horus 4/2023
Schwerpunkt:
"Leben. Bildung. Partizipation": Schlaglichter des VBS-Kongresses 2023

Titelbild horus;

Titelbild horus 4/2023: Fotocollage: Eröffnungsfeier des VBS-Kongresses am 31. Juli 2023 in Marburg mit Blick über das Publikum hinweg auf die Bühne (links), vier Musiker des Bläserensembles um Karl Riessig in der Elisabethkirche (r.o.), Kongressteilnehmer*innen während einer Pause im Baumschatten auf dem blistaCampus (r.u.). Fotos: blista


Inhalt

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Vorangestellt

Liebe Leser*innen,

es ist geschafft! Was habe ich mich auf das Schreiben dieses Vorwortes gefreut - in der Annahme, dass der VBS-Kongress auf dem blistaCampus wie geplant/gewünscht verlaufen ist und ich hiermit den Rückblick einleite!

Die seit 2019 sich immer weiter ausbauende Akte "VBS-Kongress" wurde nun meinerseits feierlich vom Schreibtisch verräumt. Jetzt dürfen wir in Erinnerungen schwelgen und an den nächsten VBS-Kongress-Ausrichter (2028 die Blindeninstitutsstiftung in Würzburg) denken und diesen mit (Er-)Kenntnissen unterstützen.

Einheitlich dürfen wir (Veranstalter, Ausrichter, Teilnehmende) feststellen: Es war ein wirklich sehr gelungener Kongress, der die Erwartungen allseits erfüllte, er war speziell (alles auf einem Campus, "Blindenhauptstadt" (so sagt Marburg über sich selbst) und es hat - bei allen Anstrengungen sowie wettermäßigen Herausforderungen - allen Personen richtig Spaß gemacht.

Wir als blista wollten gute Gastgeber sein, die Teilnehmenden sollten sich bei uns wohl fühlen und die blista in einer besonderen Stadt erleben. Zusammen mit den Programmgestalter*innen aus dem VBS ist dies gelungen. Legendär bleibt das Sommerfest am Mittwochabend - der plötzliche und heftige Regenguss brachte uns alle zusammen und bescherte einen fast nicht enden wollenden Musikreigen bis deutlich nach 2.00 Uhr. Es gab Rekordleistungen beim Auf- und regenbedingten Wiederabbau der Sonnenliegen, immer einen Kaffee und nur freundliche Gesichter.

Mit in der Spitze über 700 Teilnehmenden konnte das große Ziel des VBS - Austausch, Netzwerke, Kommunikation und Weiterentwicklung - auf vielen Ebenen realisiert werden und die blista hat dafür gerne alles Notwendige bereitgestellt.

Wir schauen nun mit viel Dankbarkeit sowie Zufriedenheit auf einen Kongress, der uns gezeigt hat, was wir als blista alles zusammen leisten und ermöglichen können; es war ein Gemeinschaftswerk, wo alle Bereiche zusammenkamen und -wirkten.

Damit wünsche ich Ihnen nun einen guten Einstieg in die Berichte über den VBS-Kongress, viel Vergnügen und viele Erkenntnisse beim Lesen.

Herzliche Grüße

Ihr Patrick Temmesfeld
(Vorstandsvorsitzender der blista)

Bild: Patrick Temmesfeld lächelt. Er hat dunkle Augen, eine hohe Stirn und kurzes graues Haar. Am Revers seines dunklen Jacketts trägt er einen kleinen Button mit dem blista-Punktschrift-Logo. Foto: blista

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Aus der Redaktion

Schlaglichter

Einen Kongress wie den diesjährigen für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik auf dem blistaCampus in Marburg, für den es ein 52-seitiges Veranstaltungsprogramm gab, können wir auch im Nachgang nicht in den horus packen. Deshalb finden Sie im Schwerpunkt dieser Ausgabe kleine Ausschnitte aus der großen Palette an Vorträgen und Workshops - Schlaglichter, von denen wir hoffen, dass sie eine große Leserschaft interessieren. Einige der Beiträge sind gekürzte Versionen oder Zusammenfassungen, die uns die Autorinnen und Autoren dankenswerterweise zur Verfügung gestellt haben. Die Auswahl ist keine Wertung im Sinne von "Highlight" oder "Must-have", denn eine Diskussion hierüber zu führen, hätte uns an unsere zeitlichen Grenzen geführt. Wenn Sie aber viel, viel mehr vom Kongress lesen möchten, dann stehen die Aussichten gut: 2024 wird der "Tagungsbericht zum 37. Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik 2023" in der Edition Bentheim erscheinen. Nähere Infos dazu gibt es dann rechtzeitig auf der Webseite www.vbs.eu/de/publikationen.

Tschö Matthias Klaus

Unser Redaktionsteam musste bereits mit dieser Ausgabe ohne die Unterstützung von Matthias Klaus auskommen. Sechs Ausgaben hat er seit 2022 ehrenamtlich mit betreut und zahlreiche spannende Beiträge verfasst. Nun stehen für den Journalisten und Podcaster andere Aufgaben an, die Zeit und Engagement erfordern. Herzlichen Dank, Matthias, für Deine professionellen Anregungen, für die Stunden, die Du dem horus von Bonn aus am Schreibtisch und bei Online-Konferenzen geschenkt hast! Wir sind sicher, dass Dir alle Aufgaben, die Du so wie die Mitarbeit in der horus-Redaktion angehst, gelingen werden, und freuen uns darauf, dann vielleicht doch noch das eine oder andere Mal im horus von Dir zu lesen.

Neues Jahr, neues Glück

In horus 1/2024 wird das Spiel im Zentrum stehen. Ob heiter oder ernst, ob unsere Spielepartner*innen blind, sehbehindert oder sehend sind - Spielen begleitet uns seit unserer Kindheit, spielerisch lernen wir, spielerisch loten wir Grenzen aus. Was und wie spielen wir heute (barrierefrei?), bei welchen Spielen vergessen wir den Ernst des Alltags? Wenn Sie uns hierzu einen Beitrag senden möchten, dann gerne bis zum 6. Januar an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Wir wünschen Ihnen eine spielerisch-heitere Weihnachtszeit sowie Glück und Gesundheit im neuen Jahr!

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Schwerpunkt: "Leben. Bildung. Partizipation": Schlaglichter des VBS-Kongresses 2023

"Leben. Bildung. Partizipation": Eröffnungsfeier des VBS-Kongresses sendete wichtige Impulse in die Kongresswoche

Von Dr. Imke Troltenier und Thorsten Büchner

Vorab riefen die Glocken der Elisabethkirche zu einem wunderschönen "spirituellen Impuls" mit Musikbeiträgen von Schüler*innen aus Rückersdorf, dem Bläserensemble um Karl Reissig, Reflexionen über unsere Hände und farbige Bändel, die die Besucher*innen kreativ verknüpften. Dann öffnete das Erwin-Piscator-Haus seine Tore. Über 600 Gäste strömten zur festlichen Auftaktveranstaltung vom 37. Kongress des Verbands für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (VBS).

"Nach dem letzten VBS-Kongress 2016 im wunderbaren Graz freuen wir uns, Sie alle heute im schönen Marburg begrüßen zu dürfen! Auf diesen Moment haben wir nun sieben Jahre gewartet. Der VBS-Kongress unter dem Motto 'Leben. Bildung. Partizipation: individuell - spezifisch - flexibel' ist hiermit eröffnet!". Patrick Temmesfeld und Ulrike Bauer-Murr war die Freude über den bevorstehenden Austausch auf wissenschaftlicher, professioneller und ganz persönlicher Ebene anzumerken, als die beiden VBS-Vorsitzenden im gefüllten Erwin-Piscator-Haus den Kongress offiziell eröffneten. Begleitet wurde die gelungene Feierstunde von zwei Gebärdensprach-Dolmetscherinnen und einer Live-Audiodeskription von T-Ohr, die für die blinden Besucher*innen das Bühnenbild, die Räumlichkeiten sowie die auftretenden Redner*innen und Musiker*innen beschrieb. Diese Kommentierungen sorgten auch bei den überwiegend sehenden Gästen der Veranstaltung für so manche "Aha-Effekte", denn der Blick von außen bot so manche Überraschung über die Wahrnehmung des Erscheinungsbildes.

Moderator Thorsten Büchner führte charmant und humorvoll durch die knapp zweistündige Veranstaltung. Zunächst machte der Schirmherr des VBS-Kongresses, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Jürgen Dusel, in seiner Videobotschaft die Bedeutung von Digitalisierung für die Teilhabe von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung deutlich und wünschte dem Kongress "viele Möglichkeiten zum Austausch und ein gutes Gelingen".

Die große Bedeutung chancengleicher Bildung unterstrich Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn: In der Bildung junger Menschen liege das Zukunftspotenzial unserer Gesellschaft. Sie ging auf die spezifischen Bedarfe von Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung ein und dankte den Kongress-Teilnehmer*innen "für ihren leidenschaftlichen und unermüdlichen Einsatz".

Marburgs Bürgermeisterin Nadine Bernshausen hob die Impulse hervor, die schon oft von Marburg ausgegangen seien, und wünschte "diesem Kongress die Strahlkraft, Dinge in Bewegung zu bringen und zu Veränderungen beizutragen". Anschließend setzte die Sängerin Cynthia Nikschas zusammen mit den Musikern Olaf Roth und Dirk Kunst mit dem Live-Song "Alles gleich Mensch" ausdrucksstark die passenden Akzente.

Im wissenschaftlichen Eröffnungsvortrag ging Prof. Dr. Ulrich Heimlich von der Ludwig-Maximilians-Universität München der Zukunftsfrage unter dem Titel "Quo vadis Sonderpädagogik?" nach. Er betonte die Bedeutung regionaler Netzwerke für mehr und bessere Inklusion junger Menschen. Dabei sehe er Sonderpädagog*innen in der Rolle als Botschafter*innen hin zu mehr Individualisierung in Schule und Freizeit an. 

Premiere feierte der neu komponierte blista-Song, der unter der Leitung von Olaf Roth von blista-Schüler*innen getextet, eingesungen und aufgrund der verdienten Sommerferien im Vorfeld aufgezeichnet und per Video in die Eröffnungsfeier eingebunden wurde.

Erwin Denninghaus erinnerte in seinem historischen Kurzbeitrag an die starke Tradition der Kongresse für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Er verdeutlichte am Beispiel des ersten Kongresses vor 150 Jahren, 1873 in Wien, dass Themen wie Bildung und Teilhabe "uns bis heute begleiten und nichts an ihrer Aktualität verloren haben".

Bei der spontanen Abfrage des Moderators Thorsten Büchner, wer denn im Saal die meisten VBS-Kongresse besucht habe, stand der international geschätzte Pionier Dennis Cory auf. Er hatte das Langstocktraining Anfang der 1970er Jahre zusammen mit seiner Frau Pamela an die blista und nach Deutschland gebracht. 

"Roter Trachtenjanker, Sonnenbrille, weißes Haar ..." als letzten Redner beschrieb Florian Schneider von T-Ohr den Präsidenten des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV), Hans-Werner Lange. Dieser hob die enge Partnerschaft zwischen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und dem Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (VBS) hervor: "Wir arbeiten eng zusammen, was sich auch in der Programmgestaltung dieses Kongresses eindrucksvoll widerspiegelt." Anschließend machten sich die rund 600 Gäste zu Fuß, mit dem Shuttlebus oder E-Bike auf den Weg zum blistaCampus, wo sie in der Kongresswoche rund 200 Vorträge, Workshops und inhaltliche Angebote sowie ein umfangreiches Freizeitprogramm erwartete.

Bilder vom Eröffnungstag: Vier Musiker mit Posaunen und Pauken in der Elisabethkirche (oben), Besucher*innen verknüpfen farbige Bänder (Mitte), Prof. Dr. Heimlich am Rednerpult im Erwin-Piscator-Haus (unten). Fotos: blista

Bild: Die Sonne und Liegestühle auf dem Rasen lockten in der Pause nach draußen: Gäste auf dem blistaCampus im Gespräch. Foto: blista

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Wie Erfahrungen mit Mobbing und die Stressverarbeitung zusammenhängen - Zusammenfassung einer Studie für Menschen mit Sehbeeinträchtigung

Von Karina Schaude

Mobbing ist ein großes Problem in der Gesellschaft und fast jeder oder jede ist mit diesem Phänomen schon einmal in Berührung gekommen. Auch umgangssprachlich wird dieser Begriff immer wieder verwendet, wenn z.B. Spannungen in der Schule oder am Arbeitsplatz aufkommen. Formal betrachtet handelt es sich bei Mobbing aber um ein sehr ernstzunehmendes, destruktives Verhalten. Laut Dan Olweus (1993), einem der führenden Forscher in diesem Bereich, wird eine Person gemobbt, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg negativen Handlungen einer oder mehrerer anderer Personen schutzlos ausgesetzt ist. Diese negativen Handlungen stellen Formen von Gewalt dar z.B. durch Schlagen, Treten oder das Zerstören von Eigentum (physisches Mobbing). Doch auch psychische Formen des Mobbings wie z.B. Hänseleien oder das Verbreiten von Gerüchten gehören dazu, ebenso wie indirekte Formen, etwa die vorsätzliche Ausgrenzung aus sozialen Gruppen. Wichtig ist außerdem, dass ein Ungleichgewicht der Macht zwischen Täter und Opfer bestehen muss, sodass keine Möglichkeit zur Gegenwehr besteht.

Risikofaktoren, die Mobbing begünstigen

Mobbing hat also viele Gesichter und geht weit über einen einmaligen Streit auf dem Pausenhof hinaus. Den einen spezifischen Auslöser, warum eine Person zum Mobbing-Opfer wird, gibt es jedoch nicht. Trotzdem konnten bereits einige Risikofaktoren identifiziert werden, die es besonders wahrscheinlich machen als Opfer von Viktimisierung ausgewählt zu werden. Zu diesen Faktoren zählen unter anderem die Hautfarbe, die Religionszugehörigkeit oder die sexuelle Orientierung, aber auch eine Sehbeeinträchtigung oder eine sonstige psychische, kognitive oder motorische Behinderung (Vanderbilt & Augustyn, 2010; Pittet et al. 2010).

Die Fragestellung meiner Studie

Aus persönlichen Beobachtungen meiner eigenen Schulzeit habe ich erlebt, dass Mobbing auch an Sonderschulen durchaus vorkommt, und auch viele meiner damaligen Mitschüler aus der Inklusion berichteten davon. Jedoch waren nicht alle von ihnen von Mobbing betroffen, und auch in der Forschung gibt es bisher keine eindeutigen Befunde darüber, warum manche Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit Mobbing in der Schule erleben, andere aber davon verschont bleiben. Dieser Frage wollte ich im Rahmen meiner Masterarbeit auf den Grund gehen.

Aus einer Studie von Baldry und Farrington (2005) ist bekannt, dass bestimmte Arten der Stressverarbeitung (auch Coping genannt) einen Einfluss darauf haben, ob und wie häufig Kinder Mobbing erfahren, wenn sie in einem konfliktbehafteten Elternhaus aufwachsen. Konflikte zwischen den Eltern stellen ebenfalls einen Risikofaktor von Mobbing dar, und ich wollte wissen, ob sich diese Ergebnisse auch auf den Risikofaktor der Sehbehinderung übertragen lassen. Ich wollte außerdem prüfen, ob eine zusätzliche Behinderung zu mehr Mobbing führt, wie es bereits in verschiedenen Studien zuvor nachgewiesen wurde (z.B. Brunes et al., 2018). Meine Hypothesen waren also:

  1. Personen, die eine zusätzliche Behinderung angeben, haben eine höhere Mobbing-Häufigkeit als Personen, die keine zusätzliche Behinderung angeben
  2. Personen, die häufig Problemlöseorientiertes Coping nutzen (wenn sie Stress und Probleme direkt und lösungsorientiert angehen und sich bei Bedarf Unterstützung suchen), erfahren weniger Mobbing verglichen mit Personen, die diese Copingstrategie wenig nutzen
  3. Personen, die häufig Emotionsorientiertes Coping nutzen (wenn sie Stress z.B. durch Wut, Traurigkeit oder andere Gefühlsausbrüche regulieren), erfahren auch öfter Mobbing verglichen mit Personen, die diese Copingstrategie wenig nutzen

Um mögliche Zusammenhänge von Mobbing und verschiedenen Copingstrategien bei Menschen mit Sehbeeinträchtigung zu untersuchen, erstellte ich einen Onlinefragebogen aus dem Retrospective Bullying Questionaire von Schäfer et al. (2004) und dem Coping-Inventar zum Umgang mit Stresssituationen (CISS) von Kälin und Semmer (2020). Es wurden die Mobbingerfahrungen während der Schulzeit erfasst, wie die Testpersonen im Alltag generell mit stressigen Situationen umgehen und ob sie zusätzlich zu ihrer Sehbeeinträchtigung noch eine weitere Beeinträchtigung oder Erkrankung haben. An der Studie nahmen 32 blinde und sehbehinderte Versuchspersonen im Alter zwischen 18 und 61 Jahren aus ganz Deutschland teil. Da die Studie mit Hilfe eines Onlinefragebogens stattfand, konnten die Versuchspersonen das Testmaterial barrierefrei und von zu Hause aus bearbeiten.

Ergebnisse

Meine Studie konnte zeigen, dass Personen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen zu ihrer Sehbeeinträchtigung tatsächlich signifikant häufiger von Mobbing betroffen waren. Ein Zusammenhang von problemlöseorientiertem Coping und der Häufigkeit des Mobbings bestand jedoch nicht. Versuchspersonen mit niedrigen Werten für diese Art von Coping suchten in einer Mobbingsituation aber trotzdem oft soziale Unterstützung. Es konnte ein positiver Zusammenhang von Emotionsorientiertem Coping und der Mobbing-Häufigkeit gezeigt werden. Das bedeutet, dass Personen, die eher auf emotionale Weise mit Stress umgehen, auch nachgewiesen häufiger von Mobbing berichtet haben. Die Versuchspersonen hatten außerdem die Möglichkeit anzugeben, was ihrer Meinung nach der Grund für das Mobbing war. Hier wurde besonders oft die Sehbehinderung als Grund genannt. Die Probanden machten also ihre Beeinträchtigung für das Mobbing verantwortlich. Außerdem konnten keine signifikanten Geschlechterunterschiede nachgewiesen werden. Es war also egal, ob die Probanden Frauen oder Männer waren, das Geschlecht war nicht ausschlaggebend dafür, dass eine Versuchsperson Mobbing erfahren hatte.

Was die Ergebnisse bedeuten

Dass eine problemlöseorientierte Art der Stressverarbeitung vor Mobbing schützt, konnte ich in meiner Studie also leider nicht herausfinden, denn meine Ergebnisse dazu, dass ein solcher Umgang mit Stress zu weniger Mobbing geführt hat, wurden leider nicht bestätigt. Ein Grund dafür könnte die sehr kleine Stichprobe gewesen sein. Deshalb wird hier weitere Forschung mit mehr Versuchspersonen nötig sein, um präzisere Ergebnisse zu erhalten. Meine beiden anderen Hypothesen konnte ich jedoch bestätigen. Wie lassen sich diese Ergebnisse erklären?

Einen möglichen Erklärungsansatz dafür, warum Menschen mit zusätzlicher Beeinträchtigung häufiger von Viktimisierung betroffen sind, liefert die Social-Misfit-Hypothese von Wright et al. (1986). Laut dieser Theorie legen soziale Gruppen selbst fest, welches Verhalten innerhalb der Gruppe als akzeptabel angesehen wird und welches nicht. Welche Verhaltensweisen von einer Gruppe akzeptiert werden, ist also sehr selektiv. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass jemand, der sich z.B. aufgrund einer Behinderung nicht so leicht an die Gruppe anpassen kann, von den anderen Gruppenmitgliedern als nicht passend zu den Normen der Gruppe gebrandmarkt wird. Das macht Mobbing dann ebenfalls um einiges wahrscheinlicher.

Dass auch Schülerinnen und Schüler eigene soziale Regeln in der Schule etablieren, konnte bereits in einer Studie von Cranham und Carroll (2003) gezeigt werden, somit könnte die Social-Misfit-Hypothese auch einen überzeugenden Ansatz dazu liefern, warum Mobbing auch an Sonderschulen ein Problem ist. Nämlich, weil auch hier Menschen aufeinandertreffen, von denen manche mehr Beeinträchtigungen haben und deshalb die Gefahr besteht, dass auch sie als nicht passend zur etablierten Gruppennorm wahrgenommen werden.

Warum sind nun Menschen mit emotionsorientierten Copingstrategien häufiger von Mobbing betroffen? Wie weiter oben bereits kurz erwähnt, haben Versuchspersonen, die diese Art der Stressverarbeitung besonders häufig genutzt haben, auch angegeben, dass sie in einer Mobbingsituation trotzdem oft soziale Unterstützung aufsuchten, z.B. bei der Familie, Freunden oder Lehrerinnen und Lehrern. Das lässt darauf schließen, dass sie zunächst versucht haben, aktiv und lösungsorientiert etwas an ihrer Situation zu ändern (was wiederum ja eigentlich zur zweiten Copingstrategie gehört). Vermutlich haben die Personen also eher unzureichende Unterstützung auf diese Hilfegesuche erfahren und so die sogenannte erlernte Hilflosigkeit entwickelt. Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit geht auf Seligman (1972) zurück und beschreibt, dass Individuen, die sich zunächst nicht aus einer negativen Situation befreien können oder keine Hilfe erhalten, irgendwann resignieren, selbst wenn ihnen zu einem späteren Zeitpunkt Unterstützung angeboten wird. Das bedeutet für die Testergebnisse also, dass sich die Copingstrategie ggf. aufgrund des Mobbings verändert hat und durch die erlernte Hilflosigkeit emotionsorientiertes Coping letztendlich das einzige Mittel war, das die Betroffenen zu ihrer Verfügung hatten. Es ist also wahrscheinlich, dass emotionsorientiertes Coping nicht allein die Mobbing-Häufigkeit bestimmt, sondern, dass die Mobbing-Häufigkeit gleichermaßen auch das emotionsorientierte Coping beeinflusst und verstärkt. Beide Phänomene könnten also miteinander in Wechselwirkung stehen. Um das genauer zu untersuchen, ist jedoch noch weitere Forschung nötig.

Fazit

Fest steht, dass Mobbing auch unter Menschen mit Sehbeeinträchtigung ein verbreitetes Phänomen ist, das durch die oben genannten Faktoren begünstigt wird. Deshalb ist es in der Praxis umso wichtiger, Anzeichen und Sorgen zu diesem Thema ernst zu nehmen und diese nicht einfach abzutun. Ein Klima der Toleranz und das Wissen um Phänomene wie des Social-Misfit können dabei helfen, Mobbing keinen Raum in der Schule oder am Arbeitsplatz zu geben. Präventionsprogramme gegen Mobbing sind außerdem sehr effektiv und tragen - wenn sie effektiv etabliert werden - sehr zur Reduktion von Mobbing bei. Das wiederum hilft, um betroffene Personengruppen bestmöglich vor Viktimisierung zu schützen.

Zur Autorin

Karina Schaude ist Schulpsychologin an der Nikolauspflege Stuttgart und hat bis Februar 2022 Psychologie an der Universität Tübingen studiert. Da sie selbst eine Sehbeeinträchtigung hat, ist sie an Forschungsfragen für diese Zielgruppe sehr interessiert und hat daher ihre Abschlussarbeit in diesem Themenbereich verfasst. Bei ihrer Tätigkeit an der Nikolauspflege unterstützt und schult sie Schülerinnen und Schüler sowie Mitarbeitende, unter anderem bei Themen der Behinderungsbewältigung und anderen psychologischen Belangen.

Bild: Freitagvormittag in der blista-Aula: Karina Schaude hält ihren Vortrag zum Thema "Mobbing bei Menschen mit Sehbeeinträchtigung: schützen Coping-Strategien?" Die Folie "Theoretischer Hintergrund" wird groß auf eine Leinwand projiziert, im Vordergrund sitzen Zuhörer*innen. Foto: blista

Bild: Karina Schaude lächelt. Sie hat rotes, fast kinnlanges Haar und trägt auf der Außenaufnahme eine große, dunkel getönte Brille und einen Langstock. Foto: privat

Literatur

Baldry, A. C., & Farrington, D. P. (2005). Protective factors as moderators of risk factors in adolescence bullying. Social Psychology of Education, 8(3), 263-284. https://doi.org/10.1007/s11218-005-5866-5

Brunes, A., Nielsen, M. B., & Heir, T. (2018). Bullying among people with visual impairment: prevalence, associated factors and relationship to self-efficacy and life satisfaction. World journal of psychiatry, 8(1), 43-50. https://doi.org/10.5498/wjp.v8.i1.43

Cranham, J., Carroll, A. (2003). Dynamics within the Bully/Victim Paradigm: a qualitative analysis. Educational Psychology in Practice, 19, 113-132.

Kälin, W., & Semmer, N. (2020). CISS: Coping-Inventar zum Umgang mit Stress-Situationen. Deutschsprachige Adaptation des Coping Inventory for Stressful Situations (CISS) von Norman S. Endler und James D. A. Parker. Bern: Hogrefe

Olweus, D. (1993). Bullying at school: What we know and what we can do. Malden, MA: BlackwellPublishers

Pinquart, M. (2017). Systematic Review: Bullying Involvement of Children With and Without Chronic Physical Illness and/or Physical/Sensory Disability - A Meta-Analytic Comparison With Healthy Nondisabled Peers. Journal of Pediatric Psychology, 42(3), 245-259.

Pittet, I., Berchtold, A., Akré, C., Michaud, P.-A., & Suris, J.-C. (2010). Are adolescents with chronic conditions particularly at risk for bullying? Arch Dis Child, 95, 711-716. https://doi.org/10.1136/adc.2008.146571

Schäfer, M., Korn, S., Smith, P. K., Hunter, S. C., Mora-Merchán, J. A., Singer, M. M., et al. (2004). Lonely in the crowd: Recollections of bullying. British Journal of Developmental Psychology, 22, 379-394.

Seligman, M. E. (1972). Learned helplessness. Annual review of medicine, 23(1), 407-412.

Vanderbilt, D., & Augustyn, M. (2010). The effects of bullying. Paediatrics and child health, 20(7), 315-320.

Wright, J. C., Giammarino, M., & Parad, H. W. (1986). Social status in small groups: Individual-group similarity and the social "misfit". Journal of Personality and Social Psychology, 50(3), 523- 536. https://doi.org/10.1037/0022-3514.50.3.523

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Wieso ist sogar das Lesen einer barrierefreien PDF-Datei ein Hindernislauf?

Von Vivian Aldridge

PDF-Dateien sind allgegenwärtig. Allgemeine Geschäftsbedingungen, Rechnungen eines Online-Anbieters und Kontoauszüge kommen selbstverständlich als PDF-Dateien daher. Weniger selbstverständlich - und weniger zugänglich - sind Formulare von Behörden und anderen. Und dann gibt es die vielen Bücher, insbesondere Lehrmittel.

Wo gibt es Hindernisse?

Bekanntlich gibt es lesbare und nicht-lesbare PDF-Dateien. Gemeint ist natürlich das Lesen mit einem Screenreader oder anderer assistiver Technologie. Besteht die PDF-Datei nur aus einem Bild des Dokuments, steht der Text einem Screenreader nicht zur Verfügung - außer er wird dafür von einer Texterkennungssoftware entziffert. Das ist ein Extrem-, aber nicht seltenes Beispiel von Nichtlesbarkeit.

Am anderen Ende des Lesbarkeitsspektrums haben wir barrierefreie PDF-Dateien, die alle Bedingungen eines Standards des universellen Zugangs (PDF/UA-Standard) erfüllen. Oberstes Gebot der Barrierefreiheit - außer der Voraussetzung, dass der Text wirklich als Text vorhanden ist und nicht nur als Bild - ist die Verwendung von Tags. Auf Englisch ist ein Tag so etwas wie ein Etikett, das an etwas angehängt wird. Die PDF-Tags geben an, welche Rolle im Dokument jedes Textelement spielt: Handelt es sich um normalen Text, eine Überschrift einer bestimmten Ebene oder eine Tabellenzelle, vielleicht sogar mit Spaltenüberschriftfunktion? Es mag überraschen, dass sie auch die Reihenfolge der Elemente angeben, da der Text in PDF-Dateien bei Screenreadern schön durcheinander daherkommen kann. Zudem muss es für Bilder und Grafiken Alternativtexte geben, die einem Screenreader an deren Stelle zur Verfügung stehen.

Zwischen diesen Extremen gibt es allerlei Schattierungen: Texte mit Grafiken ohne Alternativtext, Texte mit Bildern von Tabellen, ungetaggte Texte in chaotischer Reihenfolge und vieles mehr. Eine besondere Erwähnung gebührt den sogenannten "durchsuchbaren" PDF-Dateien. Bei ihnen sind die Dokumentseiten als eingescannte Bilder visuell zu lesen, für einen Screenreader ist jedoch der Text zusätzlich digital vorhanden. Die abgebildeten Textelemente wurden von einer Texterkennungssoftware entziffert und als unsichtbarer digitaler Text sozusagen hinter die einzelnen Elemente "geklebt".

Ist das Lesen in einer barrierefreien PDF-Datei denn kein Spaziergang?

Aber zurück zu den barrierefreien Dateien. Hier erkennt ein Screenreader die Textreihenfolge, weiß, was Überschriften sind, und kann diese sogar auflisten. In Tabellen ist die Bewegung von Zelle zu Zelle in jede Richtung möglich und - noch eindrucksvoller - es wird automatisch nicht nur der Zelleninhalt, sondern auch die Spalten- bzw. Reihenüberschrift vorgelesen, damit man weiß, worum es in der Zelle geht.

Wenn sie aber extra für Screenreader aufbereitet sind, warum sollte deren Handhabung schwierig sein?

Es gibt verschiedene Gründe. Nehmen wir als Beispiel eine komplexe Abbildung, sagen wir ein Organigramm. Einfach den Text lesbar zu machen, wäre sinnlos. Wichtig ist der Bezug der einzelnen Textelemente untereinander. Daher wird das Ganze als Grafik dargestellt und ein aussagekräftiger Alternativtext dazu erstellt. Dieser wird vom Screenreader vorgelesen, sobald er auf die Grafik stößt. Nur: gerade bei so etwas Kompliziertem will man die Beschreibung Stück für Stück verdauen und nicht von einem einzigen Wortschwall überwältigt werden.

Dann gibt es die Sache mit dem Suchen, etwa im Adobe Reader. Dieser hat eine Suchfunktion, nur führt sie assistive Technologien wie JAWS nicht zur genauen Fundstelle. Daher hat JAWS eine eigene Suche. Bei langen Dokumenten stößt sie jedoch an Grenzen, und zwar an die Seitengrenzen. Der Grund liegt in der Aufbereitung des Dokuments für die assistive Technologie. Ab einer gewissen (einstellbaren) Anzahl Seiten wird nicht das ganze Dokument aufbereitet, sondern nur die momentan sichtbaren Seiten. Das ist durchaus sinnvoll, da die Aufbereitung Zeit in Anspruch nimmt. Angenommen, sie benötigt für ein 300-seitiges Dokument eine Sekunde pro Seite, kommt JAWS erst nach fünf Minuten zu allen relevanten Informationen - und ebenso lange lässt eine Reaktion des Systems auf sich warten.

Wenn man nicht warten will, muss man also damit leben, dass JAWS nur Informationen über die aktuelle Seite zur Verfügung stehen: Die Überschriftenliste fällt entsprechend mager aus und die JAWS-Suchfunktion findet nur Stellen auf der aktuellen Seite.

Der Sprung auf eine andere Seite, die sofort automatisch aufbereitet wird, ist dagegen kein Problem. Deswegen ist die Suche über einen Umweg dennoch möglich, wenn auch länger und umständlicher: Zuerst wird mit der Suchfunktion von Adobe Reader gesucht, die zumindest die richtige Seite aufschlägt; mit der JAWS-Suche wird dann die genaue Fundstelle lokalisiert.

Die Einzelseitenaufbereitung für assistive Technologien hat auch Vorteile. Es ist erstaunlich schwierig, die erste oder die letzte Zeile einer Seite anzuspringen - außer nur diese Seite ist aufbereitet.

Digitales Turnen für die PDF-Ertüchtigung

Die Schweizerische Fachstelle für Sehbehinderte im beruflichen Umfeld in Basel und Lausanne (Erlenhof | SIBU) unterstützt Personen mit Sehbeeinträchtigungen in der ganzen Schweiz am Arbeits-, Studien- oder Ausbildungsplatz administrativ, organisatorisch, mit Lehrmittelanpassungen sowie mit EDV-Ausrüstungen und Einführungen.

Sie bietet auch stationäre Vorbereitungen auf Berufsausbildung, Studium und Arbeit. Viel Zeit wird der Computerbedienung gewidmet. Dabei ist natürlich auch der Umgang mit PDF-Dateien, im Allgemeinen mit Fusion (einer Zusammenschweißung von JAWS und ZoomText) oder ZoomText. Die Klientinnen und Klienten müssen nicht nur lernen, Dateien zu lesen. Sie müssen schnell Kapitel, nummerierte Seiten, Tabellen und vieles mehr anspringen können.

Aber zunächst müssen sie die Dateien einschätzen können - auch ohne sie mit der Vorlage vergleichen zu können. Ist der Text lesbar und in der richtigen Reihenfolge? Lässt man sie besser durch eine Texterkennung laufen? Sind alle Informationen vorhanden? Welche Texterkennungsfehler haben sich eingeschlichen?

Ein Spaziergang ist das alles keineswegs.

Gibt es nicht flachere Routen?

Die eingesetzten Techniken erfordern fundierte Computerkompetenzen, ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen und nicht zuletzt den Aufbau eines Erfahrungsschatzes. Entsprechend aufwändig ist die Vermittlung. Zudem erwies sich ZoomText mit Adobe Reader als äußerst instabil: Einige Geräte stürzten so oft ab, dass keine Arbeit möglich war. Da liegt der Verdacht nahe, dass man auf dem Holzweg ist.

Daher wurde in einem internen Projekt unter Beteiligung aller Abteilungen und Standorte nach einfacheren Möglichkeiten des PDF-Zugangs gesucht. Nach Tests mit verschiedenen PDF-Anzeigeanwendungen und assistiven Technologien kehrte bald die Ernüchterung ein.

Manche Anwendungen berücksichtigten von vornherein nur barrierefreie Dokumente oder erlaubten den Zugriff auf Strukturinformationen - etwa Seiten und Überschriften - nicht. Einige boten nur rudimentäres oder gar unberechenbar steuerbares Vorlesen. Bei den Meisten waren fremd- oder gemischtsprachige Texte äußerst mühsam, wenn überhaupt handhabbar.

Tests mit Formularfeldern fielen noch vernichtender aus. Sogar bei der eindeutigen Siegerkombination von Adobe Reader und JAWS bzw. Fusion bleiben sie eine digital-athletische Höchstleistungsdisziplin.

Es bleibt beim Fitnessprogramm!

Auf den mühsamen Erwerb von PDF-Kompetenzen können wir also nicht verzichten, den Weg höchstens optimieren. Nicht zuletzt wegen der Instabilität mit Adobe Reader haben wir ZoomText weitgehend durch Fusion ersetzt. Andere Zugänge sehen wir nur in spezifischen Kontexten vor.

PDF-Dateien in aller Vielfalt haben zurzeit einen hohen Stellenwert in der digitalen Welt. Ignorieren können wir sie nicht. Daher müssen wir Zeit investieren, um mit ihnen umgehen zu können.

Zum Autor

Vivian Aldridge ist Ausbildner für kompensatorische Arbeitstechniken und Informatik bei der Schweizerischen Fachstelle für Sehbehinderte im beruflichen Umfeld (Erlenhof | SIBU) in Basel. Nach seinem Physikstudium in Großbritannien wurde er Lehrer und absolvierte ein Nachdiplomstudium in Sehgeschädigtenpädagogik. Schon im Jugendalter interessierte er sich für die Brailleschrift. Heute engagiert er sich ehrenamtlich als Vertreter des Verbandes für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. im Brailleschriftkomitee der deutschsprachigen Länder (BSKDL).

Bild: Vivian Aldridge blickt von einer Brailleschrift-Lektüre auf. Er hat dunkle Augen, dunkles hohes Haar und einen kurzen melierten Kinnbart. Er trägt eine schmale Brille und ein hellrosa kariertes Kurzarmhemd. Foto: privat

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Berufliche Bildung behinderter Menschen: Rahmenbedingungen, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Von Kirsten Vollmer

Ich möchte mich mit Ihnen auf eine kleine Tour d'Horizon begeben, die ausgehend von den Rahmenbedingungen der beruflichen Bildung behinderter Menschen in Deutschland Schlaglichter auf aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen wirft und dabei gesellschafts- und bildungspolitische Diskurse anspricht.

Leitideen der dualen Berufsausbildung

Berufsbildung findet in Deutschland auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen und Niveaustufen und an unterschiedlichen Lern- und Beschäftigungsorten statt. Bei der dualen Berufsausbildung wird parallel und aufeinander abgestimmt an zwei Lernorten, im Betrieb und in der Berufsschule, ausgebildet. Diese Dualität unterscheidet diese Berufsausbildung zum Beispiel von vollzeitschulischer beruflicher Bildung, wie sie insbesondere in vielen sozialen und therapeutischen beruflichen Qualifizierungen erfolgt. Die rechtlichen Grundlagen der dualen Berufsausbildung bilden das Berufsbildungsgesetz (BBiG) und die Handwerksordnung (HwO).

In der dualen Berufsausbildung werden seit der Einführung des Konzepts der Handlungsorientierung sowohl die sogenannten Ordnungsmittel - das sind vor allem Aus- und Fortbildungsregelungen für anerkannte Aus- und Fortbildungsberufe und Umschulungsregelungen - als auch die Ausbildungsmethoden an "vollständigen Handlungen" orientiert. Bei der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes 2005 wurde "berufliche Handlungsfähigkeit" als Leitziel der Berufsausbildung verankert. Sie ist im Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung definiert als die "notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, derer es für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt" bedarf.

Diese Formulierung drückt die Erfahrung und die Erkenntnis aus, dass sich Arbeits- und Geschäftsprozesse kontinuierlich verändern und berufliche Kompetenzen dem entsprechen müssen. Die Definition beruflicher Handlungsfähigkeit signalisiert entsprechend, dass es dabei um die Fähigkeit und die Bereitschaft zu fachlich fundiertem, selbstständigem verantwortlichem Handeln geht.

Im Zuge der Kompetenzorientierung hat sich der Begriff "Berufliche Handlungskompetenz" etabliert und wird seither oftmals synonym verwendet. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) unterscheidet dabei zwei Kompetenzkategorien: "Fachkompetenz", unterteilt in "Wissen" und "Fertigkeiten", und "Personale Kompetenz", unterteilt in "Sozialkompetenz und Selbständigkeit". Berufliche Handlungsfähigkeit bzw. berufliche Handlungskompetenz bilden so etwas wie die "Philosophie" der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Mit anderen Worten: als Leitideen der Berufsbildung sind sie "State of The Art".

Blick auf behinderte Menschen

Die Definitionen von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Beeinträchtigungen, die dem "Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen" zugrunde liegen, orientieren sich an der Internationalen Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, der ICF.

Dort werden die beiden Gruppen wie folgt definiert: Zu den Menschen mit Beeinträchtigungen zählen Menschen mit Schädigungen von Körperstrukturen oder -funktionen und psychischen Funktionsstörungen, deren Leistungsfähigkeit bei Aktivitäten im Zusammenhang mit diesen Schädigungen dauerhaft beeinträchtigt ist.

Bei behinderten Menschen handelt es sich um Menschen mit den beschriebenen Beeinträchtigungen, die mit Barrieren in ihrer räumlichen und gesellschaftlichen Umwelt so zusammenwirken, dass sie dadurch nicht an einzelnen Lebensbereichen teilhaben können. Insbesondere der Einbezug von Umweltfaktoren markiert eine Abkehr von früheren Konzepten von Behinderung: Behinderung wird also nicht mehr als Eigenschaft einer Person, als Personenmerkmal, aufgefasst, sondern als das Ergebnis einer problematischen Wechselbeziehung zwischen individuellen Voraussetzungen und Umweltbedingungen. Damit rückt der Abbau von konkreten Barrieren jeglicher Art in den Fokus. Der Blick richtet sich auf die Veränderung und Fortentwicklung von Strukturen zugunsten von Teilhabe und Inklusion.

Für die duale berufliche Bildung behinderter Menschen ist der amtlich festgestellte Status einer Schwerbehinderung nicht notwendig und auch nicht relevant. Wesentlich - und berufsbildungsrechtlich entsprechend postuliert - ist die Priorität der Ausbildung in anerkannten, oftmals auch als "regulär" bezeichneten Ausbildungsberufen.

Damit eine solche "reguläre" Ausbildung auch für behinderte junge Menschen möglich ist, sollen die für die Durchführung und Prüfung der Ausbildung zuständigen Stellen - dies sind in der Regel Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern - bei Bedarf "die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigen" (§ 65 BBiG/42 HwO).

Mit dieser Formulierung ist ein (berufsbildungs)gesetzlicher Auftrag formuliert, der sogenannte Nachteilsausgleich. Er dient als wesentliches Instrument zur Inklusion behinderter Menschen in Ausbildung und Beschäftigung bzw. zur Fachkräftequalifizierung und damit der Fachkräftesicherung.

Gleichwohl ist die gesetzeskonforme, konstruktiv-kreative Anwendung des Nachteilsausgleichs in der Berufsbildungspraxis Thema zunehmender Anfragen an die BIBB-Stabsstelle Berufliche Bildung behinderter Menschen. Sie signalisieren Informationsbedarf, Unsicherheiten und Probleme in der Praxis, die dazu führen, dass das Potenzial des Nachteilsausgleichs nicht ausgeschöpft und zugleich der gesetzliche Anspruch betroffener Personen nicht ausreichend eingelöst wird.

Daher führen wir im BIBB aktuell ein Entwicklungsprojekt mit Forschungsanteil durch, das die zuständigen Stellen - also vor allem die erwähnten Kammern - als Schnittstelle und entscheidende Akteure für die Umsetzung des Nachteilsausgleichs fokussiert. Auf der Grundlage der angestrebten Erkenntnisse sollen Empfehlungen abgeleitet und in Wissenschaft, Politik und Praxis vermittelt werden.

Erste Ergebnisse zeigen, dass das Thema Nachteilsausgleich für die bei den zuständigen Stellen betrauten Personen hohe Relevanz besitzt. Dieser Befund ist umso bemerkenswerter, da die Aufgabe des Nachteilsausgleichs für die meisten innerhalb des von ihnen wahrzunehmenden Tätigkeitsfeldes nur einen kleinen Ausschnitt darstellt. Zudem ist die Resonanz auf unsere schriftliche Befragung außergewöhnlich hoch, und die Beantwortung zeigt u.a., wie herausfordernd die Aufgabenwahrnehmung erlebt wird und wie groß das Bedürfnis nach Information und fachlichem Austausch ist.

Werfen wir nun ein Schlaglicht auf die Ausbildung behinderter Menschen zur Fachpraktiker*in, denn auch mithilfe des Nachteilsausgleichs ist eine duale Berufsausbildung in einem anerkannten sogenannten "regulären" Ausbildungsberuf nicht für alle Menschen möglich. Zumindest ist eine reguläre Ausbildung nicht für alle behinderten Menschen bereits als erster Schritt in Berufsausbildung möglich.

Vor allem junge Menschen mit Lernbeeinträchtigungen überfordert häufig der berufsschulische Teil der dualen Ausbildung. Auch können einzelne Ausbildungsinhalte bei manchen Behinderungen nicht vollständig zu vermitteln und entsprechend zu erlernen sein. Für diese Einzelfälle bietet eine Ausbildung gemäß § 66 BBiG/42r HwO die Möglichkeit einer (meist) theoriereduzierten Berufsausbildung bzw. einer um bestimmte Inhalte der Ausbildungsordnung, des Ausbildungsrahmenplans des Bezugsberufs, reduzierten.

Grundlage dieser Ausbildungen sind Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen, daher werden sie oft auch als "Kammerregelungen" bezeichnet. Der Hauptausschuss des BIBB hat 2009 für diese regionalen Ausbildungsregelungen eine Rahmenregelung beschlossen, die bundeseinheitliche Qualitätsstandards vorgibt und diese Berufsausbildungen anschlussfähig an "reguläre" Ausbildungen (gemäß § 4 BBiG/§ 25 HwO) macht.

Wesentliche Elemente dieser vom Gesetz vorgesehenen bundeseinheitlichen BIBB-Rahmensetzung sind - auch hier - die berufliche Handlungsfähigkeit als Ausbildungsziel, betriebliche Phasen (da diese speziellen Ausbildungen oft auch außerhalb von Betrieben in besonderen Einrichtungen wie z.B. Berufsbildungswerken erfolgen), ein Förderplan, ein zielgruppenadäquater Ausbilderschlüssel und eine rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation für Ausbilderinnen und Ausbilder.

Zusätzlich zur BIBB-Rahmenregelung erlässt der BIBB-Hauptausschuss, meist auf gemeinsame Initiative der Sozialpartner, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, berufsspezifische Musterausbildungsregelungen. So wurden im letzten Jahr u.a. neue berufsspezifische Musterausbildungsregelungen für IT-Systemelektronik und IT-Systemintegration abgestimmt. Damit bestehen nun auch für diesen relevanten Berufsbereich Orientierungsmarken mit Signalfunktion.

Mit dem Dreiklang aus der Priorität der Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen, der Anwendung von Nachteilsausgleich bei Durchführung und Prüfung der Ausbildung und als Drittem den Fachpraktiker*innenausbildungen, die ausschließlich bei besonderer Art und Schwere der Behinderung vorgesehen sind, bietet sich ein inklusionsadäquater Rechtsrahmen. Er sieht die Einbeziehung behinderter Menschen in das allgemeine System qualifizierter dualer Berufsausbildung "von vornherein" vor, statt "Sondersysteme" zu weisen bzw. zu installieren.

Diesen Rechtsrahmen gilt es kontinuierlich fortzuentwickeln. Als Kompass für diese Gestaltungsaufgabe eignen sich als relevante Kriterien Anschlussfähigkeit, Durchlässigkeit, Zugänglichkeit und Individualisierung. Eine Aufgabe, für die es Fachkompetenz und Engagement bedarf.

Risiken und Erfolgsfaktoren

Wesentlich für gelingende Inklusion behinderter Menschen in Berufsbildung und in Beschäftigung scheint mir der Paradigmen- und Perspektivwechsel zu einer systemischen Betrachtungsweise, die behinderte Menschen als selbstverständliche Teile einer von Vielfalt und Heterogenität geprägten Gesellschaft fokussiert.

Inklusionsrisiken bestehen dort, wo Fachlichkeit an Stellenwert einbüßt oder unter Rechtfertigungsdruck gerät. Es gilt im Blick zu halten, dass die Fokussierung auf Beschäftigungsfähigkeit nicht zu Lasten qualitativer, am Berufsprinzip orientierter Ausbildung führt.

Ressourcenansatz, Zielgruppenspezifik und Förderbedarfsorientierung bilden für Inklusion gerade keine Gegensätze, sondern die unverzichtbare Verbindung eines Komplementärverhältnisses. Konkret heißt das auch, dass Förderbedarf identifiziert werden muss, um ihn beantworten zu können - und dass diese Identifizierung, aber auch die entsprechende Beantwortung und damit Umsetzung, Fachkompetenz voraussetzen.

Um den Zugang und die Beteiligung behinderter Menschen an Berufsbildung und damit an Beschäftigung zu ermöglichen bzw. zu verbessern, sind frühzeitige Berufsorientierung und kompetente, individuelle Beratung entscheidend. Demgegenüber bergen traditionell bewährte, aber oftmals eben auch "eingefahrene" Kooperationen zwischen Förderschulen und Werkstätten für behinderte Menschen die Gefahr einer nicht ausreichend individuell ausgerichteten "Empfehlung" bzw. Zuweisung. Auch die "Einkaufspraxis" der Bundesagentur für Arbeit bzw. ihrer Regionaldirektionen kann dazu führen, dass Reha-Beratende eingekaufte bzw. preisverhandelte Maßnahmen füllen, anstatt individuell zu beraten.

Sollen Arbeitgeber behinderte Menschen selbstverständlicher als bis dato als Auszubildende und als Beschäftigte betrachten, ist Information und Beratung eine wichtige Stellschraube. Eine Schlüsselstellung fällt hier aus meiner Sicht den Kammern zu: Sie kennen die regionalen Gegebenheiten, sind Ansprechpartner der Betriebe, in ihren Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen wirken die Vertreter*innen der Berufsschule mit und sie sind im Austausch mit den Agenturen für Arbeit und den Integrationsämtern. Als vertrauter Partner können sie beraten, informieren und u.a. bei der Vermittlung von Schulpraktikumsstellen weichenstellend agieren.

Ausblick

Werfen wir abschließend Schlaglichter auf Auswirkungen aktueller Entwicklungen wie Digitalisierung, Globalisierung und Demografischer Wandel, auf Klimawandel und Energiewende.

Der politische Konsens über die Notwendigkeit von Transformationsprozessen hat die Berufsbildung ins Blickfeld gerückt. Sie gilt als anerkannter Standort- und Stabilitätsfaktor. Sie leistet einen qualifikatorischen Beitrag zu Fachkräftesicherung, Integration und Inklusion. Denn ohne Menschen, die den Weg in die angestrebte, politisch gesetzte sogenannte Green Economy als Chemikant*innen, als Verfahrenstechnolog*innen, Kfz-Mechatroniker*innen, Anlagenmechaniker*innen für Sanitär, Heizung und Klima, Kaufleute für Büromanagement und für E-Commerce als Fachkräfte umsetzen, wird er nicht erreichbar sein. Ebenso wenig wie die Behebung des zunehmenden Pflegenotstands ohne ausreichende entsprechende Fachkräftegewinnung realistisch ist.

Was bedeutet diese Situationsbeschreibung für Inklusion? Wird die Suche nach noch nicht ausgeschöpften "Potenzialen" zum Selbstläufer für die Chancen von Menschen mit Beeinträchtigungen? Meine fachliche Einschätzung lautet: eher nicht, zumindest ist keineswegs ein entsprechender "Automatismus" zu erwarten. In den letzten Jahren ist zwar eine wachsende Offenheit der Betriebe bei der Einstellung dieser Personengruppen festzustellen. Zugleich bestehen jedoch deutliche Unterschiede innerhalb des heterogenen Spektrums. Während die Offenheit gegenüber Menschen mit körperlichen und Sinnesbeeinträchtigungen - nicht zuletzt auch angesichts des technologischen Fortschritts und veränderter Arbeits- und Geschäftsprozesse - zunimmt, bestehen Unsicherheiten, Zurückhaltung und Informationslücken mit Blick auf verschiedene psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen und deren Auswirkungen fort und hemmen eine entsprechende Offenheit und Bereitschaft.

Dies führt uns zum Abschluss unserer Tour d'Horizon zu Wissenschaft, Politik und Praxis als den drei Bereichen, die für die Berufliche Bildung beeinträchtigter und behinderter Menschen wesentlich sind. Ihr konstruktives Zusammenwirken entscheidet maßgeblich über Fortschritte bei der Teilhabe und Inklusion an und in Berufsbildung und damit an und in Beschäftigung.

Fehlt es Wissenschaft, Politik und Praxis wechselseitig an angemessener Wahrnehmung, Berücksichtigung und Wertschätzung - einschließlich der jeweiligen Unterschiedlichkeiten in Aufgabe, Rolle, Kultur und Perspektive - und fehlt es damit an der Fähigkeit und Bereitschaft zu Dialog und Kooperation, dann droht ein Auseinanderdriften dieser drei essenziellen Bereiche.

Der VBS-Kongress ist ein gelungenes Beispiel für diese wechselseitige Wahrnehmung und den wichtigen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. In diesem Sinne danke ich nochmals sehr herzlich für die Einladung.

Zur Autorin

Kirsten Vollmer beschäftigt sich seit mehr als fünfzehn Jahren mit der beruflichen Bildung behinderter Menschen am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Zu den Forschungsthemen und Schwerpunkten ihrer Arbeit zählen Inklusion und Teilhabe, Berufliche Bildung behinderter Menschen, Ausschuss für Fragen behinderter Menschen (AFbM) und die Qualifizierung des Berufsbildungspersonals in der Beruflichen Bildung behinderter Menschen. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bild: Einer der beiden Hauptvorträge am 3. August in der blista-Sporthalle: Kirsten Vollmer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Berufsbildung, steht mit Laptop am Rednerpult, im Hintergrund wird der Vortragstitel projiziert. Sie hat kurzes helles Haar und trägt Blazer, Hose und Tuch in vorwiegend hellen Tönen. Foto: blista

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Chancen und Herausforderungen bei der barrierefreien Gestaltung digitaler Bildungsmedien für blinde und sehbehinderte Menschen

Von Prof. Dr. Thomas Kahlisch

1 Zusammenfassung

Im Artikel werden die Arbeitsschwerpunkte von Medibus und seinen Kooperationspartner dargestellt. Der rechtliche Rahmen wird aufgezeigt, der in den kommenden Jahren die Bereitstellung und Verbreitung barrierefreier digitaler Inhalte entscheidend verändern wird. Abschließend werden die Chancen und Herausforderungen bei der barrierefreien Gestaltung digitaler Bildungsmedien auf verschiedenen Ebenen diskutiert und Wege aufgezeigt, wie Lösungen gefunden werden, die aktiv und partizipativ ausgestaltet sind.

2 Einleitung

Die Digitalisierung führt u. a. zu einem umfassenden Wandel der Medienwelt, von dem die Personengruppe blinder und sehbehinderter Menschen in einem ganz besonderen Maße betroffen ist. Dies hat großen Einfluss auf die Bereitstellung und Anwendung von Bildungsmedien, die in digitalisierter Form viele Chancen, aber auch Herausforderungen für diesen Personenkreis in Schule, Ausbildung, Beruf und im privaten Umfeld bereithalten.

Traditionelle Informations- und Kommunikationsmedien wie Brailleschrift, tastbare Abbildungen und aufgesprochene Texte auf Tonträger werden durch digitale Braille-Systeme und Verfahren zum 3D-Druck ergänzt und in ihren Anwendungsbereichen weitergedacht.

In der Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen der verschiedenen Medien und ihrer Darstellungsformen geht es nicht darum, der einen Ausprägung die Priorität vor der anderen zu geben, sondern eher die neuen technischen Möglichkeiten so zu nutzen, dass Kommunikation und Information auf eine große Medienvielfalt und deren flexible Einsatzmöglichkeiten setzten.

Besonders im Unterricht oder in der Ausbildung können digitale Bildungsangebote diese Vielfalt entscheidend verbessern, insbesondere, wenn sie zeitgleich mit ihren gedruckten Vertretern und mit geringem Aufwand bereitgestellt werden und barrierefrei und gut handhabbar für den jeweiligen Anwender gestaltet sind.

3 Medibus - Mitglieder, Aufgaben und Ziele

Neben den Medienzentren der Spezialschulen und Förderzentren, die unmittelbar für die Bereitstellung barrierefreier Lehr- und Lernmittel im Unterricht sorgen, bieten die unter dem Dach Medibus zusammengefassten Spezialbibliotheken für blinde, seh- und lesebehinderte Nutzende ein großes Spektrum an Braille-Werken und Hörbüchern zur kostenfreien Ausleihe an. Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Spezialbibliotheken ist die im § 45a-d verankerte Schrankenregelung des Urheberrechtsgesetzes (1), in der die barrierefreie Aufbereitung und Verbreitung literarischer Werke durch sogenannte begünstigte Stellen geregelt ist.

Im Vorstand der Dachorganisation wirken neben Vertreter*innen der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe Verantwortliche der Spezialbibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit. Der Vorstand vertritt die Interessen der Einrichtungen gegenüber den Rechteinhabern, der Verlagswelt und der Politik und initiiert Projekte und Vorhaben zur Weiterentwicklung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit.

Folgende Projekte werden von Medibus aktuell durchgeführt:  

  • Die Errichtung einer Internetplattform zu Recherche und Download barrierefreier Literatur.
  • Die Erarbeitung von Qualitätsstandards und Zertifizierungsverfahren für barrierefreie digitale Werke und deren Rezipierbarkeit.
  • Die Beratung und Unterstützung der Nutzerinnen und Nutzer in der Anwendung digitaler und analoger barrierefrei gestalteter Angebote.
  • Sensibilisierung und Unterstützung der Verlagsbranche bei der barrierefreien Gestaltung digitaler Medienangebote.
  • Kooperationen im Bereich des Inklusiven Publizierens.

In besonderem Maße ist Medibus im Bereich der Sensibilisierung und Unterstützung der Buchbranche bei der Umsetzung des BFSG aktiv. Seit 2020 arbeiten Medibus-Vertreter*innen in der Taskforce Barrierefreiheit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V. mit Vertreterinnen der Verlage und der Zwischen- und Buchhändler in Arbeitsgruppen und Fachgremien zusammen, um den Prozess aktiv und erfolgreich zu gestalten.

Die in der Taskforce und den Arbeitsgruppen erarbeiteten Richtlinien, Anleitungen und Empfehlungen sind auf der Homepage des Börsenvereins (www.boev.de/barrierefreiheit) für Jedermann kostenfrei zugänglich und abrufbar. Die veröffentlichten Leitfäden werden bei Bedarf aktualisiert und die entsprechenden Unterlagen angepasst. Das Expertenwissen und das Engagement der Medibus-Vertreter*innen genießen dabei hohes Ansehen in der Taskforce.

Besonderes Augenmerk richtet Medibus in der Taskforce auf den Bereich digitale Bildungsmedien. Hier muss es gelingen, den Verband der Bildungsmedien e. V. (VBM) (2) als Vertretung der über 75 Bildungsverlage in die Arbeit der Taskforce einzubinden. Vertreter*innen von Medibus und der Medienzentren kooperieren mit dem Projekt EDU-Check (3), in dem für die Bundesländer Verfahren zur Prüfung digitaler Bildungsangebote auch im Bereich Barrierefreiheit entwickelt werden sollen.

Beauftragt durch die Bundesfachkommission für die Überprüfung von Lehr- und Lernmitteln blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler, haben Fachexpert*innen der blista, des dzb lesen und der Schlossschule Ilvesheim ein Papier für die speziellen Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung digitaler Bildungsmedien (4) erarbeitet, auf dessen Inhalt im folgenden Kapitel eingegangen wird.

4 Chancen und Herausforderungen barrierefreier Bildungsmedien

4.1 Chancen
4.1.1 Digitalisierung

Verlage haben sich auf den Weg gemacht, ihre digitalen Produkte so zu produzieren, dass die Anforderungen an barrierefreie Gestaltung "born accessible" im gesamten Herstellungsprozess eines Werkes Berücksichtigung finden. Der Verband der Bildungsmedien schätzt ein, dass seine Mitglieder aktuell und in Zukunft weg vom druckseitenorientierten PDF-Layout starkes Engagement auf den Auf- und Ausbau von webbasierten Portalen zur Präsentation ihrer Inhalte setzen. Crossmedia-Publishing bietet dem Verlag dabei die Möglichkeit, seine Inhalte auf verschiedenen Endprodukten auf Smartphone, Tablet, Web-Plattform oder in gedruckter Form barrierefrei zu verbreiten. Noch nicht abschätzbar ist, welche rasanten und umfassenden Veränderungen die Anwendung der Künstlichen Intelligenz im Bereich des Publizierens und Präsentierens von Wissen spielen wird. Erste eindrucksvolle Beispiele sind hier die Möglichkeiten der Beschreibung bzw. Analyse visueller Informationen aus Bildern, Grafiken oder Videos oder die Realisierung qualitativ hochwertiger synthetischer Stimmen sowie die Interpretation von mathematischen/naturwissenschaftlichen Darstellungen.

Ein entscheidender Faktor bei der Anwendung dieser Technologien und der Entwicklung entsprechender Werkzeuge ist die Qualifikation und Weiterbildung der mit diesen Prozessen befassten Expertinnen und Experten.

4.1.2 Rechtlicher Rahmen

In der Bundesrepublik Deutschland existiert ein breiter Rahmen von gesetzlichen Regelungen und Vorschriften im Bereich der Barrierefreiheit. Für das hier betrachtete Feld sind vor allem das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, die BITV 2.0 sowie die Inklusionsgesetze der Länder und ganz allgemein das Behindertengleichstellungsgesetz (5) zu nennen. Insbesondere das BFSG legt fest, dass Produkte und Dienstleistungen (E-Books, Lesesysteme und Vertriebswege) bis zum 28.06.2025 barrierefrei zu gestalten sind. Dies ist im Bereich Bildungsmedien mit einigen Herausforderungen verbunden, auf die weiter unten eingegangen wird. Ein rechtlicher Rahmen allein ist nicht ausreichend, um ein konkretes Vorhaben umzusetzen.

4.2 Herausforderungen
4.2.1 Digitalisierung

Wie das bereits erwähnte Papier für die Bundesfachkommission aufzeigt, liegen große Herausforderungen in der barrierefreien Aufbereitung digitaler Bildungsmedien.

Als Beispiele werden hier der Umgang mit Abbildungen und deren Beschreibungen genannt. In den einschlägigen Standards wie der WCAG ist klar formuliert, dass Abbildungen zu beschreiben sind, jedoch ist diese allgemeine Forderung in Lernmaterialien nicht immer einfach umsetzbar. Beispielsweise dient eine Bildergeschichte der Visualisierung eines Sachverhaltes, und die Übungsaufgabe des Schülers besteht darin, die Bilder zu analysieren und sich mit dem Sachverhalt auseinander zu setzen. Dies ist bei blinden Lernenden nicht möglich und eine Bildbeschreibung würde den Sachverhalt bereits verbalisieren, was die Übungsaufgabe damit obsolet macht. Neben der Behandlung von Abbildungen und der zahlreichen anderen Visualisierungen in Lernwerken stehen Verlage auch vor großen Herausforderungen bei der barrierefreien Gestaltung mathematischer Formeln und naturwissenschaftlicher Darstellungen. Einen Lösungsansatz bietet die Formatierungssprache LaTeX, die im Unterricht bereits breite Anwendung findet und es ermöglicht, unmittelbar mit Formeln zu arbeiten, was eine unverzichtbare Eigenschaft ist, wenn die digitalen Lernmaterialien im Unterricht zum Einsatz kommen.

Es wird Standards, Regeln und Prüfmechanismen geben müssen, die sicherstellen, dass sich die Betroffenen in die Entwicklung und Anwendung einbringen und keine Personengruppe ausgegrenzt wird. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, wie wichtig die Qualifikation und Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen, Lernenden und Anwender*innen ist, um mit den Entwicklungen schritthalten zu können.

4.2.2 Rechtlicher Rahmen

In diesem Bereich stehen wir aktuell ebenfalls vor besonderen Herausforderungen durch den Gesetzgeber. Das BFSG ist aufgrund fehlender Regelungen in den folgenden Bereichen wenig hilfreich, die barrierefreie Gestaltung digitaler Bildungsmedien vollständig zu sichern:

  • Das Gesetz greift bislang nicht bei Web-Portalen, und grade die sind es, für die aktuell von den Bildungsverlagen Anwendungen entwickelt und getestet werden. Neben dieser Gesetzeslücke bleibt die Hoffnung, dass über die landesspezifischen Inklusionsgesetze hier ein Hebel gefunden werden kann, mit dessen Hilfe die Anbieter dazu verpflichtet werden, ihre Portale und die Inhalte barrierefrei zu gestalten.
  • Bislang existieren im BFSG keine konkreten Festlegungen, ob auch die sogenannte Backlist der Verlage vollständig in barrierefreier Form ab dem 28.06.2025 bereitstehen muss. Nachvollziehbar ist, dass die vollständige Überarbeitung aller lieferbaren digitalen Titel eines Verlages aufwändig ist und eine Lösung gesucht werden sollte, die einen zeitlichen und qualitativen Rahmen festlegt, wie und bis wann diese Aufgabe für Verlage gemeistert werden kann.
  • Im Gesetz sind Ausnahmeregelungen verankert, die den Verlagen die Möglichkeit geben, bei unzumutbarem Aufwand auf die barrierefreie Überarbeitung ihrer Angebote zu verzichten. Wie diese Regelungen konkret gehandhabt werden und zu interpretieren sind, ist bislang leider durch den Gesetzgeber nicht definiert. Dies führt bei dem einen oder anderen Verlag zu einer gewissen "Abwartehaltung". Was bedeutet, dass man diese zusätzlichen Aufgaben aussitzt oder seiner Rechtsabteilung die Entscheidung anvertraut, sich der neuen Aufgabe zu stellen.
4.2.3 Standards und Qualitätssicherung

Der Autor sieht in der föderalen Struktur bundesdeutscher Bildungspolitik die größte Herausforderung bei der Umsetzung des Vorhabens, digitale Bildungsmedien für jedermann zugänglich und barrierefrei zu gestalten. Wie die ungeklärten rechtlichen Rahmenbedingungen und bislang nicht getroffenen Festlegungen zu den Überwachungsmechanismen und Methoden zeigen, ist diese Sorge nicht unberechtigt. Leider existieren noch keine Regelungen, wie die Arbeit der geplanten Überwachungsstellen aussehen wird, wo sie angesiedelt werden und welche Aufgaben sie erfüllen sollen. Unklar ist auch, wie die Einhaltung der geltenden Standards und Richtlinien geprüft und die Partizipation der Betroffenen sichergestellt wird.

Die Taskforce Barrierefreiheit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wurde bereits im Dezember 2020 gemeinsam mit Medibus gegründet. Bislang fand die Bundesregierung wärmende Worte für das Engagement der TaskForce. Zu einer Förderung konkreter Maßnahmen sah sich jedoch der Bund nicht in der Lage.

5 Schlussfolgerungen

Abschließend werden hier vier Maßnahmen bzw. Forderungen als Schlussfolgerungen der in diesem Artikel gemachten Erläuterungen zusammengefasst.

  1. Politische Forderung - Barrierefreiheit muss Zulassungskriterium für digitale Bildungsmedien werden: Das für die Bundesfachkommission verfasste Expertenpapier bietet die Argumentationsgrundlage, in den Kultusministerien der Länder in allen relevanten Fachbereichen (Schulbuchzulassung, Digitalisierung und Sonderpädagogik) das Thema barrierefreie Gestaltung von digitalen Bildungsmedien mit der erforderlichen Priorität und Zielorientiertheit in die weiteren Planungen und Auseinandersetzungen zu integrieren.
  2. Partizipation - Beteiligung der Betroffenen und der Spezialeinrichtungen an den Entwicklungsprozessen: Medibus arbeitet intensiv mit dem Börsenverein, dem VBM, dem Projekt EDU-Check und einzelnen Bildungsverlagen zusammen. Die Einbindung des Fachwissens der Spezialbibliotheken ist dabei ebenso wichtig wie das unmittelbare Feedback der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer.
  3. Aktive Nutzung und Anwendung digitaler Entwicklungen: Die im Aufbau befindliche Plattform für barrierefreie Literaturangebote der Medibus-Bibliotheken wird unter Einsatz der geltenden modernen Standards und Technologien ein Zertifizierungsverfahren schaffen, in dem die Qualität der barrierefreien Gestaltung der Leseangebote gesichert werden kann.
  4. Finanzierung von Projekten - Anwendung und Qualitätssicherung von KI-Methoden in den Bereichen mathematischer und naturwissenschaftlicher Darstellungen: Betrachtung von KI-Methoden zur Gestaltung und Verarbeitung mathematisch-/naturwissenschaftlicher Inhalte. An der Philipps-Universität Marburg gibt es derzeit ein Projekt (Im Math4VIP-Projekt) (6) zu diesem Thema, das sowohl im Hochschulkontext als auch in der allgemeinen Schule und im beruflichen Alltag Anwendung findet.

Zum Autor

Prof. Dr. Thomas Kahlisch leitet das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen) in Leipzig und ist Honorarprofessor an der Leipziger Universität sowie der HTWK im Fachbereich "Barrierefreie Mediengestaltung". Der selbst blinde Diplominformatiker promovierte auf dem Gebiet der Mensch-Computer-Interaktion. Er ist Vorsitzender der Mediengemeinschaft für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen e. V. (Medibus), vertritt Deutschland im Daisy Consortium und leitet verschiedene Arbeitsgruppen und Gremien in der Taskforce Barrierefreiheit des Deutschen Börsenvereins e. V. Ehrenamtlich engagiert er sich außerdem in der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe, u. a. als Präsidiumsmitglied des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV).

Anmerkungen

(1) https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__45a.html

(2) https://bildungsmedien.de/

(3) https://educheck.schule/

(4) https://www.vbs.eu/de/arbeitsgemeinschaften/bundesfachkommission/

(5) https://www.gesetze-im-internet.de/bgg/BGG.pdf

(6) https://www.uni-marburg.de/de/fb12/kooperationen/diffgeoana/math4vip

Bild: Thomas Kahlisch blickt am Rednerpult über den aufgeklappten Laptop hinweg ins Publikum. Er hat weißes Haar und trägt eine Brille. Hemd, Krawatte und Jackett sind in Blautönen abgestimmt. Foto: blista

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Cerebral Visual Impairment (CVI) - Neue Erkenntnisse aus Praxis und Forschung

Von Dr. Lydia Unterberger

Einführung

Sehstörungen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter, die ihren Ursprung in einer frühkindlichen Hirnschädigung, einer Hirnentwicklungsstörung oder anderen Pathologien des Zentralen Nervensystems haben, werden als Cerebral Visual Impairment (CVI) bzw. als visuelle Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (VVWS) bezeichnet. Im Folgenden wird die Abkürzung CVI verwendet.

Die Definition von CVI nach Irmgard Bals (2009), in Anlehnung an van Nieuwenhuizen (1987), hat auch heute noch Bestand. Sie definieren CVI als "Funktionsstörung der visuellen Wahrnehmung als Folge von Schädigungen des visuellen Systems hinter dem optischen Chiasma. CVI kann mit und ohne Sehbehinderung auftreten." Eine altersentsprechende Entwicklung der visuellen Wahrnehmung findet bei Betroffenen nicht statt.

Schätzungen der Prävalenz von CVI liegen laut einer Studie von Williams et al. (2021) bei bis zu 3% nach einer Erhebung in Regelgrundschulen in Großbritannien. Vergleichbare Studien fehlen für Deutschland bedauerlicherweise, dennoch ist von vergleichbaren Zahlen auszugehen und damit einer hohen Anzahl von Kindern und Jugendlichen, bei denen CVI nicht erkannt oder diagnostisch falsch eingeordnet wird.

CVI in der Forschung

Eine aktuelle Studie von Zihl, Lippenberger und Unterberger (2023) befasste sich mit charakteristischen neurokognitiven Profilen bei Kindern mit CVI. Hierfür wurde eine Gruppe mit der Diagnose CVI (n=94) mit einer Nicht-CVI-Gruppe (n=77) (jeweils 5-17 Jahre) verglichen. Die CVI-Gruppe zeigte signifikant mehr Auffälligkeiten in der visuellen Wahrnehmung (in verschiedenen Bereichen) als die Vergleichsgruppe. Interessanterweise charakterisierte die Nicht-CVI-Gruppe eine deutlich höhere Zahl an ADHS-Diagnosen mit und ohne peripher bedingte Sehstörungen, die im Alltag zu CVI-artigen Verhaltensweisen führten, ohne dadurch die Diagnose CVI zu rechtfertigen. Kognitiv unterschieden sich die beiden Gruppen nicht signifikant. Keine Zusammenhänge ergaben sich weiterhin zwischen Sehschärfe und den einzelnen visuellen Wahrnehmungsleistungen. Anamnese und Fragebögen stellen zwar eine wertvolle Ressource in der Eingangsdiagnostik dar, eine umfassende Untersuchung der visuellen Wahrnehmung ersetzen sie aber nicht.

Eine weitere Studie stammt von Schroeder (2023). Diese befasst sich mit der symptomatischen Überschneidung von CVI und Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Untersucht wurden 33 Kinder mit Eingangsdiagnose CVI und 33 Kinder mit Eingangsdiagnose ASS (jeweils 6 bis 14 Jahre). Durchgeführt wurde eine orthoptische Untersuchung, eine neuropsychologische Untersuchung der visuellen Wahrnehmung sowie eine klinische Diagnostik bzgl. ASS. Hierbei konnte gezeigt werden, dass bei 55% der Kinder mit ASS Beeinträchtigungen des peripheren Sehapparates bestanden, die in dieser Form bisher nicht bekannt gewesen waren (u.a. Visusminderungen). Weiterhin zeigten 45-67% der Kinder mit ASS Auffälligkeiten in der visuellen Wahrnehmung. Dies bezieht sich jedoch nur auf die Ergebnisse der Tests und ist nicht gleichbedeutend mit der Vergabe der Diagnose, da hierfür die Testwerte noch differenziert interpretiert werden müssen. Bei 15% der Kinder mit ASS war eine komorbide CVI bereits vorher bekannt gewesen. In der Gruppe der Kinder mit CVI fanden sich wiederum bei 39% Auffälligkeiten in den diagnostischen Verfahren zur ASS-Diagnostik. Dies war nur bei 9% der Gruppe vorab bekannt gewesen.

Die Ergebnisse zeigen eindrücklich die enge symptomatische Verbindung von CVI und dadurch die Wichtigkeit, ASS bei der CVI-Diagnostik als Differentialdiagnose und Komorbidität in Betracht zu ziehen.

Therapeutisch gibt es zahlreiche Ansätze, um bei CVI eine Verbesserung des funktionalen Sehens im Alltag zu ermöglichen. Delay et al. (2023) führten im Rahmen einer Überblicksarbeit eine systematische Literaturrecherche über das Vorhandensein von Therapiestudien zur Behandlung von CVI durch und identifizierten dabei 23 einschlägige Arbeiten. Davon bezogen sich 17 Studien auf die Bereiche Visuelle Stimulation, Sehstrategietraining und Umweltanpassung. Im Bereich der visuellen Stimulation konnte tägliche Stimulation mit anregenden visuellen Materialien mit einer Verbesserung der Aufmerksamkeit, der visuellen Neugierde und weniger Bedarf an Licht und Kontrast im Alltag in Verbindung gebracht werden. Sehstrategietrainings in den Bereichen Sehschärfe, Kontrastwahrnehmung, Greifmotorik, visuelle Aufmerksamkeit und visuelle Kommunikation ergaben vielversprechende Ergebnisse bzgl. ihrer Wirksamkeit, auch im Bereich der Komplex- und Mehrfachbehinderung. Auch mithilfe von Maßnahmen zur Umweltanpassung können Verbesserungen für Betroffene erreicht werden. So haben sich laut der identifizierten Studien das Entzerren und Ausdünnen visueller Reize, die Zuhilfenahme taktiler Reize und die Erhöhung von Kontrasten als positiv erwiesen. Hochwertige Therapiestudien, im Sinne randomisiert kontrollierter Studien, wie dies in der Psychotherapie und Medizin üblich ist, um die Wirksamkeit neuer therapeutischer Methoden oder Medikamente sowie deren Nebenwirkungen zu überprüfen, fehlen jedoch weiterhin nahezu vollständig.

CVI in der Praxis

Themen, die bei CVI in der Praxis weiterhin aktuell sind, sind v.a. die Störungsdefinition und -klassifikation, diagnostische und therapeutische Ansätze, wie auch die pädagogische Unterstützung von Kindern mit CVI. Auch die mangelnde Bekanntheit des Störungsbildes in einigen medizinischen Disziplinen und die äußerst geringe Zahl ambulant tätiger Neuropsychologen erschweren die Diagnosestellung und damit den Zugang zu notwendigen Therapien/Förderung und schulischer Unterstützung. Hinzu kommen seit wenigen Jahren nun aber auch vermehrt neue Fragestellungen im Kontext von CVI bzgl. des Übergangs ins Erwachsenenleben. Diese betreffen die Fahrtauglichkeit, geeignete Berufsbilder und Ausbildungslehrgänge, Anpassungen des Arbeitsplatzes sowie die Integrationsmöglichkeiten in den ersten Arbeitsmarkt. Da diese Fragen v.a. junge Erwachsene im Alter von über 18 Jahren betreffen, sind bei Bedarf an Unterstützungsmaßnahmen oft andere Kostenträger oder Entscheidungsstellen involviert als bei Minderjährigen mit CVI. Gerade die Übergänge gut zu begleiten, detaillierte Übergaben zu machen und ggf. Kostenträger aufzuklären, wird den pädagogischen Alltag mit CVI prägen.

Aktuell besteht Hoffnung auf eine Verbesserung der Versorgungssituation in den nächsten Jahren. Im Bereich der Augenheilkunde ist zunehmendes Interesse für die Thematik CVI zu beobachten, in der Orthoptik gibt es ein spezialisiertes Weiterbildungscurriculum des Berufsverbands Orthoptik e.V. und auch im Bereich der ambulanten Klinischen Neuropsychologie besteht Aussicht auf eine verbesserte Versorgung. Dank der Reform des Psychotherapeutengesetzes von 2019 und der Verabschiedung der Musterweiterbildungsordnung von 2021 werden zukünftig angehende Psychologinnen und Psychologen ihr Studium mit der Approbation abschließen können und eine mehrjährige Weiterbildung zur Fachpsychotherapeutin/ zum Fachpsychotherapeuten für Klinische Neuropsychologie absolvieren können, in deren Anschluss sie ambulant tätig werden können. Bisher war dies nur unter größtem Aufwand möglich.

In Bezug auf den diagnostischen Prozess lässt sich auf nationaler und internationaler Ebene feststellen, dass sich die multidisziplinäre Diagnostik durchgesetzt hat, die im klinischen Kontext im Mindesten die ophthalmologische, orthoptische und neuropsychologische Diagnostik umfasst und nach Bedarf durch die neuropädiatrische Diagnostik vervollständigt wird. Weiterhin ist für die Übertragung der medizinischen Diagnose in den Alltag die pädagogische Diagnostik äußerst wertvoll.

Dennoch bleiben die Herausforderungen in der Praxis hoch. Der 2022 in Kraft getretene ICD-11, der noch nicht in einer abschließenden Fassung vorliegt, wird die Diagnose CVI weiterhin nicht explizit enthalten, sodass auch weiterhin eine eineindeutige Kodierung und Diagnosekriterien fehlen werden.

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Gebiet CVI in stetiger Weiterentwicklung ist. Wesentliche Herausforderungen wie die fehlende Kodierung im ICD und das äußerst magere diagnostische und therapeutische Angebot konnten noch nicht gemeistert werden. Jedoch nimmt die Bekanntheit von CVI in der Gesellschaft zu und v.a. die Sehbehinderten- und Blindenpädagogik hat sich der Unterstützung betroffener Familien im (schulischen) Alltag angenommen, wodurch für Betroffene Anlaufstellen und Unterstützungsangebote etabliert werden konnten. In Bezug auf die Weiterbildung involvierter Berufsgruppen gibt es erfreuliche Fortschritte zu berichten, die zumindest in einigen Jahren die Versorgungssituation hoffentlich verbessern werden. Auch in der Forschung besteht weiterhin Interesse an CVI, sodass immer wieder neue, wichtige Erkenntnisse die Praxis bereichern. Dennoch wird es sicher noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis eine zufriedenstellende Versorgung Betroffener und Akzeptanz des Störungsbildes in der Gesellschaft, bei Kostenträgern und Behörden erreicht ist.

Zur Autorin

Dr. Lydia Unterberger ist Psychologische Psychotherapeutin (VT), Klinische Neuropsychologin (PTK Bayern), Diplom-Psychologin und MAS. Während ihrer Dissertation und darüber hinaus hat sie u.a. klinische Erfahrungen im Psychologischen Fachdienst des Sehbehinderten- und Blindenzentrum Südbayern gesammelt. 2017 gründete sie dort die Multidisziplinäre Beratungsstelle für visuelle Wahrnehmungsstörungen - Bayern (MB-CVI), die Ansprechpartnerin bei Diagnostik, Beratung, Förderung, Hilfsmittelberatung und die schulische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit visuellen Wahrnehmungsstörungen ist. Dr. Unterberger arbeitet in niedergelassener psychotherapeutischer Praxis für Verhaltenstherapie und Neuropsychologie in München. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Literatur

AWMF (2017). S2k-Leitlinie Visuelle Wahrnehmungsstörungen. Online abrufbar unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/022-020l_S2k_Visuelle-Wahrnehmungsstoerungen_2017-12-abgelaufen.pdf.

Bals, I. (2009). Zerebrale Sehstörungen: Begleitung von Kindern mit zerebraler Sehstörung in Kindergarten und Schule. Würzburg: Ed. Bentheim.

Delay, A., Rice, M., Bush, E., & Harpster, K. (2023). Interventions for children with cerebral visual impairment: A scoping review. Developmental Medicine & Child Neurology, 65(4), 469-478.

Schroeder, A. (2023). Gemeinsamkeiten von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen und Kindern mit visuellen Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis. 02/2023. S.80-85

Williams, C., Pease, A., Warnes, P., Harrison, S., Pilon, F., Hyvarinen, L., ... & Matharu, G. (2021). Cerebral visual impairment-related vision problems in primary school children: a cross-sectional survey. Developmental Medicine & Child Neurology, 63(6), 683-689.

Zihl, J., Lippenberger, M. & Unterberger, L. (2023). Visual and cognitive profiles in children with and without cerebral visual impairment. British Journal of Visual Impairment.

Bild: Dr. Lydia Unterberger hielt am 3. August 2023 in der Sporthalle der blista einen der beiden Hauptvorträge des Tages. Sie steht am Rednerpult, die Folie "Transition" wird im Hintergrund projiziert. Dr. Unterberger trägt einen hellen Blazer und ein Kleid mit großformatigen dezenten Blüten, sie hat braunes Haar, das über die Schultern fällt. Foto: blista

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Die Bedeutung des Themas Intersektionalität im Zusammenhang mit Sehbehinderung bzw. Blindheit

Von Barbara Levc

Einleitung

Behinderung, Geschlecht, Hautfarbe, ethnische bzw. kulturelle Zugehörigkeit, sozialökonomische Herkunft und sexuelle Orientierung werden oftmals als gesonderte Kategorien von Diversität dargestellt. Im Leben vieler Menschen wirken jedoch mehrere Zugehörigkeiten zu diesen Kategorien zusammen. Insbesondere benachteiligende Zuordnungen können einander bedingen oder verstärken. Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit leben und erleben in einer diversen Gesellschaft ebenso intersektionelle Zugehörigkeiten, die sich nicht selten in mehrfacher Benachteiligung auswirken. Da aber die Sehbehinderung oder Blindheit oftmals als primäre Eigenschaft wahrgenommen wird, besteht die Tendenz, weitere Diversitätsaspekte und deren Auswirkungen nicht oder nicht ausreichend wahrzunehmen, da deren Folgen der Behinderung zugeschrieben werden. Im Folgenden werden die Diversitätsbereiche Geschlecht, sozialökonomische Herkunft und Flucht- bzw. Migrationshintergrund im Zusammenhang mit Behinderung genauer betrachtet.

Begriffsklärung

Der Begriff Intersektionalität stammt von der US-amerikanischen Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw (1989), die in Bezug auf Diskriminierungserfahrungen schwarzer Frauen das Bild einer Straßenkreuzung (engl. Intersection) verwendet: Auf jeder der zur Kreuzung führenden Straßen, die hier für Geschlecht und Hautfarbe stehen, kann ein Unfall im Sinne von Diskriminierung passieren, am größten ist die Gefahr aber im Kreuzungsbereich. Das bedeutet, dass aus dem Zusammenwirken mehrerer Diversitätsaspekte spezifische Benachteiligungen oder Probleme entstehen, die nicht mit einem der vorhandenen Aspekte allein erklärt werden können (Kerner, 2010, 312).

Behinderungsaspekte im Zusammenhang mit Intersektionalität

Fügt man nun in das Bild der Straßenkreuzung Behinderung als eine "Straße" ein, so wird diese meist als "Hauptstraße" wahrgenommen, die sich mit unbedeutenden "Nebenwegen" schneidet. Tatsächlich stellen diese vermeintlichen Nebenwege aber eine deutliche Unfall/Diskriminierungsgefährdung dar.

Geschlecht

Ich bin mit Blindenlangstock in der einen und einem vollen Einkaufskorb in der anderen Hand kurz vor meiner Haustür. Plötzlich umfassen zwei Hände von hinten meine Taille. Ich drehe mich sehr energisch aus diesem Griff, und bekomme von dem Mann zu hören, dass er nur verhindern wollte, dass ich über eine Schwelle stolpere. Es erübrigt sich, hier alle anderen Möglichkeiten aufzuzählen, wie ich hätte gewarnt werden können, sofern die Gefahr überhaupt bestanden hat. Der Zusammenhang ist klar: Ein sexistischer Übergriff wird als Hilfeleistung verharmlost. Solche und oftmals viel drastischere Erfahrungen machen viele Frauen mit Behinderungen und wurden auch im Rahmen des Workshops beim VBS-Kongress 2023 mehrfach berichtet.

Während das Geschlecht allgemein in sozialen Situationen eine zentrale Rolle spielt, wird es bei Menschen mit Behinderung häufig ausgeblendet und die Behinderung zum alles dominierenden Merkmal stilisiert. Mädchen und Frauen mit Behinderung sind oft mit ambivalenten Erwartungen und Verhaltensweisen der Umwelt konfrontiert: Einerseits werden sog. weibliche Tugenden - Freundlichkeit, Geduld, sich zurücknehmen usw. - von ihnen erwartet, gleichzeitig wird die Betonung von Weiblichkeit im Aussehen vom Umfeld abgelehnt und es wird vermittelt, dass sie nie "ganz Frau" sein werden. Diese gesellschaftliche quasi Neutralisierung in Verbindung mit erwarteter Wehrlosigkeit und der Tatsache, in bestimmten Situationen auf Hilfe angewiesen zu sein, führt dazu, dass Frauen mit Behinderung zwei bis drei Mal häufiger von Gewalt betroffen sind als Frauen ohne Behinderung.

Bei Mädchen und Frauen mit Sehbehinderung oder Blindheit stellt die eingeschränkte Kontrolle über das eigene Aussehen und damit der Eindruck, der in einer optisch orientierten Umwelt gesetzt wird, eine spezifische Problematik dar: Eine Mitarbeiterin in der Berufseingliederung berichtete von deutlichen Unterschieden in der Unterstützung von jungen Männern und Frauen durch das familiäre Umfeld - vornehmlich der Mütter - in diesem Bereich. Während junge Männer immer attraktiv gekleidet zu Terminen erscheinen, muss sie bei jungen Frauen immer wieder eingreifen, damit die Kleidung - z.B. für einen Vorstellungstermin - altersgemäß und passend ist. Hier wirken geschlechtsspezifische Rollenerwartungen mit Behinderungsstereotypien zusammen. Mit einer beruflichen Karriere und einer "fürsorglichen" sehenden Partnerin entsprechen Männer mit Sehbehinderung oder Blindheit dem männlichen Rollenbild. Im Gegensatz dazu wird die erwartete weibliche Rolle in Partnerschaft und Familie Frauen mit Behinderung abgesprochen, gleichzeitig aber die Vorstellung der untergeordneten Bedeutung einer beruflichen Karriere für Frauen aufrechterhalten.

Die intersektionelle Benachteiligung von Frauen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland wurde 2021 durch eine Studie des SINUS-Institutes im Auftrag der Aktion Mensch deutlich: Nur 48% aller Frauen mit Behinderung sind berufstätig. Frauen mit Behinderung erhalten im Gruppenvergleich mit Frauen ohne Behinderung sowie Männern mit Behinderung den niedrigsten Lohn. Ihr monatliches Einkommen ist durchschnittlich um € 667,- geringer als das von Männern mit Behinderung. Frauen arbeiten generell häufiger in Teilzeit als Männer. Mit 37% weisen Frauen mit Behinderung den höchsten Anteil an Teilzeitarbeit der verglichenen Gruppen auf (SINUS-Institut 2021).

Daraus folgt, dass Frauen mit Behinderung ein besonders hohes Armutsrisiko haben.

In Österreich sind die Werte in etwa gleich, und hier hat die geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Behinderung auch Auswirkungen auf den Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen und Hilfsmitteln, der teilweise an die Berufstätigkeit gebunden ist.

Sozial-ökonomischer Status

So fügt sich dem Bild der Kreuzung eine zusätzliche Straße hinzu - der sozialökonomische Status.

Zahlen aus Österreich bestätigen Behinderung als Faktor für sozialökonomische Benachteiligung:

Das durchschnittliche Einkommen eines Haushaltes mit einem Mitglied mit Behinderung liegt inklusive behinderungsbezogener Sozialleistungen 12% unter dem allgemeinen durchschnittlichen Haushaltseinkommen. 19% aller Menschen mit Behinderung sind armutsgefährdet, d.h. ihr Haushaltseinkommen liegt mehr als 60% unter dem Einkommen eines Haushaltes gleicher Größe.

Umgekehrt gibt es einen nachweislichen Zusammenhang zwischen sozialökonomischer Benachteiligung und dem gehäuften Auftreten von Behinderungen bei Kindern. So kamen z.B. laut einer Erhebung bei der Einschulung im Bundesland Brandenburg 1998 Kinder mit hoher Behinderungsgefährdung zehn Mal häufiger, Kinder mit zerebralen Bewegungsbeeinträchtigungen drei Mal häufiger aus Familien mit niedrigem sozialökonomischen Status.

Die Gründe dafür sind vielfältig und beginnen oft schon vor der Geburt: Schlechterer Zugang zu medizinischer Versorgung führt zu häufigeren Frühgeburten, Komplikationen vor, während oder nach der Geburt und einem generell geringeren Geburtsgewicht bei Kindern. Weiters besteht die Gefahr, dass sich gesundheitliche Probleme aufgrund schlechterer Versorgung manifestieren und zu dauerhaften Beeinträchtigungen werden oder bei vorhandenen Behinderungen keine adäquate Versorgung und Förderung in der frühen Kindheit verfügbar ist. Die dauernde Belastung, der Eltern in unsicheren sozialökonomischen Verhältnissen ausgesetzt sind, führt häufig dazu, dass neben dem materiellen Mangel auch die emotionalen Ressourcen für kindliche Bedürfnisse fehlen, was wiederum zu psychischen und Verhaltensproblemen der Kinder führt.

Flucht- und Migrationshintergrund

Und nun kreuzt eine weitere Straße unser Bild. Familien mit Flucht- oder Migrationshintergrund sind überdurchschnittlich häufig von Armut bzw. sozialökonomischer Benachteiligung betroffen. Lebt nun z.B. ein Kind mit Sehbehinderung oder Blindheit in einer betroffenen Familie oder eine Person mit Sehbeeinträchtigung flüchtet nach Deutschland oder Österreich, so ergeben sich noch zusätzliche potenziell benachteiligende Faktoren:

Sprachliche Barrieren in der Kommunikation mit Medizin, Behörden, Institutionen, Pädagog*innen führen zu Verunsicherung und fehlenden Informationen über Angebote und Möglichkeiten der Unterstützung. Ein unsicherer Aufenthaltsstatus schränkt den Zugang zu behinderungsbezogenen Unterstützungsleistungen ein, und offener oder indirekter Rassismus bei Behörden und Institutionen bewirkt eine generelle Scheu, sich an diese zu wenden. 

Vorurteile und Stereotype insbesondere gegenüber Menschen muslimischer Religionszugehörigkeit werden auch gegenüber Menschen mit Behinderung bzw. deren Angehörigen wirksam. Im Bereich der Behindertenhilfe und Sonderpädagogik wird stark auf kulturelle Differenzen zwischen zugewanderten und "alteingesessenen" Familien fokussiert und hier wiederum besonders auf eine angeblich spezifische (negative) Haltung zu Behinderung in der muslimischen Religion.

Dieses Othering bewirkt, dass die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund bzw. deren Familien Unterstützungsleistungen weniger in Anspruch nehmen oder im pädagogischen Setting nicht erwartungskonform kooperieren, allein mit deren ethnisch-kulturellem Hintergrund begründet wird. Es wird die Vorstellung einer quasi Selbstdiskriminierung konstruiert, die den Betroffenen die Verantwortung zuschiebt und strukturelle und institutionelle Barrieren ausblendet (Amirpur, 2015).

Diese und andere Faktoren führen zu vielfältigen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund:

In Deutschland wurden nach einer Erhebung 2014 Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Migrationshintergrund bis zu vier Mal häufiger in Förderschulen (Sonderschulen) verwiesen als Kinder mit SPF ohne Migrationshintergrund. Letztere profitieren überwiegend von der Inklusion, während Schüler*innen mit SPF und Migrationshintergrund mehrheitlich zu den Bildungsverlierer*innen zählen.

Umgekehrt erhalten wesentlich weniger Personen mit Behinderung und Migrationshintergrund den Status schwerbehindert und die damit verbundenen Förderungen. (Jochmaring, 2016)

Fazit

Die lebhafte Diskussion der hier beschriebenen und anderer Faktoren intersektioneller Benachteiligung von Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit im Workshop beim VBS-Kongress 2023 machte deutlich, dass eine Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für diese Themen für alle im Feld beruflich tätigen Personen wichtig und hilfreich ist. Gleichzeitig müssen vor allem junge Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit dabei unterstützt werden, ihre Position und Betroffenheit im gesamten Diversitätsspektrum zu reflektieren, damit sie Erfahrungen entsprechend einordnen und selbstbewusst in der Gesellschaft vertreten können, dass sie viel mehr sind als "nur behindert".

Zur Autorin

Barbara Levc lebt und arbeitet in Graz (Österreich) und unterrichtet hier an der Pädagogischen Hochschule Steiermark die Themen Diversität und Inklusion sowie im Fach Inklusive Pädagogik zu Themen im Bereich Sehbehinderung/Blindheit. Außerdem leitet sie an der Universität Graz die Servicestelle für Studierende mit Behinderung. Sie hat auch selbst in Graz Erziehungswissenschaft studiert und sich bereits in ihrer Diplomarbeit mit einem intersektionellen Thema beschäftigt, und diesem Feld gilt auch heute noch ihr Hauptinteresse.

Bild: Portraitfoto von Barbara Levc im Freien. Sie hat langes dunkles Haar, dunkle Augen und lacht freundlich. Zum türkisfarbenen Shirt trägt sie eine helle Jacke und eine Halskette. Foto: privat

VBS-Kongress in Marburg - und der DVBS war mittendrin!

Von Werner Wörder und Elias Knell

In der ersten Augustwoche fand der 37. VBS-Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in Marburg statt. Unsere positiven Eindrücke sind äußerst nachhaltig, haben wir uns doch sehr darüber gefreut, dass zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren Weg in die selbsternannte "Hauptstadt der Blinden" fanden. Auch wir - Werner Wörder als Erster Vorsitzender und Elias Knell als Geschäftsführer des DVBS - sowie viele DVBS-Mitglieder nahmen am Kongress auf dem blista-Campus teil. Wir konnten die Arbeit unserer Selbsthilfeorganisation aktiv darstellen, z. B. mit einem Infotisch, an dem uns Mario Rademacher und Dörte Severin von der DVBS-Fachgruppe "Erziehung und Wissenschaft" unterstützt haben. Die Gespräche und Materialien kamen bei den Pädagoginnen und Pädagogen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum gut an.

Auch die beiden DVBS-Vorträge am Donnerstag waren sehr gut besucht und fanden großen Anklang. Thema war die "Berufliche Teilhabe im Wandel: Ergebnisse des Projekts agnes@work". Hier referierten Christian Axnick (in Vertretung des Projektleiters Herbert Rüb) zusammen mit Oliver Nadig (blista, bis Mai 2023 agnes-Projektmitarbeiter) zu den Vor- und Nachteilen der digitalisierten Arbeitswelt für blinde und sehbehinderte Menschen und den differenzierten Weiterbildungsbedarfen.

Zeitgleich hielten Sabrina Schmitz (2. Vorsitzende des DVBS) und ich (Werner Wörder) einen rund 40-minütigen Vortrag. Wir beide sind hauptberuflich Lehrer*in und engagieren uns ehrenamtlich unter anderem in der DVBS-Fachgruppe Erziehung und Wissenschaft - einer Fachgruppe, die sich bereits seit vielen Jahren für die Beschäftigung sehgeschädigter Pädagoginnen und Pädagogen im Förder- und Regelschulbereich einsetzt und sich mit dem Thema Inklusion beschäftigt. In unserem Vortrag "Lehrkräfte in der Inklusion - Sind sehbeeinträchtigte Lehrer*innen eine Chance?" konnten wir daher nicht nur unsere eigenen Erfahrungen aus dem Schulalltag eines blinden Gymnasiallehrers und einer blinden Lehrerin für Förderpädagogik einfließen lassen. Aus dem Feedback wurde deutlich, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer sensibilisiert waren, dass sie einige ermutigende Antworten mit nach Hause nahmen und zunächst über eine Zoom-Konferenz der DVBS-Fachgruppe Erziehung und Wissenschaft im Gespräch bleiben wollen.

Der VBS-Kongress war eine äußerst abwechslungsreiche und anregende Veranstaltung, bei der selbst das verregnete Sommerfest in der Wochenmitte niemandem die Stimmung trüben konnte. Er hat uns wieder einmal gezeigt, wieviel positive Energie durch das gemeinsame Ziel, die Chancen blinder und sehbehinderter Menschen zu verbessern, und durch die Freiheit, auch kontrovers diskutieren zu können, entsteht. Diesen Geist lohnt es, weiter zu tragen.

Weiterführende Informationen

  • Sabrina Schmitz und Werner Wörder berichten im Podcast des DBSV über ihre Erfahrungen als Lehrerin und Lehrer. Die Podcast-Ausgabe trägt den Titel "Man braucht eine gewisse Resilienz" und ist hier zu hören: https://www.dbsv.org/sichtweisen-podcast.html
  • In der Zeitschrift "Sichtweisen", Ausgabe 6/2023, ist anlässlich des Vortrags der beiden ("Lehrkräfte in der Inklusion - Sind sehbeeinträchtigte Lehrer*innen eine Chance?") ein Bericht von Ute Stephanie Mansion erschienen. Ihr Beitrag ist als Leseprobe ebenfalls unter der oben angegebenen Internetseite zu hören bzw. zu lesen

Bild: Mittwoch, 10:30 bis 16:30 Uhr: DVBS-Geschäftsführer Elias Knell (li) und 1. Vorsitzender Werner Wörder (re) präsentieren den DVBS im Rahmen der Hilfsmittel-Ausstellung am Infostand. Sie stehen vor einem Rollup mit großem DVBS-Logo und lächeln. Foto: DVBS

Bild: Infomaterial auf dem DVBS-Infotisch: Der Handlungsleitfaden "Beratung zur beruflichen Weiterbildung und Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen", die beiden Quick Guides "Barrierefreie Word-Dokumente" und "Barrierefreie PowerPoint-Folien" sowie DVBS-Speichersticks und Süßigkeiten. Foto: DVBS

Bild: Sabrina Schmitz, 2. Vorsitzende des DVBS, hielt zusammen mit Werner Wörder einen Vortrag über Lehrkräfte in der Inklusion. Foto: privat

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Recht

"Inklusiver Arbeitsmarkt"

Von Dr. Michael Richter (1)

Erst kürzlich wurde vom Bundestag und Bundesrat das sogenannte "Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes" (Bundestag-Drucksache 20/5664, Bundestag-Drucksache 20/6442) beschlossen. Es tritt am 01.01.2024 in Kraft. Das Ziel ergibt sich aus dem Namen und es beinhaltet im Wesentlichen Regelungen zur Änderung insbesondere einiger Förderregularien des SGB IX. Die wichtigsten sind:

1. Die sogenannte Ausgleichsabgabe wird erhöht

Zukünftig wird für Arbeitgeber ab 60 Beschäftigte, die keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, eine sogenannte "vierte Staffel" bei der Ausgleichsabgabe eingeführt. Für solche Arbeitgeber heißt das, dass sich ihre künftige Ausgleichsabgabe ab dem 01.01.2024 erhöht. Quasi im Gegenzug entfällt jedoch die Möglichkeit zur Ahndung eines Verstoßes gegen die Beschäftigungspflicht im Rahmen eines zusätzlichen Bußgeldes.

2. Konzentration der Mittel der Ausgleichsabgabe

Die Möglichkeit, Mittel aus der Ausgleichsabgabe auch für zum Beispiel Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), das heißt für Maßnahmen außerhalb der Förderung der Beschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt zu verwenden, wird zukünftig ausgeschlossen.

3. Einführung einer Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes

Schwerbehinderte Menschen haben unter anderem Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz. Künftig wird eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von sechs Wochen gelten. Das bedeutet, dass ein Integrationsamt spätestens innerhalb von sechs Wochen über einen eingegangenen Antrag (zum Beispiel für Arbeitsassistenz) entschieden haben muss! Andernfalls gilt der Antrag als genehmigt. Dies soll den zeitnahen Abschluss des Bewilligungsverfahrens der Integrationsämter und, insbesondere mit Blick auf übliche Probezeiten, die Arbeitsfähigkeit von neu eingestellten schwerbehinderten Beschäftigten sicherstellen.

4. Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit

Ziel des Budgets für Arbeit ist es, durch die Kombination aus finanzieller Unterstützung an den Arbeitgeber und kontinuierlicher personeller Unterstützung am Arbeitsplatz, sozialversicherte Arbeitsmöglichkeiten auf dem "Ersten Arbeitsmarkt" für Menschen mit Behinderungen - anstatt einer Werkstattunterbringung - zu ermöglichen. Bisher ist der beim Budget für Arbeit zu erstattende Lohnkostenzuschuss auf 40 Prozent des regelmäßigen Arbeitsentgelts begrenzt. Durch die Abschaffung der Deckelung wird sichergestellt, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns in 2023 auf 12 Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss gewährt werden kann.

5. Neue Zusammensetzung des Sachverständigenbeirates versorgungsmedizinische Begutachtung

Um Betroffene als Expert*innen in eigener Sache besser bei der Arbeit des "Ärztlichen Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin" zu berücksichtigen, wird dieser zu einem "Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische Begutachtung" weiterentwickelt. Die Verbände für Menschen mit Behinderungen, die Länder sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) können zukünftig je sieben Mitglieder benennen. Die Partizipation behinderter Menschen in Entscheidungsprozessen wird so deutlich gestärkt.

Die vorgestellten Neuregelungen entsprechen ausnahmslos langjährigen Forderungen behinderter Menschen. Von besonderer praktischer Relevanz für unseren Personenkreis dürfte jedoch die Einführung einer zukünftigen Genehmigungsfiktion für Leistungen des Inklusionsamtes sein. Denn diese begründet die Hoffnung auf deutlich kürzere Bearbeitungszeiten, z.B. der Anträge auf eine selbstorganisierte Arbeitsassistenz, und bietet für den Fall der Nichteinhaltung immerhin die Möglichkeit, dass der Antragssteller in Vorleistung tritt und damit seine Arbeitsfähigkeit herstellen kann, ohne den Verlust seines Anspruchs fürchten zu müssen.

6. Das Gesetz in Kürze

  • Erhöhung der Ausgleichsabgabezahlung gem. § 160 SGB IX
  • Begrenzung der Mittelverwendung gem. § 216 SGB IX
  • Genehmigungsfiktion gem. § 185 Absatz 9 SGB IX
  • Erhöhung der Pauschale für das Budget für Arbeit gem. § 161 SGB IX
  • Neuregelung des Sachverständigenbeirates gem. § 153a SGB IX

Rat und Hilfe

Der Autor ist Geschäftsführer der rbm Rechte behinderter Menschen gGmbH, der Rechtsberatungsgesellschaft des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV). Die rbm bietet Hilfe bei Fragen zum Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts. Kontakt:

rbm gemeinnützige GmbH
Rechte behinderter Menschen
Biegenstraße 22
35037 Marburg
Internet: https://www.rbm-rechtsberatung.de/

Anmerkung

(1) Aus: Infobrief: Unterstützung für die erfolgreiche Interessenvertretung sehbeeinträchtigter Menschen Nr. 1/2023, Juli 2023 (siehe www.agnes-at-work.de/aktuelles/infobriefe/sbv-infobrief-1-2023/). zurück

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Kommentar zum "Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes": Ambitioniertes Gesetz mit eingebauter Bremse

Von Christian Axnick (1)

Am 13. Juni 2023 wurde das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts verkündet, das am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Vorgesehen sind unter anderem die Einführung einer vierten Staffel bei der Ausgleichsabgabe und die Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Daneben findet sich in Artikel 2 eine unscheinbare Formulierung, mit der die Möglichkeit, ein Bußgeld im Falle vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen zu verhängen, abgeschafft wird.

Unscheinbare Änderungen können weitreichende Folgen haben. Das lässt bereits die Begründung für diese Streichung befürchten:

"Wenn die Arbeitgeber, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, künftig eine erhöhte Ausgleichsabgabe zahlen müssen, hält es die Regierung für nicht mehr angemessen, die Nichtbeschäftigung zusätzlich mit einem Bußgeld zu sanktionieren."

Das ist eine Vermischung zweier grundsätzlich verschiedener Dinge: Das Bußgeld ist eine Sanktion - etwas, das die Ausgleichsabgabe gerade nicht ist.

Wenn die Sanktion gestrichen wird, weil die Ausgleichsabgabe steigt, wird dem - oft gewollten - Missverständnis Vorschub geleistet, wonach die Zahlung der Ausgleichsabgabe von der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen befreie.

Der Versuch, die bisherige Durchführung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens wirkungsvoll zu gestalten, wurde unterlassen. Statt wie bisher die Bundesagentur für Arbeit mit dieser Aufgabe zu betrauen, wäre sie besser beim Zoll angesiedelt worden. Erst wenn auf diese Weise Erfahrungen gesammelt worden wären, hätte man beurteilen können, ob die Bußgeldregelung tatsächlich so nutzlos ist, wie behauptet wurde - oder nicht vielmehr bei angemessener Durchführung Wirkung zeigt.

Es mag zunächst nicht auffallen, aber die so begründete Streichung der Bußgeldregelung legitimiert das Missverständnis vom Freikauf von der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen durch die Ausgleichsabgabe. Das wird den inklusiven Arbeitsmarkt gerade nicht fördern.

Woran liegt es, dass wir trotz des Engagements einzelner Unternehmen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in diesem Bereich mit einem strukturellen Stillstand konfrontiert sind? Möglicherweise spielen unscheinbare Klauseln wie diese dabei eine Rolle.

Anmerkung

(1) Der Autor ist Mitarbeiter des DVBS-Projekts agnes@work. Der Text stammt aus: Infobrief: Unterstützung für die erfolgreiche Interessenvertretung sehbeeinträchtigter Menschen Nr. 1/2023, Juli 2023 (siehe https://www.agnes-at-work.de/aktuelles/infobriefe/sbv-infobrief-1-2023/). Das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes wurde im Bundesgesetzblatt Nr. 146 vom 13.06.2023 veröffentlicht, siehe https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/146/VO.html zurück

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Berichte und Schilderungen

Den Horizont erweitern: Die Arbeit in der Jury des Hörspielpreises der Kriegsblinden - Preis für Radiokunst

Von Nina Odenius

Im Frühjahr 2020 klingelte mein Telefon. Es war die Zeit des ersten Corona-Lockdown. In meiner Ausbildung zur Journalistin war ich gerade dabei, einen Artikel zu schreiben über die Auswirkungen der Corona-Pandemie für blinde und sehbehinderte Menschen. Im Zuge dieses Artikels telefonierte ich mit Klaus Hahn, dem damaligen DBSV-Präsidenten. Wir unterhielten uns lange über die neue Situation und die Herausforderungen, vor die uns die Corona-Pandemie und der Lockdown stellten. Am Ende des Telefonats fragte mich Klaus Hahn: "Kennst Du eigentlich den Hörspielpreis der Kriegsblinden für Radiokunst?" "Nein, den kenne ich nicht", antwortete ich und war zugegebenermaßen etwas überrascht. Klaus Hahn erzählte mir, dass der DBSV vor kurzem erst die Trägerschaft des Hörspielpreises vom Bund der Kriegsblinden übernommen hatte. Der zweite Träger des Hörspielpreises ist die Film- und Medienstiftung NRW. Ob ich nicht Lust hätte, in der Jury dieses Preises mitzuwirken? Na klar.

Neugier und netzwerken

Hörspiele haben in meiner Kindheit schon eine wichtige Rolle gespielt und eine solche Juryarbeit ist bestimmt interessant, dachte ich mir. Vor allem kann man dadurch viele neue Kontakte knüpfen. Ich freute mich auf die neue Aufgabe.

Zum Jahreswechsel 2020/21 bekam ich dann über 20 Hörspiele zugesendet, die bis zur Sitzung im Mai gehört werden wollten. Dazu gehörten Hörspiele aus den verschiedensten Genres. Durch die Hörspiele konnte ich in ganz verschiedene, mir teilweise unbekannte Welten eintauchen.

Meine erste Jurysitzung fand im Mai 2021 wegen Corona online statt. Der Jury gehören im Regelfall sieben Teilnehmer*innen mit Seheinschränkung und sieben Teilnehmer*innen ohne Seheinschränkung an. Die sehenden Teilnehmer*innen sind meist Journalist*innen, Kulturwissenschaftler*innen oder Vertreter*innen aus anderen kulturellen Bereichen. In den 1950er Jahren war der Hörspielpreis unter anderem ins Leben gerufen worden, um durch den Krieg erblindete Menschen sichtbar zu machen und ihnen durch die Juryarbeit gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Für mich war die Juryarbeit eine ganz neue Erfahrung, und es machte mir Spaß, während der Jurysitzung über die so ganz unterschiedlichen Stücke zu diskutieren.

In den Folgejahren führten uns die Jurysitzungen in verschiedene Medienhäuser. Online war nun vorbei und ab 2022 konnte man wieder in Präsenz tagen. Im Frühjahr 2022 ging es zum RBB nach Berlin und dieses Jahr zum WDR nach Köln.

Die Jury im Wandel

In diesem Jahr vollzog sich ein Wandel in unserer Jury. Einige Jurymitglieder gingen neue Wege und andere kamen hinzu. Die Jury verjüngte sich enorm. Ein weiteres Novum ist, dass die Jurymitglieder mit Seheinschränkung nun auch beruflich mit Hörspielen zu tun haben. So auch Martin Weigert. Der 36-Jährige aus Nürnberg war dieses Jahr zum ersten Mal dabei. Er ist gelernter Musikpädagoge und Audio Engineer. Seit anderthalb Jahren arbeitet er beim Blindenhilfsmittelhersteller Inventivio und ist dort für das Sounddesign und die Präsentation des Tactonom Reader sowie die Entwicklung von Lerninhalten verantwortlich. "Ich habe vom Hörspielpreis eher zufällig erfahren", berichtet Martin Weigert. "Bei einer Hilfsmittelvorstellung kamen wir durch Zufall über den Hörspielpreis ins Gespräch, und man fragte mich, ob ich mit meiner Expertise nicht Lust hätte, in der Jury mitzuwirken." Auch Martin ist Hörspielfan. Das Radiohörspiel hat er für sich als neues Genre entdeckt.

Offen für Neues

Martin war sehr gespannt auf seine erste Jurysitzung dieses Jahr in Köln. "Ich freute mich darauf, die anderen Jurymitglieder zu treffen. Das Klima in der Jury war angenehm und herzlich", erzählt er. "Die Diskussion während der Sitzung habe ich als intensiv und niveauvoll empfunden. Die Argumente wurden sachlich ausgetauscht und der Umgang untereinander war respektvoll."

Die Preisverleihung

Das Highlight der Juryarbeit ist natürlich in jedem Jahr die Preisverleihung, die im Funkhaus Köln des Deutschlandradios stattfand. In diesem Jahr gehörte zu den Nominierten das Hörspiel "Mixing memory and desire" von Werner Fritsch, das sich mit dessen Kindheit in den 1960er Jahren in der katholisch geprägten Oberpfalz befasst. Außerdem war das Hörspiel "K.I.T.A. - das Menschenmögliche" von Antje Vauh und Carina Pesch nominiert, das die Möglichkeiten und Schrecken von künstlicher Intelligenz in der Kindererziehung aufzeigt. Der Preisträger, das Hörspiel "Entgrenzgänger II" von Robert Schoen, entführt uns auf eine Reise in den Nordkaukasus, genauer gesagt in die russische Stadt Tscherkessk, wo der Ukrainekrieg so nah und zugleich doch so fern ist.

"Ich habe die Preisverleihung als sehr lebendige Veranstaltung empfunden", erzählt Martin Weigert. "Ich bin mit den Nominierten und dem Preisträger ins Gespräch gekommen und fand es interessant, die Autor*innen einmal live zu erleben. Auch kam ich mit einigen Hörspielsprecher*innen ins Gespräch. Das persönliche Gespräch über die Hörspiele fasziniert mich am meisten."

Das Netzwerken zahlt sich auch hier aus. Denn bei der Preisverleihung sind nicht nur die Nominierten Autor*innen zugegen, sondern auch viele Medienvertreter*innen aus ganz unterschiedlichen Bereichen.

Wünsche für die Zukunft

Martin und mir werden in den kommenden Jahren noch einige Jurysitzungen und Preisverleihungen bevorstehen. Wir freuen uns auf die nächsten Jahre und sind gespannt, wie sich das Medium Hörspiel weiterentwickeln wird. Wir würden uns wünschen, dass der Hörspielpreis der Kriegsblinden - Preis für Radiokunst noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhält und sein Bekanntheitsgrad dadurch gesteigert wird. "Ich fände es schön, wenn in Zukunft zu den Preisverleihungen nicht nur die nominierten Autor*innen eingeladen würden, sondern auch verstärkt die Sprecher*innen", sagt Martin Weigert. "Die Sprecher*innen sind es, die dem Hörspiel eine Stimme verleihen und Leben einhauchen. Diese Stimme sollte zukünftig mehr gehört werden."

Falls Sie noch mehr über den Hörspielpreis der Kriegsblinden erfahren und in die Hörspiele reinhören möchten, besuchen Sie die Internetseite www.hoerspielpreis.info.

Bilder: Jury-Mitglieder Martin Weigert (li) und Nina Odenius (re): Martin Weigert hat kurzes schwarzes Haar und trägt eine schmale getönte Brille. Nina Odenius hat schulterlanges blondes Haar, sie lächelt. Fotos: privat

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Zeitenwende - vom Leben nach der blista

Von Tulga Leonardo Demirel, Abitur 2017

One-Way-Ticket von der Wiege zur Grundschule

Wegen meines Albinismus bin ich bereits mit einem Visus von 20/100 zur Welt gekommen. Nachdem ein Arzt meine Eltern über Albinismus aufgeklärt hatte, konkretisierten sich ihre vagen Pläne, nach Deutschland auszuwandern. Fünfeinhalb Jahre später, im Jahr 2002, sollten sie diesen Gedanken in die Tat umsetzen.

Da war ich nun, kaum dass ich meine eigene Muttersprache gelernt hatte, in einem für mich unbekannten Land, dessen Sprache ich nicht verstand. Auch die deutsche Kultur war mir fremd. Nach einem halben Jahr in einem Kindergarten wurde ich an der Severin-Schule in Köln, einer Förderschule mit Schwerpunkt Sehen, fast komplett ohne Deutschkenntnisse eingeschult. Ein Jahr später schrieb ich aber schon die besten Diktate in meiner Klasse, und heutzutage wendet man sich auf der Arbeit in meinem Kollegenkreis bei wichtigen E-Mails zwecks Korrekturlesens an mich.

Meine Zeit an der blista und der Weg dorthin

Von der blista erfuhr ich in der vierten Klasse der Grundschule. Ich besuchte die dortige Orientierungswoche im Frühjahr 2008, und wenige Wochen später war es so weit, mein erster Abend im blista-Internat als Schüler der Carl-Strehl-Schule. "Ab heute nur noch neun Jahre bis zum Abitur", dachte ich mir damals.

Was mich in der ersten Zeit an der blista erstaunt hat, war das große außerschulische Angebot, z.B. Musik AG, Umwelt AG, Rudern mit Partnerschulen, Theater, freie Werkstatt AG, "Faxen-AG", bei der ich u.a. Jonglieren mit Devil-Sticks gelernt habe, und die Judo-AG, bei der nicht nur Schüler*innen mitmachten, die sich fit halten wollten, sondern auch viele Schüler*innen, so auch ich, die bei nationalen und internationalen Meisterschaften um Medaillen kämpften. Außerdem fuhren wir auf so einige Klassenfahrten. Auch gab es an der blista ein Schwimmbad und eine Reitanlage. Wer aktiv sein wollte, dem stand also ein abwechslungsreiches Angebot zur Verfügung.

Die letzten Jahre an der blista bis zum Abschluss

Eines Tages wacht man auf und merkt, dass die neun Jahre fast schon vorüber sind. Damit man nicht komplett orientierungslos aus der (Blindenstudien-)"Anstalt entlassen" wird, finden für die älteren Schüler*innen, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, die sogenannten BOSS-Tage statt, bei denen unter anderem auch ehemalige blista-Schüler*innen über ihre Erfahrungen in Studium, Ausbildung und Beruf berichten, um den "Noch-Blistaner*innen" dabei zu helfen, eigene Ideen für die Zeit danach zu entwickeln. 

Ein Schlüssel-Moment für mich war, als mich während der BOSS-Tage ein ehemaliger blista-Schüler fragte, was ich studieren möchte. Ich war mir damals noch unsicher und antwortete: "Ich kann mich nicht zwischen BWL und Informatik entscheiden, denn ich mag diese beiden Themen, jedoch befürchte ich, für sich allein sind mir beide zu einseitig." "Dann studiere doch Wirtschaftsinformatik", schlug er mir vor. Ich wusste bis dahin nicht, dass es diesen Studiengang überhaupt gibt, und sein Vorschlag hat mir nicht nur gefallen, sondern auch geholfen. Auch über duale Studiengänge machte ich mir in dieser Zeit Gedanken. Während meiner Schulzeit absolvierte ich Praktika in IT-Unternehmen, hauptsächlich in meiner Geburtsstadt Istanbul, und ein weiteres an einer Hochschule in der Nähe des Wohnortes meiner Eltern und sammelte so erste Arbeitserfahrungen. Schnell stellte ich fest, dass mich meine Sehbehinderung weniger beeinträchtigt als erwartet, da ich alles mit der vorinstallierten Vergrößerungssoftware bedienen konnte. Diese Erkenntnis bestärkte mich in meiner Entscheidung, ein duales Studium anzutreten.

Nachdem ich einige Anschreiben versandt hatte, wurde ich zu Bewerbungsgesprächen eingeladen, jedoch haben letzten Endes alle Firmen abgesagt. Ich gehe davon aus, dass meine Sehbehinderung dabei nicht die entscheidende Rolle gespielt haben kann, denn ich wurde ja eingeladen, obwohl ich sie in meinen Anschreiben erwähnt hatte und es diesbezüglich kaum Nachfragen gab.

Die BWI GmbH, die mir am Tag nach meinem persönlichen Gespräch abgesagt hatte, lud mich jedoch drei Monate später erneut zu einem Bewerbungsgespräch für dasselbe duale Studium, allerdings in einer anderen Abteilung, ein. Beim zweiten Mal war ich bereits mit der BWI GmbH vertraut und mittlerweile auch ganz allgemein sicherer in meinem Auftreten in Bewerbungsgesprächen. Tatsächlich erhielt ich kurz darauf eine Zusage für das duale Studium B.Sc. Wirtschaftsinformatik mit Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration. Einige Zeit später hielt ich dann endlich mein Abiturzeugnis mit einem Schnitt von 2,4 in den Händen.

Firmengebäude BWI

Zur Einordnung: Die BWI GmbH ist das IT-Systemhaus der Bundeswehr. Von 2006 bis 2016 hat sie im Rahmen des HERKULES-Projektes die IT der Bundeswehr von Grund auf modernisiert und betreibt sie seitdem. Seit 2017 ist der Bund alleiniger Gesellschafter. Während es 2017 noch 2500 Mitarbeiter*innen waren, beschäftigt die BWI GmbH heute mehr als 7000 Menschen.

Meine ersten Tage bei der BWI

Da ich zum 01.08.2017 eingestellt wurde und die erste Theoriephase des dualen Studiums erst wenige Wochen später anfing, hatte ich zunächst Zeit, das Unternehmen und die Abteilung kennenzulernen. Leider stellte sich kurz vor meinem Start bei der BWI GmbH heraus, dass ich in der ersten August-Woche einen wichtigen Judo-Wettkampf hatte, die Europameisterschaften der Sehbehinderten. Ich musste also, noch bevor ich eine Minute gearbeitet hatte, bereits Urlaub beantragen. Die Ausbildungsleiterin genehmigte mir den Urlaub unter der Auflage, einen Intranet-Artikel über den Wettkampf zu verfassen, was dazu führte, dass mich viele Kolleg*innen gleich in den ersten Wochen "kennengelernt" haben und somit auch frühzeitig über meine Sehbehinderung Bescheid wussten.

Duales Studium - Alles neu

Die ersten Semester sind immer die schwierigsten. Es ist alles - wirklich alles - anders und neu, so als wäre man in einem Zeugenschutzprogramm, nur den Namen und das Geburtsdatum darf man behalten.

Plötzlich ist man in einer komplett anderen Stadt, von der man nur wenige Ecken kennt.

Plötzlich ist man mit komplett fremden Personen, die man vorher noch nie gesehen oder gekannt hat, in Studienveranstaltungen.

Plötzlich ist man in einer komplett anderen Wohnung und muss einkaufen, kochen, reinigen, Müll rausbringen, sich um den restlichen Haushalt kümmern und Rechnungen, Gebühren und Miete zahlen.

Plötzlich muss man arbeiten und Geld verdienen.

Plötzlich muss man alles selbst organisieren.

Plötzlich muss man sich entscheiden zwischen Sozialleben oder ausreichend Schlaf.

Das oben Genannte muss man alles nebenbei machen, denn hauptsächlich hat man zu studieren, man muss lernen, wie zuvor in der Schule, aber jetzt ungefähr zehnmal so viel. Durch die Sehbehinderung benötigt man für alles stets mehr Zeit. Es gibt zwar einen gewissen "Nachteilsausgleich", z.B. bei Klausuren eine 50-prozentige Schreibzeitverlängerung, und man darf am Notebook schreiben, aber das ist definitiv kein Vorteil, sondern - wie der Name bereits sagt - ein minimaler Ausgleich für den großen Nachteil einer Sehbehinderung. Insgesamt kam ich aber gut zurecht, da ich alle Unterlagen sowie Bücher digital erhielt und in vielen Veranstaltungen und Kursen sowieso an Computern gearbeitet wurde, auf die der Bildschirminhalt des Dozenten übertragen werden konnte.

Aber auch das gab es: Es häuften sich "Bemerkungen" eines Kommilitonen, der sich wiederholt über meinen "Vorteil" bei Klausuren beklagte, obwohl ich ihm die Bedeutung des "Nachteilsausgleichs" mehrmals erläuterte. Irgendwann war ich so geladen und erzürnt, dass ich ihm mit drastischen Worten anbot, ihm die gleichen "Vorteile" zu verschaffen. Er wollte sein Auge aber lieber behalten und hat sich anschließend bei mir entschuldigt. Solche Kommiliton*innen bildeten glücklicherweise die Ausnahme. Mit allen anderen habe ich mich gut verstanden, und sie waren sehr interessiert, die Dinge aus meiner Sicht zu erleben. Beispielsweise haben viele meine Tafelkamera ausprobiert und nutzten sie sogar selber, wenn sie etwas an der Tafel nicht lesen konnten.

Die Wohnungen für uns Studierende, die bei diesem Studiengang gestellt wurden, worüber ich grundsätzlich sehr dankbar bin, waren im Vergleich zu den blista-Wohngruppen eher Notunterkünfte. Für jede Theoriephase in Paderborn (je 4 bis 5 Monate), die auf Praxisphasen in Bonn (je 1 bis 2 Monate), bei denen ich im Elternhaus wohnte, folgte, bekam ich eine andere Wohnung zugewiesen, und die Bewohnerschaft wurde neu gemischt. Daher konnten wir uns nie wirklich einleben. Außerdem gab es im Vergleich zur blista keine Reinigungskraft, kein Klavier wie in einigen blista-WGs, keine Waschmaschine, keinen Trockner, keine Mikrowelle, keine halbwegs schöne Küche, nur die allernötigsten Möbel. Somit entstand auch nur schwer eine wohnliche Umgebung. Durch Kochabende mit anderen WGs in der Nähe, mit den richtigen Mitbewohner*innen und einem Kicker-Tisch, den wir gemeinsam angeschafft hatten, verflog aber das Unwohlsein mit der Zeit.

2020 bis heute

Die IHK-Abschlussprüfung für die Ausbildung habe ich 2020 absolviert, d.h. das Studium war ab dann kein ausbildungsbegleitendes Studium mehr, sondern seitdem ein berufsbegleitendes - mit entsprechendem Gehalt einer Vollzeitstelle als IT Systems Engineer, so steht es auch im Ausbildungsvertrag: Das Arbeitsverhältnis beginnt "mit dem Bestehen der Abschlussprüfung". Mit dem neuen Gehalt habe ich mir mein erstes Haus - mit guter Verkehrsanbindung zu meinem Arbeitsplatz - finanziert, in das ich auch direkt eingezogen bin. Meine Sehbehinderung war bei der Baufinanzierung überraschenderweise ein Vorteil: Die Bank wertet das Sehbehindertengeld oder Blindengeld als absolut sicheres Einkommen, zieht von den persönlichen Ausgaben die ausbleibenden Ausgaben für einen Pkw oder ein ÖPNV-Ticket ab und berücksichtigt den Kündigungsschutz, den man als schwerbehinderter Arbeitnehmer beim Arbeitgeber hat. Da mein Arbeitgeber zu 100 Prozent dem Bund gehört, hat man mich bei der Bonitätsprüfung, obwohl ich klargestellt habe, dass das eigentlich nicht stimmt, als Beamten gewertet. "Ach das passt so, ist ja fast das Gleiche", antwortete der Bankberater mir zu meinem Erstaunen.

Die Regelstudienzeit war nach 3,5 Jahren, also Ende 2020, eigentlich vorbei, aber bei mir zieht es sich noch etwas bis zum Bachelor - wie gesagt, es dauert eben alles etwas länger mit einer Sehbehinderung. Die Umstellung auf Online-Unterricht seit 2020 war für mich sehr vorteilhaft, da ich jetzt keine Tafelkamera mehr schleppen und auch nicht mehr den Weg zu den Veranstaltungen auf mich nehmen musste. In der jetzigen Phase des Studiums muss ich hauptsächlich nur noch zu Prüfungen vor Ort erscheinen, da ich alle Pflichtveranstaltungen während der Regelstudienzeit abgehakt habe, d.h. "studieren" besteht für mich nur noch aus Klausurvorbereitungen, Klausuren und Hausarbeiten schreiben, und wenn es nötig ist, nehme ich mir kurz vor den Klausuren auch schon einmal Urlaub. Auch wenn ich etwas langsamer vorankomme, so ist dieses Studium neben dem Beruf deutlich entspannter.

Zu meiner Tätigkeit: Unser Team kümmert sich um den Aufbau und störungsfreien Betrieb der Webapplikationen innerhalb der Bundeswehr. So bauen wir aktuell Lernplattformen für die einzelnen Streitkräfte auf, führen regelmäßig Sicherheitsupdates durch, automatisieren solche wiederkehrenden Prozesse, um Wartungsfenster zu optimieren, und dokumentieren schließlich unsere Tätigkeiten, damit sie auch später für alle nachvollziehbar bleiben.

Bei meiner Arbeit stört es fast nie, dass ich eine Sehbehinderung habe, denn ich arbeite die meiste Zeit von zuhause aus an einem großen Bildschirm mit Schwenkarm. Nur ab und an stellen Dienstreisen eine Herausforderung dar, da man ungewohnte Wege zurücklegen muss, die manchmal nicht barrierefrei sind, aber die Kolleg*innen sind stets hilfsbereit.

Ausblick

Nach dem Bachelor, den ich voraussichtlich bis spätestens Februar 2025 absolvieren werde, möchte ich ein Master-Studium aufnehmen, und auch wenn sie dann schon einige Jährchen her sein wird, werde ich mich immer wieder gerne an meine blista-Zeit zurückerinnern.

Bild: blista-Alumnus Tulga Leonardo Demirel hat sich für ein duales Studium B.Sc. Wirtschaftsinformatik mit Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration entschieden. Er hat dunkle Augen, sein Haar und Dreitagebart sind weiß. Auf dem Portraitfoto im Außenbereich trägt er ein dunkelblaues Poloshirt. Foto: privat

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Aus der Arbeit des DVBS

DVBS: Verein mit Zukunft: Geschäftsführung steht für mehr Transparenz

Elias Knell ist seit dem 1. Juli 2023 Geschäftsführer des DVBS. In horus 3/2023 stellte er sich kurz den Lesern vor, in dieser Ausgabe gibt er im Interview mit Peter Beck Auskunft über seine Arbeit und den Verein.

Beck: Beim Rundfunk, von dem ich beruflich herkomme, gab es gelegentlich die Frage: "Was macht eigentlich ein Sendeleiter"; und meist wurde darauf mit der Gegenfrage geantwortet "Was macht eigentlich ein Zitronenfalter". Drum frage ich Sie: Was macht eigentlich ein Geschäftsführer den ganzen Tag?

Knell: Das ist irgendwo zwischen Entscheider und Mädchen für alles. Ich versuche meine Rolle so zu interpretieren, dass ich für das Ehrenamt und die Vereinsmitglieder alle Prozesse und Organisationsfragen im Hintergrund löse und mit den Mitarbeitern organisiere. Dann können sich die Mitglieder auf das konzentrieren, warum sie im Verein sind, nämlich um ihre eigenen Interessen zu artikulieren, gemeinsam zu finden und sich auf einem Weg zu einer barrierefreien Gesellschaft gemeinsam zu organisieren und ihre Interessen dann auch durchzusetzen.

Was heißt das in der Tagespraxis?

Das heißt in der Tagespraxis zum Beispiel heute, dass ich mich mit dem Rundfunk-Beitragsservice auseinandersetze, ob wir als Verein nicht weniger Rundfunkbeitrag bezahlen können. Insgesamt geht das von den großen Themen wie Personalführung, Kontakte mit der Berufsgenossenschaft, bis zur Buchhaltung, dem Jahresabschluss und der Kommunikation mit dem Steuerbüro.

Was hat Sie denn gereizt, vom Landeswohlfahrtsverband zu einem relativ kleinen Verein zu wechseln?

Tatsächlich war die Größe ausschlaggebend, weil es für den Einzelnen in einer so großen Organisation schwierig ist, etwas umzusetzen. Und diese behördliche und schwerfällige Struktur wollte ich in meinem Arbeitsumfeld nicht mehr haben und habe deshalb nach was Kleinerem gesucht, wo ich selbst in Verantwortung gehen kann und flexibler bin - das war eine ganz bewusste Entscheidung.

Wo steht der DVBS gerade: Wie viele Mitglieder hat er, wie ist die Altersstruktur und wie verteilt sich das auf die Fachdisziplinen?

Derzeit hat der DVBS rund 1350 Mitglieder. Davon sind etwa 700 berufstätig, 200 im Ruhestand, 200 im Studium oder in einer Ausbildung und rund 100 arbeitssuchend. Bei den Bezirksgruppen sind die größten Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Was vielleicht auch noch interessant ist: Rund 700 Mitglieder sind blind, 400 sind hochgradig sehbehindert, 200 sind sehbehindert. Neben der Regionalstruktur gibt es verschiedene Interessen-, Fach- und Projektgruppen, in denen man sich organisieren kann. Zum Beispiel "Soziale Berufe und Psychologie", "Jura" und Naturwissenschaft. Erst jüngst hat die Fachgruppe MINT sich mit barrierefreien Computerspielen auseinandergesetzt.

Sie sind jetzt (beim Erscheinen des Interviews) fünf Monate beim DVBS, wo steht der Verein heute?

Ich denke, dass der Verein eine gute Zukunft hat; und ich denke, dass, wenn das Interview erscheint, wir einige Prozesse, die in der Vergangenheit nicht gut gelaufen sind, abgeschlossen haben und dass wir uns nach und nach wieder auf den Weg machen können, eine gut laufende Geschäftsstelle zu haben, die dann auch die Vereinsaktivitäten noch besser unterstützt. Das ist das Ziel, das ich derzeit vor Augen habe.

Als normales Mitglied ist mir aufgefallen, dass es im Verein rumpelt. Es wurde aber nie richtig klar, was los ist, und ich hatte den Eindruck, wer viel fragt, bekommt umso weniger Antworten.

Da ich erst kurz dabei bin, kann ich mich mangels Kenntnis nicht so klar äußern, wie's in der Vergangenheit im Verein war, ich kann aber sagen, dass wir einige Hausaufgaben zu machen haben.

Und konkreter möchten Sie da nicht werden?

Zum Beispiel die Frage der Einziehung der Mitgliedsbeiträge, die wir für 2023 noch nicht gemacht haben, und die wir gerade finalisieren.

Und da gab es unklare Betriebsabläufe, oder was ist schiefgelaufen?

Ich denke, es war ein Mix aus Personalfluktuation, Corona und ungeklärten Zuständigkeiten und der Wechsel des Steuerbüros. Es ist also nicht das eine Problem, das dazu geführt hat.

Haben Sie vor, die Arbeit des Vereins, was Vorstand und Geschäftsführung betrifft, für die Mitglieder transparenter und nachvollziehbarer zu machen, oder ist das nicht auf Ihrer Agenda?

Doch, auf jeden Fall. Als Mitglied in Vereinen und als Vorstand in anderen Vereinen weiß ich, wie wichtig es ist, mit den Mitgliedern zu kommunizieren und auch Angebote für die Mitglieder zu schaffen, so dass jetzt eins der vordringlichen Projekte ist, die Webseite des Vereins neu aufzusetzen, eine Informations- und Kommunikationsplattform für die Mitglieder anzubieten, die auch zeitgemäß ist.

Was ist daran nicht zeitgemäß?

Zum Beispiel die Art, wie wir auf der Seite Spenden einwerben.

Wie sehen Sie die Aufgaben des Vereins in den nächsten fünf Jahren?

Wir sollten die guten Aktivitäten beibehalten und ausbauen, wir sollten insbesondere im Bereich der barrierefreien Webseiten unsere Kompetenzen stärken, das wird für Unternehmen und damit Arbeitgeber in den nächsten Jahren zunehmend interessant, hier sollten wir die Beratungsleistung für Mitglieder und Berufstätige ausweiten. Ich persönlich würde mir wünschen, dass sich der DVBS in den nächsten fünf Jahren wieder öfter politisch Gehör verschafft.

Was macht der Verein im Augenblick außer agnes@work?

Der Verein lebt natürlich in seinen Bezirksgruppen und Fachgruppen, darüber hinaus läuft das TriTeam Mentoringprogramm, was auch in jedem Fall fortgesetzt werden soll, und sonst ist das agnes-Projekt in seiner Schlussphase, da sichern wir gerade die Ergebnisse, damit sie im Verein weiter angeboten werden können. Weiterhin sind wir dabei, die BITV-Prüfungen im Angebot des Vereins zu halten.

Was ist bei agnes konkret herausgekommen?

Gut handhabbar und vorzeigbar sind die beiden Quick Guides, wie man barrierefreie Word-Dokumente und PowerPoint-Folien erstellt. In den wenigen Monaten, in denen ich dabei bin, habe ich da viel positive Resonanz erhalten, sowohl beim VBS-Kongress in Marburg als auch wenn ich die Dokumente an Privatleute weitergereicht habe. Ein Quick Guide zu Excel und eine Handreichung zu barrierefreiem PDF sind in Arbeit, möglicherweise sind sie schon verfügbar, wenn unser Interview erscheint. Außerdem sind Handreichungen zur Weiterbildungsberatung und E-Learning-Module entstanden. Dabei wird eine Reihe von Themen im Bereich der Barrierefreiheit behandelt.

Stehen die auf Ihrer Seite?

Die stehen auf der Website agnes-at-work.de und werden natürlich auch nach Projektende noch zur Verfügung stehen.

Sehen Sie den DVBS als politischen Lobbyisten?

Politischer Lobbyist hat so eine negative Konnotation. Ich sehe die Aufgabe der Geschäftsführung darin, den Vorstand zu unterstützen, sich politisch artikulieren zu können. Am Ende geht es ja um Fragen der Gesetzgebung, die neben einer sozialen und gesellschaftlichen Sensibilisierung auch relevant sind. Ein Beispiel sind die Landesblindengelder, bei denen es für einen Selbsthilfeverein angemessen ist, sich in politischen Netzwerken zu artikulieren. Da sehe ich mich aber nicht als Person im Vordergrund, da bin ich eher Zuarbeiter.

Funktioniert das von Marburg aus gut, Berlin ist weit?

Das halte ich für kein Hindernis. Erstens ist Berlin gut zu erreichen und zweitens sind wir eine Bundesrepublik und keine Zentralrepublik, und viele andere Interessenverbände haben ihre Geschäftsstellen auch verteilt. Aber natürlich muss man dann auch in Berlin mal präsent sein bei Veranstaltungen oder Gesprächen.

Ist es noch zeitgemäß, in Berlin mit verschiedenen Stimmen zu sprechen, oder sollte die politische Arbeit mit dem DBSV zusammengelegt werden?

Ich würde grundsätzlich sagen, dass es sinnvoll ist, mit verschiedenen Stimmen zu sprechen. Die Verbändelandschaft in Deutschland ist korporativ geprägt. Es macht gar nichts, wenn zwei, drei oder mehr Verbände das gleiche Thema ansprechen; das erhöht nur die Schlagkraft im Thema. Es ist sinnvoll, sich abzustimmen, das macht man ja mit dem DBSV und mit anderen Verbänden auch, so dass man da die gute Kooperation beibehalten sollte.

Nennen Sie mir bitte fünf Gründe, warum ein Unentschlossener in den DVBS eintreten sollte.

  1. Man trifft auf Gleichgesinnte.
  2. Man kann vom Erfahrungsschatz der verschiedenen Mitglieder profitieren.
  3. Man kann ein breites Netzwerk entwickeln.
  4. Es gibt sehr spannende Informationen.
  5. Es lohnt sich immer, sich im Ehrenamt zu engagieren. Das bringt einen nicht nur persönlich weiter, sondern ist auch für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wichtig.

Bild: DVBS-Geschäftsführer Elias Knell lächelt offen. Er hat braune Augen und blondes Haar und trägt zum hellblauen Hemd einen braungrünen Sakko. Im Hintergrund stehen Sträucher im Herbstlaub. Foto: DVBS

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Auf dem Weg in den Job: TriTeam - Das DVBS-Mentoringprojekt für blinde und sehbehinderte Menschen in Ausbildung, Studium und Beruf

Von Sabine Hahn

Wenn Sie eine Ausbildung absolvieren, studieren oder bereits berufstätig sind, kennen Sie die Situation: Plötzlich gibt es Barrieren oder Fallstricke, mit denen Sie nicht gerechnet haben. Oft tauchen dann Fragen auf, z. B. "Wie kann ich die Herausforderung lösen?" oder "Was ist noch möglich, wenn ich mich überfordert fühle, wenn Zweifel an meinen Zukunftsplänen größer werden und meine Motivation sinkt?" Hier bietet das DVBS-Mentoring-Projekt "TriTeam" praktische Unterstützung an. Zusammen mit einer sachkundigen Mentorin oder einem Mentor und den Erfahrungen anderer Betroffener lassen sich Hürden leichter überwinden und es können Weichen für die berufliche Zukunft gestellt werden. Wird ergänzendes Know-how benötigt, können Mentee und Mentor*in die Unterstützung eines zusätzlichen Fach-Coaches in Anspruch nehmen - sei es zu Fragen der Hilfsmittelbeschaffung, zu fachlichen Fragen, zum Umgang mit der Sehbehinderung oder zur Vermittlung von beruflichen Informationen, Hospitationen und Kontakten.

"Wir möchten Ihnen Gelegenheit geben, von den Erfahrungen anderer blinder und sehbehinderter Menschen zu profitieren, aber auch Tipps geben, die Ihnen beispielsweise das Studium erleichtern können", erklärt Rita Schroll, Projektleiterin des Mentoring-Programms. An TriTeam nehmen jährlich etwa zehn blinde und sehbehinderte Studierende, Auszubildende und Abiturient*innen aus ganz Deutschland teil. Wer momentan arbeitssuchend ist oder Mentoring im Beruf benötigt, ist bei TriTeam ebenfalls willkommen. Vor der Aufnahme ins Programm steht ein Auswahlverfahren, zu dem neben der schriftlichen Bewerbung auch ein Telefoninterview gehört. "So stelle ich je nach Studienrichtung oder Berufsorientierung die Teams möglichst passgenau zusammen", sagt Rita Schroll. Anschließend tauschen sich die Mentoring-Teams regelmäßig per Telefon oder Mail aus, auch persönliche Treffen sind möglich.

Momentan läuft das TriTeam-Programm 2023 mit ausgezeichneter Resonanz. Daher ist für 2024 eine weitere Runde beabsichtigt, die vorbehaltlich der Förderung der Willy Robert Pitzer-Stiftung stattfinden kann.

Möchten Sie als Schüler*in, Auszubildende*r, Studierende*r, Arbeitssuchende*r oder bereits Berufstätige*r Teil eines TriTeams werden, senden Sie am besten schon jetzt eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten einschließlich Telefonnummer, dem Studienfach oder Ausbildungsgang sowie den Studien- bzw. Berufsperspektiven und den Zielen, die Sie im Mentoringprojekt umsetzen möchten, an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Bewerben können sich auch sehbehinderte und blinde Menschen, die nicht DVBS-Mitglied sind.

Die Teilnahme an TriTeam ist kostenlos. Aktuelle Informationen gibt es zeitnah unter https://dvbs-online.de/index.php/projekte/triteam

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Seminare

Von Christian Axnick

Bisher sind folgende Seminare in der Planung:

Fachgruppe Musik

  • Tagung des Notennetzwerks, 26. - 28. Januar 2024 in Bad Soden-Salmünster.
    Das Notennetzwerk ist ein fachgruppenübergreifender Verbund von Musiker*innen, Lehrer*innen und Bibliotheken. Beim jährlichen Treffen geht es um neu zu produzierende Musikalien und alle relevanten Aspekte rund um die Erhaltung und Verbreitung der Braillenotenschrift.
  • "Voneinander lernen - miteinander musizieren", 7. - 9. Juni 2024 in Hannover.
    Während des Seminars soll unter anderem auch sehenden Musikpädagog*innen die Arbeit mit der Braille-Notenschrift vermittelt werden.

Interessengruppe Digitale Barrierefreiheit

Workshop, 17. - 18. Februar 2024 in Marburg

Ein Wochenende mit Themen aus den Bereichen der rechtlichen Grundlagen und der technischen Standards der Barrierefreiheit.

Kontakt

Aktuelle Termine unserer Seminare, Telefonchats und Treffen finden Sie auf https://dvbs-online.de/index.php/aktuelles/termine.

Christian Axnick
DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-28
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Rechtzeitig daran denken: Beitragsermäßigung für 2024 beantragen!

Von Sabine Hahn

Eine ganz wesentliche finanzielle Säule unserer Selbsthilfearbeit ist der Beitrag, den jedes Mitglied jährlich bezahlt. Die Höhe wird von der Mitgliederversammlung festgelegt und beträgt zurzeit 132 Euro. In bestimmten Fällen kann der Beitrag auf 66 Euro ermäßigt werden. Der ermäßigte Beitrag ist etwa für Mitglieder, die sich in der Ausbildung befinden oder studieren, arbeitsuchend sind oder im Ausland leben, für ein Kalenderjahr möglich - sofern ein formloser Antrag gestellt wird. Über Ermäßigungsanträge in Härtefällen entscheidet der Vorstand. Und es gibt einen Bonus für Mitglieder, die miteinander verheiratet sind: Eine*r von ihnen kann ebenfalls die ermäßigte Gebühr beantragen - wer, entscheidet das Paar selbst.

Ganz gleich, welcher der aufgezählten Gründe auf Sie zutrifft: Bitte denken Sie daran, Ihren Antrag für 2024 schriftlich (per Mail, Fax oder Brief) bis spätestens zum 28. Februar 2024 an die Geschäftsstelle zu senden!

Kontakt

DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Aus der blista

Digitalisierung, inklusive Bildung, Barrierefreiheit ...: Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger zu Besuch auf dem blistaCampus

90 Minuten nahmen sich Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger und die Marburger FDP-Landtagsabgeordnete Lisa Deißler am Freitag, dem 04.08.2023, Zeit, um die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) kennenzulernen.

Wie sieht chancengleicher Chemieunterricht für blinde, sehbehinderte, hörsehbehinderte und sehende Schüler*innen aus? Schulleiter Peter Audretsch stellte das Konzept des Lernens mit allen Sinnen vor, das alle Schüler*innen der Carl-Strehl-Schule (CSS) in die Lage versetzt, selbst aktiv zu experimentieren. Das komme bei den jungen Leuten so gut an, dass der Leistungskurs Chemie inzwischen zu den beliebtesten Kursangeboten in der Oberstufe zähle, erklärte Peter Audretsch.

Wie lassen sich die großen, neuen, digitalen Tafeln für den Unterricht blinder und sehbehinderter Schüler*innen nutzen? Chancengleiches digitales Lernen an der CSS stellte Englischlehrer Jens Flach vor. Die an der blista eigens aufgesetzte Software verknüpft die visuellen Informationen der digitalen "Whiteboards" mit den Schülerlaptops und Braillezeilen. Auf die Frage der Bundesministerin nach den Erfahrungen beim Homeschooling während der Pandemie dankte Patrick Temmesfeld für die tolle Unterstützung aus dem DigitalPakt Schule. Die Online-Plattform der blista biete vielfältige Möglichkeiten des kollaborativen Lernens von- und miteinander. Die digitale Lerninfrastruktur unterstütze zudem auch dabei, den inklusiven Unterricht bedarfsgerecht und individuell zu gestalten.

Nicht zuletzt erkundigten sich Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger und Landtagsabgeordnete Lisa Deißler beim blista-Vorstand über den Stand beim Thema der digitalen Barrierefreiheit. Im Hinblick auf E-Books gehe es an der blista dabei zum Beispiel um die Zugänglichkeit von Schulbüchern. Auch für den Übergang in Studium, Beruf und Karriere sei barrierefreie Anwendungssoftware eine grundlegende Voraussetzung, führte Patrick Temmesfeld aus.

Ressortleiter Otfrid Altfeld erläuterte dies anhand der Ausbildungsangebote im blista-Zentrum für berufliche Bildung (ZBB) und der Kooperationen im Bereich Forschung und Entwicklung. Engagiert wird im ZBB daran gearbeitet, die Chancen für Menschen mit Sinneseinschränkungen bei neuen Entwicklungen von Anfang an im Blick zu halten. Von diesem "konsequenten Konzept des Empowerments" zeigten sich beide Politikerinnen abschließend besonders beeindruckt.

Bild: Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (3. v.l.) und FDP-Landtagsabgeordnete Lisa Deißler (2. v.l.) während eines Rundgangs über den blistaCampus unter dem Dach des Infopunktes. Sie werden vom Leiter des blista-Ressorts "focus arbeit" Otfrid Altfeld (l.) sowie dem blista-Vorstandsvorsitzenden Patrick Temmesfeld (r.) begleitet, die vier lächeln. Foto: blista

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Wir sind blista: bunt, stark, individuell ...

Eine lebendige Auseinandersetzung mit unserem Slogan "#wirsindblista" war Thema in der Projektwoche 2023.

Unter der Regie der Fachschaft Kunst haben sich Schüler*innen der beiden blista-Schulen, der Carl-Strehl- und der Montessori-Schule Marburg, im Juli mit viel Kreativität auf einen besonders spannenden Weg gemacht. Sie wollten herausfinden, was unsere Gemeinschaft hier auf dem Campus ausmacht. Dazu haben sie viele eigene Gedanken entwickelt und andere befragt: Schüler*innen, Azubis, Klient*innen, Ehrenamtliche, Alumni und Mitarbeiter*innen.

Die Antworten wurden digital gesammelt, weitere beim Rundgang über den Campus persönlich erhoben und als Sounddatei aufgenommen. Daraus entstand zum einen das Bild einer bunten Wortwolke, die die Begriffe und Assoziationen mit viel Kreativität visualisiert. Zum anderen sind einige der persönlichen Antworten als Sounddatei zu hören. Als buntes Plakat in der Größe 3,3 x 5 m bekleidet das Bild nun die Containeraußenwand zum Pausenhof und führt via QR-Code zur einschlägigen Internetseite www.blista.de/wirsindblista.

Den Kunstlehrerinnen ein herzliches DANKESCHÖN! Milena Hristova und Anja Wenzel haben ein tolles Projekt entworfen. Demzufolge bleibt es spannend, denn das Projekt ist noch nicht zu Ende. Es soll fortgeschrieben und weiterentwickelt werden.

Ein zweites ganz herzliches DANKESCHÖN geht an Firmenchef Heiko Reinhardt, dessen Spende die Umsetzung des Projekts möglich machte.

Bild: Plakat mit einer bunten Wortwolke zum Thema "Was uns ausmacht". Zu den teilweise in Braillepunkten aufgeführten Stichworten gehören etwa "Gemeinschaft", "besonders", "Zweite Heimat", "Möglichmacher", "bunt" und "individuell". Foto: blista

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Bücher

Hörbuchtipps aus der blista

Von Thorsten Büchner

Hörbücher aus der DBH

Sven Stricker: Sörensen sieht Land

Rowohlt, Hamburg, 2023. Buch-Nr.: 1598641, Spielzeit: 836 Minuten.

In Katenbüll gibt es nicht viel zu feiern. Umso schlimmer als ausgerechnet das Jubiläumsfest des Einkaufszentrums ein jähes, gewaltsames Ende nimmt: Ein Auto rast in die Menschenmenge. Es gehört einem alten Bekannten von Sörensen - dem Ex-Praktikanten und Kriminalkommissaranwärter Malte Schuster. Sörensen hat Zweifel an der vermeintlich klaren Lage des Falls - und viele Fragen. Wieder einmal begibt er sich in düstere Gefilde.

Thilo Bode: Der Supermarktkompass. Informiert einkaufen, was wir essen

Fischer, Frankfurt am Main, 2023. Buch-Nr.: 1587291, Spielzeit: 575 Minuten.

Wir alle gehen in den Supermarkt. Doch zwischen Preissteigerungen und dem Wunsch nach guten Lebensmitteln gleicht der Wocheneinkauf einem Blindflug: Billig ist nicht schlecht, teuer ist nicht gut. Unverständliche Zutatenlisten, undurchsichtige Qualitätsversprechen und fehlende Informationen verhindern, dass wir als Kunden unsere Wahlfreiheit ausüben können. In seinem Buch nimmt Thilo Bode uns darum mit auf einen aufklärerischen Gang durch den Supermarkt. Verständlich und übersichtlich unterzieht er die wichtigsten Lebensmittel von der Frische- bis zur Tiefkühltheke - Obst, Gemüse, Fleisch, Backwaren, Milchprodukte und mehr - einem radikalen Qualitätscheck. Und er beschreibt, was passieren muss, damit Supermärkte die Erwartungen der Verbraucher nach Transparenz und Qualität erfüllen.

Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml

C.H. Beck, München, 2023. Buch-Nr.: 1588121, Spielzeit: 494 Minuten.

Man nennt ihn den "Magier des Kreml". Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwunden ist, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts dem Ich-Erzähler dieses Buches, der seit Langem in Moskauer Archiven forscht, seine Geschichte anvertraut ...

Carsten Gansel: Kind einer schwierigen Zeit. Otfried Preußlers frühe Jahre

Kiepenheuer und Witsch, Köln, 2022. Buch-Nr.: 1570091, Spielzeit: 1089 Minuten.

Otfried Preußler war ein deutscher Junge wie viele. Außer, dass er mit 17 anfing zu schreiben. Er kam mit 19 Jahren an die Ostfront und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Dort rettete er sich - nicht zuletzt - durch das Schreiben. Was er dort erlebte, wie ihn diese Zeit prägte und welche Kämpfe Otfried Preußler mit sich selbst ausfocht, erzählt Carsten Gansel anhand aufsehenerregender Archivfunde und autobiografischer Texte. Carsten Gansel zeigt, auf welche Weise seine Eltern und die böhmische Landschaft mit ihren Mythen, Sagen und Legenden, und wie Krieg und Gefangenschaft Otfried Preußler prägten und in spätere Werke wie etwa Krabat eingingen. Bei der biografischen Spurensuche hat er zahlreiche Dokumente aus schwer zugänglichen russischen Archiven aufgespürt und gänzlich unbekannte Texte von Otfried Preußler zutage gefördert. Auch Teile eines Jahrzehnte später entstandenen Autobiografie-Projektes und eines unveröffentlichten Romanvorhabens liefern neben unbekannten Gedichten, Briefen, Notizen, Berichten ein eindrucksvolles Bild eines Autors, der wie viele andere seiner Generation auf existenzielle Weise in die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts geriet und seinen eigenen Weg fand.

Hörbücher zum Schwerpunktthema "Schlaglichter zum VBS-Kongress"

Raúl Aguayo-Krauthausen: Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden

Rowohlt, Hamburg, 2023. Buch-Nr.: 1597931, Spielzeit: 351 Minuten.

Raúl Krauthausen ist der bekannteste Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit und die lauteste Stimme in Deutschland, wenn es um die Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderung geht. "Betrachten Sie Behinderung einfach als eine Eigenschaft wie die Haarfarbe", ist eine seiner zentralen Botschaften, und er kämpft auf allen Plattformen analog und digital - für Sichtbarkeit und gegen Diskriminierung. In seinem Hörbuch wirft er grundlegende und oft unangenehme Fragen zur Inklusion in Deutschland auf, bringt seine Hörerinnen und Hörer dazu, sich mit ihrem eigenen Ableismus auseinanderzusetzen, und entwickelt eine Idee davon, wie Inklusion auf allen Ebenen wirklich zu leben ist.

Christina de Stefano: Kinder als Lehrer. Das Leben der Maria Montessori

BTB Verlag, München, 2021. Buch-Nr.: 1494031, Spielzeit: 647 Minuten.

Wer war Maria Montessori (1870 bis 1952) wirklich? Ihre Methode, das Kind in den Mittelpunkt seiner eigenen Erziehung zu stellen, hat die Pädagogik revolutioniert. So unkonventionell wie ihr Ansatz war auch ihr eigenes Leben. Als Schülerin lehnt sie sich gegen das Schulsystem auf, studiert in einer Zeit, in der Frauen an der Universität eine Seltenheit sind, Medizin. Sie kämpft für Frauenrechte und beginnt in einer Nervenheilanstalt, nie dagewesene Lernkonzepte für Kinder zu entwickeln. Ihre pädagogische Methode macht innerhalb weniger Jahre in der gesamten Welt Schule.

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Buchcover "Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden" mit Aufkleber "SPIEGEL-Bestseller": Portraitfoto von Raúl Krauthausen vor gelbem Hintergrund.

Buchcover "Kinder als Lehrer. Das Leben der Maria Montessori" mit zwei Fotos in Schwarz/Weiss: Im oberen Drittel das Gesicht von Maria Montessori, im unteren Drittel ein Raum mit spielenden Kindern, die auf dem Boden oder an Tischen sitzen.

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Aus der Braille-Druckerei:
Kinder- und Jugendbücher - nicht nur zur Weihnachtszeit

Von Wencke Gemril und Jochen Schäfer

Ein spannendes Jahr geht zu Ende, und bald soll wieder Weihnachten werden - vielleicht ja mit Kinder- und Jugendbüchern aus Marburg unterm Baum. Wir präsentieren sie Euch in dieser Ausgabe, und dabei geht's spannend, phantastisch und magisch zu; lasst Euch also überraschen. Wir beginnen mit bekannten Lebewesen, von denen es auch in diesem Jahr wieder was Neues gibt.

Margit Auer: Die Schule der magischen Tiere, Bd. 14: Ach du Schreck!

Carlsen, Hamburg, 2023. 3 Bände in reformierter Kurz- und Vollschrift, Bestell-Nr. 6339.

In der Wintersteinschule spukt es! Mitten in der Nacht kracht, klappert und krawummst es in den Gängen und Klassenzimmern. Der Hausmeister zittert vor Schreck und Kater Karajan maunzt leise: "Mondiö!" Und dann sorgt auch noch das Halloween-Fest für Aufregung. Die Kinder aus Miss Cornfields Klasse helfen gemeinsam mit ihren magischen Gefährten beim Schmücken und Vorbereiten und tuscheln: "Wer bekommt wohl als Nächstes ein magisches Tier?" Na, wollt Ihr's auch wissen? Dann besorgt Euch gleich das neue Abenteuer. Wo, erfahrt ihr am Ende der Buchvorstellungen.

Gesa Schwartz: Ophelia Nachtgesang

Planet, Stuttgart, 2021, 5 Bände in reformierter Kurz-, 6 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6247.

Ophelia ist eine Dunkle Fee, die verstorbene Seelen ins Totenreich führt. Leider geht dabei so manches schief: Mal verliert sie die Seelen, mal lockt sie mit ihrem Gesang die falschen an. Der Schwarze Zirkel gibt ihr eine letzte Chance: Sie soll den 93-jährigen Augustus Pinlin ins Totenreich begleiten. Allerdings ist Augustus ein begnadeter Magier. Und so passiert es, dass dieser einen Großteil von Ophelias magischen Fähigkeiten an sich nimmt. Und da der Alte noch eine Rechnung offen hat, bietet er ihr einen Deal an: Ophelia hilft ihm und bekommt im Gegenzug ihre magischen Kräfte zurück. Und so beginnt ein Abenteuer, das sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht hätte ausdenken können ...

Frank Maria Reifenberg: Projekt Lazarus

Edel Kids Books, Hamburg, 2021, 4 Bände in reformierter Kurz-, 6 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6248.

Noah ist 14, stammt aus eher einfachen Verhältnissen und hat es trotzdem geschafft, einen Platz im renommierten Projekt Lazarus zu ergattern. Das ist seine Chance auf eine bessere Zukunft - fern von der Wohnwagensiedlung. Doch der Preis dafür ist hoch, denn Noah wird ohne sein Wissen im scheinbar harmlosen Forschungsprojekt mit einer Künstlichen Intelligenz vernetzt. So entpuppt sich das Projekt für ihn immer mehr als wahr gewordener Albtraum. Als Noah von seinem Freund Moses, der auch Proband bei Lazarus ist, angegriffen wird und schwer verletzt im Krankenhaus landet, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Schnell wird klar, dass hier viel mehr "erforscht" wird als zunächst ersichtlich... Jetzt muss Noah sich entscheiden, ob er an seinem Traum festhalten oder die Menschheit vor den Machenschaften der Künstlichen Intelligenz-Forschung schützen will.

Für Leser*innen ab 12 Jahren.

Costa Samaras: Griechische Mythologie für Kinder

Eulogia, München, 2021, 3 Bände in reformierter Kurz-, 5 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6290.

Griechische Sagen für Kinder: Das große Buch für griechische Mythologie und griechische Geschichte. Spannende Abenteuer antiker Titanen, Götter und Helden. Legenden von Odysseus bis Herkules - spannend, kindgerecht und jeweils mit Bezug zur Gegenwart. Eine lesenswerte Lektüre für die ganze Familie.

Empfohlen ab 8 Jahren.

Frank Schwieger: Ich, Zeus und die Bande vom Olymp

dtv, München, 2018, 4 Bände in reformierter Kurz-, 5 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6291.

Jetzt reicht's! Seit fast 3000 Jahren erzählen sich die Menschen von den griechischen Göttern und Helden, was sie wollen. Aber jetzt berichten die Olympier und Heroen höchstpersönlich - von A wie Achill bis Z wie Zeus. So erfahren wir, warum der große Held Achill in Mädchenkleidern herumläuft und Apoll einen Baum umarmt, was Beauty Queen Aphrodite und ein goldener Apfel mit dem trojanischen Krieg zu tun haben und warum Ariadne die Heulsuse von Naxos genannt wird - und natürlich auch davon, wo Big Boss Zeus bei all dem seine Hände mit im Spiel hat. Dem Autor ist es sehr gut gelungen, spannende Geschichten lebhaft zu erzählen und ganz nebenbei eine Menge Wissen über die Götter und Helden der alten Griechen zu vermitteln.

Katja Brandis (Pseud. für Sylvia Englert): Woodwalkers and Friends

In horus 3/2021 hatten wir die Fantasy-Reihe "Woodwalkers" vorgestellt sowie aus der zweiten Reihe "Woodwalkers and Friends" Band 1 mit dem Titel "Katzige Gefährten". Nun sind auch die Bände 2 und 3 der zweiten Reihe erschienen. Sie können von allen gelesen werden, die die Hauptreihe "Woodwalkers" noch gar nicht kennen, da die Geschichten der beiden Reihen unabhängig voneinander sind.

Bd. 2: 12 Geheimnisse

Arena, Würzburg, 2021, 3 Bände in reformierter Kurz-, 4 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6237.

Bühne frei für Holly, Brandon, Jeffrey und Co.: 12 Hintergrundgeschichten zu den beliebtesten Woodwalkers-Figuren aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie zeigen Dir die Welt der Woodwalkers, wie Du sie noch nie gesehen hast. Begleite Deine Lieblingscharaktere bei ihren Abenteuern abseits der Clearwater-High! - Triste Weihnachtstage im Waisenhaus? Nicht mit Rothörnchen Holly! Sie hat einen Plan für das schönste Fest aller Zeiten. Jeffrey muss seine Wolfsgestalt an der Menschenschule geheim halten. Ob er mit einer waghalsigen Mutprobe endlich erreichen kann, dass ihn seine Mitschüler akzeptieren? Wapiti-Wandlerin Lou hat schlechte Erfahrungen mit Raubtieren gemacht. Trotzdem kann sie nicht aufhören, an den Pumajungen Carag zu denken. Eines haben alle gemeinsam: Für Gestaltwandler wird das Leben nie langweilig!

Bd. 3: Wilder Kater, weite Welt

Arena, Würzburg, 2022, 5 Bände in reformierter Kurz-, 7 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6289.

Die Geschichte von Kater-Wandler Dorian. Ein Leben als verhätschelte Hauskatze führen? Für den jungen Woodwalker Dorian ist das zu langweilig. Kurzerhand sagt er seiner Mutter und den beiden Geschwistern Lebewohl und bricht auf, um die Welt der Menschen zu erkunden. Dabei bekommt er es mit kratzbürstigen Artgenossen zu tun, muss akzeptieren, dass man während des Schulunterrichts kein Nickerchen machen darf, und lernt das beste Katzenfutter der Welt kennen - Kaviar! Das Leben in Freiheit ist anstrengender als gedacht, aber zum Glück helfen ihm seine Gestaltwandlerfähigkeiten immer wieder aus der Patsche.

Als Dorian von einer geheimen Wandlerschule in den Rocky Mountains erfährt, steht für ihn fest: Dort muss er hin. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden, Rothörnchen-Wandlerin Holly und Wolfsjunge Bo, begibt er sich auf die Reise quer durch Nordamerika. Doch hier fängt das Abenteuer erst so richtig an!

Aimée Carter: Animox

Oetinger, Hamburg, 2017-19. Bd. 1-4: jeweils 5 Bände in reformierter Kurz-, 7 in Vollschrift, Bd. 5: 6 Bände in reformierter Kurz-, 8 in Vollschrift.

Im Grunde ist der 12-jährige Simon aus New York ein ganz normaler Junge, abgesehen von seiner Fähigkeit, mit Tieren zu sprechen. Doch als ein Adler ihn vor den wilden Bestien des Tierreichs warnt und seine Mutter von einer Horde Ratten entführt wird, verändert sich sein Leben schlagartig. Er erfährt die Wahrheit über seine Familie und seine Gabe: Er ist ein Animox - ein Mensch, der sich in ein Tier verwandeln ("animagieren") kann. Wird auch er zum Wolf wie sein Onkel? Schon steckt Simon mitten in der erbitterten Schlacht der fünf Tierkönigreiche und erkennt bald seine wahre Bestimmung: Er muss die geheime Welt der Animox vor der Vernichtung retten ... Wer Freude an Serien wie dem "Herrn der Ringe" hat, wird auch diese neue Fantasy-Reihe mögen. Sie ist sehr spannend, aber es geht im Lauf der Geschichten auch sehr kriegerisch zu, daher empfehlen wir sie erst ab 14 Jahren.

Erschienen sind: Bd. 1: Das Heulen der Wölfe (Bestell-Nr. 6293), Bd. 2: Das Auge der Schlange (Nr. 6335), Bd. 3: Die Stadt der Haie (Nr. 6336), Bd. 4: Der Biss der Schwarzen Witwe (Nr. 6337), Bd. 5: Der Flug des Adlers (Nr. 6338).

Trisha Kelly: Hallowstone - Der Zauber der Mitternachtsstadt

Arena, Würzburg, 2021. 6 Bände in reformierter Kurz-, 8 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6262.

Hexen wohnen in Hallowstone und Werwölfe in den Mondbergen, so war es immer. Denn vermischen sich ihre Magien, wird es gefährlich. Das weiß jedes Hexenkind - auch Prue. Sie wohnt mit ihrem Vater in Hallowstone, ihre Mutter und ihr Bruder aber sind Werwölfe. Prue vermisst die beiden eines Nachts so sehr, dass sie versehentlich die magischen Schutzwälle der Stadt zerstört. Die Werwölfe stürmen herein! Zusammen mit ihren Freund*innen muss Prue die Stadt retten, wozu sie gerade mal bis Mitternacht Zeit haben. Auf ihrem gefährlichen Abenteuer stößt Prue auf Hallowstones größtes Geheimnis - und das hat viel mehr mit ihr und ihrer Familie zu tun, als sie denkt.

Bestelladresse

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Disability History: Themenheft der Zeithistorischen Forschungen erschienen

Disability History. Herausgegeben von Sebastian Barsch, Elsbeth Bösl, Gabriele Lingelbach und Raphael Rössel. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2023. ("Zeithistorische Forschungen", Jg. 19, 2022, Heft 2). 198 S.

Spannende Perspektiven und Impulse bietet Heft 2/2022 der "Zeithistorischen Forschungen": Empirische Beispiele und theoretische Reflexionen zeigen unter anderem, wie durch Disability History der Zugang zum Leben mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in unterschiedlichen politischen Gesellschaften und Kulturen gelingt. Der Band verdeutlicht, wie groß das Potenzial der Disability History für die Kultur- und Geschichtswissenschaften ist. So zieht z. B. Michael Rembis eine Verbindung zu den Mad Studies, indem er Dokumente ehemaliger Insassen von US-Nervenheilanstalten, von "mad writers", aus den Jahren 1890-1950 untersucht und deutlich macht, dass die Einrichtungen auch Räume intensiver Kommunikation waren, in denen Gegenkulturen und Beziehungen wuchsen. Esme Cleall beschäftigt sich in "Decolonising Deaf History: Harlan Lane, Postcolonialism, and Critical Colonial History" mit den Werken des US-amerikanischen Psychologen und Autors Harlan Lane (1936-2019) und stellt Bezüge zwischen Disability History und Postcolonial Studies her. In Beiträgen weiterer Autor*innen stehen etwa gehörlose Industriearbeiter*innen der 1930er-Jahre in der UdSSR, Menschen mit Behinderungen in der DDR oder Rollstühle als materielle Quellen für eine Zeitgeschichte der Mensch-Ding-Beziehungen im Zentrum.

Der Band gehört zu einer Schriftenreihe, die am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam herausgegeben wird. Er ist gedruckt im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erhältlich (Einzelheft € 30,00) und steht gleichzeitig als Online-Angebot im Open Access zur Verfügung unter https://zeithistorische-forschungen.de/2-2022

Eine ausführliche kritische Rezension des Bandes gibt es auf https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-132835

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Netzlektüre: Linktipp aus dem Internet

Von Thorsten Büchner und Sabine Hahn

SightCity - Nachlese

"Hornhautbedingte Erblindung und Sehbehinderung", "Wenn die innere Uhr aus dem Takt kommt - Warum so viele blinde Menschen schlecht schlafen", "Verrückt nach Arbeit - Wie kann berufliche Teilhabe erfolgreich gelingen?": Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen, die blinde oder sehbehinderte Menschen betreffen, gibt es anlässlich der Fachmesse SightCity, die seit vielen Jahren im Mai in Frankfurt am Main stattfindet. Vor Ort und hybrid werden vor allem Hilfsmittel und Dienstleistungen für sehbehinderte und blinde Menschen präsentiert, mehr als 20 Länder sind jedes Jahr vertreten. Wer nicht zur Messe reisen kann, sollte den YouTube-Kanal kennen. Hier finden sich zahlreiche Mitschnitte des SightCity Forums und Aussteller-Präsentationen: https://www.youtube.com/channel/UCjWM10vpvg5vPxjfxQDb4zw

Wer lieber Podcasts mag, dem seien die Interviews, Fachgespräche und Produktbesprechungen empfohlen, die Christian Stahlberg, der ehrenamtliche Hilfsmittelreferent des BBSB, auf der SightCity für seinen Podcast "Sightviews" gesammelt hat. Die über 40 Folgen können überall gefunden werden, wo es Podcasts gibt, oder auch auf den Webseiten www.sightviews.de oder www.hilfsmitteltester.de.

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Panorama

Mein Profil - ein ganz anderes Bewerbungstraining von ACCESS@KIT

Einstellungsgespräche sind für viele Bewerberinnen und Bewerber eine stressige Situation: Die Verunsicherung ist groß, wenn es darum geht, über Stärken, Schwächen oder das Interesse an einem Unternehmen zu reden. Auch die Aufforderung "Erzählen Sie mal ein bisschen von sich!" ist eine große Herausforderung. Studierende und Jobsuchende mit Seheinschränkung sind zusätzlich unsicher, wie die Sehbehinderung oder Blindheit thematisiert werden kann.

In Zusammenarbeit mit dem LWP-Trainer Marc Buddensieg bietet das Zentrum für digitale Barrierefreiheit und Assistive Technologien des Karlsruher Instituts für Technologie (ACCESS@KIT) hierzu praktische und erprobte Lösungen, die in einem zweieinhalbtägigen Seminar vorgestellt werden. Das Verfahren von Life/Work Planning (LWP) wurde speziell auf die Bedarfe von Menschen mit Seheinschränkung abgestimmt. Vom 5. bis 7. Januar 2024 lernen und üben Teilnehmende mit Seheinschränkung in Bad Herrenalb, wie sie sich effektiv und authentisch auf ein Einstellungsgespräch vorbereiten können. Im Mittelpunkt stehen die eigenen Ressourcen, d.h. Fähigkeiten, Interessen und Vorlieben und wie sie mit dem Anforderungsprofil einer Stelle bzw. dem Bedarf an qualifiziertem Personal im Unternehmen übereinstimmen. Im Anschluss können diese Methoden selbständig genutzt und vertieft werden.

Die Kosten für die Übernachtung mit Vollpension belaufen sich auf ca. 204,00 Euro. Eine zusätzliche Teilnahmegebühr entfällt.

Weitere Infos können Sie unter der Homepage: https://www.szs.kit.edu/1306.php abrufen oder per Mail unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erfragen.

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Berufliche Teilhabe von Menschen mit Long COVID

Wie Menschen mit Long COVID am Arbeitsleben teilhaben können, erklärt die neue Ausgabe von REHADAT-Wissen mit dem Titel "Von wegen nur ein Schnupfen!". Die Online-Broschüre informiert über die Erkrankung und Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung.

Long COVID bedeutet Spät- oder Langzeitfolgen nach einer Coronainfektion, wie zum Beispiel Erschöpfung, Fatigue, Gedächtnisprobleme oder Schmerzen - und das für mindestens zehn Prozent der Infizierten. Wer nach Arbeitsunfähigkeit durch Long COVID in den Beruf zurückkehrt, benötigt oft Unterstützung, um dauerhaft wieder arbeiten zu können.

Der neue Online-Leitfaden enthält Anregungen und praktische Tipps zur Beschäftigung von Menschen mit Long COVID. Er gibt einen Überblick über das Krankheitsbild und informiert zur beruflichen Wiedereingliederung und zur Arbeitsgestaltung, wie beispielsweise zu organisatorischen Anpassungen für Beschäftigte.

Interviews und Statements von Betroffenen sowie Expertinnen und Experten ermöglichen konkrete Einblicke in den Arbeitsalltag und zeigen, wie der berufliche Wiedereinstieg und die nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben mit Long COVID gelingen können.

Die Reihe REHADAT-Wissen wendet sich an Unternehmen, Beschäftigte mit Behinderungen oder Erkrankungen sowie alle Fachleute, die an ihrer beruflichen Teilhabe beteiligt sind. Die aktuelle Veröffentlichung wurde mit Unterstützung von Long COVID Deutschland und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) erstellt. REHADAT ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V., gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus dem Ausgleichsfonds.

Hier finden Sie die neue Ausgabe der Reihe REHADAT-Wissen zum Thema Long COVID: www.rehadat-wissen.de/ausgaben/12-long-covid

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LHON-Register: Eintrag über PRO RETINA Deutschland e. V. möglich

2019 wurde von PRO RETINA ein unabhängiges LHON Register ins Leben gerufen. Die Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON) ist eine sehr seltene erblich bedingte Erkrankung - jährlich erkranken in Deutschland rund 80 Personen neu. LHON führt zu einer Funktionsstörung der Sehnerven. Die Symptome zeigen sich meist zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr, wenn ein plötzlicher Verlust der Sehschärfe eintritt. Es gibt aber auch andere Verläufe mit langsameren Sehverschlechterungen, die bei Menschen jeden Alters auftreten können. Eine gute Diagnostik ist wichtig, da es eine zugelassene Therapie gibt.

Das LHON-Register ermöglicht, demographische und klinische Daten zentral zu erfassen und wissenschaftlich auszuwerten. Auf diese Weise können etwa die Verbreitung, Diagnosestellung, Risikofaktoren, Begleiterkrankungen, die Behandlung sowie deren Erfolg ermittelt werden. Wurden Patientendaten zuvor nur dezentral im Rahmen der ärztlichen Dokumentation erfasst, können mit Hilfe des Registers diese Daten zusammengeführt und für statistische Zwecke genutzt werden. Dadurch sind Ableitungen für die Diagnostik, Prognose und Heilungschancen sowie Therapie der LHON möglich. Eine Pseudonymisierung der Patienten sichert den Schutz der sensiblen Datensätze. Im Gegensatz zu international bestehenden Registern liegen die Daten in Deutschland. In speziell ausgewählten LHON-Zentren werden die Daten der LHON-Betroffenen bis zu 10 Jahre rückwirkend eingepflegt.

Ab sofort können Betroffene ihre Daten auch direkt bei der Patientenselbsthilfe PRO RETINA Deutschland e. V. eintragen lassen. Nähere Infos erhalten Sie per E-Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Außerdem hält PRO RETINA einen Flyer zum Thema bereit unter https://www.pro-retina.de/fileadmin/user_upload/5._Medien_oeffentlich/4._Seltene_Netzhauterkrankungen/LHON_Register_Flyer.pdf

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Vorbilder gesucht: Bundesteilhabepreis 2023 "Gesundheit inklusiv - barrierefreie ambulante Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen"

Der Bundesteilhabepreis wird seit 2019 jährlich durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vergeben. Mit ihm werden Vorbilder der gelungenen inklusiven Sozialraumgestaltung ausgezeichnet. Das diesjährige Thema lautet "Gesundheit inklusiv - barrierefreie ambulante Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen". Der Preis ist mit insgesamt 17.500 Euro dotiert und wird 2024 von Bundesminister Hubertus Heil im Rahmen der Inklusionstage verliehen werden. Bewerbungen sind noch bis zum 20. Dezember 2023 möglich.

Gesucht werden die drei besten Gute-Praxis-Beispiele und Modellprojekte, konkrete Konzepte und Strategien, die Vorbilder für andere Projekte sein können, besonders auch in Kommunen oder ländlichen Räumen. Im Fokus der eingereichten Projekte sollte das Zusammenspiel von Zugänglichkeit und Qualität der inklusiven Gesundheitsversorgung stehen. Besondere Relevanz haben dabei sowohl die Aspekte Prävention, Behandlung und therapeutische Versorgung als auch der persönliche Umgang und die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten. Ziel ist es, eine inklusive ambulante Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau und ohne soziale Isolation sicherzustellen.

Bewerben können sich Akteurinnen und Akteure aus dem Bereich inklusive ambulante Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen in den Handlungsfeldern Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege. Dies bezieht sich insbesondere auf Arzt-, Facharzt- und Zahnarztpraxen, Spezial- oder Fachzentren und Ärzte-Netze, Krankenhäuser und Rehakliniken mit ambulanten Angeboten, Therapeuten- und Heilpraktikerpraxen, Entwickler von digitalen Kommunikationsangeboten, Krankenkassen und Dienstleister, Schulungsanbieter für Fachpersonal, Verbände und Vereine sowie Kommunen und Regionen.

Das Bewerbungsformular, Teilnahmebedingungen und alle Infos finden Sie unter www.bundesteilhabepreis.de

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Veranstaltungstipp 2024: Louis Braille Festival

Ein in Europa einzigartiges Fest der Begegnung zwischen blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen findet 2024 in Stuttgart statt: Das Louis Braille Festival. Von Freitag, 3. Mai 2024, 14:00 Uhr bis Sonntag, 5. Mai 2024, 14:00 Uhr gibt es ein tolles Angebot aus den Bereichen Musik, Hörspiel, Comedy, Lesung, Film, Sport und Spiel. Auf dem Programm stehen aber auch Abendshows, eine Führhundlounge - und nicht zu vergessen ein Markt der Begegnungen, auf dem sich am 4. Mai die DBSV-Landesverbände sowie andere Organisationen und Einrichtungen präsentieren.

Das Festival findet im Kongresszentrum Liederhalle, zentral gelegen am Berliner Platz 1-3, statt. Veranstalter sind der DBSV, die Nikolauspflege - Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen - und der Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg e.V. (BSVW).

Die Teilnahme am Festival ist kostenfrei.

Anmeldungen sind ab sofort möglich, z. B. online über https://www.dbsv.org/lbf2024-anmeldung.html
oder über das Festivalbüro (geöffnet Montag und Mittwoch von 8:30-12:30 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 13.30 bis 17.30 Uhr), Telefon: 0711 65 64 88 99, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Wer in Stuttgart übernachten möchte, findet Informationen auf https://www.dbsv.org/lbf2024-unterkuenfte.html

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Impressum

horus 4/2023
Jg. 85 der Schwarzschriftausgabe
Jg. 97 der Brailleausgabe

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: Peter Beck, Andrea Katemann und Nina Odenius
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle
Sabine Hahn
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
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Internet: https://dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Andrea Katemann (DVBS) und
Dr. Imke Troltenier (blista)

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg
ISSN 0724-7389

Punktschriftdruck

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
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Digitalisierung und Aufsprache

Geschäftsstelle des DVBS
Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Schwarzschrift-Druck

Druckerei Schröder, Lindauer & Wolny GbR
Schuppertsgasse 2, 35083 Wetter/Hessen
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.druckerei-schroeder.de

Erscheinungsweise

Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.

Jahresbezugspreis 2024

40 Euro (Versandkosten Inland inklusiv).

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR

Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" in Punktschrift wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.

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Vorschau horus 1/2024: Schwerpunkt "Spielerisch" / Erscheinungstermin 04.03.2024 / Anzeigenannahmeschluss 26.01.2024 / Redaktionsschluss 05.01.2024


Anzeigen

Gewerbliche Anzeigen

Für gewerbliche Anzeigen oder Beilagen senden wir Ihnen gerne die horus-Mediadaten 2024 zu.

Text-Anzeigen

IPD: Professionelle Betreuung am Arbeitsplatz und Zuhause

Seit 28 Jahren ist IPD als Hilfsmittelanbieter tätig und bietet Ihnen:

  • Hilfsmittel zahlreicher renommierter internationaler Hersteller
  • Individuelle Lösungen für Braille-Arbeitsplätze, für Arbeitsplätze mit vergrößernden Sehhilfen und Software sowie für Mischarbeitsplätze
  • Individuelle Anpassungen von JAWS für spezielle Anwendungen wie Telefonanlagen, Branchenlösungen und vieles mehr
  • Auf Ihren Bedarf abgestimmte Trainings
  • Neuheiten: Im Winter 2023/2024 ist das Update auf Android 12 für die Braille Sense 6 Geräte verfügbar.

Die Envision Glasses Pro ist jetzt auch als Hilfsmittel anerkannt und kann auch über die Krankenkasse versorgt werden!

Sprechen Sie mit uns, wenn Sie auf eine qualifizierte Beratung und Betreuung rund um Hilfsmittel für Sehgeschädigte Wert legen.

Ihre IPD
Tel.: 0511 9363090
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: www.ipd.gmbh

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Com-M: Braille hat Zukunft, und wir wollen, dass das so bleibt!

Vor fast 20 Jahren ging ein Shooting Star am Hilfsmittelhimmel auf, der bald Kultstatus erreicht hat. Mit seiner 18-stelligen Braillezeile, einer 8-Punkte Brailletastatur und aller Software, die man von einem Organizer erwarten konnte, passte er in jede Handtasche, Viele trauern ihm nach, auch ich tat es lange. Aber das Trauern hat ein Ende, denn es gibt wieder so einen Kleinen mit großer Performance: Das Braille Sense 6 Mini von HIMS. Hier sind nur einige Auszüge aus seinem Steckbrief:

20-stellige Braillezeile, sehr leise 8-Punkte Brailletastatur, Webbrowser, E-Mail Client, Daisy Online, Podcasting, Terminplaner, Kontaktverwaltung, Google-Zertifizierung, Kontakte und Termine können mit Ihrem Smartphone synchronisiert werden; robustes Bereitschaftstäschchen.

Masse: 18,5 x 10,3 x 2,3 cm, Gewicht: nur 430 g.

Genau wie das Kultgerät von damals ist auch BrailleSense 6 Mini allzeit bereit, Pronto! Eben. Gerne erteilen wir Ihnen weitere Auskunft, auch Gerätetests sind möglich.

Com-M Inh. Claudia Mischler-Korz, Sonderpädagogin
Martin Mischler, blinder Hilfsmittelspezialist seit 1983
Tel.: 07764 9 333 700
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Homepage: www.com-m.de

Wir freuen uns auf Ihren Anruf!

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Schnuppertage für Schule & Ausbildung

Schnuppern macht Spaß: Reinschauen in eine Schule mit einem einmaligen Profil, ganzheitlicher Förderung, spezifischer Unterstützung, einer großen Auswahl an Bildungsabschlüssen und tollen Sport- und Freizeitangeboten!

Schnuppertage jeweils samstags von 10 Uhr bis 15 Uhr

  • 20.01.2024 - Anmeldeschluss: 10.01.2024
  • 24.02.2024 - Anmeldeschluss: 14.02.2024
  • 20.04.2024 - Anmeldeschluss: 10.04.2024

Für alle, die sich beruflich orientieren möchten: PROStart unterstützt bei der Ausbildungswahl im blista-Zentrum für berufliche Bildung

PROStart Termine:

  • 11. bis 15.12.2023
  • 29.1. bis 02.02.2024
  • 25. bis 28.03.2024
  • 13. bis 17.05.2024
  • 03. bis 07.06.2024

Bei der blista bist du richtig!

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Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS): Selbsthilfe lohnt sich!
  • Vernetzung durch Fach-, Interessen- und Bezirksgruppen
  • Beratung zu Ausbildung, Studium und Berufstätigkeit
  • Mentoring in Ausbildung, Studium und Beruf durch erfahrene, selbst von Sehbeeinträchtigung Betroffene
  • Weiterbildung in Seminaren und Tagungen
  • Arbeitsmarkt-News durch die Mailingliste "DVBS Jobservice"

Wir sind für Sie da!

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horus: Eine Lektüre mit Gewinn ...

Durch ein Abonnement der Fachzeitschrift "horus" erfahren Sie,

  • wie blinde und sehbehinderte Menschen Beruf und Alltag bewältigen und ihre Träume leben,
  • was schulische und berufliche Bildung blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen bietet,
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Wir bieten attraktive Umschulungsplätze in über 20 verschiedenen Berufen für die berufliche Neuorientierung an.

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Bildbeschreibung: Es ist eine Gruppe von drei RehaTechnik Mitarbeitern, zwei Männer und eine Frau, zu sehen, die freundlich in die Kamera schauen.

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Bild: Bunte Grafik eines bärtigen Mannes mit dunkler Brille und weißem Langstock, der an einer belebten Straße steht. In der Brusttasche ein Smartphone, das Signale aussendet, im Hintergrund eine Großstadt.

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