstättengebäude der blista Am Schlag 10 eingeweiht. Darüber finden wir einen sehr ausführlichen Bericht in H. 4 (SS) und einen gekürzten in H. 10 (PS). Da diese Berichte inhaltlich abweichen, wurden sie beide digitalisiert. Solche inhaltlichen Überschneidungen von Beiträgen in beiden Ausgaben sind häufiger vorgekommen, entsprechend sind heute beide Versionen digital verfügbar.
1932 ist auch das Jahr, in dem die Blindenwohlfahrtskammer, in der sämtliche deutschen Fürsorge- und Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen waren, nach rund 10-jähriger Tätigkeit aufgelöst wurde (siehe Strehl in H. 5 PS, H. 1 SS).
Weiterhin hatte die Berufssituation einen hohen Stellenwert, 1932-33 gab es Schwerpunkte zu verschiedenen Berufen. Zunächst kam ein Sonderheft in Schwarzschrift heraus, in dem die Situation des blinden Telefonisten von Leo Josefiak aus Dortmund dargelegt wurde, was er bereits 1928 tat (siehe H. 1 und 3 PS). Seine Ausführungen 1932 gibt es auch in Punktschrift, nämlich in H. 3-5, 9 und 4/1933. Da auch das Schwarzschriftsonderheft eine abgespeckte Version darstellte, wurde dieser mehrteilige Beitrag vollständig digitalisiert. 1932 gab es außerdem einen Schwerpunkt zu den blinden Kirchenmusikern/Organisten, zu finden in H. 7 und 8 PS sowie H. 3 SS. Dabei wurde darauf geachtet, dass alle Konfessionen zu Wort kamen, evangelische, katholische und sogar ein jüdischer Organist (bzw. Organist in der Synagoge, wie es in Schwarzschrift heißt). Ein populärer Vertreter dieser Berufsgruppe war Kirchenmusikdirektor Bernhard Pfannstiehl, Dresden. 1933 ging es um die blinden Blindenlehrer, zu finden in H. 2 und 3 PS sowie H. 2 SS.
Düstere Vorboten und Machtübernahme der Nazis
1931 und 1932 wurden zwei Beiträge nationalsozialistischen Inhalts aus anderen Zeitschriften abgedruckt, bezeichnenderweise nur in Punktschrift. Behr-Pinnow: „Kosten der Asozialen und ihre Verminderung“ (H. 1/1931), Steiniger: „Eine Ersparnisquelle der öffentlichen Wirtschaft“ (H. 2/1932, Wiederabdruck in H. 3/2015). Zu letzterem gibt es eine direkte Erwiderung Strehls, der im Sinne der Blinden argumentiert und damit den Beitrag kritisiert hat. 1932 war das durchaus noch legitim, aber wir werden sehen, dass sich Strehl mit der Machtergreifung 1933 gewandelt hat. Diese findet bereits zu Beginn des Schwarzschriftheftes 1/1933 (und zwar nur dort) ihren Niederschlag in der „Entschließung des Vereins der blinden Akademiker Deutschlands“, in der dieser sich „rückhaltlos und loyal“ zur „jungen nationalen Regierung“ bekennt (Wiederabdruck ebenfalls in H. 3/2015).
Bevor wir die Zeit des Dritten Reiches betreten, lassen Sie mich zum Abschluss meiner Ausführungen in diesem Heft einige Schlaglichter auf den langjährigen VbAD-Vorsitzenden und blista-Direktor und die Wechsel in den Vorständen werfen.
Carl Strehl - „ein streitbarer Geistesarbeiter“
Er wurde am 12.07.1886 in Berlin geboren und erblindete 1907 infolge eines Arbeitsunfalls in den USA. Danach machte er zahlreiche Reisen, die ihn vor allem in die Schweiz und nach Großbritannien führen sollten. Er wollte sich über das dortige Blindenwesen informieren mit dem Ziel, ein Zentrum der höheren Blindenbildung auch für Deutschland, wenn nicht zu schaffen, so doch maßgeblich zu fördern, was ihm dank Prof. Dr. Bielschowsky 1916 in Marburg möglich wurde. Als Vorsitzender des von ihm begründeten VbAD und Geschäftsführer, später Direktor der blista, hat er vieles erreicht. Man tritt ihm wohl nicht zu nahe, wenn man ihn als Opportunisten bezeichnet. Er hat stets versucht, nach dem Willen der jeweiligen Regierungen zu handeln, vor allem im Interesse der beiden von ihm geführten Einrichtungen. Dass dies im Dritten Reich sehr schwierig und manchmal aus heutiger Sicht höchst umstritten war, kann man sich vorstellen.
Schon im Juli 1933 wurde die „Organisatorische Umgestaltung des VbAD e. V.“ beschlossen (zu finden am Anfang von H. 10 PS und H. 3 SS). Sie hatte den Arierparagrafen in der neuen Satzung zur Folge, wodurch sämtliche jüdischen Mitglieder entweder ausgeschlossen wurden oder man hat ihnen den Austritt nahegelegt. Eines der populärsten „Opfer“ dieser Umgestaltung war Prof. Dr. Steinberg, der bis dahin Mitglied der Redaktion der „Beiträge“ war. Aber auch das Schicksal der jüdischen blista-Mitarbeiterschaft sollte entsprechend bestimmt werden.
Der Gründer der blista, Alfred Bielschowsky – Prof. für Augenheilkunde und Jude –wurde ab 1933 aus dem Vorstand der blista herausgedrängt. Bielschowsky war 1923 nach Breslau gewechselt und musste diese Professur nach antisemitischen Studentenprotesten im September 1934 verlassen. Der international anerkannte Wissenschaftler wechselte als Gastprofessor an das Dartmouth Eye Institute in Hanover, New Hampshire, USA und übernahm 1937 dessen Leitung.
Der Marburger Oberbürgermeister Johannes Müller verließ schon 1932 den blista Vorstand. Im Gegenzug kam der Marburger Sozialhygieniker und bekennende Nationalsozialist Prof. Dr. Wilhelm Pfannenstiel in beide Vorstände. In den „Beiträgen“ veröffentlichte er zwei nationalsozialistische Artikel, den ersten bereits 1933 (H. 11 PS, H. 4 SS), den zweiten in H. 1/1936 (PS/SS).
Der Druck auf die blista und den Verein der blinden Akademiker Deutschlands (VbAD) von Seiten der NS-Regierung wurde zunehmend größer. So wurden auch sämtliche Manuskripte der „Beiträge“ durch das Hauptamt für Volkswohlfahrt in Berlin zensiert. Wir wissen aus späteren Forschungen, dass Strehl regelrechte Pamphlete im Sinne des NS-Regimes von blinden Schriftstellern oder Medienschaffenden für die „Beiträge“ bestellt hat; einige werden wir in der Zeit des Krieges kennenlernen.
Gleichzeitig gelang es Strehl, bestimmte Artikel in den Punktschriftausgaben an der Zensurbehörde vorbei zu schmuggeln, die allein auf diesem Weg noch gedruckt und verbreitet werden konnten. 1935 kam man ihm auf die Schliche, Strehl wurde angedroht, ihn als Vorsitzenden abzusetzen: „… Ich sehe mich gezwungen, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß ich bei Wiederholung eines derartigen Vorkommnisses mich veranlasst sehe, Sie in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzenden des Vereins der blinden Akademiker Deutschlands, durch eine geeignetere Persönlichkeit zu ersetzten.“ So das persönliche Anschreiben aus dem Hauptamt für Volkswohlfahrt in Berlin vom 13.11.1935. (Vgl. „Die blista während der NS-Zeit“, Ausstellung „blick:punkte“, www.blista.de/sites/default/files/blista-blickpunkte-thema2.pdf)
Die Fortsetzung dieses Teils 2 folgt in horus 3/2018.
Die blista, Am Schlag 10, um 1932. Foto: blista. [Ein einzeln stehendes Gebäude an einem Hügel, halb verdeckt von winterlich kahlen Bäumen. Schwarz-weiß-Fotografie.]
Recht
Michael Richter
Ein Gruselkabinett - Praxisfälle zum AGG
Gruselkabinett von Fällen aus der Praxis zu den vier Nachbesserungsforderungen für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus Sicht blinder und sehbehinderter Menschen (Einführung eines Verbandsklagerechtes, Einschränkung der Rechtfertigungsgründe, angemessene Vorkehrungen, Barrierefreiheit)
I. Notwendigkeit eines echten Verbandsklagerechts im AGG
1. Diskriminierung in Freizeitparks
Es ist die Regel, dass blinden Menschen der Zutritt zu Fahrgeschäften in Freizeitparks verwehrt wird. Grund hierfür ist eine "Nichtzulassung" der Fahrgeschäfte für diesen Personenkreis durch den TÜV. Klagt in einem solchen Fall ein Betroffener (vermutlich gegen den Freizeitparkbetreiber), so läuft er Gefahr, dass dieser gerechtfertigt ist (Zulassungsproblematik), nur die Aussicht auf einen äußerst geringen Schadensersatz verfolgen kann (Eintrittsgeld, kleine Entschädigung), auf der anderen Seite aber das Kostenrisiko einer Klage tragen muss. Im Ergebnis ist das Interesse an der Beseitigung dieser häufig wiederkehrenden "Diskriminierung" beim Einzelnen nicht so hoch, dass es das jeweilige Kostenrisiko einer AGG-Klage rechtfertigen würde, andererseits wurden die jeweiligen Blindenverbände schon oftmals durch ihre Mitglieder auf diese äußerst ärgerliche und kränkende Praxis hingewiesen und würden diese Rechtsfrage gerne grundsätzlich einer Klärung zuführen, wozu ihnen derzeit aber regelmäßig die Eigenschaft als anerkannter Verbraucherschutzverband fehlt.
2. Diskriminierung bei der Bewerbung
Ein blinder Mensch bewirbt sich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst im eher ländlichen Raum und wird - trotz offensichtlich sehr guter formaler Eignung - nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. In diesem Fall dürfte ein entschädigungspflichtiger Diskriminierungstatbestand indiziert sein, allerdings fürchtet sich der Betroffene davor, dass sich eine Klage negativ auf weitere Bemühungen um einen Arbeitsplatz in der Region auswirkt und macht keine Ansprüche geltend. In diesen oder ähnlichen Fällen könnte ein Verbandsklagerecht die Sanktionierung einer Diskriminierung erleichtern.
3. Diskriminierung durch Verbot der Nutzung eines Hilfsmittels
Regelmäßig wird blinden Menschen, welche einen Blindenführhund nutzen, der Zutritt zum Supermarkt oder in ein Ladengeschäft - zumeist mit dem Hinweis auf hygienische Bedenken - untersagt oder mit dem Hinweis auf "Sicherheitsbedenken" um die Abgabe des Blindenlangstockes vor dem Konzert- oder Stadionbesuch gebeten. In diesen Fällen wäre die Geltendmachung einer Diskriminierung durch einen Verband von erheblichem Vorteil, da die ursächlichen Regelungen zumeist konzern- oder veranstalterweit für eine Vielzahl gleichartiger Events gelten.
4. Versicherungsfall Saarbrücken
Aufgrund der Angabe einer vorliegenden Erblindung wurde einem Anfragenden durch einen Versicherer der Abschluss eines Vertrages auf Pflegetagegeld mit dem Hinweis auf ein höheres Versicherungsrisiko verwehrt. Hiergegen wehrte sich der Betroffene mit einer AGG-Klage vor dem Amtsgericht Saarbrücken mit Erfolg. Die Begründung für das erstinstanzlich positive Urteil war, dass der Versicherer keinerlei versicherungsmathematische Kalkulation vorlegen wollte und konnte, die die Einschätzung eines höheren Versicherungsrisikos belegte, wie es § 22 AGG erfordert. Die Versicherung obsiegte in der Berufungsinstanz vor dem LG Saarbrücken, denn das Berufungsgericht holte im Rahmen eines Gutachtens die versicherungsmathematische Einschätzung nach und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Da der Revisionswert nicht erreicht wurde und so eine Entscheidung des BGH nicht herbeigeführt werden konnte, trug der Betroffene die vollständigen Kosten des Rechtsstreites inkl. der nachträglich eingeholten versicherungsmathematischen Kalkulation. Dieses Kostenrisiko ist Privatpersonen - beim derzeitigen Umsetzungsstand der Regelungen des AGG durch die Gerichte - kaum zumutbar! In diesen Fällen würde ein Verbandsklagerecht, welches in ausgewählten Fällen durch einschlägige Interessenverbände ausgeübt werden könnte, die Schaffung einer differenzierteren und sachgerechteren Rechtsprechung zum AGG deutlich beschleunigen.
II. Einschränkung der Rechtfertigungsgründe für eine Diskriminierung im Sinne von §§ 20 ff AGG
Vorbemerkung: Gemeinsam ist den folgenden Praxisbeispielen von Freizeit- oder Alltagsdiskriminierungen, dass vermeintliche Experten für bestimmte Lebensbereiche besondere Gefahren im Falle der Nutzung durch behinderte Menschen vermuten, die sie aus versicherungstechnischen oder fürsorglichen Gründen durch ein Benutzungsverbot für diesen Personenkreis vermeiden wollen. Rechtlicher Anknüpfungspunkt hierfür ist § 20 Abs. 1 Nr. 1 AGG, wo es unter der Überschrift "Zulässige unterschiedliche Behandlung" heißt: "Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen ... einer Behinderung ... ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient, ...".
1. Fitnessstudiofälle
Bereits mehrfach wurde bundesweit blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen der Abschluss eines Nutzungsvertrages verwehrt. Zur Begründung wird regelmäßig mit der erhöhten Gefährdung für und durch diesen Personenkreis für sich und andere beim angestrebten Training argumentiert. Natürlich können durch die Nutzung solcher Anlagen Gefahren entstehen, jedoch sollte es Sache des Betroffenen sein, wenn er eine eigene Gefährdung in Kauf nimmt und die Vor- und Nachteile einer Nutzung selbst abwägt, denn schließlich würde einem "Nichtbehinderten" auch niemand die Ausübung einer sog. Gefahrensportart versagen (Drachenfliegen, Extremklettern, etc.). Selbst eine "Fremdgefährdung" in vernünftigen Grenzen dürfte hinzunehmen sein, da durch annähernd jede Aktivität auch die abstrakte Möglichkeit zur Fremdgefährdung besteht, diese durch die allgemeinen Haftungsregelungen aber abgedeckt und hinreichend gesichert ist.
2. Schwimmbadfälle
Ähnlich gelagert, wie die zuvor beschriebenen Fitnessstudiofälle, sind die Abweisungen von Schwimmbädern für "nicht begleitete" blinde oder hochgradig sehbehinderte Schwimmfreunde. Dementsprechend gelten auch die Ausführungen zur Notwendigkeit der Rechtfertigungsgründe, wobei häufiger auf die "Fremdgefährdung" durch den behinderten Schwimmfreund hingewiesen wird. Da eine Kontrolle regelmäßig durch die Badeaufsicht besteht, wäre bei einer konkreten Fremdgefährdung durch inkorrektes Verhalten im Einzelfall ein Ausschluss des Betroffenen über den Hinweis auf Verstöße gegen die Badeordnung und über die Geltendmachung des Hausrechtes die richtige Vorgehensweise und nicht der kategorische Ausschluss eines Personenkreises mit einer bestimmten Behinderung.
3. Fehlende Notfallkonzepte
Ein blinder Besucher versuchte, mit seinem minderjährigen Sohn das Restaurant im Fernsehturm Dortmund zu besuchen. Es wurde ihm jedoch der Zutritt mit dem Hinweis auf seine besondere Gefährdung im Brandfall versagt, da für die Evakuierung des Gebäudes nur eine äußere Brandleiter zur Verfügung stünde. Zum einen dürfte ein Fall mangelnder angemessener Vorkehrung (siehe unter III.) vorliegen, da das Evakuierungskonzept nicht auf behinderte Menschen abgestellt ist (z.B. auf Rollstuhlfahrer) und zum anderen müsste auch hier der blinde Mensch selbst entscheiden dürfen, ob ihm die Gefahr bei Benutzung zu hoch erscheint oder er ggf. ein besonderes Risiko in Kauf zu nehmen gewillt ist.
III. Anerkennung von Diskriminierungen, sofern angemessene Vorkehrungen (Art. 5 BRK) von Teilnehmern am Geschäftsverkehr nicht getroffen wurden
1. Kein Internet im Heim
Eine 27-jährige junge Frau bewohnt aufgrund ihrer psychischen Beeinträchtigung eine Einrichtung in Hessen (Pflegeheim). Obwohl keine medizinischen oder pädagogischen Gründe gegen die Nutzung des Internets durch sie vorliegen, wurde ihr dessen Nutzung versagt und sogar der Versuch, auf eigene Kosten einen entsprechenden Anschluss verlegen zu lassen, mit Verweis auf das Hausrecht des Heimbetreibers unterbunden.
2. Freizeitparkfall (siehe unter I.1.)
Auch die bereits eingangs geschilderten Zugangsverweigerungen durch Freizeitparks für behinderte Menschen (z.B. für Fahrgeschäfte) zeigen, dass auch private Angebote den barrierefreien Zugang als angemessene Vorkehrung zumindest berücksichtigen sollten und nicht wegen fehlender Konzepte eine Nutzung für behinderte Menschen von vornherein ausschließen dürfen.
IV. Verpflichtung auch von privaten Teilnehmern am öffentlichen Leben auf die Grundsätze der barrierefreien Gestaltung diverser Lebensbereiche
Immer wieder werden Blindenführhundnutzer von öffentlichen Angeboten durch Privatpersonen ausgeschlossen. Sei es die Verwehrung der Mitnahme des "Hilfsmittels" zum Arzt, in den Supermarkt, bei der Taxifahrt, beim Hotelbesuch oder auf Veranstaltungen (Theater, Oper, Konzerte, etc.). Selbst die Mitnahme eines Blindenlangstockes zu Veranstaltungen führte schon zum Ausschluss des Hilfsmittelnutzers (vgl. I.3.). Darüber hinaus kommt es immer wieder zu einer öffentlichen Zulassung von z.B. Gaststätten, die keinerlei Berücksichtigung von Aspekten der barrierefreien Gestaltung berücksichtigt haben, obwohl sie nach den einschlägigen Landesbauordnungen dazu eigentlich verpflichtet gewesen wären. Öffentliche Angebote für eine Vielzahl von Personen durch private Betreiber oder Anbieter prägen maßgeblich unsere Umwelt und eine barrierefreiere und inklusivere Gestaltung unserer Gesellschaft im Sinne der BRK erfordert zwingend die Einbeziehung solcher Angebote in die Verpflichtung zu deren barrierefreien Gestaltung!
Als Beispiel für die teils mangelnde Umsetzung der Möglichkeiten im Rahmen von öffentlichen Genehmigungsverfahren, teils aber auch die fehlende direkte Verpflichtung von Privaten auf die barrierefreie Gestaltung öffentlich genutzter Angebote kann eine "Durchgangspassage" in Bremen dienen. Vor der 2015 erfolgten "Neugestaltung" durch einen privaten Investor waren anliegende gastronomische Betriebe und die Stadtbücherei weitgehend barrierefrei für behinderte Menschen erreichbar. Durch die Gestaltung des sog. "Forums" mit Stufen und dem Aufstellen eines sog. Stelzenhauses ist die Passage für Rollstuhlfahrer deutlich schwieriger nutzbar und für blinde Nutzer durch das Stelzenhaus mit schräg in die Wege reinreichenden Stützen nicht mehr gefahrlos zu nutzen. Der Eigentümer hat inzwischen gewechselt, so dass lediglich die Stadt wegen der Fehler während des Genehmigungsverfahrens im Rahmen einer Verbandsklage nach dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz, nicht aber der Eigentümer in die Pflicht genommen werden kann.
Uwe Boysen
EU-Richtlinie zu barrierefreien Websites und mobilen Anwendungen - Rückenwind für Barrierefreiheit oder nur laues Lüftchen?
Wir haben schon mehrfach kurz über die genannte Richtlinie berichtet, z. B. im DVBS-Newsletter 3/17, ebenso über die vom Behindertenbeauftragten der Freien Hansestadt Bremen Dr. Joachim Steinbrück in Kooperation mit dem DVBS in Berlin am 15.2.2018 organisierte Tagung zu diesem Thema, an der ca. 80 Personen teilnahmen, hier in horus aktuell. Zum Referentenentwurf der Bundesregierung findet sich eine ausführliche Stellungnahme auf dvbs-online.de.
Inzwischen ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drs 18/86) im Bundesrat angekommen und wird bei Auslieferung des horus bereits die erste Lesung im Bundestag hinter sich haben. Erfreulich ist, dass im Rahmen der Beratungen des Bundesrates jedenfalls sein Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik Nachbesserungen befürwortet, die in die gleiche Richtung gehen, wie sie bereits in der erwähnten Stellungnahme des DVBS geäußert wurden. So heißt es in der Beschlussempfehlung vom 12.4.2018:
„a) Aufgrund von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie EU 2016/2102 wird den Mitgliedstaaten ermöglicht, eine Ausnahme von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen vorzusehen. Der Gesetzentwurf regelt dies in § 12a Absatz 6 BGG-E so, dass öffentliche Stellen des Bundes bei einer unverhältnismäßigen Belastung von der barrierefreien Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen absehen können. Der unbestimmte Rechtsbegriff der unverhältnismäßigen Belastung ist nicht hinreichend konkretisiert. Um die Ziele der Richtlinie (…) zu erfüllen, muss der Begriff der unverhältnismäßigen Belastung im Sinne der Erwägungsgründe der Richtlinie näher bestimmt werden als Maßnahmen, die eine unverhältnismäßige, für die öffentliche Stelle in keinem Fall tragbare und bar jeder Abwägung stehende Belastung bewirken würden. Darunter sind nur solche Maßnahmen zu verstehen, die einer öffentlichen Stelle eine übermäßige organisatorische oder finanzielle Last auferlegen würden oder die die Fähigkeit der öffentlichen Stelle, ihren Zweck zu erfüllen oder Informationen, die für ihre Aufgaben und Dienstleistungen erforderlich oder relevant sind, zu veröffentlichen, gefährden würden.
b) Der Bundesrat macht darauf aufmerksam, dass die Gründe für die gewährte Ausnahme einschließlich der davon betroffenen Inhalte und Anforderungen zur Barrierefreiheit in der Erklärung zur Barrierefreiheit nach § 12b Absatz 2 Nummer 1 BGG-E darzulegen sind.
c) Der Bundesrat empfiehlt, die Formulierung in § 12a Absatz 1 BGG-E eng an den bisher bestehenden Wortlaut des § 12 Absatz 1 BGG anzugleichen. Andernfalls würde der Bereich der grafischen Programmoberflächen, die mit den Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, von den Regelungen nicht erfasst werden. Dies würde der bisherigen Praxis zuwiderlaufen und entspräche ferner auch nicht Sinn und Zweck des Gesetzes, welche der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 9, 21 und 27 UN-BRK) und somit der Verpflichtung, eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen und einen ungehinderten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen zu ermöglichen, verpflichtet sind.“
Mit ein wenig Stolz dürfen wir feststellen, dass eine Reihe dieser Formulierungen im Kern der Kritik des DVBS am Gesetzentwurf entspricht, die wir auch noch einmal intensiv gegenüber den Bundesländern als Mitgliedern des Bundesrates vorgetragen haben. Selbst wenn der Bundesrat der Empfehlung seines Ausschusses jedoch nicht folgen sollte, so stellt sie doch ein wertvolles Argument auch in der kommenden parlamentarischen Debatte dar, das wir nutzen werden.
Zudem werden wir uns weiter – auch in Abstimmung mit dem DBSV – bemühen, noch entsprechende Änderungen im parlamentarischen Verfahren durchzusetzen.
Handlungsbedarf besteht aber auch in sämtlichen Bundesländern, die ebenfalls von der Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit ihrer Angebote verpflichtet werden. Hier wäre es wünschenswert, wenn einige Länder sich nicht einfach am mit einer ganzen Reihe von Schwächen behafteten Entwurf der Bundesregierung orientieren, sondern weitergehende Regelungen aufnehmen würden.
Bücher
Andrea Katemann
Literatur leichter auffinden, inklusive Bildung fördern
Welche Bücher gibt es eigentlich in einer für Menschen mit Seheinschränkung lesbaren Form und wo finde ich sie? Diese Frage stellen sich gerade Eltern, Lehrer und blinde oder sehbehinderte Schülerinnen und Schüler immer wieder. Die richtige Adresse für die Recherche ist der Katalog der „Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen“ (Medibus e.V.). Hier findet man über 53.000 ausleihbare Hörbücher und über 50.000 ausleihbare Titel in Blindenschrift. Er ist online zu finden unter: http://www.medibus.info/index.php?article_id=23. Damit Nutzer zukünftig einfacher und schneller nach Titeln suchen können, wird der Katalog seit Januar dieses Jahres grundlegend überarbeitet. In einem zweijährigen, durch die Aktion Mensch geförderten Projekt soll der Datenbestand bereinigt werden, die Suchkategorien vereinfacht und die Struktur des Kataloges optimiert werden. Insbesondere Bücher, die für Unterricht sowie Aus- und Weiterbildung geeignet sind, werden systematisch zusammengestellt und in sinnvolle Suchkategorien unterteilt. Lektüren für den Schulunterricht sollen nach Fächern zusammengestellt und naturwissenschaftliche sowie mathematische Materialien systematisch erfasst werden. Für blinde Eltern, Geschwister und Lehrer sollen geeignete Bilderbücher zum gemeinsamen Lesen und Vorlesen schnell und komfortabel auffindbar sein. Zudem sollen Verfahren entwickelt werden, die eine schnelle Aktualisierung des Kataloges machbar werden lassen, sowie Möglichkeiten vorgesehen werden, eine moderne Medienvielfalt abzubilden.
Themen, für die sich Nutzer besonders interessieren, werden so eingeordnet, dass man sie direkt über die Startseite finden kann. Außerdem wird u. a. die Kategorie der Krimis mit über 6000 Einträgen feiner unterteilt, damit beispielsweise Fans von Regionalkrimis sowie Leser von historischen oder politischen Krimis sich schneller orientieren können. Im Rahmen des Projektes arbeiten die im Verein Medibus zusammengeschlossenen deutschsprachigen Hörbüchereien und Blindenschriftdruckereien eng zusammen und Eltern, Schüler und Lehrer sind mit ihren Erfahrungen und Bedürfnissen in die Entwicklungen der neuen Suchroutinen eingebunden. Im Januar erfolgte in Marburg im Rahmen der Fachtagung „Medibraille“ in einem Kickoff-Workshop der offizielle Startschuss. Neben der intensiven bibliothekarischen Arbeit spielt die barrierefreie Nutzung des Kataloges natürlich eine ebenso wichtige Rolle. Deshalb arbeiten Bibliothekarinnen und EDV-Fachleute Hand in Hand, um am Ende der Projektlaufzeit einen nutzerfreundlichen Katalog anbieten zu können. Denn wenn es vergleichsweise schon sehr wenig Literatur für blinde und sehbehinderte Menschen gibt, sollte diese für alle wenigstens schnell und leicht auffindbar sein.
Foto 1: Logo Aktion Mensch
Sanne Byron
Den Blick verändern, trauern, fühlen, einfühlen. Zu Renate Langgemachs Roman "Schnee hinter den Augen"
Wir erfahren die Geschichte eines vor Kraft sprühenden Mannes, der Lichteinfälle fotografisch sammelt, der begeistert ist vom Phänomen Licht - und der sein Augenlicht im Krieg verliert.
Lilly, die Ich-Erzählerin, spricht aus der Sicht der Tochter, der kleinen Tochter, die ihren Vater ausschließlich als Blinden kennt und erlebt, seine Wut darüber, dass er sich in neuer Umgebung schwer zurechtfindet, seine Not, sich in Abhängigkeiten zu begeben, da er seine Mitmenschen dringend zum Weiterkommen braucht. Sie hält die Anweisungen für bestimmte Ordnungen so genau ein, dass daraus Traumen entstehen. Gleichzeitig revoltiert die Abenteuerlust in ihr, wenn sie sich zu stark durch den Vater gebunden fühlt.
Nach dem Tod ihrer Eltern entdeckt Lilly als erwachsene Frau, dass ihr Vater eine Geliebte hatte. Die Besuche bei ihr, das Gespräch mit der alten Dame verändern sie und ihre Erinnerungen an gelebte Blindenbegleitung und an den Takt ihres Lebens mit ihren Eltern. In dem Takt tauchen Synkopen auf, die sie allmählich erst als Bereicherung erleben kann.
Renate Langgemachs Wortkunst ist kraftvoll, lebensnah und poetisch. Als „lebendig hinter den Wörtern“ kennzeichnet die Autorin das Gesagte in einer Passage. Das trifft auch auf die Wirkung zu, die die Lektüre des Romans hinterlässt: sie legt eine Aufhorch-Spur. Das tiefe Lauschen in einen Menschen, eine Landschaft, eine Lebenslage hat die Tochter vielleicht vom blinden Vater gelernt.
Ein Handicap wie Sehbeeinträchtigung zwingt zur Einfühlung in andere Menschen, in Lebensaspekte, auf beiden Seiten des „Sehkanals“. Diese in unserer Zeit so wichtige Fähigkeit kann durch das Lesen des spannenden Buches verstärkt, geweckt und lernenswert werden. Bereichert ist der Roman darüber hinaus durch Reflexionen über Sehen und Blindsein in der heutigen Zeit.
So ist es mir ergangen: Als Sehende ist mir bewusst geworden, dass ich meine Freude am Wahrnehmen, am Hin- und Zuhören meinem erblindeten Vater zu verdanken habe, mit Sicherheit die Liebe zur Musik. Musik verbindet Sehende und Blinde aller Nationalitäten. Für mich ist Renate Langgemachs Sprache Musik.
Bibliographische Angaben:
Renate Langgemach: Schnee hinter den Augen. Roman, 204 Seiten, Edition Contra-Bass 2017. Der Roman ist auch als Hörbuch erhältlich.
Zur Rezensentin:
Sanne Byron ist Studienrätin für Blinde und Sehbehinderte in Hamburg.
Renate Langgemach, Schnee hinter den Augen. Foto: DVBS. [Das Buch steht vor einer grünen Pflanze. Das Cover zeigt den Titel auf einem verwaschenen Foto von einem Mann mit geschlossenen Augen. Darauf weiße Braillepunkte.]
Thorsten Büchner
Hörbuchtipps aus der blista
Neue Hörbücher aus der DBH
Robert Harris: München. Roman
Heyne, München, 2017 Bestellnummer: 834701, Laufzeit: 11 Std. 37 Min.
September 1938 - in München treffen sich Hitler, Chamberlain, Mussolini und Daladier zu einer kurzfristig einberufenen Konferenz. Der Weltfrieden hängt am seidenen Faden. Im Gefolge des britischen Premierministers Chamberlain befindet sich Hugh Legat aus dem Außenministerium, der ihm als Privatsekretär zugeordnet ist. Auf der deutschen Seite gehört Paul von Hartmann aus dem Auswärtigen Amt in Berlin zum Kreis der Anwesenden. Er ist Mitglied einer Widerstandszelle gegen Hitler. Legat und von Hartmann verbindet eine Freundschaft, seit sie in Oxford gemeinsam studiert haben. Nun kreuzen sich ihre Wege wieder. Wie weit müssen sie gehen, wenn sie den drohenden Krieg verhindern wollen?
Hasnain Kazim: Krisenstaat Türkei. Erdogan und das Ende der Demokratie am Bosporus
DVA, München, 2017 Bestellnummer: 834001, Laufzeit: 7 Std. 48 Min.
Die Türkei galt einmal als Land der Hoffnung: ein Land, das West und Ost vereint, das islamisch ist und zugleich demokratisch, das Vorbild sein kann für seine Nachbarländer. Heute ist die Türkei ein Krisenstaat, in dem die Demokratie gleich von mehreren Seiten unter Druck gerät. Nicht erst seit dem Putschversuch im Juli 2016 sieht sich das Land von inneren und äußeren Feinden bedroht: Der Konflikt mit den Kurden flammt neu auf, islamistischer Terror greift um sich (jenseits der Grenze in Syrien und im eigenen Land) und Präsident Recep Tayyip Erdogan lässt Andersgläubige und Andersdenkende immer rücksichtsloser verfolgen.
Tanja Kinkel: Grimms Morde
Droemer, München, 2017 Bestellnummer: 834021, Laufzeit: 14 Std. 02 Min.
Kassel, 1821: Die ehemalige Mätresse des Landesfürsten wird nach Märchenart bestialisch ermordet. Die einzigen Indizien weisen ausgerechnet auf die Gebrüder Grimm. Weil die Polizei nicht in Adelskreisen ermitteln kann, die sich lieber Bericht erstatten lassen, anstatt Fragen zu beantworten, kommen den Grimms Jenny und Annette von Droste-Hülshoff zur Hilfe. Ein Zitat aus einer der Geschichten, welche die Schwestern zur Märchensammlung der Grimms beigetragen hatten, war bei der Leiche gefunden worden. Bei ihrer Suche müssen sich die vier aber auch ihrer Vergangenheit stellen: Vorurteilen, Zuneigung, Liebe - und Hass, und diese Aufgabe ist nicht weniger schwierig.
Lars-Broder Keil/Sven Felix Kellerhoff: Fake News machen Geschichte. Gerüchte und Falschmeldungen im 20. und 21. Jahrhundert
Ch. Links, Berlin, 2017 Bestellnummer: 836281, Laufzeit: 13 Std. 57 Min.
Die Autoren führen an elf Beispielen aus dem 20. und 21. Jahrhundert vor, wie Fehlinformationen und Gerüchte im Spannungsfeld zwischen Politik, Medien und Öffentlichkeit ihren verhängnisvollen Lauf nahmen. Dabei haben sie Fälle gewählt, die für Deutschland von zentraler Bedeutung waren - von der NS-Zeit ("Alpenfestung") über den Kalten Krieg ("Amikäfer") bis in die allerjüngste Gegenwart.
Hörbücher zum Schwerpunkt „Zugängliche Kultur“
Jakob Johannes Koch (Hrsg.): Inklusive Kulturpolitik. Menschen mit Behinderung in Kunst und Kultur ; Analysen, Kriterien, Perspektiven ; mit einem Glossar-Angebot
Butzon & Bercker, Kevelaer, 2017 Bestellnummer: 834141, Laufzeit: 11 Std. 29 Min.
Von den 18 Millionen Menschen mit Beeinträchtigung in Deutschland sind etliche künstlerisch tätig, andere besuchen gerne Museen, Konzerte oder Theater. Aber sie erleben übereinstimmend, dass der Kulturbetrieb oft nicht mit ihnen rechnet. Inklusion in Kunst und Kultur scheitert häufig an politischer Fantasielosigkeit, fehlender Praxiserfahrung und anderen Barrieren. Namhafte Experten und Künstler zeigen hier: Professionelle Kunst von Menschen mit Behinderung jenseits von therapeutischer Kunst ist möglich. Und es ist möglich, Kulturangebote barrierefrei zu gestalten: physisch und mental.
Anja Tervooren (Hrsg.): Wege zur Kultur. Barrieren und Barrierefreiheit in Kultur- und Bildungseinrichtungen
Böhlau, Köln, 2012 Bestellnummer: 710941, Laufzeit: 17 Std. 45 Min.
Um Barrieren ab- und Barrierefreiheit aufzubauen und die Zugänglichkeit von Museen, Bibliotheken und Hochschulen zu verbessern, sind zwei Formen von Wissen vonnöten, die dieser Band kompakt präsentiert. Zum einen Wissen über gesetzliche Rahmenbedingungen, über bauliche und informationstechnische Standards, über Präsentationsweisen von Kultur und Wissen; zum anderen ein Verständnis der komplexen Entstehungsbedingungen der Kategorie Behinderung.
Neil MacGregor: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Beck, München, 2011 Bestellnummer: 696461, Laufzeit: 22 Std. 25 Min.
In diesem Buch reisen wir zurück in der Zeit und über den Globus, um zu sehen, wie Menschen in den vergangenen etwa 1,2 Millionen Jahren unsere Welt gestaltet haben und von ihr geprägt wurden. Eine Geschichte von Dingen, die Menschen gemacht haben - sorgsam entworfen und dann entweder geschätzt und bewahrt, oder benutzt und weggeworfen. Dabei werden Gegenstände des Alltagslebens ebenso wie bedeutende Kunstwerke berücksichtigt.
Ihr Kontakt zur DBH
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Am Schlag 2-12, 35037 Marburg.
Telefon: 06421/606-0
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über unseren barrierefreien online-Katalog unter www.katalog.blista.de
Thorsten Büchner
Buchtipps aus der Brailledruckerei
Matthias Brandt: Raumpatrouille
Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2016 Bestellnummer: 4865, 1 Band, KR, 21,50 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)
Vierzehn Geschichten berichten von der faszinierenden und abenteuerlichen Welt in der Kindheit eines Jungen in den 1970er-Jahren. Sie erzählen von einem Alltag, in dem es immer etwas zu entdecken gibt, immer etwas geheimnisvoll und unerklärlich ist. Ob Brandt, der bekannte Schauspieler, dieses Kind ist und er als jüngster Sohn von Willi Brandt, dem früheren deutschen Bundeskanzler, in Erinnerungen schwelgt, beantwortet er zu Beginn wie folgt: "Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt. Manches von dem, was ich erlebt habe, hat stattgefunden.“
Yosef Simsek: Im falschen Paradies: wie mein Leben zwischen den Kulturen zum Albtraum wurde
Riverfield, Basel, 2016 Bestellnummer: 4849, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)
Die Autobiografie des 25-jährigen Yosef Simsek, geboren als Kind türkischstämmiger Eltern, die vor dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland geflohen sind. Simsek ist in Deutschland geboren und mit 6 Geschwistern in einer norddeutschen Kleinstadt zwischen deutscher und türkisch-arabischer Kultur aufgewachsen. Orientiert an den freien westlichen Werten gerät der Junge zunehmend in den Konflikt mit dem strenggläubigen Vater und seinen archaisch, patriarchalischen Ansichten. Mit 14 Jahren zeigt Simsek seinen Vater wegen häuslicher Gewalt an, woraufhin die Fehlinformationen des Vaters bezüglich des Asylverfahrens ans Tageslicht kommen und die Familie in einer nächtlichen Abschiebeaktion in die Türkei zurückgeführt wird. Ohne Kenntnisse der türkischen Kultur und Sprache findet sich der Autor in einem ihm fremden Land wieder und muss sich dort neu orientieren.
Joschka Fischer / Fritz Richard Stern: Gegen den Strom: ein Gespräch über Geschichte und Politik
Beck, München, 2013 Bestellnummer: 4726, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)
Der amerikanische Historiker und der deutsche Politiker beleuchten aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven und Lebenserfahrungen Themen der Zeitgeschichte und gegenwärtigen Politik.
Ihre Bestellung richten Sie bitte an
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Am Schlag 2-12, 35037 Marburg.
Telefon: 06421/606-0
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über unseren barrierefreien online-Katalog unter www.katalog.blista.de
Foto 1: Lesespaß in allen Formen. Foto: Pixabay. [Verschiedene aufgeschlagene Bücher, die im Gras liegen.]
Thorsten Büchner
Das Sportjahr 2018
Auch 2018 informiert Sie die blista mit ihren Punktschrift-Sonderheften zu den Sport-Ereignissen des Jahres.
Zudem bietet Ihnen das monatlich erscheinende Hörmagazin „Einwurf“ Hintergrundinformationen und Aktuelles aus der Welt des Sports.
Fußball-Weltmeisterschaft 2018
Am 14. Juni startet die Fußball-WM in Russland. In unserem Sonderheft stellen wir den Kader der deutschen Mannschaft vor, lesen Sie alles über die Gruppengegner, finden Sie u.a. Hintergrundinformationen, Statistiken sowie den Spielplan zum Ausfüllen.
Bestell-Nr.: 4884, Schutzgebühr: 17,90 Euro plus Verpackungskosten
Fußball-Bundesliga, Saison 2018/19
In Zusammenarbeit mit dem Sportmagazin „kicker“ erscheint unser Punktschrift-Sonderheft zum Beginn der neuen Saison, die am 24. August beginnt. Es enthält u.a. den Rahmenterminkalender für das Spieljahr, Angaben über Vereine und Spieler der 1. und 2. Bundesliga, deren Spielpläne und den der 3. Liga.
Bestell-Nr.: 4883, Schutzgebühr: 24,10 Euro plus Verpackungskosten
Der Einwurf – Aktuelles aus der Welt des Sports.
240 Minuten geballte Information aus dem Sportgeschehen liefert Ihnen unser selbst produziertes Hörmagazin „Der Einwurf“ einmal im Monat im DAISY-Format. Neben dem Schwerpunkt „Fußball“ erhalten Sie auch zu anderen Sportarten, wie zum Beispiel Formel 1 oder Tennis, und zu besonderen Sportereignissen interessante Hintergrundinformationen, die über die aktuelle Berichterstattung von Ergebnissen und Tabellen hinausgehen. Dieses Abonnement macht leider nicht schlank, doch die ebenso gut recherchierten wie abwechslungsreichen Beiträge garantieren Ihnen zumindest einen besonderen Hörgenuss und die Sicherheit, über das aktuelle Sportgeschehen kompetent mitreden zu können.
Preis: 60,00 € jährlich (12 Ausgaben).
Ihre Bestellung oder Nachfrage richten Sie bitte an:
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista), Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
Tel.: 06421 / 6 06 - 470
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Alle aufgeführten Beträge verstehen sich zuzüglich Porto und Verpackung sowie zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Es gelten unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Der Ball im Stadion. Foto: Pixabay. [Ein Fußball auf frischgemähtem Stadionrasen. Im Hintergrund die Tribüne.]
Panorama
Das Louis Braille Festival 2019
Kunst und Kultur werden in Leipzig großgeschrieben, und darum stehen beim vierten Louis Braille Festival auch kulturelle Angebote im Mittelpunkt des Programms. Musik, Theater, Hörspiele, Lesungen und Filme bieten für fast jeden Geschmack etwas. Die Festival-Besucher, die im Juli nächsten Jahres nach Leipzig reisen, dürfen sich außerdem auf Spiel- und Sport-Angebote und eine Rallye freuen, die durch den Leipziger Zoo führt. Anmeldungen zum Louis Braille Festival sind ab sofort möglich.
„Komm nach Leipzig!“ – diese Worte ruft der Leipziger Festivallöwe im Führhundgeschirr auf einer Einladungskarte all jenen zu, die sich 2019 zum Louis Braille Festival in der größten Stadt Sachsens treffen möchten. Damit ist die Anmeldung für das Louis Braille Festival eingeläutet, und der Löwe freut sich auf zahlreiche Gäste.
Die vierte Ausgabe des deutschlandweit größten Festivals der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe wird im Sommer 2019, vom 5. bis zum 7. Juli, in der Messestadt Leipzig stattfinden. Die Schirmherrschaft hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernommen. Der DBSV lädt gemeinsam mit der Deutschen Zentralbücherei für Blinde (DZB) herzlich ein. Die DZB feiert am Festival-Wochenende außerdem ihr 125-jähriges Bestehen.
Hauptveranstaltungsort wird die KONGRESSHALLE am Zoo Leipzig sein. Das imposante Gründerzeitgebäude aus dem Jahr 1900 wurde komplett saniert und 2015 als hochmodernes Tagungszentrum neu eröffnet. Dort gibt es ausreichend Räume unterschiedlicher Größen und Stile für ein abwechslungsreiches Programmangebot – für Kultur zum Genießen, Aktionen zum Mitmachen, Stände zum Informieren und für Gastro-, Flanier- und Entspannungsbereiche. Größere Veranstaltungen werden im Großen Saal stattfinden, in dem 1.200 Personen Platz haben.
Im Fokus steht 2019 das kulturelle Angebot, inspiriert durch die lebendige Kunst- und Kulturszene der Stadt Leipzig. Vielfältige Angebote aus den Bereichen Musik, Theater, Hörspiel, Poetry-Slam, Stand-up-Comedy, Lesung, Film, Sport und Spiel sollen zwei Tage lang ebenso auf dem Programm stehen wie ein bunter Gala-Abend am Freitag. Am Samstag informieren die Landesverbände, Berufsförderungswerke und andere Einrichtungen der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe auf dem Markt der Begegnungen mit interaktiven Angeboten über ihre Arbeit. Dafür gibt es eine großzügige EXPO-Halle im Untergeschoss.
Unmittelbar an die KONGRESSHALLE grenzt der Zoo Leipzig. Er öffnet sein Gelände für Festivalteilnehmer und bietet unter anderem besondere Führungen und eine gemeinsam entwickelte Rallye, in der alle Zoo- und Festivalbesucher bei unterschiedlichen Spielen den Zoo Leipzig erkunden können. Im unmittelbar vor der Terrasse der KONGRESSHALLE liegenden Konzertgarten des Zoos wird es ein buntes Bühnenprogramm geben. Weiterhin werden, wie in den vergangenen Jahren, sportliche Aktivitäten wie Kletterturm, Kartbahn, Trampolin und vieles mehr angeboten – dafür stehen die Eventflächen des Zoos zur Verfügung. Sehende Zoobesucher können die Angebote mit verbundenen Augen erkunden.
Am 1. Mai startet die Anmeldung zum Festival. Dazu hat die DZB eigens ein Festivalbüro eingerichtet, das Auskünfte gibt und Anmeldungen entgegennimmt.
Die KONGRESSHALLE am Zoo Leipzig liegt zentrumsnah, nur zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof und von der belebten Innenstadt entfernt. Hotels und Unterkünfte aller Kategorien sind in naher Umgebung und teilweise zu Fuß zu erreichen. Ausreichend Zimmer aller Preislagen wurden bereits geblockt.
Das Wann und Wo des vierten Louis Braille Festivals stehen fest – nun geht es um die Ausgestaltung des Programms. Claudia Schaffer (DBSV) und Sandra Plessing (DZB) freuen sich auf Ihre Ideen und Anregungen per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Informationen und Anmeldungen beim Festivalbüro unter Tel.: 03 41 / 22 82 10 54,
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!,www.dbsv-festival.de
Zimmerbuchung (akd congress & events) unter Tel.: 03 41 / 26 82 76 34 (Mo., Di. und Do. 9:30-12:00 und 14:30-18:00 Uhr)
Foto 1: Louis Braille Festival 2019 – Komm nach Leipzig! Illustration: Robert Deutsch. [Illustration eines lachenden Löwen im Führhundgeschirr. Im Hintergrund eine Giraffe und das Kongresszentrum.]
Jahresbericht 2017 der Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) liegt vor
Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Verena Bentele, weist auf den heute veröffentlichten Tätigkeitsbericht über die Arbeit der unabhängigen Schlichtungsstelle nach dem BGG im Jahr 2017 hin.
Verena Bentele: „Die Einrichtung der Schlichtungsstelle nach dem BGG war mir ein besonderes Anliegen. Der erste Jahresbericht über die Tätigkeiten der Schlichtungsstelle nach dem BGG für das Jahr 2017 zeigt, dass das Angebot bereits im ersten Jahr rege in Anspruch genommen wurde.“
Besonders erfreulich ist, so die Beauftragte, dass in gut der Hälfte der Schlichtungsfälle eine gütliche Einigung erzielt werden konnte.
„Insgesamt verdeutlicht dies einmal mehr den großen Beratungsbedarf im Hinblick auf die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere auch in Bezug auf die Barrierefreiheit“, so Bentele.
An die Schlichtungsstelle können sich Einzelpersonen und Verbände kostenfrei und ohne Hürden wenden, wenn sie ihr Recht auf Barrierefreiheit oder das Verbot der Benachteiligung durch Dienststellen und Einrichtungen der Bundesverwaltung verletzt sehen.
Die Schlichtungsstelle erstellt nach § 14 der Behindertengleichstellungsschlichtungs-verordnung (BGleisV) jährlich einen Tätigkeitsbericht und leitet diesen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der bzw. dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen bis zum 31. März des Folgejahres zu.
Neben den rechtlichen Grundlagen, den Verfahrensprinzipien der Schlichtungsstelle und der Erläuterung des Ablaufs eines Schlichtungsverfahrens enthält der Jahresbericht Beispiele für in 2017 abgeschlossene Schlichtungsverfahren mit den Erfahrungen der Schlichterinnen, einen Statistikteil sowie Änderungsvorschläge, um die Effizienz und den Bekanntheitsgrad der außergerichtlichen Schlichtung weiter zu erhöhen.
Den kompletten Jahresbericht 2017 der Schlichtungsstelle nach dem BGG können Sie hier abrufen: Tätigkeitsberichte auf der Website
Anträge können barrierefrei über www.schlichtungsstelle-bgg.de gestellt werden. Telefonische Anfragen können unter der Nummer 030 18 527-2805 an die Schlichtungsstelle gerichtet werden.
Kontakt:
Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz
bei der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
Postanschrift: Mauerstraße 53, 10117 Berlin
Hausanschrift: Taubenstraße 4-6, 10117 Berlin
Telefon: +49 (0) 30 18 527-2805
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.schlichtungsstelle-bgg.de
Nina Odenius
Campus visually impaired – ein Seminar für Studierende aus ganz Europa
Vom 15. bis 19. August wird ein besonderes Seminar in Frankfurt am Main stattfinden. Das Seminar trägt den Titel „Campus visually impaired – Studying in Europe without borders.” Tagungsort ist die Sportschule und Bildungsstätte des Landessportbundes Hessen e.V. Die Organisation dieser Veranstaltung obliegt einer Arbeitsgruppe aus ehrenamtlich tätigen Mitgliedern der Fachgruppe Studium und Ausbildung des DVBS.
Seit vielen Jahren existiert bereits das ICC, das International Camp on Computers and Communication, welches jährlich in jeweils einem anderen europäischen Land stattfindet und sich an blinde und sehbehinderte Jugendliche ab 16 Jahren richtet.
Für Studierende mit einer Seheinschränkung gibt es bis jetzt noch kein vergleichbares Angebot. Genau an diesem Punkt soll das geplante Seminar in Frankfurt ansetzen, denn Auslandserfahrungen und Vernetzung werden für Studierende immer wichtiger. Somit richtet sich die Veranstaltung an blinde und sehbehinderte Studierende aus ganz Europa mit und ohne Auslandserfahrung. Beide Gruppen können so bestmöglich voneinander profitieren und sich austauschen.
Während der fünf Seminartage in Frankfurt erwartet die Teilnehmer ein vielfältiges Programm zu spannenden Themen. Dazu gehört u.a.: Studienbedingungen in verschiedenen europäischen Ländern, die Vorbereitung eines Auslandsaufenthaltes sowie neue Hilfsmittel und technische Innovationen für das Studium. Außerdem wird es eine Podiumsdiskussion zur Inklusion von Menschen mit Behinderung auf europäischer Ebene geben. Der Vertrag von Marrakesch zur grenzüberschreitenden Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke ist einer der Schwerpunkte dieser Diskussionsrunde.
Aber auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen. An einem der Abende ist eine Sportveranstaltung geplant, bei der die Teilnehmer Sportarten wie beispielsweise Showdown oder Goalball ausprobieren können. Außerdem wird es eine blinden- und sehbehindertengerechte Stadtführung in Frankfurt geben.
Berichte und Schilderungen
Nina Odenius
Drei Monate in Pisa – italienisches Lebensgefühl pur
Es war ein lang gehegter Traum, einige Zeit in Italien zu verbringen. Ich hatte bereits ein zweimonatiges Praktikum in Paris absolviert und konnte dort meine Französischkenntnisse verbessern. Auch das Italienische sollte nicht zu kurz kommen, da es neben Französisch meine zweite Fremdsprache innerhalb meines Romanistikstudiums ist. Ich wollte aber nicht einfach ein Auslandssemester machen, sondern ein Praktikum oder ein anderes Projekt, das sich vom Studienalltag an der Universität unterscheidet. Der Zufall wollte es, dass ich über einen Newsletter von einem Projekt des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes erfuhr, das von der EU gefördert wurde. Im Rahmen dieses Projektes sollte ein Blinder oder Sehbehinderter aus Deutschland für drei Monate nach Pisa reisen und dort, in Zusammenarbeit mit einer Weiterbildungsorganisation vor Ort, Arbeitgeber aus der Toskana für das Thema Blindheit und Sehbehinderung sensibilisieren. Das Projekt trug den Titel „Awareness raising on unemployment“. Italienischkenntnisse waren erwünscht und die Unterkunft in einem Studentenwohnheim wurde von der betreffenden Organisation zur Verfügung gestellt. Ich bewarb mich und erhielt eine positive Antwort. Ende September 2016 ging es los nach Pisa.
Dort angekommen, wurde ich sehr herzlich von den Mitarbeitern der Weiterbildungsorganisation Aforisma empfangen und bezog mein Zimmer im Studentenwohnheim, welches sich im Nebengebäude befand. Somit war mein Weg zur Arbeit sehr kurz. Im Studentenwohnheim wohnten ca. 44 junge Leute, die an der Universität Pisa die verschiedensten Studienfächer absolvierten. Ich war nun die einzige blinde Mitbewohnerin. Anfangs waren meine Mitbewohner noch etwas scheu und wussten nicht so recht, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollten, aber diese Scheu verflog schnell. Bereits am ersten Abend, als ich noch mit dem Kofferauspacken beschäftigt war, wurde ich in der Gemeinschaftsküche zum Pizzaessen eingeladen. Im Laufe der nächsten Monate entwickelten sich Freundschaften zu meinen Mitbewohnern. An den Wochenenden kochten wir manchmal zusammen und abends wurde so manches Glas guten Weins getrunken. Sobald Daniele seine Gitarre herausholte wurden lauthals auf der Terrasse oder in der Küche italienische und englische Lieder gesungen und wir hatten alle sehr viel Spaß. Die ein oder andere Gartenparty im Spätsommer gab es natürlich auch. Dadurch, dass 90 Prozent der Studenten im Wohnheim Italiener waren, hatte ich eine tolle Möglichkeit, meine bereits in der Schule und im Studium erworbenen Sprachkenntnisse auszubauen. Auch die Mitarbeiter von Aforisma waren alle Italiener, sodass ich drei Monate lang jeden Tag mit der Fremdsprache lebte. Der Vorteil ist, dass die Pisaner ein weitgehend dialektfreies Italienisch sprechen. Somit sind sie auch für Ausländer gut verständlich. Man muss sich nur an die Sprechgeschwindigkeit der Menschen gewöhnen, da sie viel schneller zu sprechen scheinen, und manchmal hat man das Gefühl, dass die Wörter und Sätze ohne Pause ineinander fließen. Italiener gestikulieren sehr viel, aber wenn man diese Gesten nicht sehen kann, ist das kein Problem. Dafür entsteht dann ein noch größerer Wortschwall, aus dem aber meist detailreiche Beschreibungen oder ähnliches zustande kommen, sodass die Kommunikation meist problemlos verläuft.
Während meines Aufenthaltes in Pisa habe ich die Italiener als sehr unkompliziert, offenherzig und fröhlich erlebt. Als ich eines Tages einen Ausflug zu einer blinden- und sehbehindertengerechten Führung in ein Museum nach Florenz machen wollte, erklärte sich spontan ein Mitbewohner aus dem Wohnheim bereit, mich dorthin zu begleiten. Wir fuhren an einem sonnigen und noch warmen Samstag im Oktober eine Stunde mit dem Zug von Pisa nach Florenz und verbrachten dort einen schönen Tag. Die Führung im Palazzo Vecchio war sehr interessant, da man viele Exponate anfassen durfte. Doch was ich viel interessanter fand, war die Führung, die mir mein Mitbewohner Emilio von Florenz gab. Er kannte sich in der Stadt aus und zeigte mir ihre Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise den Ponte Vecchio oder den Palazzo Pitti. Außerdem besuchten wir einen einheimischen Markt und aßen dort florentinische Spezialitäten. Auf diesen Ausflug sollten noch viele weitere folgen.
Die Atmosphäre im Wohnheim war generell sehr angenehm. Wir hatten zudem einen sehr netten Hausverwalter, der uns jederzeit bei Fragen und Problemen zur Seite stand. Das einzige, das mir anfangs etwas Kopfschmerzen bereitete, war der große Gasherd in der Gemeinschaftsküche. Auf den offenen Flammen zu kochen, erschien mir etwas unheimlich. Aber auch dafür fand sich eine gute Lösung. Im angrenzenden Gebäude befand sich ein kleines Restaurant, das zur Weiterbildungsorganisation Aforisma, wo ich arbeitete, dazugehörte. Ich erhielt die Möglichkeit, dort jeden Mittag zu essen. Das Wunderbare war, dass das Restaurant sehr familiär war und viele Stammkunden hatte. Mit der Zeit kannte ich viele Gäste, die auch teilweise meine Kollegen waren. Man verabredete sich zum Mittagessen und genoss schöne Momente auf der kleinen Holzterrasse und so entstanden auch private Kontakte. Die Mitarbeiter des Restaurants schlossen mich schnell ins Herz und freuten sich jedes Mal, wenn ich zum Essen kam. Jeden Sonntag durfte ich mir ein Gericht aussuchen und auch wenn es nicht auf der Karte stand, wurde es frisch für mich zubereitet, sofern die dafür passenden Zutaten vorhanden waren. Was mich an diesem Restaurant begeisterte, war nicht nur die herzliche Atmosphäre, sondern vor allem die toskanischen Spezialitäten, die bei uns in Deutschland beim Italiener nicht auf der Speisekarte stehen. So lernte ich viele neue Gerichte kennen und schätzen. Dazu gehörte unter anderem ein Pastagericht, das sich Gnudi nennt. Die Gnudi sind die Füllung der Ravioli z.B. Ricotta. Diese werden meist mit Butter und Salbei serviert. Ein Fleischgericht, welches mir sehr gut schmeckte, war Tagliata. Dabei handelt es sich um ein Rinderfilet, das mit Olivenöl zubereitet und am Ende mit grobem Meersalz eingerieben wird. Vor dem Servieren wird es in Streifen geschnitten. Daher kommt auch wahrscheinlich der Name, da Tagliata auf Deutsch „geschnitten“ bedeutet. Was mir ebenfalls sehr gut schmeckte war Schiacciata, eine Art Fladenbrot, das mit Olivenöl und Salz zubereitet wird. Die Schiacciata passt zu allen Gerichten und dient oft als Vorspeise oder als Beilagenbrot.
In den drei Monaten ging es für mich auch darum, Pisa zu entdecken und die Wege, die ich im Alltag benötigte, weitgehend selbstständig zurückzulegen. Ich erhielt Mobilitäts- und LPF-Training. Wenn ich alleine in der Stadt unterwegs war, fühlte ich mich niemals unsicher, da ich wusste, dass ich im Fall der Fälle auf meine Mitmenschen zählen konnte. Sobald ich nach dem Weg fragte, kam ich schnell mit den anderen Passanten ins Gespräch und erlebte es oft, dass ich einen Menschen ansprach und am Ende von mindestens fünf weiteren umringt war, die alle bereit waren, mir den Weg zu beschreiben. Einmal fragte ich einen Passanten, ob ich auf dem richtigen Weg zu meinem Studentenwohnheim sei und er antwortete: „Ja, Sie sind richtig, aber wenn Sie möchten, begleite ich Sie gerne nach Hause. Ich habe gerade Zeit und würde das gern tun.“ Das Angebot lehnte ich dankend ab, da ich den Weg allein finden wollte, freute mich aber über die Hilfsbereitschaft. Ein anderes Mal fragte ich jemanden nach einer bestimmten Straße, die ich überqueren wollte. Der Herr war sehr gesprächig und sagte: „Wissen Sie, ich bin 86 Jahre alt und besuche meinen Sohn hier in Pisa. Ich kenne mich in der Stadt nicht gut aus, aber fragen wir doch mal die Dame dort vorn, die kann uns sicher die Straße zeigen, die wir suchen.“ Und so war es auch. Die Dame begleitete mich bis zur betreffenden Straße und dort verabschiedeten wir uns, weil ich den Weg nun kannte. Was ich aber nicht wusste war, dass der ältere Herr ein Stück hinter uns geblieben war. Er kam völlig entrüstet zu mir und sagte: „Das gibt es doch nicht! Die Dame hat Sie einfach hier am Zebrastreifen stehen gelassen. Das habe ich doch gesehen!“ Ich erklärte ihm, dass das alles seine Richtigkeit habe und ich meinen Weg nun allein fortsetzen könne.
Pisa ist eine sehr lebendige Stadt, in der immer etwas los ist. Es gibt eine zentrale Straße, den Corso d’Italia. Diese Straße ist eine langgestreckte Fußgängerzone, auf der sich alle wichtigen Geschäfte und Restaurants befinden. Im Sommer sitzen die Menschen draußen und essen oder trinken Wein. Aber auch im Winter ist auf dem Corso d’Italia immer etwas los und viele Menschen sind dort unterwegs. Am Ende der Straße steht der Schiefe Turm, die Touristenattraktion der Stadt. Für mich war es ein Erlebnis, den Turm über seine engen Wendeltreppen zu besteigen. Teilweise war es so eng, dass man hintereinander die Stufen hinaufsteigen musste. Oben angekommen, war die Luft herrlich frisch und man konnte ein wenig Ruhe genießen. Von den Bewohnern Pisas wird der Schiefe Turm nur liebevoll „la torre – der Turm“ genannt.
Die Arbeit bei Aforisma bereitete mir ebenfalls viel Freude. Das Ziel des von mir durchgeführten Projektes war es, bei den Arbeitgebern Ängste und Hemmschwellen gegenüber blinden und sehbehinderten Menschen abzubauen. Bei der Durchführung wurde ich von zwei Mitarbeiterinnen der Organisation Aforisma unterstützt. Wir führten mehrere Veranstaltungen durch, zu denen wir Mitarbeiter von verschiedenen Arbeitsämtern, Schulen und Unternehmen aus der Region einluden. Ich hielt einen Vortrag und erläuterte in dessen Verlauf, welche Hilfsmittel es für blinde Menschen gibt und wie das Leben als blinder Mensch aussieht. Außerdem zeigte ich einen Film, der die Auswirkungen verschiedener Augenerkrankungen veranschaulichte. Es gab auch genügend Raum für Fragen des Publikums. Am Ende jedes dieser Vorträge erlebte ich Menschen, die dankbar waren, einen Einblick in die genannte Thematik erhalten zu haben und die sich nun im Umgang mit blinden oder sehbehinderten Menschen sicherer fühlten.
Italien erschien mir ein sehr barrierefreies Land zu sein. Ich erhielt viel Unterstützung von der Zweigstelle der italienischen Blindenunion in Pisa. Dort gab es einen Freiwilligendienst und so besaß die Union 4 Freiwillige, die im Alltag Unterstützung anboten. Das waren meist junge Leute, die sozial engagiert waren. Man konnte bei der Blindenunion Pisa anrufen und sagen, dass man beispielsweise Hilfe beim Einkaufen bräuchte. Dann wurde ein Termin vereinbart und die Frage geklärt, ob der Einkauf mit oder ohne Auto stattfinden solle. Für Großeinkäufe war das Auto sehr praktisch. Zum gewünschten Zeitpunkt stand der oder die Freiwillige vor der Tür und los ging es in den Supermarkt oder an einen anderen Zielort. Diesen Dienst nahm ich gern in Anspruch und freute mich über die Unterstützung. Außerdem lernte ich so neue nette Leute kennen.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich mich in den drei Monaten in Pisa sehr wohl gefühlt habe. Ich habe dort viele tolle Menschen kennengelernt, die mir meinen Aufenthalt mit ihrer herzlichen Art und ihrer tatkräftigen Unterstützung versüßt haben. Am Ende gab es ein großes Fest, das ich in dem kleinen Restaurant ausrichten durfte und zu dem ich alle lieb gewonnenen Menschen einlud.
Kurz vor Weihnachten kehrte ich nach Hause zurück und setzte mein Studium an der Universität fort.
Zur Autorin
Nina Odenius wurde 1990 in Viersen am Niederrhein geboren und ist seit ihrer Geburt blind. Seit 2010 studierte sie Romanistik mit den Fremdsprachen Französisch und Italienisch an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und schloss das Studium im Februar 2018 mit der Einreichung ihrer Masterarbeit ab.
Foto 1: Der Fluss Arno in Pisa. Foto: Pixabay. [Der Fluss Arno in Pisa, dahinter die Uferpromenade mit sonnenbeschienenen Häusern im toskanischen Baustil.]
Jochen Schäfer
Dr. Otto Hauck zum 80. Geburtstag
Den ersten Glückwunsch in den „Marburger Beiträgen (MB)“ und im horus erhielt er vor 30 Jahren von seinem langjährigen Weggefährten und Stellvertreter Karl Britz (H. 2/1988). Damals wurde Dr. Hauck 50 Jahre alt und war bereits seit fast neun Jahren DVBS-Vorsitzender. Am 12. März 2018 wurde der Jubilar nun 80 Jahre alt und erfreut sich glücklicherweise nach wie vor guter Gesundheit.
Geboren in Rohrbach bei Coburg, durchlief er zunächst die Blindenschule in Nürnberg und brach die anschließende, damals übliche Ausbildung zum Telefonisten und Stenotypisten ab, um 1953, mitten im Schuljahr, zur blista nach Marburg zu gehen. Dort begeisterte er sich schon früh für das Schachspielen. Er gründete Anfang 1955 mit einigen Mitspielern eine Schachgruppe an der blista, die späteren „Schachfreunde Marburg“, wurde 1957 Jugendeinzelmeister im Blindenschach und pflegt das königliche Spiel erfolgreich noch heute.
1959 bestand Otto Hauck das Abitur. Sein Jahrgang war der erste in der Ende 1958 eingeweihten „Carl-Strehl-Schule“. Noch im gleichen Jahr wurde er 1959 Mitglied im damaligen „Verein der blinden Geistesarbeiter Deutschlands (VbGD)“, dem heutigen DVBS.
Es folgte das Jurastudium in Marburg, das er mit der Promotion abschloss. 1967 heiratete er seine Frau Elisabeth (geb. Graf), ihre Kinder Angelika und Martin ließen die Familie wachsen. In all seinen Tätigkeiten wurde und wird Dr. Hauck von seiner Frau tatkräftig unterstützt, auch im Bereich der Selbsthilfe. „Die Selbsthilfe ist ein Stück von meinem Leben geworden“, hat Elisabeth Hauck einmal gesagt.
1969 begann Dr. Haucks Berufslaufbahn. Zunächst wurde er Richter, später Vorsitzender Richter am Landgericht Marburg und blieb es bis 1999. Die lokale Tageszeitung berichtete von der Laudatio, die der Präsident des Landgerichts zum Abschied hielt, "[d]er blinde Richter habe durch sein Vorbild die Vorbehalte gegen den Einsatz Schwerbehinderter, insbesondere sehbehinderter Kolleginnen und Kollegen abgebaut, und zu einem unverkrampften und selbstverständlichen Umgang mit der Behinderung anderer beigetragen (…)." (Oberhessische Presse, 1.6.1999).
Dr. Haucks Selbsthilfearbeit hat ihre Wurzeln in der sogenannten Juristenkrise Ende der 1960er Jahre. 1971 wurde er VbGD-Bezirksvorsitzender in Hessen und gründete die Fachgruppe „Jura“, die er bis 1996 leitete. 1974 wurde er in den VbGD-Vorstand gewählt, dessen Vorsitzender er von 1979 bis 2004 war; 1975 wurde er 2. Vorsitzender des blista-Trägervereins.
Vor allem in seiner Zeit als DVBS-Vorsitzender hat Otto Hauck viel bewegt, z. B. die Satzungs- und Namensänderung 1983, die tatkräftige und fachkundige Unterstützung blinder und sehbehinderter Juristinnen und Juristen der ehemaligen DDR nach 1989, den Auf- und Ausbau auch technischer und digitaler Vereinsangebote. Nach seinem Abschied als 1. Vorsitzender ernannte ihn die Mitgliederversammlung 2005 zum Ehrenvorsitzenden. Noch heute können blinde und sehbehinderte Menschen auf seine kompetente Beratung vor allem in rechtlichen Fragen setzen.
Dr. Otto Hauck erhielt einige Auszeichnungen: den Ehrenbrief des Landes Hessen 2003, das Bundesverdienstkreuz 2005, den „Life Award für Menschen mit Handicap“ in Innsbruck 2011 und zu guter Letzt die Carl-Strehl-Plakette am 15. November 2013, aus deren Anlass ihm der DVBS-Bezirkschor einige Ständchen brachte.
DVBS und blista sind Dr. Otto Hauck zu großem Dank verpflichtet für die vielen Jahrzehnte intensiver Arbeit im Interesse blinder und sehbehinderter Menschen. Wir wünschen ihm noch viele weitere Jahre in Glück und Gesundheit mit seiner Frau und seiner Familie.
Foto 1: Dr. Otto Hauck. Foto: privat. [Dr. Hauck sitzt am Tisch und liest in Brailleschrift. Er trägt eine getönte Brille, einen grauen Blazer und Krawatte und lächelt versonnen.]
Uwe Boysen
Jetzt sind wir nur noch vier. Zum Tod von Armin Kappallo
Sechs junge Männer waren es, die am 9.11.1966 in Marburg die Reifeprüfung an der blista bestanden. Drei von ihnen, Armin Kappallo, von 1986 bis 1998 Vorsitzender des DBV, später DBSV, Wolfgang Angermann, langjähriger Geschäftsführer des DVBS und jetziger Präsident der Europäischen Blindenunion, und ein Dritter, der 24 Jahre die Geschicke des DVBS maßgeblich mitbestimmen konnte, kamen zur Selbsthilfe – keine so schlechte Ausbeute aus einer derart kleinen Klasse.
Wie vier seiner weiteren Klassenkameraden studierte Armin Kappallo schon ab November 1966 Jura in Marburg, ein damals für blinde und sehbehinderte Abiturienten wegen der eigentlich guten Berufsaussichten sehr empfohlener Weg. Nach abgeschlossener Berufsausbildung war Kappallo ab 1976 zwei Jahre als Justitiar beim Deutschen Blindenverband in Bonn tätig und wechselte 1978 ins Bundesministerium für Arbeit, wo er 1990 zum Ministerialrat ernannt wurde.
Armin Kappallo trat als 19-Jähriger dem DVBS bei, wie damals üblich gleich nach seinem Abitur. Mit 33 Jahren wurde er 1979 zum 1. Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Nordrhein gewählt und setzte bis 1987 dort wichtige Akzente, z. B. als 1982 Vereinbarungen zur Anhörung der Blindenorganisationen bei Änderungen des Landesblindengeldgesetzes getroffen wurden. 20 Jahre lang, von 1982 bis 2002, war der blinde Jurist Mitglied im Vorstand (heute Präsidium) des DBSV. Dabei trug er nach 1990 maßgeblich dazu bei, die Teilung Deutschlands in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe zu überwinden, was uns nach meiner Einschätzung bedeutend besser gelungen ist als in manch anderen Bereichen. In seine Amtszeit fällt auch die Namensänderung des früheren DBV in „Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband“, eine Akzentuierung der Rolle der Sehbehinderten, die der DVBS schon 1983 vollzogen hatte.
Auch eine weitere wertvolle Initiative ist mit seinem Namen verbunden. Denn er war 1992 - neben Dr. Otto Hauck und Dr. Franz Sonntag - Mitunterzeichner eines Briefes der Blindenselbsthilfeverbände an die Verfassungskommission des Deutschen Bundestages, in dem es hieß: "Wir halten es für notwendig, angebracht und wünschenswert, dass in das Grundgesetz (Art. 3) der Satz aufgenommen wird: Niemand darf wegen seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung benachteiligt werden", aus dem später die heute geltende Formulierung des Grundgesetzes wurde: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.
2002 ernannte ihn der DBSV zum Ehrenmitglied. 2012 verlieh ihm sein Heimatverein, der BSVN, dessen Vorsitz er bis 2008 wieder übernommen hatte, ebenfalls diesen Titel. In seiner dortigen neuerlichen Amtszeit wurden das Blinden- und Sehbehinderten-Zentrum Nordrhein und der Integrationsfachdienst Sehen im Rheinland geschaffen.
Wer Armin kannte, der erinnert sich an seine lebhafte, manchmal überbordende Art und an sein phänomenales Orientierungsvermögen. Mit Letzterem trug er maßgeblich dazu bei, dass das Mobilitätstraining in Marburg eine erste Heimat fand.
Hoffentlich hilft ihm das alles auch da, wo er sich jetzt aufhält, weiter …
Zum Autor
Uwe Boysen war von 1992 bis 2004 zweiter und von 2004 bis 2016 erster Vorsitzender des DVBS.
Aus der Arbeit des DVBS
Michael Längsfeld
„Selbsthilfe kann viel bewegen!"
Als neuer Geschäftsführer des DVBS e.V. bin ich seit Anfang Februar 2018 tätig und ich möchte mich heute Ihnen, liebe Mitglieder, vorstellen.
Mein Name ist Michael Längsfeld, Jahrgang 1963, ich bin verheiratet und habe eine Tochter. Ich arbeitete dreißig Jahre als Prokurist in Großbanken in Frankfurt und leitete diverse Abteilungen.
Ich war in der Oberstufe eines Gymnasiums, als mein Sportlehrer feststellte, dass ich im Volleyballkurs die Bälle nicht so sah wie meine Mitschüler. Mein Augenarzt hatte auch keine richtige Erklärung. Erst in der Uniklinik Heidelberg wurde dann festgestellt, dass ich Chorioideremie habe. Die Diagnose schockierte mich damals wenig, da ich noch ganz gut sehen konnte. Ich machte einen Führerschein, ging einem normalen Arbeitsleben nach und gründete eine Familie. Das Autofahren habe ich seit einigen Jahren aufgegeben und überlasse das meiner Frau, die viel besser sehen kann als ich.
Durch meine Augenerkrankung verschlechterte sich mein Gesichtsfeld langsam. Ich begann, mich für die Selbsthilfe zu interessieren und ich engagierte mich dort als Arbeitskreisleiter für meine Augenerkrankung Chorioideremie, leitete eine Regionalgruppe und war später auch als Fachbereichsleiter für die Regionalgruppen in Deutschland tätig. Darüber hinaus war ich auch international tätig und wurde in den Vorstand einer amerikanischen Stiftung gewählt.
Durch meine internationale Vernetzung und der Zusammenarbeit mit Forschern und Augenkliniken erfuhr ich von den Studien für eine Gentherapie, die das Ziel hat, die Progression der Chorioideremie zu stoppen. Im Jahre 2016 wurde ich dann im Rahmen einer Studie an der Universitätsklinik in Tübingen als erster Patient in Deutschland operiert und mit einer Gentherapie behandelt.
Durch diese Aufgaben lernte ich, wie wichtig die Selbsthilfe ist und sah, dass man viel bewegen kann. Dabei lernte ich auch den DVBS kennen, der mit seinen Schwerpunkten Interessenvertretung und Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen in den Bereichen Bildung und Lebenslanges Lernen viel bewegt.
Nach dreißig Arbeitsjahren in verschiedenen Großbanken wurde meine Abteilung umstrukturiert und mein Arbeitsplatz an einen anderen Standort in Ostdeutschland verlagert. Dies war für mich keine Option und ich nutzte die Möglichkeit, ein Abfindungsprogramm anzunehmen und die Bankenwelt zu verlassen, um noch einmal in einem anderen Aufgabengebiet durchzustarten. Hierbei interessierte mich die Selbsthilfe besonders, da ich diese bereits kennengelernt hatte und mir gut vorstellen kann, hier viel zu bewegen.
Ein Schwerpunkt wird es sein, die Öffentlichkeitsarbeit auszubauen und den DVBS bekannter zu machen. Dabei werden auch die sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus arbeiten wir daran, die Mitgliederzahlen zu erhöhen, um den DVBS auf ein gesundes finanzielles Fundament zu stellen. Aus-, Weiterbildung sowie das lebenslange Lernen werden neben Hilfsmitteln eine weitere wichtige Rolle spielen. Die Arbeitswelt wird unter dem Thema Digitalisierung 4.0 unser Leben verändern und wir müssen uns flexibel darauf einstellen.
Als Geschäftsführer des DVBS möchte ich die bisher geleistete erfolgreiche Arbeit weiterführen und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit allen Gremien und Gruppen des Vereins. Besonders würde ich mich auch über eine intensive Zusammenarbeit mit den Bezirksgruppen in der Region freuen, denn hierdurch kann unser Verband auch in allen Regionen Deutschlands bekannter und erfolgreicher werden. Ein weiterer Schwerpunkt wird auch die Zusammenarbeit mit den Universitätsaugenkliniken und den niedergelassenen Augenärzten darstellen. Hier können die Patienten auf den DVBS aufmerksam gemacht werden und es entsteht ein sogenannter Win-win-Effekt für Patient, Augenarzt und DVBS. Wichtig ist hier auch die Vernetzung mit anderen nationalen und internationalen Vereinigungen, um Austausch und Kooperationen zu fördern, denn wir können alle voneinander profitieren und voneinander lernen.
Ich freue mich auf meine neue Aufgabe und die Zusammenarbeit mit den Interessen-, Fach- und Bezirksgruppen und mit allen Mitgliedern des DVBS. Gerne können Sie mir Ihre Vorstellungen und Ideen mitteilen, wie wir gemeinsam den DVBS voranbringen. Ich freue mich auf Sie.
Ihr Michael Längsfeld
Kontakt:
Michael Längsfeld
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Telefon: 06421 94888 25.
Foto 1: Michael Längsfeld. Foto: privat. [Michael Längsfeld schaut freundlich in die Kamera. Er hat kurze, graue Haare und trägt eine Brille.]
Sabine Hahn
Fit für's Ehrenamt: DVBS-Ehrenamtsakademie bietet Know-how und Austausch
Wie unterstütze ich die Arbeit Ehrenamtlicher, wie fördere ich ehrenamtliches Engagement in der Selbsthilfe behinderter Menschen? Diesen Fragen widmet sich Dr. Katarzyna Kalka im Rahmen der Ehrenamtsakademie, einem dreijährigen DVBS-Projekt, das von Aktion Mensch gefördert wird. Dr. Kalka ist Ansprechpartnerin für die besonderen Wünsche und Belange von Menschen, die ehrenamtlich in der Selbsthilfe tätig sind oder dies anstreben und sich weiterbilden möchten. Das Projekt zielt darauf ab, die Teilhabe von Senioren, kranken, sozial benachteiligten, insbesondere aber blinden und sehbehinderten Menschen zu fördern. Im Interview mit Sabine Hahn berichtet Dr. Kalka über ihre bisherigen Erfahrungen und die weiteren Projektziele.
Hahn: Frau Dr. Kalka, die Seminare der DVBS-Ehrenamtsakademie sind angelaufen. Wie war der Anklang?
Kalka: Bisher haben sich die Teilnehmenden sehr positiv zu den Seminaren geäußert. Sie finden die Angebote und die Möglichkeit des direkten Austauschs nützlich. Während der Seminare haben sich das große Potenzial der ehrenamtlich in der Behindertenselbsthilfe Tätigen und ihr hohes Engagement gezeigt. Es freut mich, mit so vielen engagierten Menschen zusammenzuarbeiten und ich hoffe, einen Beitrag für ihr weiteres Engagement leisten zu können.
Hahn: Welche Seminarthemen sind es hauptsächlich, für die sich Interessierte anmelden?
Kalka: Bisher fanden drei Seminare statt. Im ersten Seminar, „Selbstpräsentation – Coaching für Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit“, wurde das Thema der Selbstpräsentation sehr praktisch angegangen: Die Teilnehmenden hielten eine Präsentation, die per Video aufgezeichnet wurde, und bekamen ein differenziertes Feedback.
Das zweite, sehr gut besuchte Seminar fand zum Thema „Mitglieder aktivieren und motivieren“ statt. Und im jüngsten Seminar, "Auftritte vor Publikum unter den Bedingungen einer Sehschädigung – die Bedeutung von Körpersprache, Präsenz und Publikumskontakt“, trainierten die Teilnehmer den Umgang mit technischen Geräten auf der Bühne und befassten sich mit nonverbalen Anteilen im Kontakt mit Publikum.
Die Themen hatten wir nach einer Bedarfsanalyse entwickelt und sie dann um weitere Vorschläge der Ehrenamtlichen erweitert. Wir stellen Teilnahmebestätigungen aus, so können die Seminare für diejenigen, die noch kein Ehrenamt haben, die Chance bei einer Bewerbung um ein Ehrenamt eventuell erhöhen.
Hahn: Welches Feedback erhalten Sie?
Kalka: Aus den Feedbackrunden am Ende der Seminare haben wir durchweg positive Rückmeldungen erhalten.
Die Teilnehmenden schätzen besonders die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch. Dies war vor allem bei unserem zweiten großen Seminar zur Mitgliederaktivierung und Motivierung zu sehen. Sehr wichtig ist den Teilnehmenden der praktische Ansatz. Ich versuche daher immer, Referenten zu finden, die, basierend auf einer Theorie bzw. einem Konzept, Übungen zum jeweiligen Thema durchführen.
Hahn: Kristallisieren sich Probleme und Bedürfnisse heraus, die Ehrenamtliche seminarübergreifend immer wieder ansprechen?
Kalka: Ich würde nicht behaupten, dass es große Probleme gibt. Wenn, dann bestehen Unterschiede, was die Aktivitäten innerhalb der Gruppen von Ehrenamtlichen betrifft. Diese Tatsache berücksichtige ich natürlich bei der Wahl der Seminarthemen. Darüber hinaus bin ich offen für jeden anderen Themenvorschlag oder Ansatz.
Hahn: Welche Seminare werden in nächster Zeit stattfinden?
Kalka: Anfang Juni findet das Seminar „Arbeitstechniken und Zeitmanagement“ statt. Darüber hinaus sind 2018 noch die Seminare „Wirkungsvolle Pressearbeit in Selbsthilfeorganisationen“, „Stil- und Farbberatung für den öffentlichen Auftritt von Ehrenamtlichen“ sowie „Expertenwissen für Laien – was ist ein barrierefreies Dokument und nach welchen Kriterien kann ich es prüfen?“ geplant. Wegen des großen Erfolgs wird das Seminar „Selbstpräsentation – Selbstmarketing“ wiederholt. Die Termine dieser Seminare stehen noch nicht fest, werden aber rechtzeitig bekannt gegeben.
Hahn: Mit welchen Kosten müssen Teilnehmerinnen und Teilnehmer rechnen?
Kalka: Dank der Finanzierung des Projekts durch Aktion Mensch ist die Teilnahme an Seminaren sowie Übernachtung und Verpflegung für Ehrenamtliche kostenlos. Sie tragen nur die Reisekosten.
Hahn: Wie sorgen Sie für die Barrierefreiheit der Seminare?
Kalka: Es gibt einige wichtige Punkte, auf die ich achte: Da ist zum einen die geeignete Referentin oder der geeignete Referent. Ich bespreche telefonisch mit ihr oder ihm, welche Unterrichtstechniken eingesetzt werden und wir passen die Methode gemeinsam den Bedürfnissen der Seminarteilnehmenden an. Dabei achte ich auch auf die Form, in der Seminarunterlagen erstellt werden. Sie müssen ja für alle Teilnehmenden barrierefrei zugänglich sein.
Barrierefrei soll auch das Tagungshaus für das Seminar sein. Wir haben einen Pool an geeigneten Tagungshäusern zusammengestellt. Bei neuen Lokalitäten mache ich vor der Buchung eine Hausbesichtigung und bewerte das Tagungshaus im Hinblick auf Barrierefreiheit. Besonders wichtig sind hier die zentrale Lage, die gute Beschilderung, kontrastreiche Innenräume, leichte Orientierung für blinde Teilnehmer, aber auch eine leckere Küche und ein Service, der auf unsere Bedürfnisse, wie etwa Hilfe beim Büffet, eingeht, um nur einige Kriterien zu nennen.
Insgesamt ist es mir wichtig, dass sich die Ehrenamtlichen während der Seminare wohlfühlen.
Hahn: Das Angebot der Ehrenamtsakademie soll ja offen sein für Menschen mit anderen Behinderungen oder für sehende Menschen, die inklusiv kooperieren wollen. Was sind hier die nächsten Schritte der Ehrenamtsakademie?
Kalka: Schon jetzt wenden wir uns mit unserem Angebot auch an andere Selbsthilfeorganisationen wie Pro Retina, die DBSV-Landesverbände, den VdK, aber auch an Organisationen wie die Evangelische Blinden- und Sehbehindertenseelsorge. Für das Jahr 2019 wird es von Bedeutung sein, verstärkt inklusive Seminare anzubieten. Dabei werden auch Organisationen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung, Volkshochschulen und Sozialverbände angesprochen werden. Für die Erreichung dieses Ziels werden wir die Öffentlichkeitsarbeit intensivieren. Es würde mich freuen, wenn wir mit unserer Ehrenamtsakademie auf ein breites Interesse stoßen. Ich freue mich auf Nachfragen und Kontakt.
Hahn: Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und bedanke mich für das Interview.
Kontakt:
Katarzyna Kalka
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel.: 06421 94888-26.
Foto 1: Katarzyna Kalka. Foto: DVBS. [Katarzyna Kalka blickt freundlich in die Kamera. Sie hat ihre lockigen, braunen Haare zurückgebunden und trägt eine Brille mit getönten Gläsern.]
Andreas Wohnig
DVBS-Seminarvorschau 2018
- 9. - 10.6.2018: Seminar im Rahmen der Ehrenamtsakademie: Arbeitstechniken und Zeitmanagement, Bonn
- 21. - 24.6.2018: Nicht sehend - nicht blind: Fortbildungsseminar der Interessengruppe Sehbehinderte, drei themenbezogene Workshops: 1: Lesen als Schlüssel zum beruflichen Erfolg – Hilfsmittel, Licht und mehr; 2: Herausforderungen sehbehinderter Menschen im beruflichen Alltag – sinnvoller Umgang mit der Sehbehinderung; 3: PDFs – Freund oder Feind? – Barrierearme PDFs erstellen, vorhandene PDFs zugänglich machen, Weiterverarbeitung etc., Herrenberg
- 14. - 15.7.2018: Seminar „Stil- und Farbberatung für blinde und sehbehinderte Menschen bei öffentlichen Auftritten im Ehrenamt“, Sport- und Bildungsstätte Frankfurt/Main. Referentin: Christiane Grübbel, ganzheitliche Farb- und Stilberaterin, bietet individuelle Beratungen für blinde und sehbehinderte Menschen an
- 19. - 22.7.2018: Fortbildungsseminar der Fachgruppe Wirtschaft: Reden und Präsentieren vor Gruppen (vom zuständigen Integrationsamt anerkanntes Fortbildungsseminar), Herrenberg
- 25. - 26.8.2018: Seminar: „Wirkungsvolle Pressearbeit für Selbsthilfeorganisationen“, Stephansstift Hannover. Referentin: Christina Denz, Kommunikationstrainerin, Korrespondentin, Redakteurin, Seminare im Bereich Schreiben für Stiftung Mitarbeit
- 15. - 19.8.2018: Europaseminar der Fachgruppe Studium und Ausbildung in Frankfurt - Campus Visually Impaired: Studying in Europe without Borders
- 31.8. - 2.9.2018: Selbsterfahrungsseminar für von Blindheit bedrohte oder kürzlich erblindete Menschen, Kassel
- 14. - 16.9.2018: Fortbildungsseminar der Fachgruppe Musik in Hannover
- 14. - 16.9.2018: Statistik-Workshop für blinde und sehbehinderte Studierende zum Programm SPSS; Fachgruppe Studium und Ausbildung; Marburg
- 22. - 23.9.2018: Seminar: „Selbstpräsentation - Coaching für blinde oder sehbehinderte Menschen“, Tagungsstätte Haus Sonne „Stiftung Studien- und Lebensgemeinschaft Tabor", Marburg. Referentin: Ute Mölter, Leiterin des Reha-Beratungszentrums der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg
- 29.9. - 6.10.2018: Seminar "Altern und Blindheit" der Gruppe Ruhestand in Saulgrub
- 06. - 07.10.2018: Seminar: Training „Expertenwissen für Laien – was ist ein barrierefreies Dokument und nach welchen Kriterien kann ich es prüfen?“, Kursraum des DVBS. Referent: Oliver Nadig, Informatiker der blista
Aktualisierte Termine und Ausschreibungen zu allen Seminaren finden Sie auch immer auf der Homepage des DVBS in der Rubrik "Seminare", weitere Informationen auch gerne telefonisch unter 06421 94888-23.
Foto 1: Seminare. Foto: Rainer Sturm / pixelio. [Ein voller Ordner mit der Aufschrift „Seminare“]
Juliane Taubner
Nicht sehend – nicht blind. Der neue Informationsfilm des DVBS ist da
„Nicht sehend - nicht blind. Sehbehinderte Menschen im Beruf“ - so heißt der neue Informationsfilm des DVBS. Er wendet sich an sehbehinderte Erwerbstätige als auch an Fachberater und zeigt sowohl die Schwierigkeiten als auch die vielen Möglichkeiten auf, die Betroffene im Berufsleben haben. Im Film berichten sehbehinderte Erwerbstätige als Experten in eigener Sache über ihre Arbeitsbedingungen und Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Aber auch verschiedene Sachverständige nehmen Stellung, vom Orthoptisten über die Physiotherapeutin bis zum DVBS-Experten. Klar wird: der offensive Umgang mit der eigenen Behinderung ist der Schlüssel zum Erfolg. Dann ist auch eine sich verschlechternde Sehfähigkeit kein Grund für eine Ausgliederung aus dem Arbeitsprozess. Hierbei unterstützen moderne Hilfsmittel und Arbeitstechniken die Leistungsfähigkeit und helfen dabei, den Verbleib im Beruf anzustreben. Neben den mutmachenden Erfahrungsberichten wird auch auf weitere Informationsquellen verwiesen.
Sie finden den Film auf http://dvbs-online.de unter Aktuelles > Schwerpunkte.
Resolution der Mitgliederversammlung des DVBS vom 12.05.2018
Mit Bestürzung hat die Mitgliederversammlung des DVBS zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu barrierefreien Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen erhebliche Mängel aufweist. Anstatt die Potenziale der ihm zu Grunde liegenden EU-Richtlinie konsequent umzusetzen, schafft er Rechtsunsicherheit und spart wesentliche Elemente der Richtlinienkonzeption aus. So verschleiert er mit dem Begriff der Unverhältnismäßigkeit, dass die Richtlinie dieses Kriterium nur als absolute Ausnahme gelten lassen will. Ebenso fehlen hinreichende Befugnisse für die Stelle, die Ansprüche von Menschen mit Behinderungen auf digitale Barrierefreiheit durchsetzen soll.
Darüber hinaus verändert der Entwurf den bisherigen Rechtszustand im BGG ohne Not zu Lasten von Menschen mit Behinderungen, indem er grafische Programmoberflächen aus dem BGG entfernt.
Wer wie die Bundesregierung einerseits die Vorzüge der Digitalisierung auch für Menschen mit Behinderungen hervorhebt, aber andererseits nicht dafür sorgt, dass die eigenen Internet- und mobilen Angebote digital barrierefrei sind, der macht sich unglaubwürdig und missachtet die Interessen von Menschen mit Behinderungen eklatant.
Nur eine effektive Umsetzung der Europäischen Richtlinie in Bund, Ländern und Gemeinden sowie bei den weiter betroffenen öffentlichen Stellen ist geeignet, deren Zielsetzung sowie diejenige der UN-Behindertenrechtskonvention zu erreichen und alltägliche Teilhabechancen für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Wir fordern daher den Bundesgesetzgeber wie die Länder auf, entgegen dem aktuellen Gesetzentwurf des Bundes die EU-Richtlinie zu diesem Themenkomplex effektiv umzusetzen und darüber hinaus keine Verschlechterungen des bisherigen Rechtszustandes vorzunehmen, die durch nichts gerechtfertigt sind. Nur so lassen sich Arbeitsplätze für seheingeschränkte Menschen dauerhaft sichern und ihre gesellschaftliche Gleichstellung voranbringen.
Hintergrund: Der erst jetzt ins parlamentarische Verfahren eingebrachte Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16.3.2018 (Bundesratsdrucksache 86/18) soll in seinem Artikel 3 die Richtlinie (EU) 2016/2102 umsetzen, die seit 22.12.2016 in Kraft ist und bis 23.9.2018 in innerstaatliches Recht transformiert werden muss. Eine ausführliche Stellungnahme des DVBS zum Gesetzesentwurf finden Sie auf http://www.dvbs-online.de unter Aktuelles > Stellungnahmen (PDF).
Aus der blista
Maarten Kubeja
Inklusives Wohnen im Internat der blista: Läuft!
Langfristiges Ziel des Internates ist es, unsere Schülerinnen und Schüler für das Leben nach der Zeit an der blista „fit“ zu machen. Das gelingende Zusammenleben mit Sehenden ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Als ein Element dazu kann das inklusive Wohnen bereits während der Zeit an der blista beitragen.
Die erste Idee entstand in der Internatsleitung im Frühjahr 2016: Wir wollten unseren volljährigen Schülerinnen und Schülern in der Wohnform Selbstständigenwohngruppe (SWG) die Möglichkeit bieten, auf Wunsch mit Sehenden zusammen in einer WG zu wohnen. Die sehenden Mitbewohnerinnen und Mitbewohner sollten dabei in einer ähnlichen Lebensphase sein wie die CSS-Schülerinnen und -Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn, am Übergang in die nächste Lebensphase. Also Studienanfangende sein, eine Ausbildung begonnen haben oder ein FSJ absolvieren.
Nach dem Verlassen der blista sind unsere Absolventinnen und Absolventen verstärkt damit konfrontiert, ihren Weg zusammen mit Sehenden zu meistern. Im Internat möchten wir sie bestmöglich auf diesen nächsten Schritt vorbereiten. Dazu dient bereits seit Langem unser Angebot, ab dem Alter von 18 Jahren die letzten ein oder zwei Jahre an der blista in einer Selbstständigenwohngruppe mit reduzierter pädagogischer Betreuung und erhöhten Anforderungen an die Selbstständigkeit zu wohnen.
Mit dem inklusiven Angebot sollte die Möglichkeit verbunden sein, vermehrt Kontakte zu Sehenden zu knüpfen, um zukünftig von diesen Erfahrungen profitieren zu können.
Die Idee stieß bei den pädagogischen Mitarbeitenden, die im SWG-Bereich tätig sind, sofort auf eine große Offenheit. Schnell erklärten sich Kolleginnen und Kollegen bereit, die Betreuung jeweils einer WG zu übernehmen.
Bei der SWG-Belegungsplanung für das Schuljahr 2016/17 wählten wir für das Angebot zwei 5er-SWGn aus, die im selben Haus liegen. Wir sahen vor, dass in jeder SWG drei Schülerinnen bzw. Schüler mit zwei externen Mitbewohnerinnen bzw. Mitbewohnern zusammenwohnen.
Ein Unsicherheitsfaktor für die Realisierung des Projektes waren für uns anfänglich die blistaner selbst: Würde das Angebot überhaupt auf Interesse stoßen und angenommen werden, oder gab es größere Vorbehalte?
Auf einer Info-Veranstaltung für alle Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahr 16/17 von einer Minderjährigenwohngruppe in eine SWG umziehen wollten, präsentierten wir unseren Vorschlag. Er stieß auf eine so große Resonanz, wie wir nicht erwartet haben. Gleich 14 Schülerinnen und Schüler äußerten den Wunsch, inklusiv wohnen zu wollen. Ausgewählt wurden zwei Konstellationen, bei denen sich bereits drei Schülerinnen und Schüler gefunden hatten, die sowieso zusammenziehen wollten.
Zum Schuljahresbeginn zogen zunächst diese Dreiergruppen in die beiden SWGn ein. Anschließend ging es um die Auswahl der zukünftigen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Dabei wurde von der Internatsleitung den Schülerinnen und Schülern die Entscheidung überlassen, mit wem sie gerne zusammenwohnen möchten. Die freien Zimmer wurden im Internet auf der Privatzimmerbörse des Marburger Studentenwerkes ausgeschrieben. Damit verbunden war eine kurze Beschreibung des innovativen Wohnprojektes, da wir erwarteten, dass sich jemand bewusst auf diese Form des Zusammenlebens einlässt und nicht nur ein Dach über dem Kopf sucht. Das Auswahlverfahren lief wie in jeder Studierenden-WG auch. Interessierte riefen an, vereinbarten einen Termin in der SWG, kamen zur Besichtigung des Zimmers und zum gegenseitigen Kennenlernen. Auf Wunsch erhielten die Schülerinnen und Schüler bei den Vorstellungsterminen Unterstützung durch die Betreuerinnen oder Betreuer. Bis zu den Weihnachtsferien 2016 wurden in beiden SWGn durch die teilweise lebhaften und lustigen „Bewerbungsgespräche“ nette Mitbewohnerinnen und Mitbewohner gefunden. Sie studierten oder machten eine Ausbildung. Dabei ergab es sich, dass in einer SWG eine reine Frauen-WG entstand.
Die pädagogischen Mitarbeitenden äußerten im Vorfeld die Befürchtung, bei den Sehenden eventuell auf Ablehnung zu stoßen, da diese sich kontrolliert fühlen könnten. Dies war jedoch nicht der Fall. Bisweilen saß man mit allen zusammen in der WG-Runde. Gemeinsamkeiten bestanden beim vegetarischen Essen, es wurde gemeinsam ausgegangen oder eine bestandene Klausur an der Uni gefeiert. Die Studierenden brachten viele Eindrücke aus ihrem Universitätsalltag mit. Durch Lerngruppen und dem Besuch von Freundinnen und Freunden kam zusätzlich eine nette Atmosphäre in die Wohngruppen.
Ein schönes Resultat nach dem ersten Jahr war, dass alle sehenden Bewohnerinnen und Bewohner ihr Interesse bekundeten, ihre zunächst auf ein Jahr befristeten Mietverträge um ein weiteres Jahr zu verlängern. In einer WG hatten alle blista-Schülerinnen und -Schüler ihren Abschluss absolviert, weshalb sie zum Ende des Schuljahres 16/17 auszogen. Auch beim nun folgenden SWG-Jahrgang fanden sich problemlos Schülerinnen und Schüler, die dort einziehen wollten, auch wenn in diesem Fall die sehenden Mitbewohnerinnen und Mitbewohner bereits feststanden.
Die bisherigen Erfahrungen können wir als durchweg positiv zusammenfassen. Die Sehenden bringen Leben von „außen“ in die WGn. Die unterschiedlichen Tagesstrukturen der Schülerinnen und Schüler, die morgens früh rausmüssen, und der Studierenden, die eher nicht so früh rausmüssen, wirken sich durch gegenseitige Rücksichtnahme nicht negativ aus. Wir werden diese Wohnform auch im dritten Jahr weiterführen. Eine Ausweitung ist nicht ausgeschlossen.
Abschließend der O-Ton von drei blista-Schülerinnen und -Schüler der "ersten Stunde":
„Dass das Internat als absolutes Novum sich ans inklusive Wohnen wagen wollte, kam uns Dreien unglaublich gelegen. Für uns sehr wichtig war damals der tatsächliche Wiederkontakt mit Sehenden. Wir alle drei waren den größeren Teil unserer Schullaufbahn regelbeschult, jedoch die vorhergegangenen ein bis fünf Jahre auf der blista oder anderen Fördereinrichtungen. Wir alle drei waren interessiert an einer Erweiterung unseres Umfeldes und an neuen Leuten. Des Weiteren stimmte die Chemie zwischen uns Dreien. Daher fiel uns die Entscheidung nicht schwer und hat sich für uns alle super bezahlt gemacht. Mit unseren Mitbewohner/innen hat sich das Zusammenwohnen als unterhaltsam, interessant und förderlich gestaltet. Jedoch nicht nur auf praktischer Ebene: Das WG-Klima hat sich viel mehr wie eine WG angefühlt, was insbesondere daran liegt, dass unsere Mitbewohner/innen, anders als manche blista-Schüler, die WG als ihr tatsächliches und uneingeschränktes ‚Zuhause‘ betrachten.“
„Viele kleine Erfahrungen können Stück für Stück auf das ‚Leben nach der blista‘ vorbereiten; man fällt nicht ins kalte Wasser. Aber auch auf sozialer Ebene waren unsere Mitbewohnerinnen und Mitbewohner ein absoluter Glücksgriff, da man beispielsweise viele nette Abende verbringen konnte und durch deren Marburger Freundeskreis auch viele, erst unbekannte, dann bekannte Menschen ein und aus gingen, weshalb die Stimmung generell lebhafter wurde. Obwohl gleichaltrig, war es ebenfalls super, mit den Jungs, die beide arbeiten und teilweise schon eine Ausbildung absolviert haben oder studieren, zusammenzuwohnen, da die WG-Mentalität einfach diverser war als bei vier oder fünf Schülern, die, allesamt womöglich sogar in der gleichen Klassenstufe, die Schulbank drücken. Dennoch war es möglich, sich, wie in jeder anderen WG, in sein Zimmer entspannt zurückzuziehen, wollte man mal seine Ruhe.“
„Wir sind alle traurig, diese WG verlassen zu müssen, da wir eine super Zeit hier verbringen. Daher empfehlen wir drei das inklusive Wohnen definitiv weiter. Ganz gleich, mit welchen ‚inklusiven‘ Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern man zusammenlebt, man kann garantiert wichtige Dinge fürs Leben mitnehmen und neue Freundschaften knüpfen – also, traut euch!“
Foto 1: Gemeinsames Kaffeetrinken in der WG. Foto: privat. [Vier junge Leute sitzen bei Kaffee und Kuchen um einen Tisch.]
Dr. Imke Troltenier
Das absolute Highlight war die Zertifizierung. Falk Rismansanj programmiert eine App für die blista
Innovation, sagt man, beginnt im Kopf mit einer kühnen Idee und dem Mut, sich an etwas Neues heranzuwagen. Der Blistaner Falk Rismansanj hat sich an etwas Neues herangewagt und in seiner Freizeit eine blista-App für iPhones entwickelt. Im Gespräch berichtet der 16-Jährige, wie es dazu kam.
Warum es trotz seiner Lösung noch ein Stück gemeinsamer Arbeit mit der zentralen IT-Abteilung der blista bedarf? Die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union legt strenge Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten vor und muss ab Mai 2018 Anwendung finden.
Troltenier: Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine blista-App zu entwickeln?
Rismansanj: Mir ist einfach aufgefallen, dass viele wichtige Informationen für Schüler und Lehrer verstreut vorliegen. Es gibt also mehrere Anlaufstellen für die Ferienordnung, die aktuellen Termine rund um den blista-Campus, den Vertretungsplan der Schule, die Öffnungszeiten im Reha-Beratungszentrum und so weiter. Das wollte ich vereinfachen und alle diese Infos zusammenführen.
Troltenier: Warum hast du eine technologische Lösung gesucht und bist Du selbst aktiv geworden?
Rismansanj: Apps sind einfach Kult heutzutage. Und sie leisten viel mehr als mobile Anwendungen, weil sie unmittelbar auf die Leistungsprofile der iPhones und Smartphones abgestimmt sind.
Genau da liegt auch mein persönliches Interesse. Schon vor drei Jahren habe ich meine Firma Zitrotec gegründet. Zunächst als YouTube-Kanal mit Tutorials zum Thema IT. Daraus entwickelte sich mein IT-Blog, wo es neben allgemeinen Themen auch um Accessibility geht – also um zugängliche bzw. barrierefreie IT. Später kam dann die „Zitrotec-Homepage“ dazu mit dem IT-Service für Privatpersonen und Kleinunternehmer. Der blista habe ich mit dieser App für iPhones als Firma „Zitrotec“ also quasi ein erstes Produkt kostenfrei angeboten.
Troltenier: Von Mahatma Gandhi ist ein Zitat über Innovationen überliefert, es lautet so: „Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, dann hast du gewonnen.” Ging es Dir mit der blista-App ähnlich?
Rismansanj: Nein, gar nicht! Das Interesse meiner Mitschüler und Lehrer war von Anfang an groß, denn erst mal ging es nur um den Vertretungsplan. Den gibt es von „Zitrotec“ für Interessierte morgens um 7 via E-Mail und für Punktschriftleser in reinen Text konvertiert. Das finden alle richtig gut! Den habe ich dann auch als Erstes in die App integriert. Heute stellt die App folgende Infos zur Verfügung:
- den Vertretungsplan für Schüler/Lehrer
- die Speisepläne
- Neuigkeiten und Termine
- den Online-Katalog
- das Telefonbuch
- und vieles mehr!
(vgl. https://zitrotec.de/it-service/referenzen/blista)
Troltenier: Was war denn der spannendste Moment deiner Arbeit?
Rismansanj: Bei der gesamten App-Entwicklung habe ich sehr viel gelernt. Das Tolle beim Programmieren ist ja, dass man die Antworten im Netz findet, sich in globalen Communities austauscht und kommuniziert. Aber das absolute Highlight war die Zertifizierung durch Apple und der schlimmste Moment war sicherlich das Warten darauf: Das hat 12 Stunden gedauert, denn die Zertifizierung erfolgt bei Apple persönlich, nicht allein automatisiert. Am 29.12.2017 erhielt ich um 15:53 Uhr das „Approved“ und „Ready for Sale“.
Mit der Zertifizierung startete die Feedbackphase der Anwender und die blista-App kam bei meinen Freunden und Lehrern gut an. Sie ist klar aufgebaut, schafft einen Mehrwert und, das ist auch für Voice-over wichtig, ist übersichtlich strukturiert.
Troltenier: Danke für das Gespräch und herzlichen Glückwunsch für das gelungene Produkt!
Foto 1: Die blista-App von Falk Rismansanj (Firma „Zitrotec“) kommt bei Schülern und Lehrern gut an. Foto: blista. [Das Foto zeigt Falk Rismansanj und ein iPhone. Der Schüler hat dunkle, kinnlange Haare und dunkle Augen, er trägt ein türkis-schwarz geringeltes Shirt. Er wendet das Display eines iPhones dem Betrachtenden zu, es zeigt die Startseite der App.]
Dr. Imke Troltenier
Fa. Help Tech macht‘s möglich: Neue elektronische Lesehilfe „OrCam" kann jetzt im Reha-Beratungszentrum der blista ausprobiert werden
Die „OrCam" ist eine neuartige Lesehilfe, die speziell für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen mit Erkrankungen wie der altersbedingten Makuladegeneration oder Grüner Star (Glaukom) entwickelt wurde. Das Gerät besteht aus einem Minicomputer, an dem eine Kamera angeschlossen ist. Diese kleine Hightech-Kamera wird dezent an der Brillenfassung befestigt. Dank entsprechender Technologie liest die „OrCam" gedruckte Texte vor, erkennt Gesichter, Farben oder Geldscheine und teilt dies per Sprachausgabe mit.
„Wir freuen uns über die Bereitstellung durch die Firma Help Tech und sind sehr gespannt auf die Rückmeldungen unserer Klientinnen und Klienten im Reha-Beratungszentrum. Die möglichen Anwendungsbereiche der OrCam ziehen sich quer durch unsere Angebote“, sagte der stellvertretende Direktor der blista, Jürgen Nagel.
„Das große Plus dieser Lesehilfe ist ihre mobile Nutzbarkeit“, betonte Thomas Guski, „die Kunden freuen sich über den Zugewinn an Selbstständigkeit. Das kann die Briefpost zu Hause genauso betreffen wie Klingel- und Straßenschilder oder Speisekarten unterwegs. Die OrCam wandelt Schwarzschrift in synthetische Sprache um und wurde daher als Hilfsmittel der Produktgruppe 07 anerkannt.“
Interessierte können sich im Beratungszentrum über die elektronische Lesehilfe OrCam informieren und diese testen. Darüber hinaus gibt es dort eine breite Palette von weiteren modernen Sehhilfen und Angeboten, die das Lesen erleichtern, den Zugang zu Informationen ermöglichen und bei der Bewältigung des Alltags helfen. Die Beratung der blista ist herstellerunabhängig.
Nähere Informationen und Beratungstermine erhalten Interessierte im Reha-Beratungszentrum der blista, Biegenstraße 20 1/2, 35037 Marburg, Tel.: 06421 606-500, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.blista.de/rehabilitation.
Foto 1: Am Dienstag, den 20. März 2018, überreichten Thomas Guski (rechts) und Marc Schlarb (2.v.r.), beide Medizinprodukteberater der Firma „Help Tech“, die neuartige Lesehilfe „OrCam“ an Ute Mölter, Leiterin des blista-Reha-Beratungszentrums (3.v.r.). Mit dabei: Jürgen Nagel, stellv. Direktor der blista (links), Otfrid Altfeld, Leiter des blista-Ressorts Teilhabe Berufliche Bildung (2.v.li.) und Oliver Nadig, Rehafachkraft (3.v.li.), Foto: blista. [Gruppenfoto. Ute Mölter hält eine Verpackung mit dem Bild einer OrCam, die an einer Brillenfassung klemmt, in den Händen, Marc Schlarb einen Blindenstock. Rechts im Hintergrund ein blista-Rollup.]
Leserbriefe
Bernd Schröder (Druckerei Schröder)
Zu einem alten Foto in horus 1/2018
(„Die ersten 100 Jahre – eine historische horus-Revue in vier Teilen“)
Das alte Bild auf Seite 24 von dem Gebäude der früheren blista in der Liebigstraße hat mich sofort an meine Kindheit erinnert. Ich bin in der Liebigstraße 13, dem Nachbargebäude, groß geworden. Von meinem Kinderzimmerfenster aus konnte ich das Gebäude mit dem Balkon und dem „Wiesen-Baum-Grundstück“ davor einsehen. Abends sah ich dann immer wieder die Menschen auf dem Balkon sitzen und hörte sie Skat spielen (damals, um 1960 herum, war noch kaum Verkehr in der Liebigstraße), und ich habe mich dann immer gewundert, wie die Menschen ohne Licht auf dem Balkon die Karten sehen können (ich wusste noch nichts von Braille). Schön war es auch, zu beobachten, wie sie Fußball auf der Wiese spielten. An dem Ball war ein kleines Glöckchen angebracht. Jedes Mal, wenn ein Auto kam, rief jemand „Auto!“, und wer den Ball gerade hatte, blieb damit stehen, alle anderen auch, bis das Fahrzeug vorbei war und es weitergehen konnte.
Einen blinden Mann bewunderte ich sehr, er begegnete mir öfters auf dem Bürgersteig und bewegte sich so rasch und zielgenau, es war für mich unvorstellbar, wie das ein blinder Mensch schafft. Bei uns im großen Altbauhaus gab es viele Treppenstufen, und mein Vater erzählte mir dann, dass die blinden Menschen die Stufen zählen. Ich hatte ein Zimmer im oberen Stockwerk und wusste seitdem genau, wie viele Stufen jeder Treppenabsatz hat und zählte diese auch bei jeder Benutzung mit. Erst im Jugendalter bekam ich dann auch Kontakt zu blinden und sehbehinderten Menschen, als Kind traute ich mich nicht, sie anzusprechen.
Mein Vater hatte ca. 1954 die Druckerei Mutz übernommen, die sich im Haus direkt neben dem Gebäude der Blindenstudienanstalt in der Liebigstraße befand. Seit der Zeit gab es auch viele geschäftliche Kontakte. Ich weiß nicht mehr, wann die Zeitschrift „horus“ zuerst erschien, aber ich selber habe schon mehr als 40 Jahre mit Drucksachen der blista und des DVBS zu tun.
Kleinanzeigen
Spende gesucht: gebrauchte Braillezeile oder Notizgerät
Für einen blinden Freund in Indien bin ich auf der Suche nach einer gebrauchten Braillezeile oder Notizgerät.
Kontakt:
Kaushik Krishnamoorthy
Mobil: 0176 2362 8207
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Impressum
Herausgeber
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
Redaktion
- für den DVBS: Uwe Boysen, Andrea Katemann, Mirien Carvalho Rodrigues und Juliane Taubner
- für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier
Koordination
DVBS-Geschäftsstelle, Juliane Taubner, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de
Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck ‑ auch auszugsweise ‑ nur mit Genehmigung der Redaktion.
Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)
Uwe Boysen (DVBS) und Dr. Imke Troltenier (blista)
Erscheinungsweise
Der „horus“ erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.
Jahresbezugspreis
- 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe,
- 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.
Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
Bankkonto des DVBS
Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR
Verlag
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389
- Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg
- Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
- Schwarzschriftdruck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen
Die Herausgabe der Zeitschrift „horus“ wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der „Glücksspirale“ unterstützt.
Foto: Logo der Glücksspirale
horus 2/2018, Jg. 81 der Schwarzschriftausgabe
Titelbild: Musik an! Am Seil tanzen wir durch die Stadt! Foto: Thomas Schwellenbach
Nächste Ausgabe (horus 3/2018)
Schwerpunktthema: „Berufe kreuz und quer“
Erscheinungstermin: 27. August 2018
Anzeigenannahmeschluss: 27. Juli 2018
Redaktionsschluss: 26. Juni 2018
Anzeigen
BAGSO
Im Abonnement: Die BAGSO-Nachrichten
Die BAGSO-Nachrichten, die Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen für Aktive in Seniorenarbeit und Seniorenpolitik erscheinen vierteljährlich, jeweils mit einem Schwerpunktthema und aktuellen Informationen zu: Seniorenpolitik und Seniorenarbeit, Gesundheit und Pflege, Technik und Internet, Verbraucherfragen, Finanzen …
Sie können die BAGSO-Nachrichten abonnieren – für 16 €/Jahr inklusive Versand, Mitglieder eines BAGSO-Verbandes zahlen nur 12 €/Jahr.
Wir senden Ihnen gern ein Probeheft oder ein Abonnement-Formular zu. Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), Thomas-Mann Str. 2-4, 53111 Bonn, Tel.: 02 28 / 24 99 93 15, Fax: 02 28 / 24 99 93 20, www.bagso.de
blista
Schnuppern macht Spaß!
Reinschauen in eine Schule mit einem einmaligen Profil: Ganzheitliche Förderung, spezifische Unterstützung und eine große Auswahl an qualifizierten Bildungsabschlüssen ... - wer die vielfältigen Möglichkeiten kennen lernen möchte, die genau auf die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit Seheinschränkungen abgestimmt sind, ist an der blista richtig!
Die blista bietet ein rundum stimmiges Konzept. Die Lerngruppen sind klein und die Einzelnen zählen. Freunde finden, tolle Erfolge erleben, eine Sportart für sich entdecken, Theater spielen, sich in der Inklusion erproben ... - hier in Marburg erwartet Kinder und Jugendliche eine spannende Zeit.
Schnuppertage für Eltern und Schüler aller Jahrgangsstufen
- 20. Oktober 2018 - Anmeldeschluss: 10.10.2018
- 17. November 2018 - Anmeldeschluss: 07.11.2018
- 19. Januar 2019 - Anmeldeschluss: 14.01.2019
- 23. März 2019 - Anmeldeschluss: 13.03.2019
- 04. Mai 2019 - Anmeldeschluss: 24.04.2019
Wir beraten Sie gern!
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
Tel.: 06421 606-339,
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.blista.de/schnuppertage
DVBS
Mitglieder gewinnen: Für eine starke Gemeinschaft
Als DVBS-Mitglied unterstützen Sie den DVBS auch durch Ihre Empfehlung und Mitgliederwerbung im Bekannten- und Kollegenkreis. Mit jedem neuen Mitglied gewinnen wir an Stärke und Expertise bei unserem Engagement für bessere Teilhabechancen im Beruf und beim Lebenslangen Lernen.
Mitglieder profitieren von unseren Angeboten zur Vernetzung, von Fachinformationen und DVBS-Seminaren, von Beratung, Coaching oder Mentoring und unserer Zusammenarbeit mit Weiterbildungsanbietern im Rahmen aktueller Projekte.
Fördermitglieder helfen uns ideell.
Weitere Infos: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS), Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Help Tech
Sie möchten Ihr verbliebenes Sehvermögen optimal nutzen? Help Tech bietet Ihnen eine breite Palette an Low Vision-Hilfsmitteln
- Elektronische Lupen - die idealen Begleiter für unterwegs
- Bildschirmlesegeräte - ideal für zu Hause, zum Lesen längerer Texte
- Mobile Kameralesesysteme - für Schule, Studium und Ausbildung
- Vorlesegeräte - lassen Sie sich vorlesen
- OrCam - die intelligente Miniaturkamera, liest Ihnen Texte vor,
- erkennt Gesichter, Produkte, Farben und Geldscheine
- Software-Lösungen und professionelle Arbeitsplatzausstattungen
Viele unserer Hilfsmittel sind von den Krankenkassen anerkannt und können vom Augenarzt verordnet werden.
Wir stehen Ihnen gerne bei der Hilfsmittelversorgung zur Seite und übernehmen die komplette Abwicklung mit der Krankenkasse.
Help Tech GmbH
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Stuttgart 0711-2202299-0
Köln 0221-921556-0
Marburg 06421-690012-0
Lüneburg 04131-699698-0
Bildbeschreibung: Das Bild zeigt eine ältere Frau, die am Küchentisch sitzt. Auf dem Tisch steht ein Blumenstrauß mit gelben Rosen. Mit der elektronischen Lupe explore 5 schaut Sie sich die Fotos Ihrer Enkelkinder an. Dank der bis zu 22-fachen Vergrößerung kann sie nun endlich wieder Familienbilder anschauen. Die explorē 5 unterstützt Sie in jeder Alltagssituation - Einfach aufklappen und los geht es. Einmal aufgeladen, können Sie mit dem eingebauten Akku stundenlang bequem lesen oder Bilder betrachten.
Horus
Schenken macht Sinn ... zum Beispiel mit einem Jahresabonnement der Fachzeitschrift „horus“. Für nur 22 Euro jährlich (Inlandspreis) erfahren die Beschenkten,
- wie blinde und sehbehinderte Menschen Beruf und Alltag bewältigen und ihre Träume leben,
- was schulische und berufliche Bildung blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen bietet,
- wofür sich die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe aktuell engagiert.
Bestelladresse: DVBS, Frauenbergstr. 8, 35039 Marburg, Telefon: 06421 94888-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
IPD
Bei IPD erhalten Sie das SmartVision 2, ein Smartphone mit Android, das Sie über die integrierte Tastatur, mit moderner Wischtechnik sowie per Sprachbefehl bedienen können.
Das SmartVision 2 ist mit Funktionalitäten speziell für Sehgeschädigte ausgestattet. In der Premiumversion ist für Sie zusätzlich eine Navigation mit Kartenmaterial, eine OCR sowie ein Bookreader und -creator im Paket enthalten.
Interessiert? - Sprechen Sie uns an!
Tel.: 0511 9363090
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: www.ipd.gmbh
Papenmeier: Braillex Live
BRAILLEX Live & ich – einfach unzertrennlich
Glauben Sie nicht? Dann erfahren Sie, was BRAILLEX Live an einem Tag alles für Sie leistet.
BRAILLEX Braillezeilen begleiten Sie zuverlässig in Alltag, Schule und Beruf.
Infos zu allen Hilfsmitteln: Tel. 02304-946-0
PAPENMEIER RehaTechnik
Bildbeschreibung: „BRAILLEX Live & ich – einfach unzertrennlich“, ist ein blindes junges Mädchen zu sehen. Sie trägt lässig Kopfhörer um den Hals und einen Laptop in ihren Händen. Des Weiteren ist oberhalb des Textes, rechts neben dem Mädchen die BRAILLEX Live Brailzeile abgebildet.
RTB
Das Foto zeigt eine singende junge Frau in schwarzer Lederjacke, sie hält ein Mikrofon in der Hand. Neben ihr steht ein Scheinwerfer.
Dazu folgender Text:
RTB: Sie gibt den Ton an. Wir auch! Akustik für Lichtzeichenanlagen
RTB GmbH & Co. KG Tel. 0049 (0)5252 9706-0
SynPhon
Der EinkaufsFuchs hat Kultur.
Der EinkaufsFuchs sagt Ihnen einfach, welches Buch Sie in der Hand halten oder was für eine Musik-CD sich im Regal befindet. Das handliche Hilfsmittel liest mit einem Pieps klar und deutlich von Verpackungen und Buchdeckeln ab, was sich dahinter verbirgt. Drei Bedienelemente genügen, um Abermillionen von Handelsgüter zu erkennen, dazu zählen natürlich auch Bücher und CDs.
Müheloser kann Unterscheiden nicht mehr sein. Was der EinkaufsFuchs ausnahmsweise mal noch nicht erkennt, können Sie selbst zuordnen und aufsprechen, denn der schlaue Alltagshelfer merkt sich, was Sie ihm anvertrauen.
Einschalten und einfach loslegen. Er ist im Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen gelistet.
Der Produkt-Erkenner und Ordnungs- Helfer macht Bücher und CDs zugänglich
SynPhon - Elektronische Hilfen für Sehgeschädigte GmbH, Im Steinig 6, 76703 Kraichtal, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon 07250 929555, www.synphon.de
Vanda Pharmaceuticals Germany GmbH
Non-24.de. Non-24: Eine zyklische Schlaf-Wach-Rhythmusstörung bei völlig blinden Menschen.
Sind Sie völlig blind? Haben Sie Schwierigkeiten, nachts zu schlafen und sind tagsüber häufig sehr müde? Fühlen Sie sich oft nicht leistungsfähig und haben Probleme, sich zu konzentrieren?
Weitere Fragen? Antworten erhalten Sie unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 2432124 oder auf www.non-24.de. Dies ist ein Service der Firma Vanda Pharmaceuticals Germany GmbH